Protokoll der Sitzung vom 23.10.2002

Nein, ich habe nur noch drei Minuten. Ich möchte gerne noch auf einen Punkt zu den beiden Kollegen eingehen.

(Rolfes [CDU]: Wer so wenig davon versteht, der vertreibt die Arbeitsplät- ze!)

Ich habe mir am vergangenen Wochenende die Wahlkampfprogrammentwürfe meiner schwarzen Brüder und Schwestern und auch meiner grünen Brüder und Schwestern angesehen.

(Möllring [CDU]: Da kann man etwas lernen!)

Da ist mir etwas aufgefallen. Mir ist bei der CDU aufgefallen, dass sie sich im Wesentlichen nicht mit neuen Ideen, sondern mit Beschimpfungen der jetzigen Landesregierung präsentieren will. Das kann man als Opposition tun. Ob man damit gewinnt, ist die Frage.

Dann ist mir aufgefallen, dass, wenn wir hier Haushaltsdebatten führen und über den Landeshaushalt reden, gerade auch Herr Möllring und Herr Wulff sagen: Nun muss man ehrlich sein. Landesregierung, sei doch mal ehrlich! - Herr Wulff und Herr Möllring, dann gehört aber auch dazu, dass Sie bei Ihren Forderungen genau so ehrlich sind.

(Rolfes [CDU]: Das ist hier kein Be- nimm-Kurs! Sag‘ mal etwas zur Poli- tik!)

Wenn das alles stimmt, was Herr Möllring hier sagt, dann können Sie die 2 500 Lehrer nicht bezahlen und dann können Sie auch den „läppischen“ Betrag von 72 Millionen Euro, wie er vorhin ge

sagt hat, für die Kindergärten nicht bezahlen - um nur zwei Punkte zu nennen.

(Rolfes [CDU]: Niemand hat „läp- pisch“ gesagt!)

Den Turnaround können Sie nicht bezahlen, und die anderen schönen Forderungen wie „mehr Polizisten“ können Sie auch nicht bezahlen. Sie müssen sich also entscheiden, was Sie wollen.

Jetzt zu dem Herrn Kollegen Golibrzuch. Der stellt sich ja hier immer so dar, als ob er der große Finanzexperte ist und der Landesregierung sagt, wo es längs geht.

(Frau Harms [GRÜNE]: Was heißt hier, der tut so?)

Mein lieber Michel Golibrzuch, ich habe das Programm gelesen, das ihr euren Delegierten vorlegt. Ich bin sehr überrascht, wie ich darin die Handschrift von Herrn Golibrzuch wieder gefunden habe. Anscheinend gibt es in Niedersachsen überhaupt kein Finanzproblem; denn da wird immer noch so getan, als ob im Himmel Jahrmarkt sei. Auch Sie werden damit so nicht durchkommen.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen noch ein Drittes: Der Finanzminister hat hier zu jeder Zeit berichtet, wie die finanzielle Lage des Landes ist. Er wird das auch weiter tun, und er wird das auch im November tun. Wir werden Ihnen dann die Realitäten, wie sie sich dann aufgrund der neuen Steuerschätzung darstellen, hier auf den Tisch legen. Wir werden - das wird dann wohl so sein - als Einzige der Bevölkerung - wie wir es auch schon in der Mipla gesagt haben - Lösungsansätze vorschlagen. Von Ihnen hören wir immer nur „Ihr müsst“, aber keine eigene Antwort, und von Ihnen hören wir sogar immer noch sehr viel mehr Forderungen. Das wird, glaube ich, nicht tragend für den 2. Februar sein. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Aller hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gefährliche an solchen Debatten ist, dass Sie hier nicht den Zusammenhang und die Komplexität der

Situation darstellen, sondern dass jeder versucht, einige wenige Beispiele als überzeugende Darstellung vorzutragen.

Herr Golibrzuch hat soeben über die Aussagen des Ministerpräsidenten zur Energie- und Wirtschaftsproblematik sinniert. Er hat dann suggeriert, die im Rahmen der Koalitionsvereinbarung getroffenen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ökosteuer hätten negative Auswirkungen auf den Landeshaushalt. Das haben Sie suggeriert. Die Ökosteuer, Herr Golibrzuch, hat aber nichts mit dem Landeshaushalt zu tun. Das wissen Sie. Sie tun aber so, als sei das so.

Ferner haben Sie das Emssperrwerk als Beispiel für Investitionen in Niedersachsen angeführt, die eine besondere Last darstellen. Nun will ich Ihnen deutlich sagen, dass die von uns im Zusammenhang mit dem Emssperrwerk aufgenommene Sonderlast im Ergebnis auch positive Auswirkungen auf den Hochwasserschutz und auch auf den dortigen Wirtschaftsstandort haben wird. Diese Mehrheitsfraktion, diese Regierung hat ganz bewusst entschieden, dies zu tun. Die betreffende Region weiß, welche Bedeutung diese Entscheidung für sie als Wirtschaftsstandort hat.

(Beifall bei der SPD)

Sie können das ja kritisieren. Das Geld sparen Sie dadurch aber nicht ein. Der Lösungsvorschlag, den Sie zur Konsolidierung des Landeshaushalts immer öffentlich präsentieren, ist der Schönste, den ich mir überhaupt vorstellen konnte. Sie verlangen Bundeshilfen. Können Sie mir einmal sagen, welche Bundeshilfen das sein sollen und wer sie bezahlen soll? Vielleicht die rot-grüne Koalition in Berlin oder Ihre Fraktion in Berlin? - Die anderen Länder und die Bundesgrünen lachen sich doch tot, wenn Sie mit einem solchen Vorschlag kommen. Sie haben ein Portmonee aufgemacht, in dem sich ein Stück Papier befindet, nicht aber eine Unterschrift von jemandem, der Ihnen einen Scheck unterschreibt. Das ist ein Beispiel dafür, wie man mit den Wählerinnen und Wählern nicht umgehen kann. Das werden Sie merken.

Nun noch ein paar Worte zu dem, was soeben von der CDU-Fraktion erklärt worden ist. Es kann doch nicht wahr sein, dass ich mich in Niedersachsen hinstelle und erkläre, dass dieser Landeshaushalt mit erheblichen Problemen behaftet sei. Die Landesregierung hat dann aber Vorschläge zu drei wichtigen zentralen Bausteinen unterbreitet - ers

tens im Zusammenhang mit der Mipla ein Konsolidierungskonzept in einer Größenordnung von rund 500 Millionen plus im Jahr 2004 und in einer Größenordnung von 700 Millionen plus im Jahr 2006 -, die Sie jedoch gleich pauschal abgelehnt haben mit dem Ziel, die Haushaltslöcher möglichst groß zu lassen. Im Anschluss daran haben Sie die Landesregierung in der nächsten Sitzung aber aufgefordert, doch bitte schön zu sagen, wie sie die Haushaltslöcher zu schließen gedenkt. Wenn wir diese Größenordnung zur Disposition stellen, dann stellen wir uns auch der Auseinandersetzung mit den Betroffenen. Wenn wir sagen, dass wir Liegenschaften verkaufen, dann darf ich daran erinnern, dass wir soeben in einer Art und Weise über Schloss Ringelheim gesprochen haben, dass ich in der Versuchung war zu fragen, ob Herr Eppers das Schloss Ringelheim zurückkaufen will, damit wieder Geld in die Kasse des Landes zurückkommt und der Haushalt nicht laufend durch ein Schloss belastet wird, das abgängig ist und mit dem das Land definitiv nichts mehr anfangen konnte.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das ist ja ein toller Denkmalschutzgedanke, den Sie da Privaten zumuten!)

Eine solche diffuse Politik, Herr Wulff, versteht niemand, auch nicht in Salzgitter, damit das deutlich ist. Sie haben erklärt, Sie würden Berlin in den zentralen Positionen, die Landes- und Kommunalhaushalte entlasten, nicht unterstützen. Wenn Sie das hier so deutlich sagen, ist das doch in Ordnung. Dann müssen Sie für die rund 700 Millionen, die zur Disposition stehen, aus der CDU-Problematik und der CDU-Programmatik aber auch Deckungsvorschläge unterbreiten. Dazu sind Sie jedoch nicht in der Lage. Sie sagen in Ihrem Programm kein Wort dazu. Auch hier haben Sie nichts dazu gesagt.

(Rolfes [CDU]: Wenn Sie in der Lage wären, einen vernünftigen Nachtrags- haushalt vorzulegen, könnten wir auch vernünftig diskutieren!)

Wenn Sie sagen, Sie wollten die Bildungspolitik nicht in der vom Ministerpräsidenten dargestellten Weise über den Generationenvertrag finanzieren, dann haben Sie wieder ein Problem. Wie wollen Sie das mittragen, was wir als bildungspolitische Konzeption in der mittelfristigen Finanzplanung und auch in der Öffentlichkeit im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen vertreten haben? Sie müssen zusätzlich noch Ihre 2 500 Lehrer und Ihre

Versprechungen zu den Kindergärten draufpacken. Dann erreichen Sie schnell eine Größenordnung von mehr als einer halben Milliarde Mark. Auch darauf verweigern Sie aber eine Antwort. Das ist mehr, als Ihr Turnaround-Programm insgesamt überhaupt auf den Markt bringt. Wenn im Augenblick Unglaubwürdigkeit im Spiel ist, dann bei Ihnen, Herr Wulff, denn Sie waren bisher zu keinem Zeitpunkt und auch hier wieder nicht in der Lage, Ihr Wahlprogramm zu quantifizieren. Gleichzeitig aber bekämpfen Sie jeden konkreten Konsolidierungsvorschlag der Niedersächsischen Landesregierung. Inzwischen wollen Sie offensichtlich auch den Bundesrat zum Bremsklotz bei denjenigen Maßnahmen machen, die in Berlin durchgesetzt werden müssen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es besteht Bedarf an zusätzlicher Redezeit. Bis zu drei Minuten für Herrn Wulff und bis zu zwei Minuten für Herrn Golibrzuch.

(Zuruf von der SPD: Dann möchte ich Herrn Möllring aber auch noch hö- ren!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut schon weh, Herr Minister Aller, wenn man Sie hier seit Jahren Finanzpolitik betreiben sieht. Sie haben dies als Vorsitzender der SPDFraktion getan, Sie haben es zuvor als finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion getan, und Sie tun es jetzt als Finanzminister. Bei jedem aufkommenden Problem kennen Sie immer nur eine einzige Antwort: Auf der Einnahmeseite wollen Sie die Probleme durch mehr Steuern, durch neue Steuern, durch neue Abgaben und neue Belastungen der Bürger und der Wirtschaft in den Griff bekommen.

(Dr. Schultze [SPD]: Wie finanzieren Sie denn Ihre Wünsche?)

Im Ergebnis führt dies aber dazu, dass Sie trotz höherer Belastungen immer weniger einnehmen; denn wir wissen aus der Erfahrung anderer Länder, dass eine durchgreifende Reform der sozialen Sicherungssysteme, des Arbeitstarifrechts und vor allem aber auch der Haushalte viel größere Effekte auf eine dynamische und das Wirtschaftswachstum fördernde Steuerpolitik hat.

(Möhrmann [SPD]: Jetzt konkret, Herr Wulff!)

Dies ist die Erfahrung anderer Länder, die ihre Haushalte in Ordnung gebracht haben. Was Dänemark, Holland, Spanien, Portugal und Amerika eint, ist die Senkung der Staatsquote um 6 bis 12 %. Dort hat man sich im staatlichen Sektor der Ausgabeseite zugewandt.

(Zurufe von der SPD)

Sie, Herr Aller, gehen aber nie auf die Ausgabeseite, sondern immer auf die Einnahmeseite. Die Vorschläge, die Roland Berger für 600 000 Euro vorgelegt hat, sind weitestgehend von Herrn Golibrzuch und der CDU-Fraktion bereits in den Jahren 1995, 1996 und 1997 unterbreitet worden, ohne dass wir auch nur einen Pfennig dafür verlangt haben, weil wir unserer Pflicht im Parlament nachgekommen sind und nicht als Gutachter abkassiert haben für einen perspektivlosen Finanzminister, der von selbst nicht auf solch durchgreifende Ideen kommt.

(Beifall bei der CDU)

Das Problem ist, dass Sie die Menschen mit Ihren Berliner Beschlüssen mit 22,4 Milliarden Euro belasten wollen. Das ist mehr als der doppelte Solidaritätszuschlag, der nur 11,2 Milliarden einbringt. Am Ende werden Sie feststellen, dass Sie diese Mehreinnahmen nur virtuell errechnet haben. Sie nehmen tatsächlich aber noch weniger ein, weil Sie die Wirtschaft damit vor die Wand fahren. Das ist das, was Sie begreifen müssen. Irgendwann muss man sich der Ausgabeseite zuwenden und darf auf der Einnahmeseite nicht noch mehr neue Belastungen der Bürger herbeiführen. Dort liegt der Denkfehler. Deshalb lohnt es sich auch nicht, mit Ihnen über Finanzpolitik zu diskutieren.

(Beifall bei der CDU)

Herr Golibrzuch!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Aller, ob Sie das Emssperrwerk für sinnvoll halten oder nicht - davon wird es nicht billiger. Natürlich stellt es für den niedersächsischen Haushalt eine Sonderlast dar. Wenn Sie mich danach fragen, wie es mit den Bundeshilfen ist, will ich Ihnen sagen:

Wir sind froh darüber, dass sich der Bund bereit erklärt hat, für die Ausweitung des Ganztagsschulangebotes in allen Bundesländern ein milliardenschweres Programm auf den Weg zu bringen. Wir machen uns allerdings Sorgen; denn das Land ist so pleite, dass es die dafür notwendige und in der Diskussion befindliche Kofinanzierung möglicherweise nicht bereitstellen kann. Ich bin mir völlig unsicher, wie das Land - egal, wie die Wahl ausgehen wird - die Kofinanzierung für die 20prozentige Versorgungsquote bei den Krippenplätzen sicherzustellen gedenkt. Ich weiß es nicht, und auch Sie wissen es nicht; denn sonst würden Sie es auch sagen.

Es ist einfach so - Sie können das auch nicht wegdiskutieren -, dass sich Niedersachsen in einer schlimmeren Situation befindet als alle anderen Bundesländer. Darüber hinaus ist es so, dass Sie die Personalkostenquote in der mittelfristigen Finanzplanung schon gar nicht mehr angeben. Sie kann aufgrund der Ausgliederung in Landesbetriebe und der dortigen Budgetierung auch kaum noch ehrlich abgebildet werden. Es ist leider aber auch so, dass Sie durch bilanzverlängernde Maßnahmen, durch das Einstellen fiktiver Miet- und Pachtzahlungen die Personalkostenquote und auch die Kreditfinanzierungsquote herunterrechnen. Würden Sie das nicht tun und auf diesen Effekt in jedem Einzelplan verzichten, hätten Sie eine deutlich höhere Personalkostenquote, als dies schon jetzt ohnehin der Fall ist.

Wenn Sie die Situation Niedersachsens mit der Situation anderer Bundesländer vergleichen, dann werden Sie feststellen, dass Niedersachsen allerspätestens im Jahr 2003 an dem Punkt angelangt sein wird, an dem vor einigen Jahren auch Bremen und das Saarland gewesen sind, als sie Bundeshilfen, die man ja nicht freiwillig bekommt, eingeklagt haben. Das war die damalige Situation, in der Bremen und das Saarland bei allen wichtigen Haushaltsdaten gegenüber allen anderen Bundesländern einen so großen Abstand hatten, dass sie nicht mehr in der Lage waren, ihre Finanzprobleme aus eigener Kraft zu bewältigen. In Niedersachsen stehen wir jetzt vor exakt der gleichen Situation.

Wenn Sie immer wieder darauf herumreiten, dass Sie in dieser Legislaturperiode mehr als 5 500 Stellen gestrichen hätten, dann sage ich Ihnen: Das stimmt zwar. Gleichzeitig haben Sie aber noch mehr neue Stellen geschaffen. Ich will hier nicht nach der Sinnhaftigkeit von zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrern, wohl aber nach der Sinnhaftig

keit von 500 zusätzlichen Polizistinnen und Polizisten fragen.