Protokoll der Sitzung vom 16.05.2002

dieses Jahres, für die man die Entwicklung überschauen kann, 3 bis 4 % sind.

(Vizepräsident Jahn übernimmt den Vorsitz)

Wir sollten darüber reden, woran das liegt. Ich sage Ihnen noch einmal: Die Entscheidung der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, die ganz offensichtlich geglaubt hat, sie müsse den Ärzten zum Amtsantritt ein kleines Geschenk machen, und deshalb das Kollektivbudget abgeschafft hat, wirkt sich jetzt negativ aus. Sie hat keine alternative Regelung getroffen. Dies hat jetzt eine verheerende Wirkung insbesondere auf das Ausgabevolumen der gesetzlichen Krankenkassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Budgetierung, die heiß umstritten war – das will ich gar nicht leugnen –, hat gezeigt, dass sie im Sinne einer Kostendämpfung eine deutliche Wirkung gehabt hat. Man kann sagen, dass die Budgetierung auch eine erzieherische Wirkung auf die Kassenärzte und Kassenärztinnen hatte und dass diese Deckelung das inflationäre Verschreibungsverhalten zurückgedrängt hat.

Jetzt wird versucht, den Damm, den Frau Schmidt eingerissen hat, mit unterschiedlichen Maßnahmen wieder neu zu errichten. Aber die Regelungen, die getroffen worden sind – das müssen wir uns einmal eingestehen -, sind bis jetzt nicht wirkungsvoll gewesen. Die Aut-idem-Regelung im Arzneimittelausgabenbegrenzungsgesetz ist ein stumpfes Schwert, und zwar deshalb, weil die Ärztinnen und Ärzte jederzeit entscheiden können, dass sie diese Aut-idem-Regelung nicht anwenden. Sie tun das auch weitgehend nicht. Der ursprünglich vorgesehene höhere Apothekenrabattbeitrag der Pharmaindustrie ist durch den fragwürdigen Ablasshandel von Herrn Schröder ins Leere gelaufen. Das Problem der Me-too-Präparate ist immer noch nicht im Griff. Es gibt, wie der Antrag zeigt, immer noch viel zu viele zugelassene Präparate, und die Übergangsregelungen bzw. Restfristen im Zulassungsverfahren stimmen nach wie vor nicht.

Auch im Bereich der Generika kann man sagen, dass sich das Preissegment weiter nach oben öffnet. Sie haben darauf hingewiesen. Die Pharmabranche führt inzwischen so genannte Dummies ein, nutzlos neuverpackte Generika, allerdings in einer höheren Preisstufe, um das gesetzlich gebotene Preissegment bei den Medikamenten künstlich heraufzusetzen.

Die Einbeziehung der Krankenhausapotheken mit ihren größeren Einkaufsrabatten in die ambulante Arzneimittelversorgung ist leider auf halbem Wege stecken geblieben, weil die Erweiterung nur auf teilstationäre Patientinnen und Patienten bezogen worden ist.

Meine Damen und Herren, wir werden uns im Ausschuss gerne noch einmal über die Regelungen unterhalten, die Sie in Ihrem Antrag vorschlagen, Herr Schwarz. Ich bin nicht sicher, ob sie tatsächlich die Wirkung entfalten, die Sie uns versprechen. Aber eines ist doch völlig klar: Wir werden mit einem Antrag, den Sie zu diesem Zeitpunkt im Niedersächsischen Landtag einbringen, nicht wirklich etwas verändern, wenn auf Bundesebene alle diese Regelungen letztlich schon durch sind, die Sie mit Ihrem Antrag beeinflussen wollen. Insofern sage ich: von der Idee her nicht falsch, aber völlig falscher Zeitpunkt und völlig falscher Ort. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Wulff.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Vorbemerkung möchte ich etwas Grundsätzliches sagen, Herr Kollege Schwarz. Sie haben süffisant „Frau Apothekerin“ gesagt. Ich fände es nicht in Ordnung, wenn wir zu Ihnen „Herr AOK-Vertreter“ sagen würden, weil Sie früher in Ihrem ordentlichen Beruf bei der AOK gewesen sind.

(Beifall bei der CDU)

Es hilft uns ein bisschen, wenn wir Ärzte – darauf sind wir stolz -, Apotheker, Freiberufler, Vertreter der Krankenhausbranche, der Krankenkassen und anderer mehr hier im Parlament haben. Das Parlament soll schließlich repräsentativ sein.

(Beifall bei der CDU)

Mir zumindest gibt die Frau Kollegin Zachow die Gewissheit, dass die Frage der Gesundheitspolitik mit Sachverstand, ein bisschen aus der Situation der Beratung von Patienten, die krank sind, und nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Kostenminimierung betrachtet wird.

(Beifall bei der CDU)

Wir erleben in Deutschland, dass die Kosten ständig steigen, die Qualität aber ständig sinkt. Wenn Sie mit chronisch Kranken reden, werden Sie feststellen, dass diese immer mehr Probleme haben, das an gesundheitlicher Versorgung zu bekommen, was sie bei ihrer medizinischen Indikation benötigen. Sie erleben derzeit den Exodus der Gesundheitspolitik, dass die Unzufriedenheit und die Beiträge steigen. Beiträge von 15 %, die Rücklagen der Krankenkassen sind längst aufgebraucht, es sind riesige Defizite entstanden.

Mir geht es darum, dass der Antrag der SPDFraktion – dieses Thema gehört meines Erachtens schon in den Landtag, weil es uns nämlich darum geht, dass die Menschen in Niedersachsen vernünftig gesundheitlich versorgt werden – im Ausschuss vernünftig beraten wird.

Herr Schwarz, Sie sind insoweit auf der falschen Spur unterwegs, als Sie immer so große Hoffnung in die Einfalt legen. Eine Einheitskasse wäre Ihnen am allerliebsten,

(Zustimmung von Frau Pawelski [CDU])

eine Einheitsversorgung wäre Ihr Traum,

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Das wäre wirklich solidarisch!)

weil Sie meinen, das sei das Billigste. Dann könnten Sie aber auch die Frage stellen, warum es in Deutschland 300 Käsesorten gibt. Es würde doch reichen, sie auf zehn zu reduzieren.

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist eine banale Sichtweise, auf diese Art Konkurrenz und Wettbewerb unter den Medikamentenherstellern, in der Pharmaindustrie, herbeizuführen. Wir haben in Niedersachsen weder Bayer Leverkusen noch Hoechst, noch andere große Pharmakonzerne. Wir haben aber eine Vielzahl kleinerer Pharmaunternehmen, die auch im Bereich pflanzlicher Wirkstoffe, beispielsweise Echinacin, und anderer Wirkstoffe weltweit führend sind. Eine gewisse Rücksichtnahme auf die Vielfalt der Medikamentenhersteller, auf die Forschung bei diesen Herstellern wäre angebrachter als die Aussage: Es gibt einen Wirkstoff, und ein Präparat, in dem er enthalten ist, reicht, um eine vernünftige Versorgung sicherzustellen.

Wir sehen, wie es sich für die Menschen mit der Aut-idem-Regelung verhält. Sie gehen mit dem Rezept ihres Arztes zur Apotheke, finden aber, zu Hause angekommen, keine der gewohnten Packungen wieder, weil ganz andere genommen wurden als die, auf die sie sich seit Jahren eingestellt hatten. Für ältere Patienten, die seit fünf oder sechs Jahren ein besonders verträgliches Medikament verschrieben bekommen haben, ist es durchaus von Bedeutung, wenn sie jetzt von Ihnen gesagt bekommen, das andere tue es auch. Das ist eine Frage von Qualität und von Vertrauen der Patienten in Medikamentenversorgung.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe in der vergangenen Woche sehr intensiv mit der Apothekenkammer und dem Apothekerverband darüber gesprochen. Ich rede jetzt nicht über die Internet-Apotheke. Das ist ein ganz anderes Thema.

(Zuruf von Frau Elsner-Solar [SPD])

Ich rede gegen Ihre Propagierung des Versandhandels aus Holland und anderen Ländern. In den letzten Wochen war dieser Versandhandel in der Regel nicht erreichbar, weil dort im Computernetz ein Virus aufgetreten war. In letzter Zeit waren mehrfach falsche Beipackzettel in unterschiedlichen Sprachen in den Packungen. Medikamentenmissbrauch wird gefördert. Die Medikamentenversorgung ist in einem Flächenland wie Niedersachsen wichtig. Die von Frau Trauernicht und vom Land Niedersachsen wahrzunehmende Staatsaufsicht kontrolliert die Apotheken darauf, ob sie bis zu 48 000 verschiedene Medikamente vorrätig haben. Gleichzeitig aber können Versandapotheken mit einigen wenigen Medikamenten, die sie ausliefern, sozusagen den Markt abschöpfen und damit die Existenz kleiner Apotheken in der Fläche unseres Landes vernichten. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

- Versuchen Sie doch einmal, bei einer Versandapotheke „Aspirin Plus C“ zu bekommen. Das senden die überhaupt nicht ab. Das liefern die nicht aus. Die Versandapotheken sind auf einige bestimmte hochpreisige Medikamente spezialisiert, wie sich der Weinfachhandel der großen Konzerne, der Metro und anderer, auf eine bestimmte Richtung konzentriert. Die Weinfachhändler im Lande werden dadurch zunehmend zur Strecke gebracht.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Keine Ah- nung!)

Die Buchhandlungen bringen Sie mit den Buchclubs von Bertelsmann zur Strecke.

(Zustimmung von Frau Pawelski)

Bertelsmann steckt auch hinter der holländischen Versandapotheke. Hier müssen die Strukturen diskutiert werden: Vertrauen, Qualität, groß und klein. Wir wollen den Mittelstand, Selbständige und Freiberufler in diesen Märkten erhalten, nicht aber die Beratungsqualität der Apotheker vernichtet sehen durch diejenigen, die ohne entsprechende Ausbildung und Qualifikation einfach Medikamente zusammenpacken. Ich weiß, wie Sie das freut, dass Sie hier gegen eine bestimmte Gruppe wie die Apotheker Stimmung machen können.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das hat er doch gar nicht getan! Das ist doch in- fam! Was ist denn das für ein Ton? Sie waren doch gar nicht da bei der Debatte!)

Aber Sie sind als Sozialdemokraten eben nicht nur dem Thema verpflichtet - - - Wie führen Sie sich denn hier auf?

Herr Kollege Wulff, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Sie bringen hier einen Antrag ein, der den Versandhandel aus dem Ausland propagiert, und wollen nicht einmal - -

(Frau Harms [GRÜNE]: Sie verspre- chen den Kranken wieder das Blaue vom Himmel herunter! Aber nachher können Sie das wieder nicht umset- zen! Das ist nicht mehr zu reparieren! Ich kann das nicht mehr hören!)

- Liebe Frau Harms, das müssen Sie nun einmal erleiden. Ich höre Ihnen ja auch zu, wenn Sie hier vortragen.

(Beifall bei der CDU)

Die Menschen in Deutschland regen sich über Ihre Gesundheitspolitik auf. Zu Recht! Frau Pothmer als Vertreterin der Grünen hat ja gerade die Mängelliste von Frau Schmidt von der SPD dargelegt.

Sie zusammen regieren aber in Berlin und verantworten diese Gesundheitspolitik.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Schwarz hat noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe hier bewusst unterstrichen, dass wir nicht den Versandhandel aus dem Ausland propagieren,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

und ich habe bewusst deutlich gemacht, dass die Qualifikation der Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland bisher nicht berücksichtigt wird. Deshalb bitte ich Sie, hier nicht wider besseres Wissen solche boshaften und böswilligen Reden zu halten, die damit überhaupt nichts zu tun haben.