Protokoll der Sitzung vom 16.05.2002

(Zuruf von der CDU: Der Antrag kommt von der SPD!)

Das widerspricht dem bisherigen Diskussionsverlauf in Niedersachsen völlig. Angesichts der Rolle, die Herr Wulff ja wohl im Wahlkampfteam von Herrn Stoiber spielt, erwarten wir, dass die CDU in Niedersachsen - insbesondere Herr Wulff - gegen die Verhinderungspolitik, die die CDU-geführten Länder gegen das Tariftreuegesetz angekündigt haben, klar vorgeht. Unserer Meinung nach ist das Tariftreuegesetz eine logische Konsequenz aus dem bisherigen Grundkonsens der bundesdeutschen Regelungen auf dem Arbeitsmarkt und der bundesdeutschen Wirtschaftsform. Wir hatten bisher den Eindruck, dass wir uns darauf verständigt hatten, dass ein fairer Wettbewerb in Deutschland sozial flankiert stattfinden soll, nicht aber ein Ellenbogenwettbewerb, in dem untertarifliche Beschäftigungsverhältnisse durch einzelne politische Gruppierungen unterstützt werden, indem sie diese nicht ächten.

(Zuruf von der CDU: Herr Kollege!)

Das scheint mir der einzige nachvollziehbare Grund zu sein, den die CDU-Seite gegen ein Tariftreuegesetz vorbringen kann. Das Tariftreuegesetz liegt nämlich völlig in der Logik, in der wir bisher unser Wirtschaftssystem organisiert haben, ist die logische Konsequenz aus neuen Erscheinungen auf dem Arbeitsmarkt und dem jetzt offenen EU-Arbeitsmarkt. Auch ist das Tariftreuegesetz ein wichtiges Schutzschild gegen das, was uns in der Folge der bevorstehenden Osterweiterung der EU - Stichwort Billiglohnmärkte – auf dem Arbeitsmarkt noch bevorsteht.

Insbesondere für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Baubereich ist es schlichtweg ein Hohn, wenn hier politisch gegen ein Tariftreuegesetz interveniert wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Argument, das während der Anhörungen vorgebracht worden ist, das Gesetz würde letztendlich eine fünfprozentige Verteuerung zulasten der öffentlichen Haushalte einleiten, ist nur vorgeschoben. Denn durch die über eine gesetzliche Regelung erzielte Tariftreue wird doch letztendlich erst abgesichert, dass das Steueraufkommen für Kommunen und Länder ausgeglichen wird und wir der Entwicklung, dass untertarifliche Arbeitsverhältnisse natürlich zu einem geringeren Steueraufkommen führen, einen Riegel vorschieben und solche Unternehmen im Wettbewerb keine Chance mehr haben.

Wenn man sich hier wie bei der Henne und dem Ei gegen höhere Auftragsvergaben ausspricht, muss man sich am Ende bei der Henne, also der Steuer, nicht darüber wundern, dass dort ständig weniger herauskommt und die Unternehmen vor Ort keine ordentlichen Steuerbeiträge mehr leisten, weil die heimische Bauwirtschaft am Boden liegt.

(Möllring [CDU]: Eine Henne ist doch nicht steuerpflichtig!)

- Herr Möllring, ich habe Ihnen ein bisschen mehr Phantasie zugetraut, diesem Bild folgen zu können. Ich kann Ihnen das nachher in der Lobby noch einmal genauer erklären.

(Plaue [SPD]: Selbst die Phantasie hat er bei Herrn Machens abgegeben!)

Es ist eine große Leistung des BundesTariftreuegesetzes und auch des niedersächsischen Entwurfes, den die Landesregierung eingebracht

hat und den wir unterstützen, zumal wir ihn immer wieder eingefordert haben, dass endlich Sozialstandards bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu berücksichtigen sind. Letztendlich ist das Geld, das die öffentliche Hand für Baumaßnahmen vergibt, Steuergeld. Dieses Steuergeld kann doch nicht in Arbeitsverhältnisse investiert werden, die sozialen Standards nicht entsprechen. So sieht nach unserem Verständnis die logische Konsequenz eines vernünftigen und werthaltigen Einsatzes von Steuergeldern aus: Nicht der billigste Anbieter bekommt den Vorrang, sondern der, der sich in unserem System korrekt und sozial verantwortungsbewusst verhält, soll den Auftrag erhalten. Das wird nur über ein Tariftreuegesetz mit einer bundeseinheitlichen Regelung gesichert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund verstehen wir, dass es einen Ausgleich zwischen Ost- und Westländerinteressen geben musste, zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Wir erleben es doch in der aktuellen Auseinandersetzung im Bundesrat - -

(Plaue [SPD]: Ein bisschen peinlich!)

- Aber genau darum geht es: Wir wollen die Auseinandersetzung im Bundesrat mit offenem Visier führen. Die Argumente waren doch vorhersehbar, Herr Plaue. Das haben uns unsere ostdeutschen Bundestagsabgeordneten von vornherein so erklärt und erläutert. Die Auseinandersetzung im Bundesrat bestätigt uns, dass wir einen Übergang organisieren müssen.

(Plaue [SPD]: Dann musst du sagen, was du willst!)

Wir sind aus niedersächsischer Sicht für jede schärfere Lösung. Wir unterstützen diese Linie offensiv. Aber genauso, wie Sie es als SPDFraktion eben ausgeführt haben, sind wir für eine bundeseinheitliche Regelung, der wir nicht im Wege stehen wollen.

Sollte die CDU dem beitreten können, stimmt mich das zuversichtlich, dass der Bundesrat das bundeseinheitlich geltende Gesetz unterstützt. Wir sind neugierig, wie Sie sich jetzt positionieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihre Neugier wird wahrscheinlich gestillt. Herr Kollege Möllring hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer die Diskussion verfolgt, kommt sich fast vor wie auf dem „Ball verkehrt“. Wir haben immer deutlich gemacht, dass wir zur Tariftreue stehen, in Presseerklärungen, mit Anträgen und in den Beratungen.

(Zuruf von der SPD: Aber nicht, wenn Sie abstimmen sollen!)

Der Ministerpräsident, der jetzt nicht da ist, hat nach Gesprächen mit dem Handwerk erklärt - siehe Presseerklärung! -, selbstverständlich werde sofort ein Landesvergabegesetz in den Landtag eingebracht.

(Plaue [SPD]: Gibt’s schon längst!)

Dieses Versprechen hat die SPD-Fraktion auch gehalten. Dann kam das Gesetz in den Wirtschaftsausschuss, aber die Beratung wurde vertagt. Anschließend kam es noch einmal in den Wirtschaftsausschuss, und dann hat die SPD gesagt: Das wollen wir nicht weiter behandeln, weil wir auf eine Bundesregelung hoffen.

(Frau Körtner [CDU]: So ist es!)

Und nun tun Sie so, als sei der 22. September schon vorbei, stellen sich hier hin und sagen den Kollegen der CDU, das Bundesvergabegesetz tauge nichts, weil dort die falschen Regelungen vorgesehen seien.

Herr Adam, ich weiß nicht, ob Sie Ihren Antrag gelesen haben.

(Frau Körtner [CDU]: Nein, hat er ga- rantiert nicht!)

Dort steht:

„Der Landtag nimmt mit Bedauern zur Kenntnis,“

- das sollen wir hier beschließen

„dass die intensiven Bemühungen der Niedersächsischen Landesregierung, die Eckpunkte des von der SPDFraktion in den Niedersächsischen Landtag eingebrachten Gesetzentwurfs über ein Landesvergabegesetz in das Bundesgesetz einzubringen, bisher nicht in allen Punkten eine

mehrheitliche Unterstützung gefunden haben.“

Das heißt, dass Ihre Anträge auf Bundesebene gescheitert sind.

(Widerspruch bei der SPD)

Aber bis zum 22. September haben Sie - RotGrün - im Bundestag eine Mehrheit. Deshalb verstehe ich nicht, dass die beiden Kollegen, die hier eben geredet haben, nicht sagen können: Wir haben das alles gut gemacht.

(Plaue [SPD]: Lassen Sie doch einmal jemanden dazu reden, der etwas da- von versteht! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir sind für ein Bundesvergabegesetz. Das Bundesvergabegesetz müsste dann aber - das sagen die Handwerksverbände und auch die Industrie - nicht nur entsprechende Maßstäbe setzen, sondern es müsste auch kontrolliert werden, Herr Kollege. Wenn es nicht kontrolliert wird, ist es wirkungslos.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben doch das Beispiel in Berlin gehabt. Da hat der Berliner Senat einmal gesagt, dass jeder Handwerker mindestens 15 DM Stundenlohn haben solle. Da haben sich alle gefreut. Der Bauunternehmer hat zu seinem Polen gesagt: Wenn du bei mir arbeiten willst, musst du in Zukunft 5 DM bezahlen. - Daraufhin hat der Pole gesagt: Ich bin ja in Deutschland einiges gewohnt, aber wieso muss ich 5 DM bezahlen? - Daraufhin hat der Bauunternehmer gesagt: Sie kriegen künftig 15 DM statt bisher 10 DM. - Da haben sich alle gefreut. Der Pole hatte seine 10 DM, der Unternehmer hat die 5 DM in die Schweiz gebracht, die Banken in der Schweiz haben sich gefreut, und die Politiker waren zufrieden, dass sie endlich für Gerechtigkeit auf dem Bau gesorgt haben. So ist es doch gewesen, weil das niemand kontrolliert hat. Das sind Geschichten, die das Leben schreibt. Daran kommen Sie doch nicht vorbei.

(Beifall bei der CDU - Adam [SPD]: Das ist doch unglaublich!)

Ich will auch keine Minimallösung. Wir können über die Grenze bei 20 000 Euro gerne reden. Meinetwegen könnte die Grenze auch bei Null liegen. Warum soll eigentlich bei Auftragswerten, die unter 20 000 Euro liegen, nicht genauso nach Tarif bezahlt werden wie in den Fällen, in denen es sich

nur um eine kleine Putz- und Flickaufgabe handelt? Ich gebe aber zu, dass die Kontrolle dann schwierig werden wird.

Aber eins muss man deutlich sagen: Wer sich hier hinstellt und sagt, dass er die Tariftreue und das Vergabegesetz will, und dann auf den Zwischenruf „Fachhochschule Osnabrück“ diese Antwort gibt, der muss sich an die Diskussion im Ausschuss erinnern. Im Ausschuss haben alle Fachleute gesagt, dass das, was wir in Osnabrück planen, 12 Millionen DM koste. Dann ist im Haushaltsausschuss des Niedersächsischen Landtages - Sie wissen ja, wer da die Mehrheit hat - gesagt worden, dass ein Angebot über 9 Millionen DM vorliege, dass mit einer Tochterfirma gebaut werde, dass nicht ausgeschrieben werden müsse und dass diese Tochterfirma 3 Millionen DM günstiger bauen könne. Als wir gefragt haben, wo denn die Verpflichtung zur Tariftreue festgelegt sei, und gesagt haben, dass wir die Tariftreue überprüfen wollten, ist unser Antrag im Ausschuss mehrheitlich abgelehnt worden. Später ist die Absicht, um 3 Millionen DM preiswerter zu bauen, gescheitert, sodass wir den Bau für 12 Millionen DM genehmigen mussten. Das ist doch Fakt, Herr Adam. Darüber brauchen wir doch nicht zu diskutieren.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann nicht in der nichtöffentlichen Ausschusssitzung sagen, dass wir das so machen wollen, und mich in der Öffentlichkeit für die Einhaltung der Tariftreue und ein Landesvergabegesetz einsetzen, und das Vergabegesetz dann, wenn ich es in den Landtag eingebracht habe, im Ausschuss wieder zurückziehen bzw. seine Beratung vertagen mit dem Hinweis darauf, dass ich ein Bundesvergabegesetz wolle, das ich später als nicht gut genug bezeichne, um schließlich alle die zu beschimpfen, die an der Erarbeitung des Gesetzes nicht mitgewirkt haben bzw. nicht verhindert haben, dass ein besseres Gesetz zustande gekommen ist. Sie haben noch bis zum 22. September eine Mehrheit in Berlin. Sie hätten es besser machen können, und Sie sind gescheitert. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Coenen [CDU]: Wir wollen Plaue!)

Zu Wort gemeldet hat sich mit einer offiziellen Wortmeldung zunächst Frau Dr. Knorre.