Tagesordnungspunkt 8: Einzige (abschließende) Beratung: Zehn Punkte zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2657 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sozial- und Gesundheitswesen - Drs. 14/3245
Tagesordnungspunkt 9: Einzige (abschließende) Beratung: Arbeit und Beschäftigung für Jugendliche fördern und orientieren statt sanktionieren - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2662 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sozial- und Gesundheitswesen - Drs. 14/3246
Die Anträge der Fraktion der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurden am 13. September 2001 an den Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung zu diesem Tagesordnungspunkt ist nicht vorgesehen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion ist bei der Behandlung dieses Themas wahrlich ziemlich ratlos. Wenn wir wissen, dass wir dieses Plenum seit mehreren Jahren mit Initiativen, mit Anträgen und mit Vorschlägen - wenn es gestattet ist, den Begriff zu verwenden - quasi bombardieren, dann ist es nicht zu verstehen, dass die SPDFraktion in den Ausschüssen durchgesetzt hat, alle unsere Vorschläge abzulehnen. Es kann Ihnen als Sozialdemokratie, die Sie in unserem Land Verantwortung tragen, doch nicht egal sein, dass wir Spitzenreiter bei der Arbeitslosigkeit der jungen Menschen unter 25 Jahren in Westdeutschland sind und sich trotz aller Presseerklärungen der Sozialministerin an dieser Situation rein gar nichts verändert: 372 456 arbeitslos gemeldete Menschen - 9,6 % - und darunter - das ist besonders Besorgnis erregend - 45 791 - 10,1 % - arbeitslos gemeldete Jugendliche; das sind 1 196 mehr als im Vorjahresmonat. Nur Schleswig-Holstein hat in Westdeutschland momentan einen schlechteren Wert.
Wir erleben - auch in den vergangenen Tagen Presseerklärungen der Sozialministerin, aus denen wir ersehen, dass jetzt richtigerweise im Haushalt Millionen Euro für Programme wie RAN, RABaZ, Jugendwerkstätten, Arbeit und Qualifizierung bereitgestellt werden. Aber in der Beantwortung der in der letzten Plenarsitzung gestellten Anfrage unserer Fraktion nach einer Erfolgskontrolle der eingesetzten Mittel und nach Vergleichbarkeit, nach Benchmarking und Best practice - wer in Niedersachsen die größten Erfolge in welchem Bereich erzielt hat - hat die Landesregierung erklärt, dass sie dazu nichts sagen könne, dass sie davon nichts wisse und dass sie das nicht kontrolliere und überprüfe.
Fakt ist, dass der Ministerpräsident unseres Landes als sein wichtigstes politisches Ziel jetzt mehrfach ein so genanntes Aktionsbündnis verkündet hat, um die Zahl der jungen Menschen unter 25 Jahre, die länger als fünf Monate arbeitslos sind, zu halbieren. Aber auf diesem Weg der Halbierung - das ist ja ein löbliches Ziel - ist Niedersachsen keinen Millimeter vorangekommen.
Im Juli 2001 gab es 9 343 junge Menschen in dieser Gruppe der Langzeitarbeitslosen, und im März dieses Jahres ist diese Zahl wieder auf über 9 000 gestiegen, also quasi auf den Ausgangswert zu
rückgekehrt. Niedersachsen muss doch acht Monate nach Beginn dieses anspruchsvollen Aktionsbündnisses auch einmal Bilanz ziehen und fragen, ob man in die richtige Richtung vorangekommen ist!
Der DGB-Landesvorsitzende in Niedersachsen und Bremen, Herr Tölle, hat nicht zu Unrecht darauf hingewiesen, dass es nicht ausreiche, so etwas zur Chefsache zu erklären, und hat dann wörtlich gesagt: Da hat man oft das Gefühl, das war es dann auch schon. - Genau dieser Eindruck entsteht in Niedersachsen, draußen im Lande: dass Sie etwas zur Chefsache erklären, dass Sie eine Überschrift, eine Schlagzeile produzieren, sich dann aber ausschließlich auf bunt bebilderte Hochglanzbroschüren konzentrieren, nicht aber auf die Menschen, die unserer Hilfe bedürfen.
Ich sage es hier in aller Offenheit: Wir haben an Ihrer Amtsführung, Frau Trauernicht, Einiges auszusetzen, so z. B. an dem Umgang mit Ihrem Haus, wo Sie die Parole ausgeben: Ich fahre ins Land hinaus, mache Termine und brauche nur Überschriften und Botschaften. - Im Sozialministerium ist das sozusagen das geflügelte Wort: Frau Ministerin braucht Botschaften. - Wir kritisieren, wie Sie mit Beschäftigten des Hauses umgehen, wie das Klima in Ihrem Hause ist, aber auch wie Sie mit dem Parlament und der Opposition umgehen. Es ist einfach nicht in Ordnung, den sozialdemokratischen Abgeordneten Sachverhalte mitzuteilen und Ihre Informationen den anderen Mitgliedern des Parlaments nicht zur Verfügung zu stellen.
(Plaue [SPD]: Wie bitte? Wenn Sie zu faul sind, nachzufragen? Unerhört! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Hier wird Aktionismus betrieben - ich nenne beispielhaft die Jugendbüros -, und hier wird versucht, die Versäumnisse in der Arbeitsmarktpolitik bei dem Bemühen, zu qualifizieren und zu vermitteln, zu verdecken.
Ich sage Ihnen deutlich: Wir erwarten, dass Sie sich an Fakten messen lassen und Probleme des Landes lösen, Ihre Arbeit machen, aber nicht in erster Linie Parteipolitik betreiben.
Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, was in diesem Hause wirklich unerhört ist. Herr Viereck, unerhört
ist, dass wir gleich eine abschließende Abstimmung in der zweiten Beratung haben werden, in der Sie es ablehnen, jedem arbeitslosen Jugendlichen einen individuellen Betreuer zuzuordnen, der ihn motiviert, anstatt ihn nur zu verwalten, der ihm Auswege aus der Arbeitslosigkeit aufzeigt und einen persönlichen Hilfeplan erarbeitet.
Sie lehnen diesen Vorschlag gleich ab. Sie lehnen es gleich ab, den Kommunen bei der Durchführung von Maßnahmen der Errichtung von Koordinierungskreisen und Service-Agenturen zu helfen,
und wollen sich lediglich Ihrer Planung, der Einrichtung von Jugendbüros, verschreiben, mit der Sie eine gute und richtige Idee von CDULandkreisen in Ihre Programmatik übernommen haben – das begrüßen wir - und landesweit durchsetzen.
Aber es kommt noch schlimmer: Sie lehnen es gleich ab, sich zusammen mit den Kommunen und Tarifpartnern für die Umsetzung eines Landeskombilohnprogramms einzusetzen. Damit könnte der Anteil der öffentlichen Förderung erhöht werden, um so den Arbeitgebern die Einstellung schwer vermittelbarer Jugendlicher zu erleichtern. Wir hatten bei den Haushaltsberatungen Ende vergangenen Jahres genau für diesen Zweck eines Landeskombilohnprogramms 20 Millionen Euro vorgesehen, was Sie abgelehnt haben.
Jetzt möchte ich doch einmal daran erinnern, was wir jetzt schon seit mehreren Jahren auf den Neujahrsempfängen der IHK erleben. Bezogen auf den ersten Neujahrsempfang der IHK Hannover-Hildesheim und auf die Rede von Sigmar Gabriel vor der Wirtschaft des Kammerbezirks lautete die Überschrift in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung im Jahr 2000: Wir wollen Vorreiter bei Kombilohnmodellen in Deutschland werden.
sche SPD-Ministerpräsident überhaupt keines Problems ausgesetzt gesehen, als er genau dieses in den Mittelpunkt seiner Rede gestellt hat. Die Überschrift im Januar lautete: Wir wollen bundesweit Spitzenreiter bei Kombilohnprogrammen in Deutschland werden. Da wollen wir führend sein und anderen etwas vormachen. Bis heute ist auf diesem Feld so gut wie gar nichts passiert. Insofern muss verhindert werden, dass Sie im Jahr 2004 auch nur die Gelegenheit haben, in der nächsten Legislaturperiode erneut solche Ankündigungen zu machen, ohne ihnen irgendetwas folgen zu lassen.
Wir haben in einer sehr sachlichen und sehr überzeugenden Art und Weise dargelegt, dass man lernschwache Jugendliche bereits in der Schule fördern muss: mit Unterrichtsversorgung an den Hauptschulen, mit berufspraktischer Ausrichtung an Haupt- und Sonderschulen. Dazu gehören spezielle Förderkonzepte, gerade auch bei der Vermittlung der deutschen Sprachkenntnisse. Dazu müsste das Ziel in den Mittelpunkt gerückt werden, die Zahl der Jugendlichen zu halbieren, die die Schulen - auch in diesem Sommer wieder - ohne Schulabschluss verlassen und damit quasi eine Eintrittskarte in die Sozialhilfebedürftigkeit und Arbeitslosigkeit erhalten.
Sie lehnen sogar die in unserem Antrag geforderte Unterstützung der Einrichtung landesweiter Ausbildungsplatzbörsen ab. Gerade dieses Instrument ist aber eine Chance, Jugendliche, die auf der Suche nach einer Ausbildung sind, genau dem zuzuführen, der ihnen den maßgeschneiderten Ausbildungsplatz oder zumindest die Vorbereitung auf eine Ausbildung bieten kann. Wie armselig sich in Niedersachsen an Presseerklärungen festgeklammert wird, kann man auch daran sehen, dass die Ministerin jüngst wieder erwähnt hat, dass die Jugendbüros jetzt 200 junge Leute in Arbeit oder Ausbildung vermittelt haben. Das ist ein erfreulicher Tropfen auf den heißen Stein. Damit wird der Eindruck erweckt, dass die Dinge bei dem Problem der Jugendarbeitslosigkeit in diesem Lande auf einem guten Weg seien. Das ist aber nicht der Fall, es sei denn, Sie würden unseren Antrag nicht ablehnen, sondern beschließen.
Sie reduzieren ständig Ihre Ansprüche. Im August verkündeten Sie, dass Sie landesweit 1 500 Jugendliche in den Arbeitsmarkt integrieren wollen.
Im April sprechen Sie nur noch von 1 000, und wir müssen befürchten, dass Sie demnächst nur noch von 200 sprechen. Natürlich darf jeder einmal locker daherreden. Jeder darf einmal nicht ganz Herr seiner Äußerungen sein. Jeder kann einmal etwas sagen, das er hinterher vielleicht bereut. Aber Sie müssen doch einfach begreifen, wie Sie mit der Öffentlichkeit im Lande umgehen. Wenn der Niedersächsische Ministerpräsident Gabriel bis Sonntag in Sachsen-Anhalt in Reden gesagt hat, dass Herr Höppner wieder Ministerpräsident werden soll, weil er erfolgreich war, dann ist es schon eine Verhöhnung der Öffentlichkeit und der Bevölkerung in Deutschland, dass wir am Montag in der Neuen Presse lesen mussten, dass die Arbeit von Herrn Höppner vier Jahre lang grottenschlecht war und es deswegen kein Wunder ist, dass er abgewählt wurde. So steht es im Interview mit der Neuen Presse.
Da müssen Sie sich wirklich fragen, ob es uns auch in diesem Bereich so geht, dass Sie sich irgendwann, wenn Sie abgewählt sind, hier hinstellen und erklären, Herr Viereck: Wir wollten es vorher nicht sagen, aber wir wussten, dass wir bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit grottenschlecht waren.
Die Vermittlung Jugendlicher in Ausbildung und Arbeit ist eine staatliche Pflichtaufgabe. Darum haben wir uns zu kümmern, und deshalb sind wir darüber arg erschüttert, dass Sie unsere Vorschläge abermals ablehnen. Wir werden das Parlament aber weiterhin damit befassen, weil wir dieses Thema als ein vorrangiges Thema auf der Tagesordnung der Landespolitik einordnen.
(Beifall bei der CDU - Viereck [SPD]: Warten Sie einmal ab, was am 2. Februar zu Ihrer Person gesagt wird!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mir geht es zurzeit offen gestanden so, dass mir die Debatten mit der SPD-Fraktion zum Thema „Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ einen Text von
Bertholt Brecht in Erinnerung rufen, und zwar den Text „Lob des Zweifels“. Dort führt Brecht die Figur des Unbedenklichen ein, der niemals zweifelt, dessen Verdauung glänzend und dessen Urteil unfehlbar ist, der nicht den Fakten, sondern nur sich selber glaubt. Im Notfall müssen dann die Fakten daran glauben.
Die Fakten müssen offenbar daran glauben. Herr Wulff hat es erwähnt: Niedersachsen liegt unter den westdeutschen Flächenländern mit 10,1 % arbeitslosen jungen Menschen unter 25 Jahren am unteren Ende der Skala. Trotzdem, meine Damen und Herren, lehnen Sie alle Vorschläge der anderen Fraktionen ab. Trotzdem führen Sie sich - von keinem Zweifel angekränkelt - hier auf, als seien Sie die Champions in Sachen Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und als seien Sie die geborenen Arbeitsmarktspezialisten, die alle Vorschläge anderer Fraktionen als narzisstische Kränkung betrachten, die deswegen in jedem Fall abgelehnt werden müssen.
Möglicherweise ist das gut für Ihren Psychohaushalt. Für die arbeitslosen Jugendlichen ist es jedenfalls ganz schlecht. Wir haben - das ist gesagt worden - im März dieses Jahres in Niedersachsen 370 000 Arbeitslose, darunter 45 000 Arbeitslose unter 25 Jahren. Ihnen stehen aber nur 50 000 offene gemeldete Stellen gegenüber. Deswegen muss man einfach einmal zur Kenntnis nehmen: Sie können noch so viele Jugendbüros einrichten und die Infrastruktur für Vermittlung verbessern, dadurch schaffen Sie für die arbeitslosen Jugendlichen noch keinen einzigen neuen Arbeitsplatz.
Unsere Landesinitiative „Orientierungszeit“, die wir in unserem Entschließungsantrag vorgeschlagen haben, wendet sich an die Jugendlichen, die aufgrund dieser schwierigen Arbeitsmarktlage in absehbarer Zeit voraussichtlich keinen Arbeitsplatz finden werden. Mit Hilfe einer Analyse ihrer individuellen Fähigkeiten und Defizite sollen sie die Möglichkeit haben, durch Praktika, aber auch durch Engagement in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen Erfahrungen zu sammeln, Kontakte zu knüpfen, soziale Kompetenzen zu