Protokoll der Sitzung vom 16.05.2002

Eine letzte Anmerkung, Herr Wulff. Wir brauchen Ihre Aufforderung wahrlich nicht, wir müssten uns über die Fortsetzung der Strukturprogramme auf europäischer Ebene jetzt endlich mal Gedanken machen.

(Zuruf von Wulff (Osnabrück) [CDU])

- Ja, Sie haben es aber doch so blind übernommen. - Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Seit Jahren reden wir über die Fortsetzung.

(Zuruf von Wulff (Osnabrück) [CDU])

- Seit wann beziehen Sie sich auf Aussagen von Abgeordneten? Nehmen Sie doch bitte zur Kennt

nis, dass wir seit Jahren über die Fortsetzung der Strukturpolitik im europäischen Raum nicht nur nachdenken, sondern auch konkrete Vorstellungen entwickelt haben. Wir haben meines Wissens gerade in der letzten Plenardebatte hier lang und breit über Europa diskutiert. Da war das auch Gegenstand, wie sich das in der Zukunft darstellen soll. Ihre Aufforderung kommt also mal wieder zwei Jahre zu spät.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Damit ist der erste Beratungsgegenstand beendet.

(Zuruf von der SPD: Schuss nach hinten! - Busemann [CDU]: Das war nicht überzeugend bei euch! Ich woh- ne doch auch im ländlichen Raum! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir kommen jetzt zu

b) Schicht im Schacht? Endlich ernst machen mit der vergleichenden Endlagersuche in der gesamten Bundesrepublik! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3382

Frau Harms, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern bin ich in der Lobby angesprochen und gefragt worden, warum meine Fraktion zum Thema Schacht Konrad keinen Entschließungsantrag eingebracht, sondern das Mittel der Aktuellen Stunde gewählt habe. Die Mehrheit dieses Hauses, also Sozialdemokraten und Grüne, hat zum Thema Schacht Konrad, verteilt über die letzten acht Jahre, eigentlich alles gefordert, was zu fordern ist. Von diesen Positionen ist, soweit ich das sehe, die Mehrheit in diesem Haus niemals abgerückt.

Bedauerlich ist, dass sich unsere Positionen zu Konrad im Atomkonsens, wie er zwischen Atomwirtschaft und Bundesregierung vereinbart worden ist, nicht haben verwirklichen lassen.

Meine Fraktion hält trotz der Kenntnis der schwierigen politischen Lage, in der diese Genehmigung erteilt wird, die Genehmigung von Schacht Konrad

für falsch, auch wenn wir alle zusammen das nicht verhindern konnten.

Ich möchte noch einmal darlegen, warum: Diese Genehmigung steht im Widerspruch zu richtigen politischen Linien der Bundesregierung, sie steht im Widerspruch dazu, dass nur noch das EinEndlager-Konzept verfolgt werden soll, sie steht im Widerspruch zu einer geplanten vergleichenden Suche von Endlagerstandorten und Endlagern in der Bundesrepublik, und sie steht im Widerspruch dazu, dass erst in der nächsten Legislaturperiode ein neuer, umfassender Entsorgungsplan für die Bundesrepublik vorgelegt werden soll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zusätzlich zu dieser Widersprüchlichkeit von Politik und Genehmigung haben wir auch fachliche Bedenken. Unserer Meinung nach wird nach wie vor ein methodisch korrekter Nachweis der Langzeitsicherheit für das Endlager Konrad nicht geführt. Wir werden auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses die Bedenken, die wir haben, hier im Landtag bearbeiten.

Was ist über diese fachliche Arbeit hinaus zu tun? - Ich habe selber erklärt und habe das auch aus der SPD-Fraktion gehört, dass die Klagen, die aus der Region von Bürgerinnen und Bürgern und von Gemeinden, von Städten gegen die Genehmigung geführt werden, unterstützt werden sollen. Das ist richtig. Ich teile auch diese solidarische Haltung. Es ist allerdings wirklich kein Ruhmesblatt für die Politik, wenn man das, was man erreichen wollte, nicht erreichen konnte und dann die Verantwortung, mit Schacht Konrad doch noch in die richtige Richtung zu kommen, auf die Bürgerinnen und Bürger verschiebt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Klagen werden also selbstverständlich unterstützt. Wir sollten uns aber nicht damit schmücken.

Wichtig ist für mich, dass Niedersachsen über diese Klagen hinaus in Zukunft eine ganz besondere, konsequente Rolle bei einer vergleichenden, nachvollziehbaren Endlagersuche spielt. Niedersachsen muss Motor dieser Suche werden; denn kein anderes Bundesland hat wohl ein derart existenzielles Interesse an dieser Suche wie das Land Niedersachsen. Nur eine solche vergleichende Suche kann von Standorten im Land Niedersachsen wegführen - Konrad und Gorleben -, die tatsächlich willkürlich ohne belastbare geologische Kriterien

gewählt worden sind. Nur eine solche vergleichende, nachvollziehbare Suche wird der Verantwortung, die notwendig ist, um ein solches Problem wie die Endlagerung von Atommüll lösen zu können, gerecht.

Meine Damen und Herren, in der Endlagerdebatte wird oft davon gesprochen, dass wir für die nationale Endlagerung sind, dass wir die nationale Verantwortung übernehmen wollen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir dann, wenn wir nicht in der Lage sind, eine solche vergleichende Suche in der Bundesrepublik durchzuführen, auch nicht in der Lage sein werden, eine nationale Verantwortung tatsächlich so zu übernehmen, wie wir das postulieren. Es wird sehr schwer sein, eine solche Suche durchzuführen. Das wird an den Standorten, die da benannt werden, Ärger geben. Das kann nur mit großer politischer Sorgfalt, mit viel Transparenz und mit einer Einigkeit in den politischen Parteien, einer Einigkeit für einen verantwortlichen Weg gelingen.

Ich möchte ein weiteres Mal - wahrscheinlich vergeblich, wenn ich die Gesichter der Kollegen sehe - an die CDU appellieren, diesem existenziellen Interesse des Landes Niedersachsen, der Bürgerinnen und Bürger des Landes Niedersachsen nicht im Wege zu stehen, sondern eine solche transparente Suche zu unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Herr Kollege Schwarzenholz hat für bis zu zwei Minuten das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Harms, die Worte zählen und nicht die Taten. Das Endlager Schacht Konrad wird auf Forderung des grünen Bundesumweltministers Trittin genehmigt. Der SPD-Umweltminister Jüttner hat sich mit Trittin verständigt. Es wird bewusst vor der Bundestagswahl genehmigt. Das ist nur möglich, weil Umweltminister Jüttner bereit ist, das freiwillig zu tun. Er hätte das nicht tun müssen. Das weiß er auch ganz genau. Denn es hätte, um die Genehmigung zu erzwingen, eines Kabinettsbeschlusses bedurft. Ich kann mir kaum vorstellen, dass vor der Bundestagswahl ein niedersächsischer Bundeskanzler Schröder dem Um

weltminister Jüttner eine Weisung erteilt hätte, Konrad zu genehmigen, obwohl gar kein Bedarf besteht und obwohl angeblich keine Absicht besteht, dieses Ding in den nächsten Jahren in Betrieb zu nehmen. Nein, das ist eine politische Verabredung, die getroffen worden ist. Konrad wird aus diesen politischen Gründen trotz der nicht abgearbeiteten Sicherheitsrisiken, trotz der politisch anders lautenden Erklärungen der Bundesregierung genehmigt, obwohl parallel dazu angeblich eine Kommission der Bundesregierung nach einem anderen Standort für ein zentrales Endlager für alle Arten radioaktiver Abfälle sucht.

Dann sagen die Leute natürlich zu uns in der Politik: Was ist denn das? Dann sollen wir plötzlich klagen? Dann sollen wir die politischen Hausaufgaben machen, die SPD und Grüne, die uns etwas versprochen haben, nicht lösen? - Wo ist denn da die Logik? Sie sorgen jetzt praktisch dafür: Es wird ein Endlager genehmigt. Jeder, der sich im Verwaltungsrecht auskennt und die Faktenlage kennt, weiß, dass es mit höchster Wahrscheinlichkeit, allein schon aus haushaltsrechtlichen Gründen, zu einer Inbetriebnahme nach Genehmigung des Endlagers, nach Abschluss der Klagen kommen wird, weil es natürlich absolut unsinnig ist, ein genehmigtes Endlager nicht in Betrieb zu nehmen. Sie lösen Ihre politischen Hausaufgaben nicht. Sie stellen diesen Mann, der dafür sorgt, dass das genehmigt wird, sogar noch als Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl der Grünen auf.

(Plaue [SPD]: Das ist ja unglaublich! So etwas macht ihr, Rebecca? So et- was kann ich mir gar nicht vorstel- len!)

Was für ein politisches Signal in die Region ist das denn?

Aber, Herr Jüttner, es bleibt dabei: Sie haben die Genehmigung bisher nicht erteilt. Sie haben die Möglichkeit, die Bedenken, die aus der Region gegen die Langzeitsicherheit, gegen die Transportfragen usw. vorgetragen worden sind, weiter zu prüfen. Sie müssen jetzt nicht erteilen. Niemand kann Sie dazu zwingen. Wenn Sie wirklich etwas für Niedersachsen und für die Menschen in der Region tun wollen, dann bitte ich Sie: Verzichten Sie auf die Genehmigung! Warten Sie ab, bis die Endlagerempfehlungen der Kommission der Bundesregierung vorliegen! Dann lassen Sie uns über die politischen Folgen daraus diskutieren. Sie

sollten jetzt keine Fakten schaffen. Schacht Konrad darf nicht genehmigt werden!

Jetzt hat Herr Kollege Eppers das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Harms, als ich mir Ihr Thema zu dieser Aktuellen Stunde durchgelesen habe, habe ich mir überlegt: Was wollen die eigentlich? Was bezwecken die? - Mein Vorredner hat ja eben schon gefragt: Wissen Sie eigentlich, welche Partei seit 1998 den Bundesumweltminister stellt? - Das ist doch Ihre Partei! Wissen Sie eigentlich, was Herr Trittin - zugegebenermaßen in zerschlissener Lederjacke

(Plaue [SPD]: Die war aber teuer!)

vor 1998 den Menschen in Salzgitter bei zahlreichen Demonstrationen versprochen hat? - Er hat gesagt: Wählt uns! - Die SPD hat das auch gesagt. Zur SPD komme ich gleich noch. - SPD und Grüne haben sich in Salzgitter und Umgebung hingestellt und gesagt: Wir brauchen den Regierungswechsel in Bonn, um Konrad zu verhindern. - Und was ist passiert? - Nichts! Sie haben die verständlichen Ängste der Bevölkerung schamlos für Ihre Zwecke ausgebeutet. Das ist passiert.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Das ist ja unglaublich, was Sie erzäh- len!)

- Herr Plaue, das sollten Sie sich einmal etwas genauer angehören. Durch das, was Sie machen, entsteht nämlich Politikverdrossenheit.

(Plaue [SPD]: Wir halten uns an Recht und Gesetz!)

Sie führen jetzt Argumente an, die auch wir vor 1998 in der Region angeführt haben. Wir haben gesagt: Es gibt rechtsstaatliche Verfahren. Es muss eine Entschädigung gezahlt werden, wenn man dort zurück will - was im Übrigen beide großen Parteien in den 70er-Jahren in Salzgitter begonnen haben. Sie haben uns dafür verteufelt.

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben die Menschen bei uns in Salzgitter von Ihnen so langsam den Kanal voll. Das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der CDU - Mühe [SPD]: Das haben sie ja bei der Kommunal- wahl bewiesen!)

Das Beste daran ist, dass man dann, wenn man schon wie Herr Jüttner, wie SPD und Grüne so eine Geschichte hat und wenn man die Leute schon so vorgeführt hat, noch nach Salzgitter fährt und auf einer Veranstaltung sagt: Wir können das nicht verhindern, wir müssen das genehmigen, und zwar aufgrund von zwei Fakten: weil erstens Deutschland ein Rechtsstaat ist - Herr Jüttner, das haben Sie auch vor 1998 schon gewusst; das traue ich Ihnen zu

(Beifall bei der CDU)

und weil Sie zweitens keine Milliarde haben, die Sie der Wirtschaft zurückzahlen müssten; auch das haben Sie vor 1998 gewusst, und das hat Herr Trittin - beim Rechtsstaat sehe ich das etwas anders - vor 1998 vielleicht auch schon gewusst.

(Heiterkeit bei der CDU)

Da frage ich mich: Was machen Sie denn da? Sie kommen nach Salzgitter und sagen: Okay, ich kann es nicht verhindern. Aber den Sofortvollzug setze ich aus, damit ihr klagen dürft. Das ist dann die Wohltat. Wer soll denn klagen? Wir führen in Salzgitter eine ganz schwierige Diskussion. Unsere fatale Haushaltslage kennen Sie auch. Wir haben doch auch noch andere Probleme. Wenn Sie ein Kerl wären, entschuldigten Sie sich bei der Bevölkerung, die Sie zehn Jahre lang vorgeführt haben,

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD)