Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

(Beifall bei der SPD)

Sie haben erneut bewiesen: Sie machen dicke Sprüche, und hier am Pult bieten Sie außer heißer Luft nichts! - Fazit der Veranstaltung: Die CDU Niedersachsen ist in Sachen Jugendarbeitslosigkeit und ihrer Bekämpfung konzeptionslos, ideenlos und kraftlos. - Das haben Sie hier vorgeführt.

(Beifall bei der SPD - Dr. Stratmann [CDU]: Das hättet ihr gern!)

Dann lassen Sie mich zur Abteilung „Seriosität“ kommen. Da trägt Frau Trauernicht vor, wir seien von Platz 9 auf Platz 5 vorgedrungen. Sie ignorie

ren diese Tatsache einfach, obwohl diese Entwicklung als ordentlicher Erfolg zu verbuchen ist.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Was ver- gleicht ihr denn da?)

Jetzt kommen wir zur Abteilung „Vergleich“. Lassen Sie uns einmal in die Statistik auf Seite 39 hineinschauen. Ich gehe einmal in das Jahr 1984.

(Frau Vockert [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Bevor Sie dahin gehen, darf ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Vockert beantworten wollen.

Nein, ich trage zunächst im Zusammenhang vor. Ich gehe einmal in das Jahr 1984. Niedersachsen hatte damals 7,1 Millionen Einwohner und 91 046 Arbeitslose.

(Frau Pawelski [CDU]: Das ist viele Jahre her! Das ist ja langsam lächer- lich! - Zuruf von Frau Pothmer [GRÜNE] - Unruhe - Glocke des Prä- sidenten)

Frau Pothmer, ich erinnere Sie nur daran, dass Sie gerade das Wort hatten. Jetzt ist Herr Mühe dran.

Mich stört das nicht. Frau Pothmer kann dazwischenrufen, so lange sie will; es stört mich nicht sehr.

(Heiterkeit bei der SPD - Biel [SPD]: Aber uns!)

Moment einmal, Herr Kollege Mühe! Uns stört das hier.

(Beifall bei der SPD)

Einige, die zuhören möchten, stört das auch. - Fahren Sie bitte fort!

Dann würde ich der Kollegin Pothmer anraten, sich diesen Hinweis zu Herzen zu nehmen.

Meine Damen und Herren, ich wiederhole: 1984 waren es 91 000 Arbeitslose bei 7,1 Millionen Einwohnern; 2001 waren es 43 613 arbeitslose Jugendliche bei 7,9 Millionen Einwohnern. Wir müssen doch die demografische Entwicklung dieses Landes einmal zur Kenntnis nehmen. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat Niedersachsen 800 000 Bürgerinnen und Bürger dazugewonnen.

(Beifall bei der SPD)

Diese Bürgerinnen und Bürger sind auch mit Kindern und Jugendlichen zu uns gezogen sind. Hinzu kommt, dass die Anrainer-Landkreise und -Samtgemeinden nach Sachsen Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen hohe Einpendlerströme zu verzeichnen haben. Alles das muss insoweit berücksichtigt werden.

Lassen Sie mich Ihnen in diesem Zusammenhang noch etwas sagen: Als ich 1986, vor 16 Jahren, hier angefangen habe, gab es ein Programm zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit. Das war das Werkstättenprogramm, das mit etwa einem Achtel der Mittel versehen war, die heute vorhanden sind. Heute gibt es Jugendbüros, RABaZ, RAN, Jugendwerkstätten, Qualifizierungsprogramme und zahlreiche andere Programme. Als Herr Möllring im Haushaltsausschuss noch gegen die Jugendbüros gewettert hat, weil die Kosten dafür aus seiner Sicht im Haushalt nicht abgebildet waren, haben die CDU-Abgeordneten schon bei Frau Trauernicht Schlange gestanden, um ein Jugendbüro zu bekommen. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ein Instrument, mit dem wir ernsthaft und erfolgreich etwas bewegen können. In der kurzen Zeit von wenigen Monaten haben die Jugendbüros in 600 Fällen beraten und erfolgreich vermittelt.

(Frau Pawelski [CDU]: Deshalb wollten wir die auch in Hannover be- kommen!)

- Liebe Frau Pawelski, dazu will ich Ihnen einmal etwas sagen. 16 Jahre lang hatte die von Helmut Kohl geführte Bundesregierung Zeit, die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Was konnten wir im Jahr 1998 nach 16 Jahren aber feststellen? - Nichts

tun, Arroganz und Aussitzen, Politik zum Schaden der Jugend! Das war das Ergebnis von Helmut Kohl.

(Beifall bei der SPD)

Dann wurde umgeschaltet. Unter Rot-Grün wurde das JUMP-Programm mit 2 Milliarden DM für junge arbeitslose Menschen, um sie wieder ins Berufsleben zu bringen, organisiert. Und das nicht nur für ein Jahr oder zwei Jahre, sondern verstetigt über die laufende Zeit mit dem Ergebnis, dass in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 400 000 junge Menschen in Arbeit und Brot gekommen sind. Sie aber wollen sagen, das sei nichts? - Das, was Sie hier machen, ist doch schlicht und einfach nur Katastrophenrhetorik. Wir lehnen diese Art von Politik ab. Tun Sie etwas Richtiges. Machen Sie endlich ordentliche Vorschläge. Dann werden Sie auch glaubwürdig sein.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich darf feststellen, dass die Besprechung der Großen Anfrage damit abgeschlossen ist.

(Unruhe)

- Ich darf um Ihre Aufmerksamkeit bitten, wenn es Recht ist. - Die Fraktionen sind übereingekommen, den

Tagesordnungspunkt 29: Initiative für Mitarbeiterkapitalbeteiligung - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3444

ohne Aussprache zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Haushalt und Finanzen sowie für Sozial- und Gesundheitswesen zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist so beschlossen worden.

Die SPD-Fraktion hat sich bereit erklärt, den

Tagesordnungspunkt 33: Ausgezeichnete Rahmenbedingungen für Luft- und Raumfahrttechnologie weiterentwickeln - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 14/3447

ebenfalls ohne Aussprache zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und zur Mitberatung an den Ausschuss für Wissenschaft und Kultur zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist ebenfalls so beschlossen worden, sodass wir die Tagesordnung für den heutigen Tag etwas geleichtert haben.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung: Kein Saatgut mit gentechnisch veränderten Organismen ohne Kennzeichnung - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3441

Der Antrag wird durch den Kollegen Klein eingebracht, dem ich das Wort erteile.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kommission hat die gemeinsame Forschungsstelle der EU beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, das die Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen auf die übrige Landwirtschaft beurteilen soll. Diese brisante Studie ist seit Januar fertig und liegt seit dieser Zeit im Giftschrank der Kommission. Erst als Greenpeace vor einigen Tagen eine Zusammenfassung veröffentlichte, wurde dieser Bericht ins Internet gestellt. Angeblich sollten erst die einzelnen Generaldirektionen vor einer Veröffentlichung Stellung beziehen, erklärte man die bisherige Geheimhaltung. Ein Schreiben des Direktors der gemeinsamen Forschungsstelle sagte etwas anderes, dass es sich nämlich um eine sensible Angelegenheit handele. Deshalb schlug dieser vor, diesen Bericht nur für den internen Gebrauch der Kommission zu nutzen.

Was war nun der Inhalt dieses Berichtes „Coexistence in European Agriculture“? Fazit des Berichtes war, dass die friedliche Koexistenz zwischen grüner Gentechnik und gentechnikfreier Landwirtschaft schwierig bis unmöglich ist, in

jedem Fall aber sehr teuer. Wenn man Verunreinigungen von 1 % noch als gentechnikfrei definiert, was an sich schon ein Paradoxum ist, wäre dies nur zu erreichen, wenn von Anfang an ein Riesenaufwand mit Abstandsregelungen, regional abgestimmter Anbau- und Sortenplanung, mit Abschirmmaßnahmen, mit Kontrollen und Versicherungen betrieben würde. Eine wirkliche Gentechnikfreiheit mit einem Grenzwert auf der Nachweisgrenze, die heute bei 0,1 % Verunreinigung liegt und auf die z. B. der Ökolandbau gesetzlich zwingend angewiesen ist, ist nach dieser Studie nicht zu erreichen, selbst dann nicht, wenn man den Kostenaufwand noch weiter steigert.

Kurz: Ein Nebeneinander von grüner Gentechnik und gentechnikfreier Landwirtschaft ist nicht mehr und nicht weniger als die Quadratur des Kreises. Das muss man sehen vor dem Hintergrund, dass übergeordnetes politisches Ziel - das gilt für alle Fraktionen, so weit man dies gehört hat - die Wahlfreiheit für Landwirte und Verbraucher sein soll. Diese Wahlfreiheit ist vor diesem Hintergrund eine Farce. In dieser Situation legt nun die EU einen Richtlinienentwurf vor, der die Kennzeichnung von Saatgut regeln soll, das mit GVOs verunreinigt ist. Über diese Richtlinie soll im Dezember dieses Jahres entschieden werden. Sie sieht vor, dass gentechnische Verunreinigungen im Saatgut je nach Sorte zwischen 0,3 und 0,7 % zugelassen sind, ohne dass es einer Kennzeichnung bedarf. Das heißt, auf jedem Hektar Acker können 30 bis 70 m² gentechnisch veränderter Pflanzen stehen, ohne dass der Landwirt dies weiß.

Wir sind in der EU, was die Bereiche Lebensmittel und Landwirtschaft betrifft, noch weitgehend gentechnikfrei. Es gibt keine originär gentechnisch veränderten Lebensmittel. Es gibt keine Lebensmittel, die lebende GVOs enthalten. Lediglich die Lebensmittel der dritten Kategorie - d. h. verarbeitete Produkte aus GVOs ohne lebenden gentechnisch veränderten Organismus - sind auf dem Markt. Auch die sind entsprechend dem Verbraucherwunsch auf dem Rückzug.

Hat die Stiftung Warentest vor zwei Jahren noch bei 31 von 82 getesteten Produkten transgene Zutaten von bis zu 20 % gefunden, so erbrachte die jetzige Wiederholung des Tests, dass die Produkte entweder vom Markt verschwunden waren oder keine Belastung oberhalb von 0,1 % mehr messbar war. Wenn der Vorschlag der EU-Kommission Gesetz wird und sich die Gentechnikindustrie damit in Brüssel durchsetzt, ist es aus mit der gen

technikfreien Landwirtschaft in Europa. Wir hätten eine völlig unkontrollierte schleichende Einführung der grünen Gentechnik durch die Hintertür gegen den Willen der Mehrheit der Verbraucher und der Landwirte. Dagegen gibt es Widerstand bei vielen Gruppen.

Selbst das EU-Parlament, das hier nicht beteiligt wird, ist für eine Zurückstellung dieser Richtlinie. Mehr als 20 Umweltschutz-, Bauern- und Verbraucherschutzorganisationen einschließlich einiger kleiner und mittlerer Saatgutunternehmen haben die Aktion „Save our Seeds“ ins Leben gerufen. Ziel dieser Aktion ist es, ein Reinheitsgebot für Saatgut durchzusetzen. Das heißt technisch, einen Verunreinigungswert von 0,1 % festzulegen, wie dies in Österreich bereits erfolgt ist. Dieses Reinheitsgebot haben wir in unseren Antrag übernommen. Wir wollen, dass Kosten und Auflagen zur Gewährleistung dieses Reinheitsgebotes von denjenigen getragen werden, die GVOs herstellen und anbauen wollen, nicht aber, wie es sich jetzt andeutet, bei denjenigen hängen bleiben, die gentechnikfrei arbeiten wollen oder müssen. Wir wollen Sie bitten, dass dieser Landtag diese Anliegen auch im Interesse der niedersächsischen Landwirtschaft unterstützt.

Während die EU-Kommission im Allgemeinen wahrlich nicht als Hort der Deregulierung gilt, ist doch bezeichnend, dass sie sich hier zwar als Türöffner für die Genlobby betätigt, zu allen Rahmenbedingungen aber schweigt. Zum einen ist doch befremdlich, dass beim Saatgut vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen, bevor überhaupt über einen Grenzwert für Gentechnikfreiheit bei Futter- und Lebensmitteln entschieden worden ist. Zum anderen gibt es einen riesigen rechtlichen Klärungsbedarf, der logischerweise noch vor der Verabschiedung einer solchen Richtlinie abgearbeitet werden muss. Ungeklärt sind z. B. folgende Fragen: Welche Verpflichtungen zur Vermeidung von Auskreuzung, Fremdbestäubung und anderweitiger, auch mechanischer Verbreitung werden den In-Verkehr-Bringern und Anwendern von GVOs bei Zulassung des Anbaus auferlegt? Welche Versicherungspflicht für Erzeuger und Anwender von GVOs besteht, um die damit verbundenen Risiken abzudecken? Welche Informationsrechte und -pflichten über den Anbau von GVO’s bestehen im nachbarschaftlichen Verhältnis und in der Öffentlichkeit? Wie sind eventuelle nachbarschaftliche, kommunale oder auch regionale Interessenskonflikte in Bezug auf den Anbau von GVOs zu lösen? Schließlich: Welche Haftungsbe

stimmungen ermöglichen es künftig, gegebenenfalls den Verursacher bestimmter gentechnischer Verunreinigungen hierfür in Anspruch zu nehmen? Welche Beweislast kommt dabei auf die Beteiligten zu?