Protokoll der Sitzung vom 23.10.2002

Das haben wir gemeinsam in der Region und auch hier im Landtag deutlich gemacht. Allerdings gibt es schon Fragen zu der Art und Weise, wie das

zustande gekommen ist. Das ursprüngliche Verfahren insbesondere gegenüber der Stadt Braunschweig war nicht in Ordnung. Es bedurfte hier vieler klärender Gespräche zwischen dem Oberbürgermeister und dem Ministerpräsidenten.

Aber es gibt eine ganze Reihe von offenen Fragen, die geklärt werden müssen. Sie schaffen heute ein kommunalrechtliches Novum, den so genannten oberzentralen Verbund. Den gibt es bisher in Deutschland nicht. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Ich schließe mich insoweit der Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände an, die gesagt haben, dass dieser Begriff im Ergebnis mehr Verwirrung als Klarheit schafft und für viele offene Fragen in der praktischen Umsetzung sorgen wird.

(Beifall bei der CDU)

Es musste ja auch erst eine Initiative der CDUFraktion im Großraumverband Braunschweig zusammen mit den Sozialdemokraten geben, damit Sie bereit waren, den Bestand oberzentraler Einrichtungen in der Region zu sichern, was insbesondere für die Stadt Braunschweig wichtig war.

Wir wissen nicht, welche Auswirkungen dieser oberzentrale Verbund auf die benachbarten Landkreise haben wird: auf Helmstedt, auf Peine, auf Gifhorn und auf Wolfenbüttel. Aber eines ist für uns als CDU klar: Dieser oberzentrale Verbund darf keinen Modellcharakter für weitere Regionen im Lande Niedersachsen haben.

(Beifall bei der CDU)

Unsere Ablehnungsgründe sind im Wesentlichen die Regelungen zum großflächigen Einzelhandel sowie zu den Vorranggebieten und Eignungsgebieten für Tierhaltungsanlagen. Der Niedersächsische Landkreistag sowie der Städte- und Gemeindebund haben es zu Recht kritisiert: Die vorgesehenen Regelungen stellen einen tiefen Eingriff in die kommunale Planungshoheit dar. Wir halten die Forderungen der kommunalen Spitzenverbände für richtig. Der mit diesem Gesetzentwurf verfolgte Grundsatz der Zentrenverträglichkeit muss aus Sicht des ländlichen Raumes wesentlich flexibler gestaltet werden. Ebenso müssen endlich Lockerungen im Sinne von Einzelfallregelungen vor Ort ermöglicht werden. Es ist bedauerlich, dass Sie dazu nicht in der Lage waren.

(Beifall bei der CDU)

Das Gleiche gilt für die Fragen der Landwirtschaft. Die vorgesehenen Regelungen von Vorrang- oder Eignungsgebieten für Tierhaltungsanlagen sind für die Lenkung der Massentierhaltungsanlagen in Niedersachsen nicht erforderlich. Hierauf hat insbesondere die Landwirtschaftskammer WeserEms zutreffend hingewiesen. Die Landwirtschaft hat, wie in vielen anderen Fragen auch, uns an ihrer Seite.

(Beifall bei der CDU)

Die Kommunen haben ausreichend zur Konfliktlösung vor Ort die Möglichkeiten der Bauleitplanung und der regionalen Raumordnung in den Landkreisen. Zudem hätten wir abwarten können, ob mit der angekündigten Reform des § 35 des Baugesetzbuches auf Bundesebene eine Regelung für Massentierhaltungsanlagen geschaffen wird.

Schließlich ist die im Verordnungsentwurf enthaltene Regelung zu Standortentscheidungen von öffentlichen Einrichtungen unzureichend. Wir wollen endlich, dass die eklatante Benachteiligung des ländlichen Raumes aufhört. Ministerpräsident Gabriel hatte den kommunalen Spitzenverbänden im letzten Jahr eine Regelung zugesagt, wonach bei Standortentscheidungen über Behörden der ländliche und strukturschwache Raum vorrangig zu berücksichtigen ist. Wir stellen fest: Die nun getroffene Regelung sieht lediglich vor, dass bei künftigen Standortentscheidungen dem regionalen Ausgleich zugunsten der ländlichen Räume Rechnung getragen werden soll. Diese Formulierung deckt sich halt nicht mit der ursprünglichen Forderung, und sie ist gerade keine klare Vorrangentscheidung für Standorte im ländlichen Raum. Das müssen wir an dieser Stelle noch einmal deutlich machen. Aber viel entscheidender ist, Herr Ministerpräsident: Handeln Sie endlich in dieser Frage zugunsten des ländlichen Raumes! - Unsere Erfahrungen, die Erfahrungen der Kommunen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Landesregierung überhaupt nicht gewillt ist, Behörden, Gerichte und landeseigene Betriebe im ländlichen Raum einzurichten. Dies zeigt in aller Deutlichkeit, während wir heute dieses Gesetz vermutlich beschließen werden, dass Sie gleichzeitig bei der zweiten Stufe des automatisierten Mahnverfahrens eine weitere Zentralisierung des Verfahrens zulasten des ländlichen Raumes vornehmen. So viel zum Thema Anspruch und Wirklichkeit Ihrer Politik für den ländlichen Raum.

(Beifall bei der CDU)

Wir fordern die Landesregierung auf, endlich eine Deregulierung der Landesplanung und eine Erweiterung der kommunalen Spielräume vorzunehmen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben Sie diese Chance leider verpasst. Es handelt sich vielmehr um einen weiteren Schritt zur Überregulierung und Bürokratisierung in der Landespolitik. Wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt hat Herr Ministerpräsident Gabriel um das Wort gebeten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich staune manchmal darüber, mit wie wenig Wissen über Raumordnung man darüber so viel erzählen kann.

(Möllring [CDU]: Das finden wir auch, wenn wir Ihnen zuhören! - Weitere Zurufe)

- Was halten Sie denn davon, wenn Sie sich einmal zu dem Thema zu Wort melden würden? - Ich möchte einmal auf ein paar Argumente des geschätzten Kollegen McAllister eingehen.

(Zuruf von Möllring [CDU])

- Herr Möllring, wir wissen doch alle, dass Sie große Probleme zu Hause haben. Lösen Sie die, und rufen Sie hier nicht ständig dazwischen!

(Zurufe von der CDU)

- Wie nervös müssen Sie als Opposition eigentlich sein, wenn Sie sich nicht einmal eine Rede anhören können? Ich höre doch Herrn McAllister auch ganz ruhig zu. Versuchen Sie doch, das normale Verhalten, nämlich zuhören, zu leben. Vorhin haben Sie über Bildung geredet: Das gehört auch dazu.

Also, Herr McAllister, nehmen Sie bitte erstens zur Kenntnis: Alle Formulierungen im LandesRaumordnungsprogramm sind in Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden getroffen worden.

(Möllring [CDU]: Und warum kriti- sieren die das?)

- Es gibt keine Kritik daran,

(Zurufe von der CDU)

sondern - Herr Endlein war als Präsident des Landkreistages anwesend; der wird Ihnen das bestätigen können - alle Punkte dieses Teils des Landes-Raumordnungsprogramms sind einvernehmlich verabschiedet worden.

Bereits im September des letzten Jahres ist beschlossen worden, dass wir die hoch komplizierte Frage, wie wir im Zentrale-Orte-Konzept mit den Bedingungen und Wünschen der Grundzentren, der Mittelzentren und der Oberzentren umgehen, abtrennen, weil wir ausreichend Zeit brauchen, das neu zu ordnen, da sich das Land nun einmal verändert hat.

Das heißt, akzeptieren Sie doch bitte - ich kann verstehen, dass Ihnen das Leid tut, weil da einige zugestimmt haben, von denen Sie es nicht erwartet haben -: im April 2002 einvernehmlicher Abschluss der Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden.

(Jahn [CDU]: Die Anhörung hat et- was ganz anderes ergeben!)

- Ich kann Ihnen gern das Protokoll zuschicken; da steht das alles drin.

(McAllister [CDU]: Das sollten Sie mal lesen! Sie lesen doch keine Pro- tokolle!)

- Ach, Herr McAllister! Ich wiederhole: Ich habe Ihnen ganz in Ruhe zugehört.

Zweiter Punkt. Sie sind ebenfalls schlecht informiert über die Situation im oberzentralen Verbund in Braunschweig. Ich habe übrigens nicht mit Herrn Hoffmann gesprochen. Von daher können Sie hier nicht behaupten, es habe mehrere Klärungsgespräche geben müssen. Ich habe mit dem Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig nicht darüber reden müssen, weil es in Braunschweig, aber auch in Wolfsburg und in Salzgitter weit über die Grenzen einzelner Parteien hinweg die Überzeugung gibt, dass man zusammenarbeiten muss.

Gestern waren über 20 Unternehmer, die Chefs der wichtigsten Industrieunternehmen der Region, im Gästehaus der Landesregierung und haben mit mir über die Frage geredet, wie wir in der Region zwischen Wolfsburg, Braunschweig und Salzgitter eine gemeinsame Initiative zur wirtschaftlichen

Entwicklung der Region - und zwar nicht isoliert auf einzelne Städte, sondern in allen drei Städten gemeinsam - starten können. Die Wirtschaft, Herr McAllister, ist deutlich weiter als Ihre Debattenbeiträge.

(Beifall bei der SPD)

Die wissen, wir brauchen die Synergieeffekte in der Region. Es ist Unsinn, ständig den Kirchturm als einzigen Blickwinkel zu haben,

(Eppers [CDU]: Das bezweifelt doch auch niemand!)

sondern es geht darum, dass alle drei Städte und die Region zusammenarbeiten. Wir bekommen das nicht hin, wenn wir nicht in der Lage sind, uns dort planerisch aufeinander abzustimmen. Es ist doch Unsinn, zu glauben, dass das dazu führen würde, dass bisherige Einrichtungen im Oberzentrum Braunschweig abgezogen würden. Dafür bräuchten wir nicht einmal eine Klarstellung; denn das ist schon rechtlich und tatsächlich nicht machbar.

Sie versuchen, mit einem Thema, das - dies gebe ich zu - für den Außenstehenden gelegentlich ein bisschen technokratisch wirkt, Angst zu erzeugen. Ich wiederhole: In Braunschweig sind Wirtschaft und Gewerkschaften deutlich weiter als die CDU im Niedersächsischen Landtag, aber das überrascht möglicherweise auch niemanden.

(Wendhausen [SPD]: Mich wundert das auch nicht!)

Nächster Punkt. Ich erinnere mich gut an die Redebeiträge zur Hochwasserkatastrophe an der Elbe. Ich erinnere mich gut daran, dass alle Fraktionen dieses Landtages gesagt haben, wir müssen dort, wo die Gemeinden in Überschwemmungsgebieten bauen wollen, deren planerische Hoheit einschränken, damit wir nicht jedes Mal die Menschen gefährden. Denn wir wissen, dass die Gemeinden eher bereit sind, den Baubedürfnissen zu folgen, als auf die Sicherheit im Fall von Hochwasser Rücksicht zu nehmen. Das war die Konzeption.

(Beifall bei der SPD)

Was Sie hier machen, Herr McAllister, ist die Rolle rückwärts.

(McAllister [CDU]: Ich habe doch zu dem Thema gar nichts gesagt!)

Das alles kennen Sie nicht mehr, sondern Sie reden davon, dass die Freiheit eingeschränkt wird.

(McAllister [CDU]: Natürlich! - Möll- ring [CDU]: Da hat er auch Recht!)

Meine Damen und Herren, ja, es gibt keine unbegrenzte Freiheit, sondern die Freiheit endet immer bei der Freiheit des Nachbarn. Dazu muss man nicht einmal Rosa Luxemburg zitieren.