Protokoll der Sitzung vom 14.06.2002

„Um ein Portfolio hochprofitabler Dienstleistung, wissenschaftlicher Forschung oder Logistik zu erreichen, das etwa die Hamburger Wirtschaft auszeichnet, sind in Niedersachsen noch weitgehende Anstrengungen erforderlich.“

Weiterhin wird beispielsweise festgestellt, dass der Anteil an selbständigen Unternehmen in Niedersachsen noch unterdurchschnittlich sei und dass das ein strukturelles Hemmnis sei. Daran können Sie sehen, wo diese Landesregierung ihre Hausaufgaben machen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte nur noch in Bezug auf die Infrastrukturmaßnahmen, die Sie hervorgehoben haben, sagen, dass es natürlich eine sehr gute Sache ist, wenn man in die Infrastruktur investiert. Wir möchten aber auch feststellen, dass Sie in Ihrem Antrag ausschließlich die Investitionen in die Autobahnen hervorgehoben haben, als wenn das, wenn wir hier drei Autobahnen mehr pflastern, der Erfolg wäre,

(Plaue [SPD]: Ist es auch! Sie sind doch bei den Radfahrern!)

während wir Sie immer zum Jagen tragen müssen, wenn es darum geht, in die Schiene zu investieren, um auch daraus einen Nutzen für Niedersachsen zu ziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Genauso gut könnte ich Ihnen auch im Bereich der Hafenpolitik noch Punkte aufzählen.

(Adam [SPD]: Daran wäre ich aber interessiert! - Glocke der Präsidentin)

Ich komme zum Schluss. Wenn wir diese Diskussion im Ausschuss führen, werden wir uns über Prioritäten der Infrastrukturpolitik und darüber unterhalten, dass es nicht reicht, schöne virtuelle Bilder zu zeichnen, sondern dass Niedersachsen in seiner Wirtschaftspolitik auch aus eigener Kraft ganz andere Schwerpunkte setzen muss.

(Beifall den GRÜNEN - Plaue [SPD]: Ende, Frau Präsidentin! Mikro aus!)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Darum schließe ich die Beratung. Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Wenn Sie den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr mit der federführenden Beratung beauftragen und die Ausschüsse für Bundes- und Europaangelegenheiten, für Wissenschaft und Kultur, für Haushalt und Finanzen, für innere Verwaltung und für Häfen und Schifffahrt mitberaten lassen wollen, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. - Möchte jemand dagegen stimmen? - Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? - Die gibt es auch nicht. Dann haben Sie, meine Damen und Herren, so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 39: Erste Beratung: Abbau der Überbelegung niedersächsischer Justizvollzugsanstalten für Frauen - Keine vorzeitige Freilassung von Strafgefangenen, kein Aufschub des Strafantritts - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3453

Zur Einbringung erteile ich dem Kollegen Stratmann das Wort. Bitte schön, Herr Stratmann!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich versuche, mir seit einer halben Stunde vorzustellen, dass der Plenarsaal voll besetzt ist, damit das hier ein bisschen mehr Spaß macht.

(Heiterkeit)

Aber da müssen wir jetzt durch. Auch das gehört zu den Pflichten, die wir hier zu absolvieren haben. Gleichwohl ist uns das Thema natürlich außerordentlich wichtig, Herr Minister, weil wir heute erneut über das Problem der Überbelegung unserer niedersächsischen Justizvollzugsanstalten reden müssen. Dieses Thema ist mittlerweile wahrscheinlich 15 Jahre alt. Immer und immer wieder haben wir diese Thematik an dieser Stelle diskutiert. Wir haben Sie immer wieder darauf hingewiesen, dass das Problem im Wesentlichen nur dadurch gelöst werden kann, dass wir in Niedersachsen Neubauten bekommen und zusätzliche Haftplätze schaffen. Selbst zuzeiten der AlbrechtRegierung hat man entsprechende Entscheidungen getroffen. Der geplante Neubau in Göttingen ist bis zur Baureife vorangetrieben worden. Auch insoweit wiederhole ich mich; ich sage es aber trotzdem noch einmal. Nach dem Regierungswechsel 1990 wurde dieses Neubauprojekt – zugegebenermaßen auf Druck der Grünen - gecancelt. Es wurde kein Neubau errichtet. Daraus resultiert im Grunde genommen auch eine der Ursachen für die gegenwärtigen Probleme. Das geschah dann allerdings mit Billigung der SPD. Erst als der Druck der Öffentlichkeit immer mehr zunahm, war auch Ministerin Merk bereit, sich diesem Thema etwas stärker zuzuwenden. Es begann ein Umdenkprozess, es wurden Beschlüsse gefasst, die mit unserer Unterstützung endlich zu Neubaumaßnahmen und Erweiterungsbauten führten. So weit, so gut.

Es ist erst vier Wochen her, Herr Minister, dass wir in diesem Landtag über das Thema Frauenvollzug diskutiert haben. Wir müssen im Nachhinein sagen, dass wir uns schon außerordentlich darüber gewundert haben, dass Sie es in dieser Debatte vor vier Wochen nicht für nötig befunden haben, den Niedersächsischen Landtag über Ihr Vorhaben aufzuklären. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie zu dem Zeitpunkt noch nicht gewusst haben, dass Sie in den darauf folgenden Tagen eine solche Entscheidung würden treffen müssen. Von daher kann ich das nur mit außerordentlicher Verwunderung zur Kenntnis nehmen. Ich empfinde dieses

Verhalten sogar als eine Brüskierung dieses hohen Hauses.

(Zustimmung von Schünemann [CDU] - Biel [SPD] - zu Schünemann [CDU] - : Wie ein einsamer Rufer im Wald!)

Ich sage das deshalb mit etwas Verwunderung, weil ich mich bisher über Ihre Informationspolitik überhaupt nicht beklagen konnte. Es gehört zur Fairness, dass ich das sage. Ausgerechnet bei einem so schwierigen Problem, einem so schwierigen Thema war sozusagen das erste Mal der Tatbestand festzustellen, dass die Informationen, die hätten fließen können und müssen, nicht geflossen sind. Das kann ich an dieser Stelle nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der CDU - Bontjer [SPD]: Er wird seine Gründe dafür gehabt haben! - Zuruf von der CDU: Er hat ein schlechtes Gewissen gehabt!)

- Herr Kollege, wenn er seine Gründe gehabt hat - darauf gehe ich jetzt ein -, dann war das umso schlimmer.

(Zuruf von Bontjer [SPD])

Ich bin mir nämlich sicher, dass das durch Minister Pfeiffer - ich sage das, weil ich ihn ja mittlerweile auch ganz gut kenne und weil ich auch meine, dass er eigentlich viel zu klug ist, um solche Fehler vorsätzlich zu machen - unabsichtlich geschehen ist.

(Zurufe von der CDU)

Aber - auch das will ich sagen - das entschuldigt ihn ja keineswegs, sondern es macht im Gegenteil deutlich, dass er sich offensichtlich der Problematik in diesem Punkt, insbesondere auch gegenüber der Öffentlichkeit, nicht im Klaren war. Das halte ich auch für einen bedenkenswerten Vorgang, der hier erwähnt werden muss.

(Zuruf von der SPD: Sie irren, Herr Kollege! - Bontjer [SPD]: Kommen Sie mal zur Sache!)

- Ich bin doch dabei! Hören Sie zu und versuchen Sie, es zu verstehen. Dann werden Sie merken, dass ich über nichts anderes rede als über die Sache.

Herr Minister, ich glaube, Sie haben die Reaktion der Bevölkerung unterschätzt, und Sie haben vor allem auch unterschätzt, wie das gerade deshalb, weil Ihnen das so passiert ist, auf potenzielle Opfer von Straftaten wirken muss. Ein Minister, der sich den Opferschutz so auf seine Fahne geschrieben hat, wie das bei Ihnen der Fall ist, Herr Minister Pfeiffer, der hätte gerade an dieser Stelle etwas mehr Zurückhaltung wahren müssen,

(Beifall bei der CDU)

weil Sie damit letztlich das Risiko eingehen, dass Ihre Opferschutzpolitik zumindest infrage gestellt wird. Das finden auch wir nicht gut, weil wir Sie darin ja immer unterstützt haben.

Wie wirkt z. B. Ihre Politik auf die Motivation von Polizisten, die - wie Sie alle wissen - eine schwierige Aufgabe zu erledigen haben, wenn inhaftierte Straftäterinnen oder Straftäter schon nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß kommen?

(Zuruf von der SPD)

Wie wirkt das auf potenzielle Straftäter im Hinblick auf eine mögliche Abschreckung? Wenn man Ihre Politik konsequent zu Ende durchdenkt, dann heißt das doch letztlich nichts anderes als mehr Straftaten, mehr Strafgefangene, mehr Überbelegung, kürzere Haftzeiten. Das ist doch das konsequente Zu-Ende-Denken Ihrer Politik.

Diese von Ihnen mit Sicherheit - das sage ich auch - unabsichtlich ausgesandte Botschaft muss von potenziellen Straftätern missverstanden werden. Das muss man deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU)

Nun werfen Sie der CDU Scheinheiligkeit vor.

(Bontjer [SPD]: Jawohl!)

Das hat mich gewundert; denn das von Ihnen gewählte Vokabular passt eigentlich so gar nicht zu Ihnen. Sie haben uns Scheinheiligkeit auch deshalb vorgeworfen, weil sich ja auch CDU-Minister, insbesondere Minister Remmers, in der Vergangenheit ähnlich verhalten hätten. Ich glaube, dass Sie zu diesem Vokabular auch deshalb gegriffen haben, Herr Minister, weil dies vielleicht Ausdruck einer gewissen Nervosität bei Ihnen ist und weil Sie das tun, was menschlich völlig nachvollziehbar ist; Sie versuchen nämlich, sich durch Angriff zu verteidigen. Das ist ja auch legitim. Sie mussten ja selber feststellen - ich sage das noch einmal -, die

Reaktion der Öffentlichkeit falsch eingeschätzt zu haben.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben an dieser Stelle als jemand gehandelt, der aus der Wissenschaft kommt, und haben dabei nicht berücksichtigt, dass die Politik ab und an nach anderen Kriterien, nach anderen Regeln verläuft. Die Kunst ist es doch, den Bogen zwischen Wissenschaft und Politik zu spannen, und das haben Sie nach meinem Dafürhalten an dieser Stelle nicht geschafft.

(Beifall bei der CDU)

Um auf den konkreten Vorwurf zurückzukommen: In der Tat war es Walter Remmers, der vor knapp 20 Jahren zum gleichen Mittel gegriffen hat. Aber - Herr Minister, das wissen Sie als ehemaliger Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts doch am allerbesten - das waren damals auch völlig andere Zeiten. Ein hohes Maß an Liberalität galt damals als etwas, was man für den Vollzug als besonders fortschrittlich, als besonders gut empfunden hat. Aber wir wissen heute, dass diese liberale Vollzugspolitik - das wird ja auch von vielen Sozialdemokraten zugegeben - eben nicht zu den Ergebnissen geführt hat, die wir uns gewünscht haben, sondern leider genau zum Gegenteil.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen auch, dass die Straftäter in unseren Strafanstalten heute andere Straftäter sind, dass es eine andere Täterstruktur gibt, dass es eine andere Klientel gibt, dass die Leute heute, wenn sie zu einer Strafhaft verurteilt werden - darauf werde ich gleich zurückkommen -, eine ganz andere Biografie vorzuweisen haben, als das vor 20 Jahren noch der Fall war.

(Frau Bockmann [SPD]: Denken Sie an die Ersatzfreiheitsstrafe!)

- Ich werde gleich auch zur Ersatzfreiheitsstrafe kommen, weil das ja auch immer genannt wird.