Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

Wiederbeginn: 14.01 Uhr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Mittagspause. Wir fahren mit unserer Tagesordnung fort. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung: Vorlage eines Nachtragshaushalts 2002/2003 und eines Berichts über die Folgen und Wirkungen der Versprechen von Bundesfinanzminister Eichel zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien für die Finanzplanung des Landes - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3194

Herr Kollege Wulff, Sie haben das Wort zur Einbringung. Bitte schön!

(Zuruf von der SPD: Ich würde lieber Herrn Rolfes hören!)

Das haben wir uns gedacht. Er kommt auch gleich noch, dann werden Sie sich noch wundern. Ich hoffe, dass die Bemerkung im Protokoll gestrichen werden kann, aber sie war möglicherweise trotzdem wahr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, dass sich bei allem Ringen um den besten Weg Fragen an den Ministerpräsidenten und die Landesregierung aufdrängen. Warum hat es während des BEBProzesses keine Gespräche über Möglichkeiten gegeben, auf die BEB einzuwirken und mit ihr einen Vergleich zu erzielen? Warum hat es mit der BEB und den anderen Bundesländern keine Gespräche über die von uns vorgeschlagenen Regelungen gegeben, nämlich im Einvernehmen mit den anderen Ländern gegebenenfalls Förderzinszahlungen der letzten zehn Jahre abzusenken und somit den Prozess für alle Jahr für Jahr erträglich zu machen? - Es gab am Ende des Instanzenzuges nur eine nachteilige Entscheidung, ohne dass man versucht hätte, sie zu vermeiden.

Herr Aller, warum hat es keine Gespräche mit den anderen Bundesländern und dem Bundesfinanzministerium hinsichtlich deren rechtlicher Einschätzung im Falle einer Verurteilung gegeben? Warum war es Ihnen nicht möglich, gestern oder in den letzten Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren die Vorsitzenden der Landtagsfraktionen dieses Hauses einmal einzuladen, um über die für unser Land so dramatische Lage zu sprechen?

(Beifall bei der CDU - Unruhe bei der SPD - Zuruf von der SPD: Das ist ei- ne Unverschämtheit!)

Einmal habe ich um ein Gespräch bei Herrn Gabriel ersucht. Ich hätte es absolut stark gefunden, wenn bei allem Streit zwischen den Parteien und Fraktionen über solche existenzielle Fragen der Prozessführung auch die Regierung einmal eingeladen und gesagt hätte: Wir suchen das Gespräch über Fraktionsgrenzen hinweg.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Uns steht eine lückenlose Dokumentation aus dem Haushaltsausschuss zur Verfügung. Daraus ergibt sich schlichtweg, dass hier gepokert und auf Zeitgewinn gespielt worden ist sowie auf einer Rechtsposition beharrt wurde. Im Ergebnis haben Sie verloren und erklären jetzt, dass das von Herrn Eichel Vorgeschlagene verkraftbar sei, obwohl Sie überhaupt keine Vorsorge getroffen, keine Rücklagen gebildet und keine Spielräume erwirtschaftet haben, um damit fertig zu werden. Diese Taktik ist für uns nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage mich, wie Sie sich verhalten hätten, wenn es um Ihr privates Vermögen gegangen wäre und wenn es ein privater Prozess gegen Sie, Herr Aller, oder Sie, Herr Gabriel, gewesen wäre. Wie hätte man sich dann verhalten? - Diese Frage stelle ich mir seit langer Zeit. Man hätte im privaten Fall Rücklagen gebildet und natürlich verhandelt und Vergleichsmöglichkeiten ausgelotet und versucht, die anderen Beteiligten vor Verurteilung mit ins Boot zu ziehen. Man hätte alles getan, um einen glimpflichen Abschluss eines so schwierigen Verfahrens zu erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Dass Sie bewusst einen anderen Weg beschritten haben, zeigt mir, dass Sie mit fremder Leute Geld - mit dem Geld der Steuerzahler - eben anders umgegangen sind, als Sie mit dem eigenen umgegangen wären. Das ist besonders verwerflich, weil wir in Bezug auf das Geld der Steuerzahler eine besondere Vertrauensstellung haben. Mit dem eigenen Geld können wir machen, was wir wollen, aber mit dem Geld der Steuerzahler müssen wir im Interesse des Landes besonders verantwortungsbewusst umgehen.

(Beifall bei der CDU)

Ich meine, dass Sie wenigstens eine Sekunde lang über Ihr gestriges Verhalten gegenüber dem Parlament und der Opposition nachdenken sollten. Anträge, Bitten und Wünsche, über ein Thema wie dieses seriös zu debattieren, sind dreimal niedergestimmt worden. Das habe ich als Tiefpunkt politischer Kultur in diesem Hause betrachtet.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD: Sie wollen ja gar nichts verste- hen!)

Der eigentliche Kern Ihrer Taktik des „Augen zu und durch“ bei dieser und anderen Fragen ist, dass Sie letztlich inhaltlich ausgebrannt sind, ist letztlich Ihre argumentative Schwäche. Man kann mit Händen greifen, dass Sie das Schiff Niedersachsen auf Grund gesetzt haben und dass Ihnen jegliche Kraft fehlt, dieses Schiff wieder flott zu machen.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD)

Ich lege Wert auf die Chronologie. In diesem Hause wurde der Opposition über Jahre hinweg auf vielfaches mündliches und schriftliches Nachfragen erklärt, die Rechtsposition sei eindeutig. Der

Niedersächsische Finanzminister hat uns erklärt, dass die Bundesregierung diese Rechtsposition teile und bestätigt habe. Er hat uns noch 1998 schriftlich gegeben, dass das Kassenprinzip im Falle der Verurteilung gelten würde. Jetzt muss Finanzminister Aller zugeben, dass der Bund diese Rechtsauffassung in den Finanzministerkonferenzen nicht vertreten hat und dass sich alle anderen 15 Bundesländer gegen die Rechtsauffassung Niedersachsens gestellt haben.

Am 7. März 2002 - also vor wenigen Tagen - hat die Landesregierung erklärt:

„Niedersachsen bleibt bei seiner Auffassung, dass der Bund die Abrechnung auf der Basis von 1,26 Milliarden Euro zum 15. März umsetzen müsse. Ein gerichtliches Nachspiel sei wahrscheinlich, Niedersachsen schlage ein geordnetes Verfahren über einen Musterprozess vor. Dieser wäre das transparenteste, schnellste, günstigste und fairste Verfahren. Die Niedersächsische Landesregierung würde dabei auch entschlossen für die Interessen des Landes eintreten. Das Finanzausgleichsgesetz regele unmissverständlich, dass nur gegenwärtige Entwicklungen im Finanzausgleich berücksichtigt würden. Damit sei die Rückzahlung in vollem Umfang ein Fall für den Finanzausgleich. Die Landesregierung sei sehr zuversichtlich, dass diese Position gerichtlich bestätigt werde.“

Am 13. März 2002 - wenige Tage später - erklärte der Niedersächsische Ministerpräsident zur Frage 3 der CDU-Landtagsfraktion, der Bund habe nunmehr angeboten, vorläufig 762 Millionen Euro im Länderfinanzausgleich zu verrechnen. Dieses Ergebnis sei „besser als erwartet“. Ministerpräsident Gabriel bezeichnete den Vorschlag des Bundesfinanzministers als salomonisches Urteil, mit dem das Land leben könne. Die HAZ berichtet heute: „Fröhlich tritt er vor die Presse.“ Die Presseerklärung des Finanzministers ist überschrieben: „Der Kompromiss entlastet Niedersachsen.“

(Heiterkeit bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wer vor sieben Tagen erklärt hat, es sei sicher, dass 1,26 Milliarden Euro eingestellt werden müssten, der jubelt, wenn

762 Millionen Euro eingestellt werden! Innerhalb von sechs Tagen haben wir 800 Millionen Euro verloren. Das wird von Ihnen begrüßt und als verkraftbar bezeichnet. Sie täuschen die Menschen in unserem Land darüber, dass wir 1 Milliarde mehr als geplant verkraften müssen, dass die Zustimmung der anderen Länder völlig in den Sternen steht und dass uns das Prozessrisiko vermutlich noch lange Zeit voll erhalten bleibt.

(Dr. Schultze [SPD]: Nun kommen Sie mal zur Sache!)

Ich will damit sagen, lieber Wolfgang Schultze, dass dies kein Anlass zum Jubeln ist, wie die Fraktion der SPD gestern meinte deutlich machen zu müssen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will Ihnen auch sagen, warum: Weil die Menschen draußen im Lande, die Bürger in unserem Lande Niedersachsen, die Nase schlichtweg voll haben

(Beifall bei der CDU)

von der Kurzatmigkeit und Sprunghaftigkeit, die Sie hier an den Tag legen.

(Zuruf von Wegner [SPD])

- Herr Wegner, Sie brauchen nicht aufzustehen, wenn ich hier spreche. Sie brauchen hier einfach nur zuzuhören oder können draußen Ihren Kaffee trinken. Das sind die beiden Möglichkeiten, zwischen denen Sie wählen können.

(Beifall bei der CDU)

Am 15. Mai 2001 hat die größte Zeitung unseres Landes, die HAZ, kommentiert:

„Sein liebster Begleiter beim Marsch durch die vielen Themen der Bundeswie auch der Landespolitik ist die Fanfare. Erst ein schriller Alarmton, dann folgen die Verhandlungen mit den anderen Ländern und dem Bundesfinanzminister. Erst das schlagzeilenträchtige Nein, dann, etwas stiller, der Rückzug. Gabriel greift dabei so oft zur Fanfare, dass nur Zeitgenossen mit ausgeprägtem Gedächtnis mitbekommen, wann und wo der Regierungschef wieder mal klein beigibt. Gabriel vertraut auf die

Kurzlebigkeit von Nachrichten und schafft wohl auch deshalb ständig neue.“

Ich sage Ihnen: Dieser Politikstil schadet unserem Land, und er ist uns auch schlichtweg zu teuer, Herr Gabriel. Sie kommen uns zu teuer. Das kann sich unser Land nicht leisten, wenn Sie so verhandeln.

(Beifall bei der CDU)

Jeder, der sich ein wenig Sensus für Musik erhalten hat, der weiß, dass man mit Fanfaren und schrillen Tönen nur allzu selten wirklich gelungene Musik komponieren kann. Es gibt Zwischentöne, es gibt halbe Töne, und es gibt Tonleitern mit tiefen und hohen Tönen. Genau diese Klaviatur beherrschen Sie nicht, auch nicht im Zusammenspiel mit dem Bund und den anderen Ländern. Das größte Problem für unser Land ist, dass die wichtigste Stelle fehlbesetzt ist.

(Beifall bei der CDU - Wegner [SPD]: Schade, dass Sie keinen politischen Einfluss haben, Herr Wulff! Sonst könnten Sie dem Land helfen!)

- Lieber Herr Wegner, ich weiß nicht, für was Sie hier eingeteilt sind. - Wenn man seit dem 5. Dezember 2001 verhandelt und am Ende ein Ergebnis von 1 : 15 mit nach Hause bringt, dann muss man sich irgendwann einmal fragen, ob man selbst der Geisterfahrer ist oder ob die anderen alle zu Geisterfahrern geworden sind. Dieses Phänomen haben Sie mit Ihrer Landesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Da auch in der Kollegenschaft der SPD die HAZ gelesen wird, was ja auch gut so ist, wissen Sie natürlich, dass es am 11. September 2000 einen Warnschuss gegeben hat. Seinerzeit ist Ihnen sozusagen schon einmal die gelbe Karte gezeigt worden, bevor es zu teuer wurde. In der HAZ war nachzulesen:

„Das Wort ‚umtriebig‘ passt wohl am besten zu Gabriel. Er scheint anlaufen zu wollen gegen eine SPD, die nach zehn Jahren in der Landesregierung verschlissen und personell ausgeblutet ist.“

Hier ist vermerkt, dass Sie sich wehren müssen. Es kann aber trotzdem richtig sein.

„Er scheint sich und anderen stets beweisen zu wollen, dass er seinen Job kann. Sein Stil hinterlässt Opfer, frustrierte Minister und schweigende Mitarbeiter, die Ärger in sich hineinfressen, statt zu widersprechen. Partei und Fraktion folgen ihm zwar, aber aus Loyalität, nicht aus Begeisterung.“