Protokoll der Sitzung vom 30.08.2002

Aber eines will ich auch klar machen - auf den Gedanken muss niemand kommen -: Wer glaubt, mit mir darüber diskutieren zu können, dem Weltnaturerbe gegen weitere inhaltliche Konzessionen zur Qualität des Nationalparks zuzustimmen, der muss wissen, dass wir uns diese Debatte schenken können. Es gibt im Zusammenhang mit Weltnaturerbe keine Debatte über die Rechtsqualität des Nationalparks.

(Zustimmung bei der SPD)

Es geht nur noch um die Frage, ob das, was da ist, auch als Marketinglabel noch Weltnaturerbe heißen soll. Darum allein geht es. Dass wohl einige Personen in der Region die touristischen Belange ihrer eigenen Region so ignorieren, tut mir wirklich weh.

(Frau Harms [GRÜNE]: Nicht über den Tellerrand gucken!)

Mir persönlich kann es ja egal sein, ob das Weltnaturerbe ist. Ich setze mich dafür ein, weil ich möchte, dass die Küstenregion, dass Ostfriesland nach vorne kommen, und zwar mit dem Thema Naturschutz in seiner touristischen Dimension. Dafür bitte ich hier um Zustimmung.

(Beifall bei der SPD)

Frau Pruin bekommt noch einmal für bis zu zwei Minuten das Wort.

(Zuruf von der SPD: Jetzt nimmt sie alles zurück!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es klingt ja hervorragend, Herr Minister, was Sie gesagt haben.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der SPD: Das ist es auch!)

Aber was waren denn meine Forderungen? Sie sollen diese Aussagen nicht nur den Pressevertretern erklären. Sie sollen nicht nur zwei von der Insel zu einer trilateralen Wattenmeerkonferenz irgendwo holen. Sie sollen vielmehr diese Aussagen - das war doch ganz deutlich von mir gesagt den Leuten vor Ort erklären, sodass die damit leben können. Das machen Sie ja nicht.

Frau Steiner sagt, dass erweiterte Forderungen im Raume stehen; das hat sie deutlich so gesagt. Wir müssen aber doch auch wissen, was das jetzt für Forderungen sind. Sie sagen das Gegenteil.

Hier wird erklärt, auch von Herrn Schwarzenholz, dass ich die Insel wild mache. Herr Schwarzenholz, ich will Ihnen sagen: Ich habe den Brief nicht geschrieben. Der Brief ist von den Insulanern geschrieben worden mit der Bitte, für alle Inseln zu reden. Dieser Brief mit acht Forderungen an Umweltminister Jüttner ist jetzt, Ende August, geschrieben worden.

Ich möchte doch nur, dass diese Fragen zum Wohle der Bevölkerung beantwortet werden und dass sie auch weiß, worum es geht. Was spricht denn dagegen, das, was Sie hier erklären, auch den Leuten vor Ort zu erklären? Machen Sie doch eine Versammlung dort, und erklären Sie den Leuten, was Sache ist. Dann treten die Befürchtungen doch gar nicht erst ein. Machen Sie doch, was wir gesagt haben und was auch die Insulaner fordern. Warum tun Sie es denn nicht?

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Redezeiten sind auch ausgeschöpft.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Antrag soll zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Umweltausschuss überwiesen werden, und die Ausschüsse für Freizeit, Tourismus und Heilbäderwesen, für Wirtschaft und Verkehr, für Häfen und Schifffahrt sowie für Wissenschaft und Kultur sollen mitberatend tätig werden. - Gibt es andere Meinungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten 38, 39 und 40, die ich vereinbarungsgemäß zusammen aufrufe:

Tagesordnungspunkt 38: Erste Beratung: Gesellschaftlicher Konsens zur Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3601

Tagesordnungspunkt 39: Erste Beratung: Aufschwung für Arbeit I - Initiative für mehr Freiheit und Soziale Marktwirtschaft - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3608

Tagesordnungspunkt 40: Erste Beratung: Aufschwung für Arbeit II - Initiative für einen flexiblen Arbeitsmarkt - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3609

Der Kollege Mühe bringt den SPD-Antrag ein. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Antrag der SPD-Fraktion „Gesellschaftlicher Konsens zur Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik“ ein.

Meine Damen und Herren, mit dem Auftrag der Bundesregierung an die Hartz-Kommission, moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zu entwickeln, haben sich Gewerkschafter, Unternehmer, Manager, Wirtschaftspolitiker, Sozialpolitiker, Menschen aller gesellschaftlich relevanten Gruppen der Bundesrepublik Deutschland zusammengesetzt und im August ihren Bericht vorgelegt.

Was als Erstes besonders begrüßt werden kann und muss, ist die Tatsache, dass dieser Bericht im Konsens vorgelegt wurde, dass sich alle gesellschaftlich relevanten Kräfte auf 13 Module geeinigt haben, auf einen Vorschlag, der gut ist, der sehr gut ist, der hilfreich ist, mit dem viele neue, kreative Wege beschritten werden, der eine Perspektive bietet, die eine positive Zukunft für den Arbeitsmarkt, aber insbesondere natürlich eine positive Zukunft für die Arbeitslosen beinhaltet.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat gehandelt. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch und werden jetzt zügig umgesetzt. Die ersten

Beratungen im Deutschen Bundestag dazu haben bereits stattgefunden. Es geht also darum, gemeinsame Anstrengungen für mehr Arbeitsplätze zu unternehmen.

Ich will kurz die drei wichtigsten Schwerpunkte des Hartz-Papiers vortragen.

Zunächst geht es natürlich darum, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Dies soll z. B. dadurch geschehen, dass über Personalserviceagenturen durch Zeitarbeit neue Beschäftigung entsteht. Der Weg heraus aus der Arbeitslosigkeit und hinein in die Selbständigkeit soll über so genannte Ich-AGs gelingen. Die neuen Bundesländer sollen besonders gefördert und unterstützt werden. Dazu sollen alle regionalen Ressourcen mobilisiert bzw. ausgeschöpft und Arbeitslose über direkte Investitionsförderungshilfen eingestellt werden. Auch die Förderung von haushaltsnahen Dienstleistungen in Form von Mini-Jobs soll neue und weitere Arbeitsplätze schaffen.

Der zweite Schwerpunkt des Hartz-Papiers lautet: Arbeitslose sollen schneller in offene Stellen vermittelt werden, sollen schneller wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dafür, meine Damen und Herren, sollen die Arbeitsämter zu Jobcentern umgebaut werden und sich auf eine schnelle und effektive Arbeitsvermittlung konzentrieren. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll weiter vorangetrieben werden. Auch die Zumutbarkeitsregelung soll angepackt werden. Hier sollen Lockerungen vorgenommen werden. Gleichzeitig sollen Eigenbemühungen der Arbeitslosen stärker als bisher eingefordert werden.

In einem weiteren Punkt geht es darum, die Arbeitgeber stärker als bisher in die Verantwortung einzubeziehen, z. B. durch die wesentlich schnellere Meldung von freien Arbeitsplätzen. Die Chancen für die Jugend sollen weiter verbessert werden. Nach dem JUMP-Programm soll weiter draufgelegt werden. Die Frauenerwerbstätigkeit soll massiv gesteigert werden.

Meine Damen und Herren, der dritte Schwerpunkt ist die Frage der Abwicklung der Arbeit bei der Bundesanstalt der Arbeit. Es geht darum, erstklassigen Service in effizienten Strukturen zu organisieren. Dabei geht es zunächst einmal insbesondere darum, dass in der Bundesanstalt für Arbeit ein wesentlicher Teil an Bürokratie abgebaut wird und dass das Thema Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf die Tagesordnung kommt,

dass daran gearbeitet wird, Hilfe aus einer Hand zu organisieren.

Meine Damen und Herren, der Antrag der SPDFraktion macht deutlich, dass wir die Ergebnisse und die von der Hartz-Kommission vorgeschlagene Konzeption nachhaltig unterstützen. Wir begrüßen das schnelle Handeln der rot-grünen Bundesregierung. Wir meinen, dass es notwendig ist - das bringen wir in unserem Antrag auch zum Ausdruck -, überall dort, wo es möglich ist - das Land Niedersachsen hat da schon viele Vorleistungen erbracht; ich nenne nur die Stichworte Jugendbüros, das Job-AQTIV-Gesetz ist bei uns umgesetzt und vieles andere mehr -, die Aktivitäten und die Vorschläge der Hartz-Kommission und der Bundesregierung mit den Aktivitäten in Niedersachsen zu verzahnen, zu vernetzen, damit wir in Niedersachsen die erfolgreiche Arbeit fortsetzen können und im Sinne der Arbeitslosen zu positiven Ergebnissen kommen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Wulff, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja absolut bewegend, zu welchen Kehrtwendungen die Sozialdemokratie fähig ist, nachdem sie all das, was gerade vorgetragen wurde, über Jahre abgelehnt hat. Ich komme darauf noch zu sprechen. Drei Wochen vor Ablauf der Legislaturperiode in Berlin von eiligem und entschlossenem Handeln zu reden, ist schon eine ziemliche Provokation dieses Hauses.

(Beifall bei der CDU)

Nachdem wir Mittwoch eine Regierungserklärung zur Flutkatastrophe hatten, hätte ich mir heute eine Regierungserklärung zur wirtschaftlichen Lage, vor allem zur Arbeitslosigkeit, gewünscht. Aber wir werden sie sicherlich in den nächsten Wochen hören, weil die Lage nun wirklich Besorgnis erregend ist.

Wir haben eine steigende Arbeitslosigkeit zu verzeichnen: 260 000 Menschen mehr als im Vorjahr sind ohne Arbeit. Wir haben steigende Beiträge bei den Sozialversicherungssystemen festzustellen. Wir haben sinkende Einnahmen. Wir haben das Problem, dass sich diese Spirale beschleunigt. Ich

fühle mich an die Erfindung des schönen Begriffs „Minuswachstum“ erinnert, der vorgaukelt, es würde etwas wachsen. Bei Blumen wäre ein Minuswachstum, dass sie nach unten in die Erde wachsen. So ist es auch mit der sozialdemokratischen Politik in diesem Jahr.

(Beifall bei der CDU)

Hätten wir nicht die massenhafte Frühverrentung von Menschen über 58 Jahre und den leidenschaftlichen Appell an diese Menschen, sich doch bitte schön nicht mehr arbeitslos zu melden, wäre die Arbeitslosigkeit bereits erheblich höher, als sie 1998 war.

Wir haben mit den Ergebnissen der HartzKommission keinen Aufhänger für die Lösung der wirklichen Probleme unseres Landes, die mit Wachstum, die mit wirtschaftlicher Entwicklung, die mit Zuversicht zu tun haben; denn dazu bedarf es Investitionen, einer geringeren Staatsquote, eines fairen Steuersystems und eines flexiblen Arbeits- und Tarifrechts. Der Schlüssel zur Lösung unserer Probleme wäre „3 x unter 40“: Sozialversicherungsbeiträge unter 40 %, Steuern unter 40 % und Staatsquote unter 40 %.

Sie agieren in all diesen Bereichen gegenteilig. Die Mittelständler - das müssen Sie doch erkennen haben im Moment nicht die Sorge, dass sie jemanden als Zeit- oder Leiharbeitnehmer der Arbeitsämter einstellen wollen, sondern das Problem der Wirtschaft in Deutschland ist, dass die Mittelständler reihenweise Pleite machen. Dort liegt die Ursache für die Beschäftigungsprobleme.

(Beifall bei der CDU)

Das, was wir hier diskutieren, haben Sie früher immer als „Bekämpfung der Arbeitslosen“ tituliert. Sie haben immer gesagt, wer so agiere - wie Sie es jetzt mit dem Papier der Hartz-Kommission vorschlagen -, der bekämpfe nicht die Arbeitslosigkeit, sondern der bekämpfe die Arbeitslosen.

Sie haben nun wirklich einige eigene Fehler gemacht, die selbst Ihr Ministerpräsident in Hintergrundgesprächen als „Sargnägel der rot-grünen Bundesregierung“ bezeichnet.

(Möllring [CDU]: Wo er Recht, hat er Recht!)

Beispielsweise das Scheinselbständigkeitsgesetz. Das hat die Selbständigkeit in Deutschland zurückgeführt. Von 1994 bis 1998 hatten wir bei der