Protokoll der Sitzung vom 23.04.2002

ganz aktiv unsere Interessen für den Mittelstand in die Diskussion über Basel II einbringen.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich noch eines sagen: Aktives Krisenmanagement ist das Gebot der Stunde. Darüber hinaus denkt die Landesregierung aber natürlich auch weiter. Wir wollen Strukturreformen für morgen wagen. Wir wollen nicht nur die in Not geratenen Unternehmen ins Visier nehmen, sondern wir wollen auch die Gründer, wir wollen die wachstumsträchtigen Unternehmen fördern. Wir werden das mit dem Mut zu durchgreifenden Reformen auch in der Wirtschaftsförderung tun. Deshalb werden wir eine Investitionsbank für dieses Land gründen. Wir werden unseren Unternehmen auf diese Art und Weise noch mehr Service bieten. Wir werden innovative, neue Finanzierungsinstrumente auflegen können. Wir werden eine noch aktivere Struktur- und Regionalpolitik für dieses Land gestalten.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben den Mut und die Kraft zu durchgreifenden Reformschritten auch in der Wirtschaftsförderung, auch in der Wirtschaftspolitik. Wir machen unseren Unternehmen deutlich, dass wir nicht nur hart arbeiten, sondern vor allem auch nach vorn denken. Das ist die Botschaft, die die Landesregierung an die Unternehmen aussendet.

Insofern passt es in das Umfeld, dass die Frühjahrsumfrage, die die niedersächsischen Industrieund Handelskammern gerade veröffentlich haben, ergeben hat, dass sich das Geschäftsklima in Niedersachsen in den vergangenen Wochen deutlich verbessert hat, dass zwei Drittel der Unternehmen inzwischen von einem verbesserten Geschäftsklima ausgehen. Da Sie alle ebenso wie ich wissen, dass das Geschäftsklima der beste Frühindikator für die Konjunktur ist, können wir festhalten, dass Niedersachsen voll am konjunkturellen Aufschwung teilhaben wird. Die Landesregierung wird diesen Prozess nachhaltig und tatkräftig unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Unruhe)

Meine Damen und Herren, es ist ziemlich viel Grundunruhe im Hause.

(Zurufe von der CDU – Glocke des Präsidenten – Möllring [CDU]: Das war Wirtschaftspolitik à la Höppner! – Gegenruf von Adam [SPD]: War das der junge Mann aus Hildesheim mit dem Zwischenruf? – Biel [SPD]: „Jung“ stimmt, „Mann“ musst du of- fen lassen! – Adam [SPD]: Der sollte ganz ruhig sein!)

Das Wort hat die Abgeordnete Steiner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beweihräucherung, die wir gerade wieder von Frau Ministerin Knorre gehört haben, wird den Problemen nicht gerecht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU – Widerspruch bei der SPD)

Herr Wulff, Sie von der CDU-Fraktion sind nicht die Einzigen, die sich angesichts der Veränderungen im Bankenbereich Sorgen machen. Wir diskutieren bereits seit über einem Jahr auch in diesem Landtag darüber, was Basel II insbesondere für mittelständische Unternehmen, für kleinere Unternehmen und ganz besonders für Existenzgründer bedeuten wird. Ich erinnere daran, dass ein entsprechender Antrag zur Beratung ansteht, der endlich einmal im Plenum erscheinen müsste, sobald der Wirtschaftsausschuss seine Beratungen dazu abgeschlossen hat. In der Anhörung zu diesem Antrag ist eine ganze Reihe von Anregungen in punkto Rating vorgetragen worden, was an dem Basel-II-Abkommen, insbesondere hinsichtlich der Frage, wie man die Vorgaben für die Banken beeinflussen kann, zu verändern wäre, wenn man die Situation für den Mittelstand günstiger gestalten will. Es kann nicht angehen – das hat auch die Anhörung ergeben -, dass die Deutsche Bank keine Kreditgeschäfte mehr im Baugewerbe macht. Wo gibt es denn so etwas? Das sollen dann wohl die Sparkassen und die Raiffeisenbanken machen.

An dieser Stelle ist auch zu erwähnen – das ist nicht nur eine niedersächsische Frage -, dass sich die Bundesregierung für eine Überarbeitung von Basel II eingesetzt hat und dabei auf europäischer Ebene einen relativen Konfliktkurs gefahren hat. Manches, was vom Bundeskanzler gegenüber der EU-Kommission in Angriff genommen wird, kann man für bedenklich halten, manchmal, wie in diesem Fall, ist das aber absolut richtig. Anderenfalls

stünde am Ende ein Ergebnis, das den Mittelstand und insbesondere die kleineren Unternehmen extrem benachteiligt, die im Wesentlichen Dienstleistungen erbringen und über viel zu wenig Kapital verfügen, um bei einem Rating und bei Kreditbemühungen anständig abzuschneiden.

Ich habe mich gewundert, Herr Wulff – das war ja einmal etwas Neues -, dass Sie nicht gleich noch einen Rundumschlag auf die Bundesregierung gemacht und die aufgrund der Steuergesetzgebung schlechte Situation beklagt haben. Es war aber auch klug, dass Sie das nicht getan haben. Denn alle Erfahrungen zeigen, dass die Steuerreform der Bundesregierung zumindest dazu geführt hat, dass sich sowohl die Situation für Kapitalgesellschaften als auch für Personengesellschaften – das unterstreiche ich – im Jahre 2001 verbessert hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir dürfen bei all den Differenzen, bei dem gesamten Streit um die Benachteiligung von Personengesellschaften nicht vergessen, dass es unter der vorherigen Bundesregierung 16 Jahre lang nicht nur Stillstand, sondern sogar Rückentwicklung gab und mit dieser Steuerreform erst einmal bestimmte Verkrustungen in der Steuergesetzgebung aufgebrochen werden mussten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun zu Niedersachsen. Das gesamte System der Kreditbeschaffung für den Mittelstand ist ein zentrales Problem. In jedem Land gibt es Förderbanken, Bürgschaftsbanken, es gibt die KfW, es gibt bundesweit mehrere Institutionen. In diesem Bereich ist es zunächst einmal erforderlich, sowohl bundesweit als auch auf Landesebene die Aktivitäten zu bündeln. Bemühen Sie sich einmal – auch wenn seitens des Wirtschaftsministeriums damit geworben wird, alles sei transparent und es gebe mittlerweile völlig transparente Wirtschaftsförderrichtlinien, die aber weder wir noch die betroffenen Unternehmen so richtig kennen - um Bürgschaften oder Kredite. Das ist ein dorniger Weg.

In Niedersachsen haben wir die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft. Wir müssen allerdings feststellen - auch das ist in der Anhörung deutlich geworden -, dass das Volumen an Beteiligungen, das Volumen an Bürgschaften zwar drastisch ausgeweitet werden muss, dass die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft damit aber allein schon von der Ausstattung her völlig überfordert ist.

Wir können nicht immer nur darauf warten, dass die Wirtschaftsministerin ankündigt, dass das Investitionsbankprojekt nun aber bald auf den Weg gebracht wird, sondern wir brauchen auch ihre Unterstützung, dass sich die Sparkassen und Raiffeisenbanken zu starken Regionalbanken zusammenschließen, die dann auch die Kreditvergabe regional steuern können.

Darüber hinaus brauchen wir - das möchte ich bei dieser Diskussion über die Investitionsbank, wenn es um Kreditgarantien und Beteiligung geht, auch berücksichtigt wissen - auch Institute, an denen sich die Wirtschaft beteiligt. Das scheint auch machbar zu sein; in anderen Bundesländern gibt es so etwas jedenfalls. Es kann nicht immer nur an den Staat oder an das Land Niedersachsen appelliert werden, sondern man kann auch im institutionellen Rahmen unter Beteiligung der niedersächsischen Wirtschaft und der Banken etwas auf den Weg bringen, das die Situation des Mittelstandes in Bezug auf Kerditvergaben mit Sicherheit überschaubarer und transparenter und das die Zukunftsperspektiven berechenbarer machen würde.

Insofern kann ich nur sagen, Sie haben keinen Grund zur Beweihräucherung, sondern Sie haben zu wenig Mut bewiesen. Sie haben lange daran gearbeitet, aber noch immer ist nichts dabei herausgekommen. Sie machen im Wesentlichen eine Marketingoffensive bei der Verteilung der Gelder aus dem Wirtschaftsförderfonds, aber das kann ja wohl nicht alles gewesen sein.

Eine Konzeption für die Wirtschaftsförderung, die über die finanzielle Unterstützung hinausgeht, fehlt. Das vorhandene Geld wird nicht mit größtmöglicher Effektivität gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen eingesetzt, die derer am meisten bedürfen. Hier sehen meine Fraktion und ich allergrößten Handlungsbedarf. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Schurreit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, auf welcher Veranstaltung wir uns hier befinden.

(Möllring [CDU]: Im Plenum!)

Eigentlich ist es doch die Aktuelle Stunde. In der Aktuellen Stunde - ich darf Ihnen das noch einmal erklären - soll ein aktueller Sachverhalt dargestellt werden. Deshalb möchte ich Sie daran erinnern, dass sich die SPD-Landtagsfraktion schon am 13. Februar 2001 dieses Thema mit einem Antrag angenommen hat. Mit diesem Antrag will sie den Landtag beauftragt wissen, zu diesem Thema, das von Ihnen durchaus richtig analysiert worden ist -

(Möllring [CDU]: Den Landtag?)

- Die Landesregierung natürlich, Herr Möllring, das ist doch selbstverständlich. Entschuldigen Sie bitte! - Sie möchte also die Landesregierung beauftragt wissen, einen Sachstandsbericht vorzulegen.

Herr Wulff, Sie sind nicht auf dem aktuellen Stand, sondern haben nur die Möglichkeit genutzt, hier zu polemisieren. Deshalb lassen Sie es mich Ihnen noch einmal erklären. Das, was die Frau Ministerin heute in Bezug auf die Anzahl der neu geschaffenen und gesicherten Arbeitsplätze dargestellt hat, sind nicht, wie von Ihrer Seite in einem Zwischenruf behauptet worden ist, Leistungen, die lediglich auf dem Papier erbracht worden sind, sondern Fakten. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen und können es auch nicht so, wie Herr Möllring, als „Wirtschaftspolitik à la Höppner“ abtun. Noch einmal: Das, was die Ministerin hier dargestellt hat, sind Fakten, die sich im Vergleich der Länder sehen lassen können.

Ich möchte Ihnen jetzt noch einmal unseren Antrag von vor gut einem Jahr in Erinnerung rufen. Die Analyse, Herr Wulff, ist richtig: Die Situation des Mittelstandes ist insgesamt schwierig, vor allen Dingen aber für diejenigen, die Neugründungen vornehmen wollen. Es geht darum, wie jemand, der kein Kapital, aber eine blendende Idee hat und an den Markt möchte, mit entsprechendem Kapital versorgt werden kann und wie dieser dann geratet wird.

Wir als SPD-Fraktion meinen, dass die Sparkassen und öffentlich-rechtlichen Institute anders ausgestattet werden müssen, weil sie als regionale Kreditinstitute auch in Zukunft weiter für die Regionen arbeiten sollen. Wenn sich die Sparkassen aufgrund der Auflagen aus Basel II nicht mehr zu den gleichen Bedingungen wie bisher refinanzieren können, dann können sie diesem Auftrag nicht mehr nachkommen. Da müssen wir ansetzen. Wir

müssen fragen, wie wir die Sparkassen über die zukünftige Bürgschaftsbank und über die Einbringung von Landesdarlehen in die Lage versetzen können, ihrem Auftrag, nicht in erster Linie Gewinnmaximierung, sondern regionale Entwicklungspolitik zu betreiben, nachzukommen. - Das haben wir in unserem Antrag von vor einem Jahr darstellt, und insofern bringen Sie überhaupt nichts Neues.

Wir haben in unserem Antrag auch einen Sachstandsbericht über die Verhandlungen gefordert, die die Bundesregierung auf europäischer Ebene mit dem Ziel führt, eine gemeinsame Lösung für den Mittelstand zu finden. Bislang hat uns Basel II noch keine Lösung vorgezeichnet. Wenn sich die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute, die Sparkassen und Volksbanken, nach dem gleichen Strickmuster refinanzieren müssen wie die Geschäftsbanken, dann muss der Markt darüber entscheiden. Aber es geht nicht, dass Sie die ganze Sache jetzt umdrehen und sagen, daran sei die Landesregierung Schuld, weil sie den Mittelstand nicht in entsprechender Weise unterstützt. Diese Situation führt zwar augenblicklich zu mehr Insolvenzen. Aber den Weg, den Stoiber als Ihr Ziehvater, Herr Wulff, beschreitet, indem er sagt, dass die Insolvenz von Kirch auch einen großen Vorteil in Sachen Mittelstandsförderung habe, weil durch die Zerschlagung des Konzerns in diesem Bereich neue Arbeitsplätze geschaffen würden, erachte ich mit Verlaub nicht als richtig. Er zeugt nun wahrlich von Inkompetenz.

Also noch einmal: Ich verstehe nicht, was Sie mit dieser Aktuellen Stunde heute bewirken wollten. Die Analyse, dass es für den Mittelstand schwieriger werden wird, sich zu refinanzieren, ist unbestritten richtig. Aber die Antworten, die wir mit unseren Kreditinstituten geben müssen, sind damit nicht gegeben.

Ich will noch einmal deutlich machen: Das Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr hat umgesteuert und stellt sicher, dass ein mittelständischer Unternehmer, der ein Problem hat, der eine Investition vornehmen will, eine Begleitung aus einer Hand erfährt, vom Antrag bis zur Markteinführung. Das ist die Leistung der Ministerin und ihres Ministerium, das ein modernes, ein zukunftsorientiertes Ministerium geworden ist. Ich glaube, dieser Weg hat sich bewährt. Fragen Sie einmal die Mittelständler, wie sie das sehen. Allerdings fürchte ich, dass Sie zu diesen Leuten eher wenig Zugang haben.

(Lachen bei der CDU)

Diese Leute akzeptieren das jedenfalls als vernünftigen und richtigen Weg in die Zukunft.

Insofern: Von Aktualität war nichts zu spüren, und inhaltlich haben Sie überhaupt keinen Weg gewiesen.

(Beifall bei der SPD)

Darauf antwortet Herr Kollege Wulff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So, wie Sie auf meine Rede nicht vorbereitet waren, war ich allerdings auch nicht auf soviel geballte Ahnungslosigkeit vorbereitet. Das muss ich Ihnen einmal sagen.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin es auch ziemlich Leid, in dieser Art und Weise über die 380 000 arbeitslosen Menschen in Niedersachsen hinweggehen zu lassen.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin es wirklich Leid, Frau Knorre, dass Sie bestreiten wollen, dass Niedersachsen die Rote Laterne unter den westdeutschen Flächenländern und inzwischen neben Bremen auch unter den westdeutschen Ländern insgesamt hat.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Es reicht der schlichte Blick in die Statistik der Bundesanstalt für Arbeit, die jedenfalls in diesem Punkt weder frisiert noch gefälscht sein dürfte, dass in Niedersachsen derzeit nahezu 400 000 Menschen arbeitslos sind, dass wir hier die höchste Quote haben, und das, obwohl wir vor zehn Jahren Zonengrenzland waren, obwohl wir heute die Einheit haben und mitten in Europa, mitten in Deutschland liegen. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik, und dafür müssen Sie hier die Haftung übernehmen.