Protokoll der Sitzung vom 26.09.2002

des Finanzministeriums auf die Frage 14 des Abg. Golibrzuch (GRÜNE):

Gutachtenvergabe an Roland Berger

Seit 1996 haben sich mehrere regierungsinterne Arbeitsgruppen, teils unter Einbeziehung externer Berater, mit der desolaten Situation der Landesfinanzen befasst. In den jeweiligen Schlussberichten (u. a. der Arbeitsgruppen „Personalkostenreduzierung“ und „Aufgaben- kritik“) wurden zahlreiche Einsparvorschläge unterbreitet, die von der SPD-Alleinregierung weitgehend nicht aufgegriffen worden sind. Trotzdem hat die Landesregierung, offenkundig auf Vorschlag der Staatskanzlei, im Rahmen der Aufstellung einer neuen mittelfristigen Finanzplanung ein 600 000 Euro teures Gutachten bei der Unternehmensberatung Roland Berger in Auftrag gegeben. Obwohl nicht bekannt ist, über welche besonderen Kompetenzen die Firma in diesem Themenfeld verfügen soll, wurde Roland Berger zum wiederholten Male ohne förmliches Ausschreibungsverfahren der Zuschlag für einen solchen Auftrag erteilt. Dabei lässt sich die Staatskanzlei erkennbar auch nicht von der Tatsache beeindrucken, dass Roland Berger in der Vergangenheit mehrfach Gefälligkeitsgutachten (etwa zur EXPO oder zum INI) geliefert hat, denen jeweils eine Fehleinschätzung der Marktlage attestiert werden muss.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele Gutachten zu welchen Themen und mit welchem jeweiligen Auftragswert hat sie seit 1994 an Roland Berger vergeben?

2. Wie beurteilt sie die Fehleinschätzung Roland Bergers etwa zur Wirtschaftlichkeit der Luxusklinik INI bei einem ausschließlich mit Privatpatienten finanzierten Betrieb?

3. Welche Vorschläge zur Sanierung der Landesfinanzen hat Roland Berger unterbreitet, die nicht bereits von den o. e. regierungsinternen Arbeitsgruppen angeregt worden waren?

Die konsequente und kontinuierliche Haushaltskonsolidierung sowie die vielfältigen Maßnahmen zur Staatsmodernisierung sind bereits seit Mitte der 90er-Jahre zentrale Vorgaben der Mittelfristigen Planungen und der Haushalte der Landesregierung. Vorschläge und Ergebnisse zu Einsparungen sind zum Teil gegen den heftigen Widerstand der Opposition um- und durchgesetzt worden. Die insgesamt positive Bilanz wird u. a. bestätigt durch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW); der eingeleitete erfolgreiche Abbau von insgesamt rund 12 000 Stellen spricht ohnehin für sich. Die Landesregierung hat und wird den Sachverstand der eigenen Dienststellen durch externes KnowHow ergänzen, wenn dies sachlich geboten und finanziell vertretbar ist. Der in der Anfrage behauptete Sachverhalt, „(...) dass Roland Berger in der Vergangenheit mehrfach Gefälligkeitsgutach

ten (etwa zur EXPO und zum INI) geliefert“ habe, disqualifiziert den Fragesteller und wird von der Landesregierung scharf zurückgewiesen.

Die Erstellung der Mittelfristigen Planung (Mipla) für die Jahre 2002 bis 2006 einschließlich eines integrierten Handlungskonzepts zur kurz-, mittelund langfristigen Konsolidierung des Landeshaushalts unterscheidet sich in der Komplexität und zeitlichen Enge grundlegend von einem normalen Haushalts- bzw. Mipla-Aufstellungsverfahren, weil in kürzester Zeit Antworten auf deutlich verschärfte fiskalische Anforderungen gefunden werden müssen.

Angesichts der Brisanz der finanzwirtschaftlichen neuen Ausgangssituation des Landes insbesondere der verschärften Rahmen- und Finanzbedingungen wie

- der Steuerschätzung vom 14. bis 16. Mai 2002,

- des Nationalen Stabilitätspaktes vom 21. März 2002, in dem Bund, Länder und Gemeinden verabredet haben, die Ausgaben von Ländern und Gemeinden künftig um max. 1 % steigen zu lassen sowie

- des sich aufgrund der Rückzahlungen an die BEB ergebenden Fehlbetrages aus dem Jahresabschluss 2001

mussten schnellstmöglichst alle Optionen gesichtet werden, die eine nachhaltige Konsolidierung der Landesfinanzen ermöglichen.

Die Auftragsvergabe an Roland Berger hat angesichts der Komplexität und des Arbeitsvolumens dieser Aufgabe daher insbesondere zum Ziel, das Land als Auftraggeber bei der Erarbeitung eines Konsolidierungskonzeptes kompetent zu unterstützen und zu begleiten. Als Ergebnis der Unterstützung wurde unter Mitwirkung von Roland Berger ein Strategiekonzept zur Haushaltskonsolidierung erstellt, um im Jahre 2003 (Nachtrag) bzw. ab 2004 wirkungsvolle haushaltsmäßige Konsolidierungsmaßnahmen ergreifen zu können.

Roland Berger hat auf Landes- und kommunaler Ebene als einziges Unternehmen auf dem Beratungsmarkt das EDV-Tool „CONSolid“, verbunden mit einer Masterplan-Methode für einen umfassenden Ansatz zum Konsolidierungsmanagement, entwickelt und in zahlreichen Kommunen und Ländern auch bereits praktisch angewendet (z. B. beim Land Bremen in Form eines Konsoli

dierungs- und Innovationskonzepts über alle Ressorts für einen Zeitraum von vier Jahren).

Aufgrund der umfangreichen Datenbank mit Benchmarks und Best Practice-Beispielen stellt CONSolid den Schlüsselfaktor – im Rahmen der Masterplan-Methode von Roland Berger – zur Quantifizierung von Einsparpotenzialen dar. Ein vergleichbares Instrument, das von der Vermögensaktivierung über die durch das Finanzministerium/die Kommunen steuerbaren Budgetierungsansätze bis hin zu Konsolidierungsansätzen in den Fachressorts/Dezernaten reicht, ist derzeit in dieser Form auf dem Markt nicht zugänglich.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Insgesamt wurden seit 1994 21 Aufträge für Gutachten mit einem Gesamtwert von rund 6,2 Millionen Euro an die Fa. Roland Berger vergeben, wobei das Gutachten für den Tiefwasserhafen Wilhelmshaven an das Projektkonsortium Tiefwasserhafen GbR, bestehend aus Roland Berger & Partner sowie Freshfields Bruckhaus Deringer und Lahmeyer International Gruppe, vergeben wurde:

essort Datum Titel Euro-Betrag o. UST

StK 23.12.1998 Beratung IuK Versorgung der Landesverwaltung 173.757 19.10.1999 Konzeptionsberatung Innovationsfonds 199.538 06.09.2000 Neuausrichtung des Landesgesundheitsamtes 173.757 15.12.2000 Bestandsaufnahme Mittelinstanz, Perspektiven, Alternativen 132.160 27.02.2001 Bestandsaufnahme Mittelinstanz, Perspektiven, Alternativen 66.080 745.292

MW 1994 Umsetzungsauftrag zur Standortsicherung ASL Lemwerder 940.279

02.01.1995 Feasibility study N 250 final assembly (Endmontage) 44.576 10.04.1995 Multimedia Konzept 184.009 09.10.1995 Implementierung Multimedia Konzept 84.210 29.11.1995 International Neuroscience Institute (INI), Medical Parc: Plausibilitätsprüfung 129.122

29.11.1995 International Neuroscience Institute (INI), Medical Parc: Gesamtkonzept 215.203

02.01.1996 Implementierung Multimedia Konzept, Phase 2 109.161 15.04.1996 Implementierung Multimedia Konzept, Phase 3 202.472 01.12.1996 Standortgutachten/Unternehmenskonzept Karmann, Mitfinanzierung 176.396 27.05.1997 Nachnutzung Deutscher Pavillon EXPO 102.258

21.08.2001 Ökonomische, technische und juristische Grundlagen für den Tiefwasserhafen Wilhelmshaven 2.450.000

4.637.685

MF 11.06.2002 Prüfung Konsolidierungspotenziale im Horizont der Reformagenda 2007 516.000 10.07.2002 Ermittlung des betriebsnotwendigen Liegenschaftsvermögens für drei Hochschulen, die in Stiftungen überführt werden sollen 103.200

04.09.2002 Ermittlung des betriebsnotwendigen Liegenschaftsvermögens für drei weitere Hochschulen, die in Stiftungen überführt werden sollen 113.400

732.600

ML 03.11.1995 Bewertung MBO-Konzept DFFU (Deutsche Fischfang-Union) 28.070

MFAS 01.06.1994 Merger Evaluation Ortskrankenkassen 47.857

Gesamtsumme in Euro 6.191.504

Zu 2: Die Berechnungen Roland Bergers zur Wirtschaftlichkeit des INI beruhten auf Angaben über Belegungszahlen, die mit den damals vorgesehenen ärztlichen Direktoren abgestimmt waren. Aufgrund veränderter Rahmenbedingungen haben sich die Grundlagen für die Berechnungen nachträglich verändert. Es kann insofern nicht von einer Fehleinschätzung des Gutachters die Rede sein.

Zu 3: Zur Vorbereitung des Gutachtens wurden vorhandene Analysen, wie beispielsweise Prüfungsmitteilungen des Landesrechnungshofes und andere Gutachten, herangezogen sowie Workshops in unterschiedlicher Zusammensetzung zur Erfassung des in der Landesverwaltung vorhandenen Fachwissens durchgeführt. Roland Berger hat auf

dieser Basis ein weites Spektrum an Vorschlägen erarbeitet und in Form einer Masterplan-Methode in seinem Programm dem EDV-Tool „CONSolid“ hinterlegt. Diese Vorschläge müssen nun vertieft und weiterentwickelt werden.

Anlage 7

Antwort

des Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Verkehr auf die Frage 15 des Abg. Dinkla (CDU):

Gefahrguttransport durch Niedersachsen gut kontrolliert und sicher genug?

Gefahrguttransport auf Straßen stellt immer ein Gefahrenpotenzial dar, das gerade für Nie

dersachsen als Transitland nicht unterschätzt werden darf. Vor dem Hintergrund, dass gerade das Güterverkehrsaufkommen in Niedersachsen durch die EU-Osterweiterung, aber auch durch den massiven Einsatz von Fahrzeugen, die nicht der europäischen Gemeinschaft angehören, stark angewachsen ist und auch künftig noch zunehmen wird, werden Fragen der Verkehrssicherheit, der Ladungssicherheit, der Ausrüstung und der zulässigen Höchstfahrzeiten stärker beachtet werden müssen. Alle vorliegenden Verkehrsprognosen gehen von einem hohen Zuwachs an Güterverkehr auf der Strasse aus - dazu gehört auch ein Zuwachs an gefährlichen Transportgütern aus Osteuropa. Da es auch in anderen Bundesländern wie z. B. Schleswig-Holstein erschreckende Erkenntnisse und Ergebnisse von Kontrollen insbesondere an Fahrzeugen aus nichteuropäischen Staaten gibt, muss geprüft werden, ob dies auch in Niedersachsen im Hinblick auf die Sicherheit der Bevölkerung und der anderen Verkehrsteilnehmer ein Überwachungsschwerpunkt ist und war.

Ich frage die Landesregierung:

1. Liegt auch für Niedersachsen wie für Schleswig-Holstein ein jährlicher Gefahrgutbericht vor, in dem die überprüften Gefahrguttransporte erfasst werden und aus dem aufgeschlüsselt nach Herkunftsländern - zu ersehen ist, ob besonders bei Fahrzeugen aus dem Nicht-EU-Ausland erhebliche Beanstandungen und Verstöße festgestellt wurden?

2. Welche aktuellen Erkenntnisse und Strategien ergeben sich für Niedersachsen im Hinblick auf Überwachungsschwerpunkte, Grenzkontrollen, Sicherheitsmanagement in der Wirtschaft sowie vorbeugende Maßnahmen, um eine Gefährdung zu verringern?

3. Welche Erkenntnisse und Kontrollergebnisse liegen der Landesregierung von anderen Verkehrsträgern (Wasser/Schiene) für den Gefahrguttransport vor?

Die Landesregierung ist sich bewusst, dass Gefahrguttransporte in jedem Einzelfall ein hohes Gefährdungspotenzial in sich tragen. Grundsätzlich ist aber festzustellen, dass in den vergangenen Jahren die Unfallzahlen beim Transport gefährlicher Güter tendenziell gesunken sind. So ist die Zahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden unter Beteiligung von Lastkraftwagen insgesamt von 38 738 im Jahre 1992 kontinuierlich bis auf 48 573 im Jahre 2000 angestiegen. Gefahrgutunfälle mit Personenschaden stellen dagegen von der Quantität her eine sehr geringe Größe dar, denn im Jahre 2000 wurden lediglich 279 Fälle registriert (1992 wurden noch 361 Fälle registriert).

Angesichts von jährlich etwa 10 Millionen LkwFahrten mit kennzeichnungspflichtigem Gefahrgut, die mit einem Gefahrgutaufkommen von insgesamt ca. 130 Millionen t eine Wegstrecke von über 800 Millionen km zurücklegen, kommt es aber entscheidend darauf an, das überwiegend hohe Sicherheitsniveau von Gefahrguttransporten in Deutschland aufrecht zu erhalten und insbesondere durch gezielte Überwachungsmaßnahmen sowie durch die Präventationsarbeit der Polizei und Gewerbeaufsicht die Einhaltung gefahrgutrechtlicher Bestimmungen zu gewährleisten.

Das Gefahrgutrecht ist international weitgehend harmonisiert, sodass von den sicherheitstechnischen und administrativen Aspekten des Transportes keine grundlegenden Wettbewerbsverzerrungen ausgehen. Durch seine laufende Anpassung an die technische Entwicklung leistet es einen effektiven Beitrag zur Sicherheit der Gefahrguttransporte.