Protokoll der Sitzung vom 24.04.2002

(Frau Vockert [CDU]: Das haben die auch verdient!)

Ohne den Landesjugendring hätten wir diesen großen Schritt nach vorn nicht machen können. Es ist nicht nur zahlenmäßig ein großer Schritt nach vorn, sondern es ist auch ein großer qualitativer Schritt im Bereich der Weiterentwicklung der Jugendarbeit. Es kommt nämlich auch auf die Qualität an, und nicht nur auf die Zahlen.

Die Landesregierung hat den Landesjugendring begleitet. Sie hat Juleica-Richtlinien auf den Weg

gebracht und damit die formalen Rahmenbedingungen verstetigt. Verstetigung allein reicht aber nicht aus, auch wenn Herr Viereck meinte, hier so viele Zahlen aus dem Landeshaushalt und anderes mehr, was seiner Meinung eventuell nach noch im Kinder- und Jugendplan stehen soll, vortragen zu müssen. Wir wollen uns nicht ausruhen. Wir wollen neue Impulse, wir wollen Bewegung, um das ehrenamtliche Engagement in der Jugendarbeit voranzubringen und um möglichst viele junge Menschen zu motivieren, sich in der offenen und in der verbandlichen Jugendarbeit zu engagieren.

Dabei wollen wir auch die fachliche Weiterentwicklung nicht aus den Augen verlieren. Das Ziel ist zwischen Frau Vockert, Herrn Viereck, mir und sicherlich auch allen anderen, die im Jugendausschuss arbeiten, unstrittig. Ob der Weg zu diesem Ziel mit einem Preis, mit Öffentlichkeitsmaßnahmen oder mit Arbeitshilfen flankiert werden sollte, sei einmal dahingestellt. Wichtiger ist aus grüner Sicht die Einrichtung einer Arbeitsgruppe als Innovations- und Entscheidungsgremium, um die Leistungen zu präzisieren, um die Aktivitäten, die im Lande Niedersachsen sehr unterschiedlich sind, zu koordinieren und um Entscheidungen über den zielgerichteten Einsatz der Unterstützungsmaßnahmen zu treffen. Frau Vockert, schön, dass Sie den Kopf schütteln; denn gerade dieses Innovations- und Entscheidungsgremium, das Bestandteil auch des Beschlusses der Vollversammlung ist, den die CDU ansonsten nahezu wortgleich abgeschrieben hat, hat die CDU - ich habe spekuliert, ob bewusst oder unbewusst - nicht mit in ihren Antrag aufgenommen. Ich glaube mittlerweile, dass sie das bewusst weggelassen hat. Über diesen Punkt müssen wir im Jugendausschuss noch einmal sehr intensiv sprechen.

(McAllister [CDU]: Das ist aber ein- fallslos von Ihnen!)

Die wichtigste Aufgabe für uns alle - insbesondere für diejenigen Parlamentarier mit einem kommunalen Mandat; ich glaube, dass ein Großteil von uns solche Mandate etwa im Kreistag hat - aber ist, einen richtigen Wettstreit bzw. Konkurrenzkampf unter den Kommunen anzuzetteln:

(Frau Körtner [CDU]: Ja, wenn sie Geld hätten!)

Welche Kommune unterstützt ehrenamtliches Engagement von jungen Menschen am stärksten? Welche Kommune hat die besten Ideen? Ideen

müssen nicht immer etwas kosten. Nur jammern nützt uns aber auch nichts. Kreativität ist gefragt!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Haase [SPD])

Einigkeit macht stark. Nachdem wir uns bezüglich der Juleica so sehr einig sind, sollten wir Stärke demonstrieren. Wir treten in den Wettstreit ein und fordern Sie auf, mitzumachen.

Ich möchte in den letzten zwei Sekunden, die mir noch verbleiben, noch eine Anmerkung machen. Ich bin ganz froh darüber, dass nicht wir Grünen diesen Antrag eingebracht haben; denn dies hätte uns sofort dem Verdacht ausgesetzt, dass es zwischen Landesjugendring und grüner Fraktion eine Seilschaft gibt. Der Verdacht, dass es eine solche Seilschaft zwischen CDU und Landesjugendring gibt, besteht dagegen allerdings nicht. In diesem Punkt ist die CDU völlig unverdächtig. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat empfiehlt, diesen Antrag zur federführenden Beratung und zur Berichterstattung an den Ausschuss für Jugend und Sport und zur Mitberatung an die Ausschüsse für innere Verwaltung sowie für Haushalt und Finanzen zu überweisen. Gibt es diesbezüglich andere Vorstellungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen worden.

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 39: Erste Beratung: Zehn Jahre Betreuungsrecht: Qualität der Betreuung sichern, Ehrenamtlichkeit fördern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3328

Zur Einbringung des Antrag hat das Wort Frau Kollegin Müller. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zehn Jahre Betreuungsrecht sollten für uns Anlass für eine erste Zwischenbilanz sein. Bundesweit werden zurzeit rund 1 Millionen Menschen nach diesem Gesetzt betreut. In Niedersachsen sind es mehr als 100 000. Die Zahl ist in den letzten Jahren pro Jahr um etwa 10 000 kontinuierlich angestiegen. Auch der demografische Aufbau unserer Gesellschaft macht klar, dass dieser Anstieg in gleicher Weise fortschreiten wird.

Das 1992 eingeführte Betreuungsrecht hat sein wichtigstes Ziel aus unserer Sicht inzwischen weitgehend erreicht. Es ging nämlich darum, die Entmündigung abzuschaffen und die Rechtsstellung der Betroffenen zu verbessern. Nach einer zehnjährigen Phase der praktischen Umsetzung des Betreuungsrechts sehen wir allerdings auch an einer Vielzahl von Eingaben im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, dass es trotz der erreichten Verbesserungen in der Praxis an bestimmten Stellen immer wieder zu gravierenden Problemen kommt.

Aus unserer Sicht besteht auf verschiedenen Feldern Handlungsbedarf. Sehr häufig kommt es zu ernsthaften und sehr unerfreulichen Spannungsverhältnissen zwischen Betreuten und Betreuern. Eine Betreuung, in der überhaupt kein Vertrauensverhältnis besteht, ist schlechterdings fast nicht möglich. Gründe dafür sind u. a., dass meist erst mit Eintritt des Betreuungsfalls ein Betreuer gesucht wird. In vielen Fällen wird vom Gericht eine fremde Person als Berufsbetreuer eingesetzt. Ein späterer Betreuerwechsel - wenn das Vertrauensverhältnis nicht funktioniert - ist nur durch Gerichtsbeschluss möglich. Das stellt für ältere und zum Teil demente und verwirrte Menschen eine Hürde dar, die sie kaum überwinden können.

Die Möglichkeit, beizeiten durch Vorsorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen eine Person des eigenen Vertrauens als Betreuer zu benennen, muss viel stärker bekannt gemacht werden und ins Bewusstsein gerufen werden. Wir fordern unsere Landesregierung auf, insbesondere auf diesem Feld tätig zu werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich vermute wohl nicht zu Unrecht, dass auch hier unter uns der Anteil derjenigen, die entsprechend vorgesorgt haben, wahrscheinlich nicht gerade überwältigend groß ist.

Meine Damen und Herren, wir brauchen aber auch weiterhin dringend eine Verbesserung der Kontrolle der inhaltlichen Arbeit im Sinne von Qualitätssicherung.

(Zustimmung von Frau Körtner [CDU])

Die Qualifikation der einzelnen Betreuer spielt eine ganz große Rolle. Wir kennen eine Reihe von Fällen, in denen die Betreuten trotz des neuen Gesetzes ähnlich wie früher Entmündigte behandelt werden und kaum je die Chance auf einen Betreuerwechsel haben.

Einen besonders drastischen Fall will ich Ihnen gerne in wenigen Sätzen schildern. Eine 84 Jahre alte Dame bekam gegen ihren erklärten Willen, aber auf Wunsch der Familienangehörigen einen Betreuer für ihre finanziellen Angelegenheiten. Ein Vertrauensverhältnis zwischen dieser alten Dame und dem Betreuer hat nie bestanden. Das Verhältnis war von Anfang an mehr als gestört. Ob das Wohl der betreuten Frau wirklich im Mittelpunkt dieser Betreuung stand, kann man bezweifeln, wenn man die Akten kennt. Fest steht, dass diese alte Dame innerhalb von drei Jahren mehrmals versucht hat, die Betreuung rückgängig zu machen oder aber zumindest einen anderen Betreuer zu bekommen. Da das, wie schon gesagt, nur über das Gericht möglich ist und sich die alte Dame ohne Rechtsbeistand völlig hilflos fühlte, hat sie versucht, sich der Hilfe einer Rechtsanwältin zu versichern. Viermal - ich wiederhole: viermal - ist ihr von ihrem Betreuer die Erteilung eines Mandats an einen Rechtsanwalt verweigert worden, und zwar mit dem Hinweis, ein Anwalt koste Geld,

(Haase [SPD]: Das ist ein Skandal!)

er sei für ihre Finanzen zuständig, verweigere die Zustimmung und ohne seine Zustimmung könne die Betreute kein Mandat unterschreiben.

(Haase [SPD]: Wie früher bei der Entmündigung!)

Die alte Dame hat ihr Ziel bis zu ihrem Tode nicht mehr erreichen können.

Wir kennen eine Reihe weiterer Fälle, in denen Betreuten, vornehmlich alten Menschen, der Kontakt und der Umgang mit ihren eigenen erwachsenen Kindern von ihren Betreuern untersagt wird. Das ist für beide Seiten schlichtweg unerträglich und nicht mehr nachvollziehbar.

Außerdem ist es aus unserer Sicht absolut notwendig, dass die Betreuungsgerichte wissen, wie viele Fälle eigentlich der einzelne Betreuer bearbeitet.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Qualität der zu leistenden Arbeit ist durchaus abhängig von der Anzahl der Fälle.

Einen weiteren Punkt gibt es, der den Bürgern im Lande kaum zu erklären ist. Warum z. B. können sich Ehepartner, die sich ein Leben lang vertraut haben und miteinander alles besprochen haben, im Alter, wenn einer von beiden nicht mehr kann, eigentlich nicht zumindest gegenüber den Sozialbehörden gegenseitig vertreten?

(Beifall)

Wir wollen, dass eine solche Vertretungsvollmacht eingeführt wird, dass aber zumindest erst einmal überprüft wird, wie man das bewerkstelligen kann. Das halten wir für sehr wichtig.

Meine Damen und Herren, es gibt noch einen weiteren Punkt, der nicht nur uns in Niedersachsen, sondern der auch alle anderen Bundesländer beschäftigt. Dabei geht es um die Frage der Entschädigungszahlungen für die Betreuer, die aufgrund des Betreuungsgesetzes geleistet werden. Damit kein falscher Eindruck aufkommt: Es geht nicht um eine Einschränkung von Betreuungen. Aber es geht um ausufernde und einzugrenzende Kosten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir haben 1992 in Niedersachsen mit IstAusgaben für diesen Bereich von etwa 1 Million DM angefangen. 2001 – die letzte Abrechnung in D-Mark – waren wir bei sage und schreibe fast 80 Millionen DM. Das macht deutlich, in welchen finanziellen Dimensionen wir uns hier bewegen. Dies hat auch viel damit zu tun, dass sich die meisten Menschen nicht frühzeitig um einen ehrenamtlichen Betreuer ihres Vertrauens bemühen. Ich habe zu Beginn schon einmal darauf hingewiesen. Aber es gibt auch noch weitere Gründe. Zu Beginn einer Betreuung wird häufig – und zwar zu Recht – ein Berufsbetreuer benannt, wenn eine Reihe nicht immer ganz einfacher finanzieller Fragen oder auch Grundstücksangelegenheiten zu erledigen sind. Meist sind diese Probleme aber nach wenigen Monaten gelöst, und die Betreuung könnte dann auf einen Ehrenamtlichen übertragen

werden. § 1897 BGB sagt in Absatz 6 sehr deutlich, dass der Berufsbetreuer dem Gericht mitzuteilen hat, wenn ihm Umstände bekannt werden, wonach die Betreuung auch außerhalb seiner Berufsausübung, also durch Ehrenamtliche, möglich ist. Das ist aber leider nicht die Regel. Es sind kaum derartige Fälle bekannt. Wir müssen, so meine ich, daran arbeiten. Heute heißt es quasi: einmal Berufsbetreuung, immer sehr kostenaufwändige Berufsbetreuung. Aus unserer Sicht ist es dringlich, dass hier nach einem Weg gesucht wird, wie die Intention des § 1897 BGB besser in der Praxis umgesetzt werden kann.

Verstärkt werden muss nach unserer Meinung und nach unserer Erfahrung die Kontrolle der Abrechnungen, und es muss dafür gesorgt werden, dass Akten und Unterlagen, die während der Bearbeitungszeiten bei Betreuern entstehen, für eine bestimmte Zeit zur Überprüfung aufgewahrt werden.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss noch eines deutlich machen - ich glaube, dass wir uns im Rechtsausschuss darüber wahrscheinlich heute schon einig sind -: Der wichtigste Punkt, um verschiedene vorhandene Probleme zu lösen, ist eine breite Informationspolitik über Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen.

(Beifall)

Ganz zum Schluss will ich noch Folgendes sagen: Wir freuen uns auf eine gute, fachlich fundierte Beratung dieses Antrages in den nächsten Wochen. – Danke schön.

(Beifall)

Herr Kollege Schröder, Sie haben das Wort.