Protokoll der Sitzung vom 24.09.2002

Artikel 2. - Unverändert.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer in der Schlussabstimmung dem Gesetzentwurf seine Zu

stimmung geben möchte, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir kommen damit zu den Tagesordnungspunkten 6 und 7, die wir vereinbarungsgemäß zusammen beraten. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes über die Landesversicherungsanstalt Braunschweig - Hannover - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD – Drs. 14/3691

Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung: Zwei starke Landesversicherungsanstalten in Niedersachsen und rechtliche Voraussetzungen für die Fusion der Landesversicherungsanstalten Hannover und Braunschweig schaffen - Antrag der Fraktion der SPD – Drs. 14/3692

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD und, wie ich vermute, auch zur Einbringung des Antrages hat der Kollege Schwarz das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Thema beschäftigt uns ja schon länger. Wir haben uns im Landtag mit dieser Problematik das erste Mal 1992 beschäftigt; der eine oder andere weiß das noch. Wir haben damals unter der Überschrift „Regionalisierung der Sozialversicherung“ festgestellt, dass die Unterteilung in Arbeiter- und Angestelltenrentenversicherung nicht mehr zeitgemäß ist und automatisch einmal zu einer Zentralisierung bei der BfA führen würde. Deshalb hat bereits damals der Landtag - übrigens einstimmig - darum gebeten, dass alles unternommen wird, um die Kompetenzen der Landesversicherungsanstalten zu stärken und die Zuständigkeit im Landesparlament zu halten.

Dieses Thema ist weiterentwickelt worden. Ich will darauf hinweisen, dass wir 1995 noch einmal einstimmig zu dem Thema „Struktur der Landes

versicherungsanstalten in Niedersachsen“ Folgendes beschlossen haben - ich zitiere - :

„Zur langfristigen Sicherung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der drei Rentenversicherungsträger und ihrer Erhaltung als regionaler Wirtschaftsfaktor werden die drei Landesversicherungsanstalten Braunschweig, Hannover und Oldenburg-Bremen aufgefordert, schnellstens eine Vereinbarung im Sinne des neuen § 28 k SGB IV zu schließen.“

Dahinter verbarg sich die Bitte, sie mögen möglichst bald zusammenarbeiten.

Nun sind wir sieben Jahre weiter. In der Sache sind wir allerdings nur relativ wenig weitergekommen. Ich will dazu noch zwei, drei Anmerkungen machen.

Dass jetzt auf einmal so ein Druck entstanden ist, hat etwas mit der Empfehlung des Bundesrechnungshofs vom 30. September 1998 zu tun, der schlicht vorgeschlagen hat, aus den zurzeit bundesweit noch 23 bestehenden Landesversicherungsanstalten sechs zu machen. Er hat die Landesversicherungsanstalten und auch die Landesgesetzgeber aufgefordert, dafür zu sorgen, dass es hier zu einem stärkeren Konzentrationsprozess kommt.

Der Bund hat sich das auf Wiedervorlage gelegt, um dann selbst die Aktivitäten zu übernehmen, nämlich zum Frühjahr nächsten Jahres. Im Februar/März nächsten Jahres wird der Bund das Thema wieder aufrufen und sehen, wie sich die Strukturen verändert haben.

Wir bewegen uns hier im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Das heißt, wenn der Bund in das Verfahren geht, sind die Länder automatisch außen vor. Das ist eine Situation, an der wir als Land keinerlei Interesse haben können.

Es hat auch Bewegung gegeben. Zum 1. Januar dieses Jahres haben sich die LVAen Baden und Württemberg zu einer LVA zusammengeschlossen. Es gibt einen Beschluss des ZusammengehenWollens der LVAen Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, einen weiteren Beschluss der LVAen Rheinland-Pfalz und Saarland und einen Beschluss der LVAen Brandenburg und Berlin. Das heißt, es ist wirklich Bewegung eingetreten, und das ist auch gut so.

Wir haben hier in Niedersachsen die Gemengelage, dass es vor drei Jahren, 1999, Aktivitäten gegeben hat, zu einer freiwilligen und gemeinsam getragenen Fusion der drei LVAen in Niedersachsen zu kommen. Wir haben das seitens des Fachausschusses im Landtag immer einmütig unterstützt und begrüßt. Wir haben gesagt: Das, was bei anderen Versicherungsträgern - ich nenne nur beispielhaft die landwirtschaftlichen Krankenversicherungsträger - möglich war, nämlich zu einer einheitlichen Struktur zu kommen, aber die drei Standorte, um die es geht, zu erhalten und sie jeweils durch Ausgabeschwerpunkte zu verstärken, muss eigentlich auch bei den LVAen möglich sein.

(Beifall bei der SPD)

Es hat eine Menge Verhandlungen, eine Menge Gespräche gegeben. Sie haben bisher leider nicht zu dem Ergebnis geführt, dass wir in Niedersachsen zu einer gemeinsamen LVA kommen, sondern die Selbstverwaltungen haben am 1. März beschlossen - und zwar die LVA Braunschweig und die LVA Hannover -, freiwillig zu fusionieren: im Gebietsraum der bisherigen LVA Hannover und der LVA Braunschweig.

Die LVA Oldenburg-Bremen hat beschlossen, sie möchte selbständig und unabhängig bleiben. Ich finde diesen Beschluss nicht glücklich. Aber wir haben seitens der Fraktion immer erklärt - das haben wir auch den Gesprächspartnern erklärt -: Für uns hat die Souveränität der Selbstverwaltung Vorrang.

(Stratmann [CDU]: Genau richtig!)

Sie sind gewählt, und wenn sie diese Auffassung vertreten, dann nehmen wir das zur Kenntnis.

Das bedeutet, es gibt für uns überhaupt keinen Grund, dem Begehren der beiden LVAen Hannover und Braunschweig nicht zu entsprechen. Dafür brauchen wir ein Landesgesetz. Dazu gibt es auch viele Diskussionen - Sie wissen das; wir alle haben in den letzten Tagen viele Briefe bekommen -, ob die Zuständigkeit so gegeben ist oder nicht. Ich will nur an einer Stelle sagen: Der Verband der Rentenversicherungsträger hat die Zuständigkeiten in einem Gutachten relativ klar festgelegt und sagt auch, die Länder können das. Ich denke, wenn die sich auf Verbandsebene einig sind, dann brauchen wir nicht darunter einen Streit zu führen, der, glaube ich, eine ganz andere Interessenlage beinhaltet.

Also, für uns ist klar: Wir wollen dem entsprechen, was diese beiden LVAen beschlossen haben. Nur,

wir nehmen genauso zur Kenntnis, dass die Selbstverwaltung der dritten LVA gesagt hat, sie will das nicht. Sie hat - das wissen Sie auch - einen ergänzenden Beschluss gefasst, nämlich sich darüber hinaus gebietsmäßig noch auszuweiten. Das könnte nur der Bundesgesetzgeber; an dieser Stelle hätten wir keine Chance mehr. Das wäre aber nach meiner Ansicht auch nicht zielführend.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Weiß das der Ministerpräsident eigentlich auch, Herr Schwarz?)

- Davon können Sie ausgehen, Frau Pothmer. Der Ministerpräsident ist nicht nur Ministerpräsident, sondern gehört auch der SPD-Fraktion an. Wir haben das intensiv diskutiert und legen hier einmütig etwas vor. Damit ist die Frage, denke ich, beantwortet.

(Beifall bei der SPD - Frau Pothmer [GRÜNE]: Die Rolle, die er da ge- spielt hat, ist schon problematisch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch etwas zum Wirtschaftsfaktor dieser drei Landesversicherungsanstalten sagen: Es sind zusammen 4 500 Beschäftigte, davon haben die beiden fusionswilligen LVAen 3 800, und die LVA Oldenburg-Bremen hat 700 Beschäftigte. Sie bewegen zusammen 12 Milliarden Euro pro Jahr. Das heißt, das ist ein richtig großes Wirtschaftsunternehmen hier im Land Niedersachsen. Von daher müssen wir, glaube ich, alles daransetzen, dass wir diesen Wirtschaftsfaktor im Land nicht schwächen, sondern stärken.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir wollen mit diesem Entschließungsantrag noch einmal klarstellen: Wenn es zwei starke Landesversicherungsanstalten im Land geben soll, dann soll versucht werden, diesen Weg auch zu gehen. Es soll den beiden Interessen Rechnung getragen werden, es soll aber auch genauso deutlich werden, dass wir diesen Gesetzentwurf heute einbringen, um dem, was im Februar, März auf uns zukommt, zuvorzukommen, um dem Bund zu signalisieren: Hier gibt es eine freiwillige Vereinbarung auf der Ebene der Selbstverwaltung, das wollen wir nicht behindern, sondern wir wollen das stützen.

Ich will auch hier das sagen, was ich im Ausschuss gesagt habe. Ich kann eigentlich alle Kolleginnen und Kollegen nur bitten, noch einmal das Gespräch zu suchen und nicht dahin gehend politisch Einfluss zu nehmen, dass sie sagen: Wir kommen mit

Kirchturmspolitik weiter. Denn aus Landesgesichtspunkten kommen wir damit nicht weiter. Vielmehr sollten wir sagen: Könnt ihr nicht den Weg gehen, den die anderen auch beschritten haben? Könnt ihr nicht den Versuch machen, unter den Überschriften „Sicherung der drei Standorte“, „Sicherung der Zuständigkeit hier im Land Niedersachsen“ und „Stärkung der drei Bereiche“ zu einer Landes-LVA zu kommen? - Ich fände das einen guten Weg.

(Stratmann [CDU]: Der Sitz ist dann automatisch Hannover? Oder wie stellen Sie sich das vor?)

- Nein, Sitz muss überhaupt nicht automatisch Hannover sein. Die neue LVA von Hannover und Braunschweig heißt im Übrigen auch nicht LVA Hannover-Braunschweig, sondern sie heißt LVA Braunschweig-Hannover. Jeder wird Ihnen sagen, dass die Braunschweiger partizipiert haben.

Wenn Sie sich die Entwicklung bei den landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträgern ansehen, wo wir exakt diese Debatte hatten, wo wir auch moderiert haben, dann werden Sie feststellen: Auch da hat es funktioniert.

Ich will das hier nicht emotionalisieren. Ich glaube, es hängt an einigen ganz wenigen Personen, dass es nicht funktioniert. Aber wir wollen zumindest für die, die den Zusammenschluss wollen, den Weg frei machen. Ich hoffe, dass wir das genauso einmütig hinbekommen, wie wir das Thema bisher im Sozialausschuss einmütig behandelt haben. Insofern wünsche ich mir eine sehr konstruktive Beratung.

(Beifall bei der SPD - Stratmann [CDU]: Das wünschen wir uns auch!)

Vielen Dank. - Frau Kollegin Schliepack, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat, der Bundesrechnungshof hat im Jahr 1998 angekündigt, dass eine komplette Neustrukturierung der Rentenversicherungslandschaft in Deutschland vorgenommen werden sollte, und er hat den Termin gesetzt. Im Frühjahr 2003 wird der Bund mit den ersten Vorschlägen kommen, wenn nicht freiwillig etwas im Land passiert.

Herr Schwarz hat schon darauf hingewiesen, dass in verschiedenen Bundesländern bereits Fusionen erfolgt sind oder diese im Gespräch sind. Wir in Niedersachsen sind ebenfalls in Gesprächen mit den drei Landesversicherungsanstalten, die es bei uns gibt, um eine zukunftsorientierte Organisationseinheit für Niedersachsen zu schaffen, die auch Bestand haben wird.

In der Tat ist die LVA Hannover mit 1 134 000 Pflichtversicherten die größte Landesversicherungsanstalt, dann folgt die LVA OldenburgBremen mit 335 000 Pflichtversicherten, und etwa 170 000 Menschen sind bei der LVA Braunschweig pflichtversichert. Das zeigt schon das Ungleichgewicht dieser drei Landesversicherungsanstalten. Dennoch sind wir von der Politik gehalten, nicht etwa eine LVA unterzubuttern.

Wir kennen das Damoklesschwert. Der Bundesrechnungshof schlägt vor, eine „LVA Mitte“ zu konzipieren, und zwar aus Niedersachsen, Bremen, Hessen und Thüringen. Um das abzuwenden, meine Damen und Herren, sind diese Gespräche in eine Brisanz getreten, die durch diesen Antrag heute auch hier im Hause noch einmal verdeutlicht wird. Wir befürchten, dass der Hauptsitz der LVA Mitte nicht in Niedersachsen sein wird. Das wäre so fatal und katastrophal, dass wir uns damit nicht einverstanden erklären können.

Die Selbstverwaltungsorgane der Landesversicherungsanstalten Braunschweig und Hannover haben im März dieses Jahres ein Rahmenabkommen mit entsprechenden Beschlüssen unterzeichnet. Die Beschäftigtenversammlung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat das mit großer Zustimmung abgesegnet. Auch Gespräche in den Vorständen und mit den Geschäftsführern der drei Landesversicherungsanstalten haben stattgefunden. Im Moment herrscht Eiszeit, weil die Landesversicherungsanstalten Braunschweig und Hannover sich sozusagen einig geworden sind und die LVA Oldenburg-Bremen mit einem eigenen Vorschlag, nämlich dem einer „LVA Nordwest“, noch einmal ganz andere Vorstellungen entwickelt hat; und zwar mit einer Arrondierung der Zuständigkeitsbereiche um die Kreise Aurich, Leer, Emsland, Grafschaft Bentheim und Osnabrück hin zur LVA Oldenburg-Bremen.

Nun, meine Damen und Herren, es ist von der Politik nicht unbedingt einzuschätzen, ob dies sehr sinnvoll ist und dauerhaft den Bestand der LVA Oldenburg-Bremen sichern wird. Es ist auch nicht

sicher, dass wir in Niedersachsen auf Dauer zwei Landesversicherungsanstalten haben werden.

(Mientus [SPD]: Sie reden rückwärts gewandt!)

Ideale Vorstellung wäre eine Kooperation dieser drei Landesversicherungsanstalten. Wir hätten dann ein wirklich gutes Argument gegen die Bundespläne. Denn es geht letztlich auch darum, dass wir die Standorte sichern. Standortsicherung heißt natürlich immer Arbeitsplatzsicherung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen, aber auch in den Reha-Kliniken.