Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 15, Dringliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.
Die Behandlung der Tagesordnungspunkte 20 Verstärkte Förderung freiwilliger gesellschaftlicher Arbeit statt soziales Pflichtjahr - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3294 - und 21 - Zwangsdienst für Frauen - ein Schritt in die falsche Richtung - Antrag der Fraktion der CDU Drs. 14/3315 - entfällt, da die antragstellenden Fraktionen ihren Antrag auf Durchführung einer ersten Beratung im Plenum zurückgezogen haben. Stattdessen behandeln wir heute die für Donnerstag vorgesehenen Tagesordnungspunkte 31 - Programm zur besonderen Förderung und Qualifizierung der ehrenamtlichen Arbeit in der Jugendarbeit (PRO Juleica) - Antrag der Fraktion der CDU Drs. 14/3319 - und 39 - Zehn Jahre Betreuungsrecht: Qualität der Betreuung sichern, Ehrenamtlichkeit fördern - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 14/3328. Die heutige Sitzung wird somit - wenn wir uns programmgemäß verhalten - gegen 19.45 Uhr enden.
An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, wird erinnert.
Zunächst zu den Spielregeln: Jeder Abgeordnete kann nur bis zu zwei Zusatzfragen stellen. Zu zählen sind die einzelnen Fragen. Die Zusatzfragen müssen knapp und sachlich sein. Sie müssen zur Sache gehören und dürfen die Frage nicht auf andere Gegenstände ausdehnen.
a) Müllverbrennungsanlage Lahe hat nicht neuesten Stand der Technik - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3332
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach einem Pressebericht der Hannoversche Allgemeinen Zeitung vom 12. April 2002 soll der Umweltdezernent der Stadt Hannover noch während der Ausschreibung für den Bau der geplanten Müllverbrennungsanlage Lahe versichert haben, die Stadt Hannover werde sich für das wirtschaftliche und ökologisch sinnvollste Angebot entscheiden. Bürgerinitiativen kritisieren, dass die Stadt Hannover bei der Ausschreibung zwar zulässige, aber längst überholt Abgasgrenzwerte, nicht jedoch den neuesten technischen Stand zugrunde gelegt hat. Die aufgrund der öffentlichen Proteste erfolgten Nachverhandlungen mit der Betreibergesellschaft Traba-Germania sollen jetzt dazu geführt haben, dass im Jahresmittel nur 50 % der erlaubten Schadstoffmengen ausgestoßen werden. Dafür habe sich die Stadt verpflichten müssen, dass 30 000 t mehr Müll, insgesamt jetzt also 230 000 t, jährlich verbrannt werden dürfen.
Selbst die 50-prozentige Reduzierung der Schadstoffe ist in keiner Weise mehr neuester Stand der Technik. Modernste Filteranlagen erreichen Werte, die weit unter der 50 %-Marke liegen, so z. B. bei der Anlage in Hameln.
1. In welchem Verhältnis stehen die Schadstoffabgaswerte bei den Müllverbrennungsanlagen in Buschhaus und Hameln zu den Abgaswerten der Anlage in Lahe?
2. Wie bewertet sie den Vorwurf, dass bei der in den Nachverhandlungen vereinbarten Reduzierung von 50 % der Emissionen bei gleichzeitiger Erhöhung der Müllmenge um 15 % keine nennenswerte Verringerung der absoluten Schadstoffmengen erreicht wird?
3. Wie wird der Vorwurf bewertet, mit der Genehmigung der Verbrennung von 230 000 t Müll jährlich werde der Mülltourismus nachhaltig gefördert, da aus der Stadt Hannover nicht einmal 100 000 t jährlich angeliefert werden können?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der abfallwirtschaftlichen Diskussion ist seit langem anerkannt, dass Abfälle nur noch vorbehandelt abgelagert werden sollen. Der Bundesgesetzgeber hat mit Zustimmung der Länder im Bundesrat die Abfallablagerungsverordnung erlassen. Sie ist seit Anfang 2001 in Kraft. Die Verordnung legt fest, dass Abfälle vor ihrer Ablagerung thermisch oder mechanisch-biologisch zu behandeln sind.
Die dafür notwendigen Anlagenkapazitäten müssen von den Verantwortlichen bis zum 31. Mai 2005 geschaffen werden, auch in Niedersachsen. Es gibt zwar bereits Kooperationen mit Bremen und Hamburg, es gibt Anlagen zur thermischen Behandlung in Helmstedt und Hameln und Anlagen zur mechanisch-biologischen Behandlung in Diepholz, Lüneburg, Schaumburg und Wiefels. Sie decken den erforderlichen Bedarf in Niedersachsen jedoch noch nicht ab.
Deshalb treffen die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zurzeit Entscheidungen über neue Anlagen oder die Erweiterung bestehender Anlagen. Dabei wird zwischen mechanischbiologischen Verfahren und thermischen Verfahren entschieden. Nach den Vorschriften der 30. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz entsteht auch bei mechanisch-biologischer Vorbe
handlung eine heizwertreiche Fraktion, die nicht abgelagert werden kann, sondern unter Nutzung des energetischen Potenzials thermisch behandelt werden muss.
Insoweit stellt sich die Landeshauptstadt ihrer Verantwortung, indem sie für die Errichtung weiterer Anlagen in Niedersachsen sorgt.
Planungsrechtlich ist zu beachten, dass seit dem Investitionserleichterungsgesetz von 1993 die Zulassung von Müllverbrennungsanlagen ausschließlich nach Immissionsschutzrecht erfolgt. Die zuständigen Behörden haben Anlagen dann zu genehmigen, wenn diese dem Stand der Technik entsprechen und die gesetzlichen Vorgaben einhalten. Die Steuerung der Standorte obliegt damit im Wesentlichen privaten Investoren und ist einer Einflussnahme durch das Land entzogen, wenn die Kommunen durch ihre Bauleitplanung entsprechende Industriegebiete zur Verfügung stellen.
Zu Frage 1: In den Genehmigungsbescheiden für die Müllverbrennungsanlagen in Buschhaus und Hameln wurden im Wesentlichen die Emissionsgrenzwerte der Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe festgelegt, der so genannten 17. BImSchV. Im Bescheid über die Anlage in Hameln wurden im Hinblick auf die Summe bestimmter Schwermetalle schärfere Grenzwerte als nach der 17. BImSchV vorgegeben. Die Genehmigung für die Müllverbrennungsanlage in Lahe wird sich ebenfalls an den Emissionsgrenzwerten der 17. BImSchV bzw. den Vorgaben der EGRichtlinie vom 4. Dezember 2000 über die Verbrennung von Abfällen orientieren.
Im Rahmen der regelmäßigen messtechnischen Überwachung von im Betrieb befindlichen Müllverbrennungsanlagen ist festzustellen, dass die gemessenen Emissionswerte häufig deutlich unter dem in der 17. BImSchV festgelegten Grenzwerten liegen. Für Hameln kann dies am Beispiel der Emissionsdaten für die Jahre 1999 bis 2001 belegt werden, wo etwa die Werte für Staub oder Schwefeldioxid um etwa 90 % unterschritten werden. Da die Müllverbrennungsanlage in Lahe noch nicht in Betrieb ist, kann hier noch keine Aussage dazu gemacht werden, wo die tatsächlichen Emissionswerte liegen werden. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die in der Genehmigung festgeschrie
Für die möglichen Umweltauswirkungen einer Anlage sind aber nicht nur die Emissionsgrenzwerte von Bedeutung, sondern insbesondere auch die Emissionsmassenströme, also die Frachten. Das ist die Menge eines emittierten Stoffes pro Zeiteinheit.
Für die Anlage Buschhaus besteht zwischen dem Landkreis Hannover, also jetzt der Region Hannover, und der Betreiberin der Anlage ein Entsorgungsvertrag. Darin wird u. a. geregelt, dass die Betreiberin als maximale Emissionsfracht die halben Grenzwerte der 17. BImSchV für die jeweiligen Einzelparameter, bezogen auf eine Abgasmenge von 5 000 m³ pro Tonne Restabfall, in der Anlage sicherzustellen hat. Die Einhaltung dieser maximalen Emissonsfracht darf entweder über eine Senkung der Abgasmenge oder im Wege einer Senkung der Konzentration der jeweiligen Einzelparameter im Abgas gegenüber den Werten der 17. BImSchV oder einer Kombination aus beiden Maßnahmen erfolgen. Durch diese Verpflichtung wird erreicht, dass insgesamt die von der Anlage Buschhaus freigesetzten Luftverunreinigungen, d. h. die Massenströme, deutlich geringer sein müssen, aber gleichzeitig die in dem Genehmigungsbescheid auf der Basis der 17. BImSchV festgelegten Emissionsgrenzwerte unberührt bleiben können. Eine ähnliche Vereinbarung, wie sie für die Anlage Buschhaus besteht, ist auch für die Anlage in Lahe geplant.
Zu Frage 2: Wie soeben erwähnt, beabsichtigt die Stadt Hannover, mit der Traba-Germania GmbH eine zusätzliche Vereinbarung zu treffen, um in analoger Vorgehensweise wie im Entsorgungsvertrag zwischen Region Hannover und Betreiberin der Anlage Buschhaus den Anlagenbetreiber zu verpflichten, die Emissionsfrachten deutlich zu reduzieren. Die beabsichtigte Reduzierung der Emissionsfrachten wird auch bei gleichzeitiger Erhöhung der Müllverbrennungskapazität um etwa 15 % zu einer Verringerung der von der Anlage insgesamt ausgehenden Luftverunreinigungen und damit zu einer geringeren Umweltbelastung in der Umgebung führen.
Zu Frage 3: Der in der Frage enthaltene Vorwurf wird von uns nicht geteilt, da der überwiegende Teil der Abfallmenge aus der Stadt Hannover - hier handelt es sich um 100 000 t pro Jahr - und Stadt und Landkreis Hildesheim – 70 000 t - unmittelbar
aus der Umgebung der Anlage stammt. Lediglich die restliche Anlagenkapazität steht zurzeit noch zur Verfügung. Diese Kapazität dürfte verwendet werden, um weitere Abfälle, z. B. hausmüllähnliche Gewerbeabfälle, vor allem aus der Region Hannover und aus benachbarten Landkreisen zu entsorgen. Eine solche Lastenteilung ist aus abfallwirtschaftlicher Sicht durchaus sinnvoll, weil, ähnlich wie dieses auch beim Bau von Deponien und anderen Entsorgungsanlagen üblich ist, auf diese Weise Anlagengrößen erreicht werden, in denen Abfälle zu vertretbaren Kosten entsorgt werden können.
Herr Minister, ich frage Sie: Ist es eigentlich nicht anders, als Sie es dargestellt haben? Bei der nunmehr nachverhandelten Grenzwertunterschreitung soll es sich nämlich tatsächlich lediglich um eine Unterschreitung im Jahresmittel handeln, anders als Sie es dargestellt haben. Hier ist ja die Grenzwertunterschreitung des definierten Wertes von 5 000 m3 pro Tonne, wie Sie es gesagt haben, bei der BKB in Helmstedt nicht emissionsentlastend verhandelt worden. Teilt die Landesregierung unsere Einschätzung, dass - -
Teilt die Landesregierung meine Auffassung, dass, wenn es hier nur um einen Jahresmittelwert geht, es sich um reine Augenwischerei handelt, was hier zwischen der Traba-Germania und der Stadt Hannover verhandelt worden ist?
(Plaue [SPD]: Es brach aus ihm her- aus! Der Informationsdrang der Lan- desregierung war ungebrochen!)
Ich frage die Landesregierung: Welche Müllverbrennungsanlagen in Niedersachsen unterschreiten die gesetzlich festgeschriebenen Obergrenzen für Emissionen um mehr als 50 %?
Frau Kollegin Pawelski, die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Alle unterschreiten die Obergrenzen deutlich. Ob das jeweils um 50 % ist, kann ich Ihnen so nicht beantworten. Das Problem besteht in Folgendem - das erklärt dann auch den Sachverhalt, der nicht ganz leicht nachzuvollziehen ist -: In den rechtlichen Bestimmungen sind Grenzwerte genannt. Das ist das, was ausgeschöpft werden kann. Um eine Anlage sinnvoll zu steuern und zu betreiben, fährt man sie auch unter ökonomischen Gesichtspunkten in der Regel deutlich unterhalb dieser Grenzwerte, was dazu führt, dass die theoretischen Jahresfrachten faktisch nie ausgeschöpft werden. Wenn allerdings, wie jetzt in Hannover beabsichtigt und in Helmstedt auch durch Vertrag geregelt, eine Verabredung besteht, die Jahresfracht mindestens zu 50 % nicht auszuschöpfen, hat das für den Betreiber zur Konsequenz, dass er entweder nachrüsten muss oder die Anlage noch deutlich niedriger betreiben muss, sodass die Umweltbelastung, die sich ja nicht durch die Unterschreitung der Grenzwerte, sondern durch die Jahresfracht ergibt, weiter reduziert wird. Das gilt für Helmstedt, und das dürfte nach den Verabredungen, die in Hannover geplant sind, dann auch für die Anlage in Lahe gelten.