Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

Mit dem Entschließungsantrag der CDU-Fraktion, Herr Dr. Biester, kann ich mich in allen Punkten einverstanden erklären und kann Ihnen berichten, dass wir bereits Anfang dieses Jahres dieses Problem zunächst einmal auf einem Irrweg - wie sich später herausstellte - bearbeitet hatten.

Wir hatten gehört, dass es in England gelungen war, eine Wahlankündigung des Premierministers umzusetzen, nämlich vom Durchschnitt von 142 Tagen zwischen Tat und Hauptverhandlung auf 71 Tage herunterzukommen, auf die Halbierung, aber das mit 30 Millionen Pfund landesweit entstandenen Kosten. Ein Dienstleistungsunternehmen war aus den Gründen, die Sie dargelegt haben und die alle anderen akzeptieren, beauftragt worden, die Justiz für Beschleunigung fit zu machen.

Mit diesem Dienstleistungsunternehmen, das auch in Deutschland expandieren möchte, haben wir intensive Gespräche geführt. Das Ergebnis war: Den englischen Weg wollen wir gerne nachahmen, die Kosten wollen wir sparen. Wir sehen es so wie Sie, dass wir kostenneutral eine Beschleunigung erreichen wollen, auch erreichen müssen, weil wir das Geld gar nicht hätten, um teure Wege zu gehen.

Von daher gesehen sind wir natürlich auf die Projekte in Schleswig-Holstein und Hessen gekommen, haben erkannt, dass es ein nachahmenswerter Weg ist und haben uns die Informationen besorgt. Bereits am Rande des letzten Plenums hatte ich ein sehr intensives Gespräch mit Brigitte Somfleth, die auf mich zugekommen war, weil ihr aufgefallen war, dass es in ihrem Gebiet Probleme mit der Dauer gibt. Ich habe ihr aufgrund der drängenden Probleme, die dort sichtlich herrschen, zugesagt: Wenn wir das demnächst beginnen, dann auch in Lüneburg in der Staatsanwaltschaft. Das wird si

cher so geschehen. Wir werden im Wesentlichen den Weg einschlagen, den auch SchleswigHolstein und Hessen beschritten haben. Vielleicht modifizieren wir es in einem wichtigen Punkt.

Ich habe noch etwas Sorge, dass es, selbst wenn man eine gewisse Zeit eine Beschleunigung erreicht, nach einiger Zeit wieder eine Schlamperei geben kann. Von daher ist Kontrolle gut. Wir werden deshalb zusätzlich Messinstrumente einführen, die nicht viel Zeit kosten werden, die uns aber trotzdem in die Lage versetzen, zu überprüfen, ob es auf Dauer hält, was wir mit einem gewissen Kraftakt und Überzeugungsarbeit in der Praxis erreicht haben. Das Ziel ist - genau wie es hier dargestellt wurde -, dass wir möglichst in vier bis sechs Wochen nach der Vernehmung des Täters durch die Polizei die Hauptverhandlung bekommen. Das ist machbar, ohne dass in großem Stil Finanzmittel investiert werden müssen.

Für mich ganz wichtig: Wir erhoffen uns davon nicht nur einen schnelleren Effekt auf den Täter, sondern auch etwas für die Opfer, denn die werden mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen, dass die Justiz auf das, was ihnen widerfahren ist, schnell reagiert. Ihre Chancen, sehr bald zu Schadenswiedergutmachung zu kommen, erhöhen sich deutlich. Sie hatten früher einen Titel, auf den sie sich berufen konnten, oder sogar direkt das Urteil, die Maßnahme des Richters, die anordnet, dass ein TäterOpfer-Ausgleich dem Opfer sofort das Geld bringt. Von daher sind wir einig, dass wir in dieser Richtung vorgehen werden. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Deshalb kommen wir zur Ausschussüberweisung.

Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, mit der federführenden Beratung und Berichterstattung den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und mit der Mitberatung den Ausschuss für Jugend und Sport zu beauftragen. Wenn Sie das möchten, zeigen Sie mir bitte Ihre Hand. - Danke schön. Sie haben so beschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 30: Besprechung: Zukunft für den niedersächsischen Harz Große Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 14/3277 - Antwort der Landesregierung - Drs. 14/3428

Die Große Anfrage und die Antwort werden jetzt besprochen. Für die Fraktion der CDU hat sich die Kollegin Frau Ortgies zu Wort gemeldet, und ich erteile ihr das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Niedersachsen verfügt mit dem Westharz über eine der schönsten deutschen Urlaubslandschaften mit einer reizvollen Natur und vielfältigen touristischen Möglichkeiten. Aber dem niedersächsischen Harz geht es leider sehr schlecht. Gegenüber vergleichbaren Regionen wie dem Schwarzwald, dem Sauerland oder dem Bayerischen Wald fällt der Harz deutlich zurück.

Seit 1990 sind die Übernachtungszahlen in Häusern mit mehr als acht Betten um rund 1,3 Millionen Gäste zurückgegangen. Die Zahl der betrieblichen Insolvenzen hat sich seit 1990 geradezu verdoppelt. Die Arbeitslosenquote mit rund 13 % gehört zu den höchsten in Niedersachsen. Im produzierenden Gewerbe ist seit 1996 die Zahl der Vollzeitbeschäftigten um 25 % gesunken.

Diese beängstigende Entwicklung hat natürlich auch Auswirkungen auf den Einzelhandel, verringert die Chancen, auch für Gäste ein attraktives Angebot zu machen. Es kommt zu Leerständen von Geschäften, die das Image negativ beeinflussen.

Die im Tourismus erwirtschafteten Umsätze stagnieren oder sinken sogar in dramatischer Weise ab. Die finanzielle Situation der Harzkommunen ist bis auf sehr wenige Ausnahmen schlichtweg katastrophal. Die Zahlen sind geradezu erschütternd.

Fazit: Eines der schönsten und wichtigsten Urlaubsgebiete Deutschlands befindet sich nicht nur in der Krise, sondern droht abzustürzen. Der Harz hat unter der Teilung Deutschlands schwer gelitten. Eine zusammenhängende Region wurde in der Mitte zerschnitten. Nach dem Kriege fanden Vertriebene und Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten im Harz eine erste Bleibe und Unterkunft. Mühsam musste der Tourismus wieder aufgebaut

werden. Damals besann man sich auf die Stärken des Harzes: die einzigartige Waldlandschaft, eine gesunde Luft und intakte Umwelt, die Urlaubern Ruhe und Erholung bot. Kur und Gesundheit, Wandern in der Natur, Wintersport und ein kulturelles Angebot - der Harz wurde als touristisches Urlaubsziel angenommen. In den 70er-Jahren stiegen die Zahlen bis auf mehr als 10 Millionen Übernachtungen im Jahr.

Den Harz wieder nach vorn zu bringen, muss bedeuten, sich auf seine Stärken zu besinnen. Ruhe und Erholung, Wandern, Gesundheit und Umwelt das sind die Pluspunkte. Deshalb halte ich es nicht für hilfreich, wenn die Landesregierung in ihrer Antwort schreibt, der Westharz leide generell unter einer Überalterung der Gästestruktur. Der Harz muss für alle Generationen da sein.

(Beifall bei der CDU)

Er muss auch ein Angebot für jüngere Leute und auch für Kinder bieten. Aber gerade die mittlere und ältere Generation ist traditionell eine Zielgruppe der deutschen Mittelgebirge. Man sollte deshalb nicht sagen, dass der Harz darunter leidet, sondern sich mehr Gedanken darüber machen, wie man diesem zentralen Klientel des Harzes den Aufenthalt noch angenehmer und attraktiver machen kann,

(Beifall bei der CDU)

wie man also noch mehr dieser Gästegruppen für den Harz begeistern kann. Modernität und die Zielgruppe der mittleren und älteren Jahrgänge schließen sich nicht aus.

Die Bedürfnisse der Gäste haben sich gewandelt. Neue Erwartungen werden gestellt. Deshalb ist es richtig, wenn sich der Harz auch für die so genannten Trendsportarten, wie z. B. Mountainbiking, öffnet.

(Biel [SPD]: Aber nicht überall!)

Aber auch hier gilt: Das Gute geht an seiner Übertreibung zugrunde. Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Harzbesucher müssen in Einklang gebracht werden. Vor allem aber darf das Kapital nicht zerstört werden: eine gesunde Umwelt, eine Ruhe und Erholung bietende Naturlandschaft, ein einzigartiges Heilklima - unabhängig vom Wetter. Es ist deshalb richtig, die Nationalparke im Harz weiter auszubauen und das Ziel einer Zusammenführung der beiden Nationalparke in Niedersach

sen und in Sachsen-Anhalt nicht aus dem Auge zu verlieren. Auch das Projekt WildTiernis ist geeignet, den Besuchern ein attraktives und harzgemäßes Angebot zu machen.

Den Harz attraktiver zu machen, ihn für neue Gästezielgruppen zu erschließen, das ist ein sehr wichtiges Ziel, meine Damen und Herren. Aber auch hierbei muss gut abgewogen werden. Tourismus muss natur- und menschenverträglich bleiben. Deshalb ist es richtig, den Ökotourismus zu fördern. Deshalb muss mit Vorsicht darangegangen werden, Projekte wie z. B. die Seebühne auf der Okertalsperre zu entwickeln. Unter dem Strich darf die Belastung nicht den Nutzen für den Harz übersteigen.

(Beifall bei der CDU)

Dazu bedarf es genauer Untersuchungen und auch Konzepte. Ich bin dafür, den Tagestourismus zu fördern. Auch das gehört zum Harz, aber nicht an erster Stelle. Blicken sie in das Allgäu oder in den Schwarzwald. Dort hat man mit dem Schwerpunkt Gesundheit und Erholung beeindruckende Erfolge erzielt. In der Ausgabe der Welt vom vergangenen Montag können Sie auf Seite 1 einen Artikel mit der Überschrift „Einfach wanderbar“ lesen. Die deutschen Urlauber entwickeln in dieser Saison Heimatgefühle. Mit Hinweis auf den Harz wird das Umsatzvolumen der Wanderer von 6 Milliarden Euro im Jahr hervorgehoben. Der gesundheitsorientierte Urlaub gewinnt deutlich an Boden. Das ist eine wichtige Chance für den Harz. Man soll die Stärken des eigenen Ortes betonen und pflegen, sie aber nicht verzetteln. Von zentraler Bedeutung ist, dass der Gast ein modernes und leistungsfähiges gastronomisches Angebot vorfindet.

(Beifall bei der CDU)

Die Antwort auf die Große Anfrage macht deutlich, dass es im Harz Nachholbedarf gibt. Gerade auch in den Jahren des Zuwachses nach der Wiedervereinigung wurde vielfach versäumt, in die Zukunft zu investieren. Das ist nunmehr deutlich spürbar. Da muss man sich schon die Frage stellen, ob es richtig ist, wenn die Landesregierung in dieser Region eine Hotelförderung vornimmt, die auf den oberen Bereich, nämlich ab vier Sterne, abzielt.

(Frau Vockert [CDU]: Wie viele ha- ben wir davon?)

Die Gastronomie im Harz ist mittelständisch geprägt. Der Hinweis in der Antwort, dass hier ein Bereinigungsprozess stattfinde, kann nicht befriedigen. Das Land darf nicht nur dort tätig werden, wo es um Upperclass geht, es muss sich vor allem auch um den Mittelstand kümmern.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Ist der Mittelstand nur zwei Sterne? Was haben Sie für ein Bild vom Tou- rismus?)

Die Tourismusoffensive Harz 21, die Harzkonferenz, der Einsatz von Mitteln zur Strukturförderung sind wichtig und richtig, aber das reicht nicht aus. Die üblichen Instrumentarien schaffen es nicht, die Krise im Harz zu überwinden. Das muss die Landesregierung endlich zur Kenntnis nehmen. Deshalb sagen wir: Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für den Harz. Wir müssen endlich begreifen, dass hier eine ganze Region auf der Kippe steht. Wenn wir nicht jetzt massiv tätig werden, wird sich die Krise verschärfen und wird sich der Abstand zu anderen Regionen auf Jahre, wenn nicht sogar auf Jahrzehnte verfestigen. Deshalb müssen alle Kräfte gebündelt werden. Jetzt müssen unverzüglich Überlegungen angestellt werden, ob und wie ein Sonderprogramm Harz entwickelt werden kann, das dieser wichtigen Region in Niedersachsen wieder eine hinreichende Zukunftsperspektive gibt. Wenn man sieht, welchen Stellenwert der Tourismus bei der Landesregierung insgesamt hat, wenn man sieht, welchen Stellenwert der Tourismus in anderen Bundesländern hat, dann kann man schon Zweifel bekommen, ob diese Landesregierung die notwendige Kraft, den notwendigen Willen und die notwendige Fähigkeit hat, um das Entscheidende für den Harz zu tun.

Der Ministerpräsident fehlt einmal wieder - wie so häufig.

(Beifall bei der CDU - Mühe [SPD]: Das ist eine Frechheit! Er ist ent- schuldigt!)

- Ich wollte ihn ansprechen.

(Mühe [SPD]: Er ist ordnungsgemäß entschuldigt! Sie wissen das! Das muss man nicht mit einer solchen schäbigen Bemerkung begleiten!)

- Schäbig - das Wort haben Sie gebraucht, nicht ich, Herr Kollege Mühe.

(Frau Bührmann [SPD]: Damit soll suggeriert werden, er sei nicht da! - Gegenruf von der CDU: Er ist doch auch nicht anwesend!)

Ich beklage hier seinen persönlichen Einsatz für seine Heimatregion. Die bisherigen Konzepte der Landesregierung sind nämlich allesamt gescheitert. Es bedarf jetzt einer deutlichen Modernisierung der touristischen Infrastruktur und der Pflege eines zeitgemäßen Images. Das darf aber nicht nur in die Antwort auf die Große Anfrage geschrieben werden. Nein, dazu bedarf es auch der Taten seitens der Landesregierung. Wer versäumt, mit der Entwicklung Schritt zu halten und sich den stets verändernden Bedingungen anzupassen, weil er glaubt, man könne von der Tradition leben, und wer nicht bereit ist, zu investieren und das Angebot von alten Vorstellungen zu lösen und es zu verbessern, der wird in das Hintertreffen geraten und mit der Zeit vom Markt verdrängt.

(Beifall bei der CDU)

Der Ostharz macht es uns doch vor. Dort hat man massiv in die Infrastruktur investiert. Der Ostharz ist nach 40 Jahren sozialistischer Zerstörung auf einem guten Wege. Ja, der Westharz ist sogar in Gefahr, vom Ostharz abgehängt zu werden. Da können wir doch nicht einfach beiseite sehen und so tun, als sei dies schicksalhaft. Politik kann handeln. Politik muss handeln. Es ist richtig, den Harz als einheitliche touristische Destination zu betrachten. Aber dann muss das Leistungsangebot, dann muss die touristische Infrastruktur auf demselben Level wie im Osten sein. Dass der Harz bei Ihnen nur am Rande mitläuft, macht allein schon das Messerstandkonzept deutlich. Zu 75 % stand auf dem Harz-Stand während der ITB der Ostharz im Vordergrund. Der Harz lief bei Sachsen-Anhalt mit, als hätte er mit Niedersachsen nichts zu tun.

(Zuruf von Frau Elsner-Solar [SPD])

Ich bin dort gewesen. Deshalb weiß ich, worüber ich rede. Ich habe mich vor Ort informiert.

(Mühe [SPD]: Einmal im Harz heißt, kein Mal im Harz!)

Es ist begrüßenswert, dass die TMN ab 2003 ein einheitliches Messekonzept vorstellen soll. Spätestens auf der nächsten ITB in Berlin werden wir uns dann vor Ort informieren. Der Harzer Verkehrsverband wird jährlich gemeinsam von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt für Marketingzwe

cke mit ca. 250 000 Euro unterstützt. Aber hat der Westharz davon hinreichend Nutzen? Uns allen ist bekannt, dass Werbung die wichtigste Maßnahme überhaupt ist. Aber wo finden wir in einer der großen überregionalen Zeitungen z. B. Werbung für den Westharz? Ich kann Ihnen nur sagen: Wer nicht wirbt, der stirbt.