Protokoll der Sitzung vom 30.08.2002

(Schirmbeck [CDU]: Wer will das denn?)

- Das ist in Ihrem Szenario verankert. Vielleicht lesen Sie Ihre Szenarien einmal, bevor Sie darüber diskutieren.

(Schirmbeck [CDU]: Erzählen Sie doch nicht solche Märchen!)

Mich interessiert sehr stark, wo denn die CDU/CSU diese 50 bis 70 Atomkraftwerke eigentlich bauen will.

(Schirmbeck [CDU]: Wer will denn 50 bis 70 Atomkraftwerke bauen? - Weiterer Zuruf von der CDU: Kein Mensch will Atomkraftwerke bauen!)

- Holen Sie einmal das Szenario heraus, Herr Schirmbeck, wenn Sie es denn überhaupt haben. Sie sind angeblich auch Umweltpolitiker. Sie reden hier immer über Dinge, die Sie noch nie gelesen haben. Das wird langsam unerträglich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der CDU: Frei er- funden!)

Herr Kollege Schwarzenholz, Sie haben für zwei Minuten das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht zur Ergänzung in Richtung CDU-Fraktion: Lesen Sie wirklich einmal Ihr Minderheitenvotum in der Enquete-Kommission des Bundestages.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das kennen die doch gar nicht!)

Lesen Sie einmal, was darin steht. Es ist ganz klar, dass sich da der Atom-Grill durchgesetzt hat. Wenn Sie das wieder zurückholen wollen, dann finde ich das prima. Aber dann machen Sie das bitte offen.

(Frau Pawelski [CDU]: Schauen Sie doch einmal in unser Wahlpro- gramm!)

Sagen Sie, dass das falsch war, und sagen Sie, dass das ein Weg ist, der in die Sackgasse führt und irreal ist. Dann kann man darüber reden. Aber Ihr

Minderheitenvotum ist auch für Niedersachsen wirklich eine Katastrophe.

Aufgrund des vorliegenden SPD-Antrages muss man die Frage stellen - ich will einmal versuchen, aus der Wahlkampfsituation herauszukommen -, inwieweit Niedersachsen wirklich das Motorland ist, das die Sache nach vorne bringt. Es sind Rahmenbedingungen festzustellen, die nicht immer unbedingt günstig sind. Dazu ein Beispiel: Eine Auswirkung des Atomkonsenses ist, dass für die niedersächsischen Atomkraftwerke Stromerzeugungsmengen vertraglich garantiert worden sind, die über mehrere Jahrzehnte auf den Markt drängen und die regenerativen Energien im Marktzugang bekämpfen. Das, was den Atomkonzernen garantiert worden ist, ist ein zunehmendes Problem. Zum Beispiel gehen, wenn das Atomkraftwerk Stade stillgelegt wird, die nicht verbrauchten Mengen an andere niedersächsische Atomkraftwerke. Dadurch wird den regenerativen Energieträgern langfristig der Zugang zum Markt erschwert. Das ist eine negative Ausgangsbasis.

Eine weitere negative Ausgangsbasis ist, dass die Landesregierung selbst offensichtlich nicht - -

(Frau Harms [GRÜNE]: Nicht lesen macht auch die PDS nicht klüger!)

- Entschuldigung, jetzt lassen Sie mich vielleicht auch einmal ausreden, Kollegin Harms. - Es ist natürlich so, dass der Atomstrom in Konkurrenz zu regenerativen Energien steht und dass Sie es fertig gebracht haben, seine Abnahme zu garantieren. Das ist ein Bruch Ihrer Wahlversprechen von 1998; das wissen Sie ganz genau.

Aber lassen Sie mich noch einmal zur Landesregierung kommen. Wenn die Landesregierung bei ihrem eigenen Strombezug eine Mindestmenge an regenerativen Energien festlegt, die weit unter dem Anteil liegt, der zwischenzeitlich in Niedersachsen auf den Markt drängt, dann trägt die Landesregierung mit ihrem eigenen Strombezug dazu bei, dass die regenerativen Energien einen schlechten Zugang haben.

Lassen Sie mich noch eines zur Brennstoffzelle sagen. Die Brennstoffzellentechnologie könnte für VW eine große Rolle spielen. Aber VW hat unter den Automobilkonzernen in Deutschland in der Brennstoffzellentechnologie bewusst die rote Laterne genommen mit der Folge, dass Daimler und andere auf diesem Gebiet vorne sind. Angesichts dessen frage ich Sie, Herr Minister, wenn

Sie dort Einfluss haben: Warum gehen Sie da nicht offensiver heran? Warum wird diese Zukunftstechnologie gerade im Fahrzeugbau in Niedersachsen so stark vernachlässigt?

Vielen Dank. - Frau Kollegin Zachow hat noch einmal um das Wort gebeten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Frau Harms, ich möchte zunächst einmal mit einem aufräumen. Was die BP-Fabrik in Hameln angeht, so wissen wir seit langem, dass das geplant war. Es gab immer wieder Ankündigungen, nun werde eine Fabrik kommen. Wir warten seit Jahren darauf. Wir haben schon darauf gewartet, als noch kein Mensch darüber diskutiert hat, ob das EEG geändert werden soll oder nicht.

Ich will Ihnen sagen, was Herr Dr. Dreesmann von BP in zwei Radiointerviews deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Er hat die schlechte gesamtwirtschaftliche Situation dafür verantwortlich gemacht, die übrigens nicht wir zu verantworten haben, sondern die Sie zu verantworten haben.

(Beifall bei der CDU)

Er hat deutlich gesagt, dass gerade die Kommunen zurzeit nicht in der Lage seien, Fotovoltaik-Anlagen zu bauen. Die Kommunen haben nicht wir ausgeplündert; das waren andere.

(Beifall bei der CDU)

Ich gebe zu - da sollten wir fair miteinander diskutieren -, dass durch die Äußerung eine zusätzliche Verunsicherung entstanden ist. Aber er hat hauptsächlich das andere dafür verantwortlich gemacht.

(Frau Harms [GRÜNE]: Es gibt nicht nur Äußerungen, sondern auch Ab- stimmungen, Frau Zachow!)

Sie haben gesagt, die CDU wolle soundso viel Kernkraftwerke bauen. Auch ich habe das in diesem Heft dort gelesen. Ich will Ihnen eines sagen: Die Bestandsgarantie haben Sie gegeben. Dass man Szenarien für die verschiedenen Energiemöglichkeiten durchrechnen lässt, ist, finde ich, absolut legitim. Aber eines will ich Ihnen sagen: Ich kenne keine Regierung, die Kraftwerke baut, weder Kernkraftwerke noch andere Kraftwerke. Das

machen Unternehmen. Ich kenne kein einziges Unternehmen in Deutschland, das zurzeit ein Kernkraftwerk beantragen würde. Deshalb weiß ich überhaupt nicht, worüber Sie hier sprechen.

(Frau Harms [GRÜNE]: Wenn der Konsens zurückgeholt wird!)

Ich will Ihnen ein Weiteres sagen. Da sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt; das wissen auch Sie.

(Frau Harms [GRÜNE]: Sie kriegen das nicht mehr aufgefangen!)

- Seien Sie ganz ruhig, Frau Harms! - Wir alle wissen ganz genau, dass verschiedene Energiearten immer subventioniert worden sind. Wir sind deshalb der Meinung, dass auch die erneuerbaren Energien Subventionen brauchen. Ich muss für mich selbst sagen: Solange der Anteil für regenerative Energien bei der Kilowattstunde, deren Preis bei ungefähr 14 Cents liegt, 0,15 Cents beträgt, mache ich mir um diese Subventionierung keine Sorgen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Jüttner!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Debatte hat, was die Heftigkeit angeht, natürlich auch mit Wahlkampf zu tun, aber nicht nur. Sie hat, glaube ich, damit zu tun, dass wir alle spüren, dass die entscheidende Zukunftsfrage ist: Wie wird Energie bereitgestellt?

(Dr. Stratmann [CDU]: Und zwar oh- ne CO2!)

Ziel muss dabei sein, dass das ohne CO2 geschieht. Für Herrn Stratmann füge ich hinzu: Diejenigen, die klug sind, lassen auch den Atomstrom heraus, weil auch das nicht verantwortbar ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir wissen um die große Verantwortung, die darin steckt. Wir wissen, welche Kraftanstrengungen für die Stromgewinnung, für den Wärmemarkt und für den Kraftstoffsektor, meine Damen und Herren, dahinter steckt, wenn wir das Ziel erreichen wol

len, im Jahre 2050 50 % des Primärenergieverbrauchs aus regenerativen Energien zu gewinnen.

Die Beratungen in Johannesburg zeigen ja, wie kompliziert die Debattenlage ist. Aber wir alle wissen, dass die Frage, wie wir unseren Energiebedarf weiter entwickeln, vor allem in den entwickelten Industriestaaten entschieden wird. In den letzten Jahrzehnten sind wir die Hauptverbraucher gewesen. Jedes Mitglied der deutschen Bevölkerung produziert jedes Jahr 11 t CO2. Da müssen wir ansetzen. Natürlich hat Frau Zachow Recht, dass auch die CDU an einzelnen Stellen etwas Sinnvolles dazu beigetragen hat. Der Bundestag hat 1991 einstimmig das Stromeinspeisungsgesetz verabschiedet.

(Schirmbeck [CDU]: Wer regierte damals?)

Das ist überhaupt keine Frage. Die Rolle von Herrn Töpfer in der internationalen Umwelt- und Klimapolitik ist vorzüglich. Sie sollten aber einmal darüber nachdenken, warum Herr Töpfer Ihnen seit Jahren den Spiegel vorhält und deutlich macht, dass Sie weit von dem entfernt sind, wofür Sie ihn heute loben. Das müssen Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen. Er ist wenig zufrieden mit Ihrer praktischen Politik.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn ich schon beim Personal bin, möchte ich noch Folgendes sagen: Herr Grill ist nicht irgendwer, sondern er ist der energiepolitische Sprecher der CDU auf Bundesebene.

Jetzt kommen wir zu dem Problem, in dem wir stecken. Ich bestreite nicht, dass die niedersächsische CDU zum Thema regenerative Energien und Wind - nach Irritationen - nach ihrem Landesparteitag eine solide Beschlusslage hat. Aber, meine Damen und Herren, dass ist nicht das Problem, sondern das Problem ist, dass wir gegenwärtig in der Branche eine ungeheuere Aufregung darüber haben, wie die Zukunft der regenerativen Energien in Deutschland aussieht. Hier sage ich Ihnen bei allem Respekt: Ein Beschluss Ihres Landeparteitages schafft in der Branche nur begrenzt Genugtuung.

(Frau Zachow [CDU]: Da waren aber einige sehr zufrieden mit uns!)

Denn die müssen davon ausgehen - die sind sich im Gegensatz zu mir ja nicht sicher, wie die Wahl am 22. September ausgeht -, dass sich gravierende Änderungen vollziehen.