Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass wir die Öffentlichkeit mit unserem Schulgesetz, das die SPD-Fraktion eingebracht hat und das gerade beraten wird, auf keinen Fall täuschen, sondern ihr sehr deutlich klargemacht haben, was wir wollen, und zwar ganz im Gegensatz zu Ihnen, die Sie nicht schwarz auf weiß vorlegen wollen, was Sie wollen. Ein CDU-Gesetzentwurf liegt bislang nicht vor. Die Fraktion der Grünen hingegen hat einen
vorgelegt. Auch die SPD-Fraktion hat einen vorgelegt. Wir täuschen also nicht die Öffentlichkeit, sondern wir sagen ganz, ganz klar, was wir wollen.
Herr Klare, wenn Sie behaupten, wir würden mit dieser Schulreform und diesem Schulgesetz die selbständigen Realschulen auflösen, stelle ich fest: Das ist schlichtweg falsch. Durch diesen Schulgesetzentwurf ist eine Entwicklung möglich. Die einzige Gemeinsamkeit, die wir haben, steht in Ihrer Überschrift, dass wir nämlich eine Schulreform machen,
die zukunftsgerichtet ist und die bestimmte demografische Entwicklungen, Veränderungen und Notwendigkeiten, die aus der PISA-Studie hervorgehen, aufnimmt.
Frau Litfin, Sie fordern uns auf, dass wir komplexe Antworten im Hinblick auf die schwierige Situation, die sich für ganz Deutschland aus der PISAStudie ableitet, geben. Sie diskutieren dann aber sehr vereinfacht. Wir geben in dieser Schulreform komplexe Antworten. Über neun dieser Antworten - z. B. Ganztagsschule, mehr Sprachförderung, 50 % mehr Förderung für die Förderstufe, Verlässlichkeit - werden wir morgen reden.
All diese Antworten sind völlig unstrittig. Wir streiten uns nur über einen einzigen Punkt, und zwar darüber, an welchen Schulformen sich die 5. und 6. Klassen künftig befinden sollen. Das ist eine nicht unwichtige Frage, aber es ist die einzig strittige Frage. Deshalb gibt es von den Verbänden sehr viel Zustimmung zur Gesamtheit der Schulreform.
- Ich habe gerade mit allen Lehrerverbänden über die PISA-Studie gesprochen. Sie haben mir bei den neun Antworten, die wir gegeben haben, nicht widersprochen. Wir sind uns nur an der einen Stelle uneinig, meine Damen und Herren.
Dabei gibt es im Gegensatz zu dem, was Sie hier darstellen, auch keine Einigkeit zwischen der GEW und dem Philologenverband. Das ist auch falsch.
Sie werden keine gemeinsame Position der Lehrerverbände zur künftigen Gestaltung der Klassen 5 und 6 sowie zu deren künftigem Standort darlegen können.
Wenn Sie einen Vorschlag vorgelegt hätten, dann hätten auch Sie festgestellt, dass Sie bei den Lehrerverbänden keine Einigkeit erreicht hätten. Das ist ganz klar.
Ich finde, dass wir heute Morgen eine sehr gute Diskussion geführt und auch ein wenig in der Wortwahl abgerüstet haben, um den jungen Leuten, die diese Debatten fordern, ein Beispiel zu geben.
Ich bitte Sie, das auch in Zukunft zu versuchen. Herr Busemann, Sie haben Erklärungen abgegeben, in denen Begriffe wie z. B. Krieg gefallen sind. Wir sollten an dieser Stelle wirklich ein wenig abrüsten und uns sachlich auseinander setzen.
Ich möchte Ihnen deutlich sagen - Herr Klare, Sie haben das eben noch einmal betont -, dass es bei der Zukunftsgestaltung unseres Schulsystems nicht um die beliebteste und auch nicht um die nachgefragteste Schulform geht, weil es nicht um den Status quo geht; Frau Litfin hat das ganz deutlich gesagt. Wir müssen stattdessen Entwicklungen in Gang setzen, die auch noch in 10 und in 20 Jahren tragfähig sind, weil Veränderungen auf uns zukommen. Sie kennen diese Veränderungen. Wir müssen den Anteil der Absolventen mit Hochschulreife ganz deutlich erhöhen. International sind wir da nicht gut aufgestellt.
Ich möchte Ihnen mitteilen, was die Arbeitsmarktforschung dazu sagt. Wir brauchen in Deutschland bei höher qualifizierenden Tätigkeiten von jetzt
28 % einen Anstieg auf mindestens 40 %. Wir brauchen im Arbeitsmarkt Qualifikationen für mittelqualifizierende Tätigkeiten, die etwa um 43 % bis 45 % liegen. Diese haben wir über die Realschulabsolventen fast erreicht. Den ersten Teil haben wir allerdings nicht erreicht. Ich hoffe, dass wir uns an dieser Stelle noch einig sind.
Das dürfte unter Bildungspolitikern eigentlich nicht strittig sein. Wir haben in der Arbeitsmarktforschung allerdings festzustellen, dass die einfachen Tätigkeiten noch weiter abnehmen, von derzeit 27 % auf künftig nur 15 %. Das heißt, dass wir uns mit dem OECD-Durchschnitt bei den Studienanfängern auseinander setzen müssen. In Deutschland liegt der Durchschnitt der Studienanfänger bei 28 %, in der OECD liegt er bei 45 %. Das heißt, wir als Bundesrepublik Deutschland sind international in der Bildungspolitik nicht so aufgestellt, dass wir diese Quote auch nur annähernd erfüllen können.
Eine weitere Entwicklung ist der Rückgang der Schülerzahl. Sie wissen, wie stark er ist. Der Rückgang wird bis zum Schülertal - ich sage das so technisch - im Jahre 2025 21,2 % betragen. Das heißt, wir haben ab 2005 einen demografischen Rückgang, der, wenn wir nichts tun, natürlich dazu führen wird, dass bestimmte Schulstandorte - ganz besonders im ländlichen Raum - gefährdet sind. Deshalb ist es notwendig, an diesen Stellen die Attraktivität von Schulstandorten zusammen mit dem Thema der Höherqualifizierung zu diskutieren. Das heißt, dass sich die Rahmenbedingungen in der nächsten Zeit völlig verändern werden. Deshalb werden auch Sie kommunal über Schulstandorte zu diskutieren haben. Wir haben schon jetzt Überkapazitäten im Hauptschulsystem. Wir sind im Realschulsystem etwa richtig aufgestellt, übrigens nicht nur mit selbständigen Realschulen, sondern schon jetzt mit verbundenen Haupt- und Realschulen. Gerade im Weser-Ems-Bereich - das habe ich Ihnen schon einmal gesagt - ist diese Schulform gar nicht umstritten, sondern sie ist dort sogar stärker als die selbständige Hauptschule eingeführt. Es gibt dort fast ausschließlich verbundene Hauptund Realschulen. Von daher: Malen Sie bitte nicht den Teufel an die Wand.
- Sie brauchen eigentlich kein Gesetz, aber nur im Weser-Ems-Bereich nicht, Herr Busemann. In ganz Niedersachsen sieht das noch nicht so aus.
Von daher wollen wir an dieser Stelle - das kommt selten vor, Herr Busemann - der Entwicklung im Weser-Ems-Bereich folgen, weil sie für die Standorte die richtige Entwicklung ist. Gerade bei zurückgehenden Schülerzahlen ist die Kooperation zwischen Haupt- und Realschulen unbedingt notwendig. Wir werden nichts zwangsmäßig verordnen - das hat Herr Klare ja auch falsch dargestellt -, sondern wir werden Entwicklung zulassen, und wir werden die Schulträger entscheiden lassen. Das steht im Schulgesetz,k und nicht das, was Herr Klare hier dargestellt hat.
Insgesamt stelle ich deshalb fest, dass die beiden Entschließungsanträge die notwendigen Zukunftsentwicklungen nicht aufnehmen, Herr Klare, sondern Sie wollen nur darüber diskutieren, dass wir die Realschulen angeblich kaputtmachen; das ist aber falsch. Ihr Sekundarschulantrag ist längst überholt, weil ein anderes Schulgesetz vorliegt, in der Beratung ist und im Juni verabschiedet wird. Vielen Dank.
Frau Ministerin, in einem haben Sie Recht: Wir werden eine zurückgehende Entwicklung bei den Schülerzahlen bekommen. Darauf muss reagiert werden. Das ist gar keine Frage; Sie haben das dargestellt. Aber die jetzige Möglichkeit, die wir in den ländlichen Räumen jahrelang genutzt haben, sind die jetzt bestehenden Formen der Haupt- und Realschulen. Die jetzt bestehenden Formen der Haupt- und Realschulen waren bis vor vier Monaten noch für alle gemeinsam - so gesagt - erfolg
reich. Deswegen bedarf es in diesem System keiner Veränderung, wenn man es mit dieser Schulform gut meint. Sie wollen aber eine Abkehr von den Haupt- und Realschulen hin zu einer Kooperativen Haupt- und Realschule.
(Plaue [SPD]: Nein! Sie haben keine Ahnung, Herr Kollege! - Mühe [SPD]: Wenn es Ihnen so geht, kön- nen wir Ihnen auch nicht helfen!)
- Es ist schwer, Herr Plaue, das zu verstehen, wenn man davon wenig Ahnung hat. Das sage ich Ihnen ja auch.
Wenn Sie Ihr eigenes Schulgesetz lesen würden, würden Sie feststellen, dass es eine Abkehr vom bestehenden Haupt- und Realschulsystem ist, das eingeführt worden ist, um im ländlichen Bereich beide Standorte - nämlich den Realschulstandort und den Hauptschulstandort - aufrechtzuerhalten.
Der zweite Punkt, auf den ich gerne eingehen möchte, ist die Frage, was wir aus der PISA-Studie lernen können, was Schulstrukturfragen anbetrifft. Ich meine, dass das nur relativ wenig ist. Wir können aber feststellen, dass das finnische System mit dem gemeinsamen Unterricht erfolgreich war. Das haben Sie auch gesagt, Frau Litfin.
Das schwedische und das japanische System waren übrigens auch erfolgreich, aber das will ja niemand. Jetzt sage ich Ihnen, was im finnischen System läuft.