Protokoll der Sitzung vom 23.10.2002

Meine Damen und Herren, ja, es gibt keine unbegrenzte Freiheit, sondern die Freiheit endet immer bei der Freiheit des Nachbarn. Dazu muss man nicht einmal Rosa Luxemburg zitieren.

(Beifall bei der SPD)

Herr McAllister, man wird sich wohl darum kümmern müssen, dass Menschen gefährdet werden, dass Eigentum gefährdet wird, wenn für den Hochwasserschutz notwendige Retentionsflächen überbaut werden. Das dürfen wir nicht zulassen. Damit gefährden wir die Menschen an der Elbe. Herr McAllister, Sie wohnen doch selber in einer solchen Region.

(McAllister [CDU]: Ich habe doch gar nichts dazu gesagt!)

Wie können Sie hier eigentlich den Zugriff auf solche Planungsfragen diskreditieren? Mit welchem Verantwortungsbewusstsein gehen Sie da eigentlich ran?

(Beifall bei der SPD - McAllister [CDU]: Ich habe nichts dazu gesagt! Nehmen Sie mal Ihr Ohropax raus!)

- Das tut alles weh, ich weiß.

(Möllring [CDU]: Nein, Sie sagen schlicht die Unwahrheit!)

Nächster Punkt. Wir wollen, dass die Menschen in den ländlichen Regionen, die sagen, es muss eine Abwägung geben zwischen den Interessen der Massentierhaltung, der intensiven Landwirtschaft und den Interessen der Menschen, die in den Dörfern, Gemeinden und Städten leben, die Möglichkeit haben, diesen Abwägungsprozess auch herbeizuführen. Deshalb brauchen wir im LandesRaumordnungsprogramm für solche Fälle auch Hilfen für die Bauleitplanung.

Um was geht es denn bei der Bauleitplanung? Denjenigen, die noch vor ein paar Jahren Wildwuchs befürchtet haben - z. B. beim Thema Windenergieanlagen -, haben wir schon mit den alten Verordnungsentwürfen zum Landes-Raumordnungsprogramm geholfen, dass sie das in bestimmten Bereichen konzentrieren können und sie

nicht überall querbeet aufgestellt werden. Da, wo sich die Gemeinden dem verweigert haben, haben wir heute die Proteste der Bürger gegen die Nutzung von Windenergie.

Um nichts anderes geht es auch bei anderen Nutzungskonflikten. Es gibt Nutzungskonflikte zwischen Massentierhaltung und dem Interesse der Bürgerinnen und Bürger, zwischen Hochwasserschutz und den Bebauungsplänen für die Retentionsflächen.

Und es gibt auch Nutzungskonflikte im Handel. Aber da würde ich vorschlagen, dass Sie sich einmal mit den Einzelhandelsverbänden Niedersachsens unterhalten und die mal fragen, warum sie uns z. B. mit Preisen dafür auszeichnen, dass wir, anders als beispielsweise die Bayern, Factory Outlet Center nicht zulassen, dass wir nicht zulassen, dass der Mittelstand in den Innenstädten zerstört wird. Fragen Sie die mal! Da müssen wir die gemeindliche Planungshoheit begrenzen. Sonst zerstören wir den Handel in den Innenstädten. Deshalb brauchen wir ein solches Gesetz, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Was Sie hier machen, ist wirklich ein abenteuerlicher Umgang mit der Debatte um die Landesraumordnung. Gott sei Dank sind die kommunalen Spitzenverbände in dieser Frage relativ einheitlich.

(Zuruf von der CDU: Relativ!)

- Na ja, ich habe nicht die Hoffnung, dass Sie 100 und ein paar Tage vor der Landtagswahl ernsthaft debattieren wollen.

(Möllring [CDU]: 102!)

Aber ich sage Ihnen zum Thema Benachteiligung der ländlichen Räume einmal Folgendes - das ist ja eine Debatte, die Sie hier immer herbeiführen -: Im Zeitraum von 1998 bis 2001 hat die Landesregierung über die Bezirksregierungen 7,1 Milliarden Euro an Fördermitteln bewilligt. Allein in den Regierungsbezirk Weser-Ems sind pro Jahr rund 500 Millionen Euro geflossen.

Zum Vergleich, meine Damen und Herren - weil die Union ja immer behauptet, mit der Expo sei alles nach Hannover gegangen; Stadt und Land werden von der Union gegeneinander ausgespielt -: Wir haben in den zehn Jahren zur Weltausstellung insgesamt 454 Millionen Euro Landesmittel für die Entwicklung der Expo ausgegeben. Das ist etwa

der gleiche Betrag, den wir pro Jahr an Fördermitteln in nur eine einzige Region des Landes Niedersachsen geben. Es ist also völliger Unsinn zu behaupten, die Stadt Hannover und die städtischen Bereiche würden ständig bevorzugt.

Von den 7,1 Milliarden Euro sind 5,5 Milliarden Euro, also rund vier Fünftel, in die Fläche und mit 1,5 Milliarden Euro nur ein Fünftel in die acht niedersächsischen Oberzentren gegangen.

Meine Damen und Herren, diese Zahlenreihe ließe sich beliebig fortsetzen. Ich will Sie damit nicht überstrapazieren. Nur eines ist klar: Was wir bei der Union erleben, ist der Versuch, unser Land zu spalten:

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

in Städte und ländliche Regionen. Dabei ist doch jedem klar, dass die Städte das Umland und das Umland die Städte braucht. Wir brauchen auch starke Oberzentren und Leuchttürme wie Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Osnabrück. Das ist so wie in allen anderen Ländern. Wer an Bayern denkt, denkt ganz schnell an München, wer an Nordrhein-Westfalen denkt, denkt schnell an Köln und Düsseldorf. Diese Städte sind imageprägend auch für die Wirtschaftskraft eines ganzen Landes. Wenn Sie permanent über die Landeshauptstadt Hannover herziehen, wenn Sie permanent vorwerfen, wir würden das Geld nur in die Oberzentren geben, dann ist das erstens falsch und schadet es zweitens der Gesamtentwicklung des Landes Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD)

Man kann die Menschen nicht gegeneinander in Stellung bringen - auch nicht im Wahlkampf - nach dem Motto: die in den ländlichen Regionen und die in den Städten. Das tun Sie seit Monaten und Jahren hier in Niedersachsen. Seit Ende der Weltausstellung ist das Ihre Politik hier in Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD)

Gott sei Dank hat das Landes-Raumordnungsprogramm, hat aber auch die Förderpolitik des Landes dazu geführt, dass die Entwicklung zugunsten der ländlichen Regionen vorangegangen ist.

(Biestmann [CDU]: Aber nicht in den letzten Jahren!)

- Dann lesen Sie doch einmal, was das PestelInstitut dazu sagt, was das Institut für Bauforschung und Raumordnung dazu sagt. Das Gegenteil ist richtig.

(Biestmann [CDU]: Die Daten und Fakten sind eindeutig!)

Wissen Sie, was ich nicht verstehe? - Sie kommen aus einer wirklich schönen und prosperierenden Region. Warum reden Sie eigentlich Ihre eigene Region schlecht? Das ist eine ganz starke Entwicklung, gerade im Bereich Emsland, Cloppenburg, Vechta, aber auch - das wissen Sie doch -, weil wir Werfthilfen in Papenburg gezahlt haben, weil wir und nicht Sie die A 31 mit der Bundesregierung durchgesetzt haben.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU - Schünemann [CDU]: Das ist ja der Hammer! Das ist ja wohl der Gip- fel!)

Sie haben viele Jahre den Staatssekretär im Verkehrsministerium, Herrn Carstens, gestellt. Dieser CDU-Staatssekretär hat nichts, aber auch gar nichts zur Durchsetzung der A 31 auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der SPD - Unruhe - Glo- cke der Präsidentin)

Ich nenne auch die A 39. Das gleiche Thema gibt es in Salzgitter und Braunschweig. Da war zu Ihrer Zeit keine Bewegung. Diejenigen, denen Sie sonst vorwerfen, sie würden nichts für den Straßenbau tun, nämlich SPD und Grüne, sind diejenigen, die das in Berlin durchgesetzt haben. Sie haben in 16 Jahren nichts für die Verkehrsentwicklung zustande gekriegt.

(Eppers [CDU]: A 395, Goslar! - Weitere Zurufe von der CDU - Unru- he)

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Stratmann?

Sehr gerne sogar.

Bitte schön, Herr Stratmann!

(Anhaltende Unruhe - Glocke der Prä- sidentin)

Herr Ministerpräsident, können Sie sich daran erinnern, dass die SPD/Grüne-Regierung sogar alle Bundesverkehrsstraßen herausgenommen hat, dass sie darauf stolz war und es in der Wahlbroschüre noch als Erfolg verkauft hat?

Wissen Sie, woran ich mich erinnern kann? - Dass in den letzten vier Jahren gebaut und angefangen wurde: A 39, A 26, A 31, Bundesstraßen, Ortsumgehungen.

(McAllister [CDU]: Sie haben doch den Baustopp zu verantworten!)

Ich kann mich daran erinnern, dass Herr Wissmann 80 Milliarden DM Unterfinanzierung im Bundesverkehrswegeplan hinterlassen hat. Daran kann ich mich erinnern.

(Beifall bei der SPD - McAllister [CDU]: So ein Unsinn!)

Ich halte nichts davon, so zu tun, als gäbe es keine Nutzungskonflikte.

(Zurufe von der CDU)

- Sie sind ja unglaublich nervös. Ich kann das ja verstehen.

(Eppers [CDU]: Nein, leidenschaft- lich! - Gegenruf von Wendhausen [SPD]: Leidenschaftlich nervös! - Weitere Zurufe - Unruhe - Glocke der Präsidentin - Biestmann [CDU]: Die Präsidentin kann Ihnen nicht helfen; das müssen Sie alleine machen!)