Gehen wir einmal auf die Wohnsituation ein. Sie sagen, es sei ein Erfolg, dass das Wohngeld innerhalb des letzten Jahres um 23 % gestiegen ist, also um 81,5 Millionen Euro. Was allerdings nicht gesagt wird, ist: Haben wir nun 23 % mehr Wohngeldempfänger, oder steht den Wohngeldempfängern 23 % mehr Geld zu? Wenn es wesentlich mehr Wohngeldempfänger gibt, dann wäre das auch ein Desaster für die Familien in Niedersachsen; denn das wäre ein weiterer Beleg für die Verarmung der Familien hier.
Familienberatungsstellen und Mütterzentren, die ja die Aufgaben übernehmen sollen, die Sie eigentlich ausschreiben, Frau Ministerin Trauernicht, bekommen das Geld nicht. Allein der Landeszuschuss für 2002 beläuft sich exakt auf die gleiche Höhe wie 1990. Die Fixkosten - das sollten auch Sie wissen - sind natürlich gestiegen. Das heißt, dort soll mehr Leistung für weniger Geld erbracht werden. Das können die sich auf Dauer nicht leisten.
Noch kurz zum Familieneinkommen und zum Familienlastenausgleich: Meine Damen und Herren, wir haben viele allein Erziehende in Niedersachsen. Die Zahl steigt. Die Politik der SPD auf Bundes- und Landesebene bestraft gerade diese Gruppen. Die Höhe der Freibeträge für Betreuungskosten ist mehr als unzureichend. Lediglich 257 Euro pro Jahr sind steuerlich absetzbar, wenn die Betreuungskosten über 774 Euro im Jahr liegen. Erklären Sie mir bitte einmal, wo Sie diese Betreuung in der Form in dieser Summe pro Jahr noch bekommen!
Der Wegfall des Haushaltsfreibetrages für allein Erziehende bis 2005 wird von Ihnen klaglos hingenommen. Der Freibetrag für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf soll bei einer Anhebung des Kindergeldes auf 200 Euro im Jahr entfallen. Da entsteht eine angeblich zu vernachlässigende Differenz von 96 Euro pro Jahr. Es tut mir Leid - Familien, die spitz rechnen müssen, sind auf diese 96 Euro angewiesen.
Meine Damen und Herren, Sie sollten den Begriff der Familie noch einmal deutlich überdenken. Sie sagen hier ganz klar: Das gemeinsame Merkmal aller familiären Lebensformen ist das Zusammenleben mit Kindern. - Wir gehen da einen Schritt weiter. Wir sagen: Familie ist dort, wo Eltern sich um Kinder und Kinder um Eltern kümmern. - Das ist übrigens auch eine Familie von Frau Vockert.
Nach der Pflege von Angehörigen durch die Kinder wird hier weder gefragt - das scheint uninteressant zu sein -, noch wird in den Antworten auch nur ansatzweise darauf eingegangen. Dieser As
Frau Ministerin Trauernicht, Sie haben hier ganz klar gezeigt - das war ein großer Auftritt -: Sie, die SPD-Landesregierung, und die SPD-Fraktion sind diesem wichtigen und zentralen Thema in der Gesellschaft in keiner Weise gewachsen. - Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Trost, über das Familiengeld, das die CDU in ihrem Bundestagswahlprogramm zur Familienförderung vorgeschlagen hat, hat ja selbst Ihr Kanzlerkandidat gesagt, dass es nicht finanzierbar ist
und dass es zu nichts anderem dient, als den Frauen den Anspruch auf einen Erwerbsarbeitsplatz abzukaufen.
Frau Trost, ich dachte, dass Sie sich vielleicht auch die Mühe gemacht haben, die Wahlanalysen zur Kenntnis zu nehmen. Die haben nämlich deutlich hervorgebracht, dass Sie die Wahl insbesondere bei den Frauen verloren haben, weil Ihr antiquiertes Familienbild einfach nicht mehr in die Wirklichkeit passt.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Mühe [SPD]: So ist es! - Frau Trost [CDU]: Das ist doch lä- cherlich!)
Frau Trost, die Wirklichkeit geht weiter, auch wenn Sie stehen bleiben. Frau Merkel wären die Nackenhaare zu Berge gestiegen, wenn sie Ihre Rede gehört hätte.
(Voigtländer [SPD]: Informieren Sie sich mal über die Zahlen! Ich glaube, die sind falsch! - Heiterkeit)
- Sind Sie der neue familienpolitische Sprecher der SPD? - Ich möchte noch auf Frau Meyn-Horeis eingehen. Frau Meyn-Horeis, Ihre kurze Bemerkung auf den Versuch einer Zwischenfrage macht auch deutlich, welches Familienbild Sie haben.
Ich bin jetzt ein bisschen eingeschüchtert. Ich soll die Redezeit für meine Fraktion wahrnehmen. Nach Ihren Kriterien dürfte ich aber nichts zu diesem Thema sagen. Wenn wir Ihre Kriterien auf die Drogenpolitik ausdehnen würden, müssten wir zu dem Ergebnis kommen, dass man Ihrer Meinung nach zunächst einmal drogenabhängig sein müsste, damit man auch über Drogenpolitik reden kann.
Die SPD-Fraktion fordert mit ihrer Großen Anfrage eine Zwischenbilanz der bisherigen familienpolitischen Maßnahmen der Landesregierung. Wie so häufig haben wir auch heute wieder den Eindruck, dass wir in unterschiedlichen Wirklichkeiten leben. Ich lese die Antwort auf die Große Anfrage ganz anders. Ich will Ihnen aber auch sagen, Frau Trauernicht: Wir haben nicht erwartet, dass es Ihnen möglich sein wird, dieses umfängliche Konzept schon nach einem Jahr in allen Punkten zu realisieren. Das will ich Ihnen gern zugestehen. Die Zwischenbilanz - muss ich ganz ehrlich sagen - halte ich aber eher für ernüchternd.
Ich möchte jetzt einfach einmal ein paar andere Dinge ansprechen, die bisher nicht angesprochen worden sind. Die groß angekündigte Familiencard scheint ein vollständiger Flop zu sein. Die für 2002 angekündigte Väterkampagne ist bis heute noch nicht angelaufen. Dass die Familienservicestellen für den ländlichen Raum bis auf Weiteres nicht
realisiert werden, konnten wir in den Zeitungen lesen. Dass die familienpolitische Infrastruktur, die für uns immer sehr wichtig gewesen ist - die Mütterzentren, die Familienbildungsstätten und die Frauenhäuser -, seit Jahren ausgehungert wird, ist bittere Realität.
(Mühe [SPD]: Als wir 1990 angefan- gen haben, hatten wir 1 000 % weni- ger! Sie wissen doch selbst, dass das grober Unfug ist, was Sie da erzäh- len!)
- Hat die SPD-Fraktion nicht noch ein bisschen Redezeit? Dann könnte Karl-Heinz seiner Empörung noch ein bisschen Ausdruck verleihen.
- Gut. - Also: Ich möchte jetzt auf das eingehen, was die Ministerin selbst als ihr zentrales Anliegen bezeichnet hat. Ich zitiere:
„In der Ermöglichung einer Vereinbarung von Beruf und Familie liegt damit die eigentliche Herausforderung zukunftsorientierter Familienpolitik.“
Stimmt, sage ich. Das finde auch ich. Die Frage ist nur: Warum wird diese Herausforderung nicht ernsthaft angenommen? - Ich verstehe auch nicht, warum die Bilanz der Rednerinnen der SPD-Fraktion hier so positiv ausgefallen ist.
Ich möchte jetzt einmal die Zahlen nennen, die auch der Antwort zu entnehmen sind. In Niedersachsen sind weniger als 7 % der unter Dreijährigen mit Ganztagsbetreuungsangeboten versorgt. Bei den Drei- bis Sechsjährigen liegt die Quote bei ca. 15 %. Bei den Sechs- bis Neunjährigen beträgt die Quote 5 %. Das ist das eigentliche Dilemma der Frauen hier in der Republik, hier in Niedersachsen, wenn es darum geht, Familie und Beruf zusammenzubringen. Die von der Landesregierung in dieser Frage bisher eingeleiteten Handlungen halte ich für unzureichend.
Ich will jetzt noch einmal auf das Bündnis für ein Leben mit Kindern hinweisen, das auch Sie selbst genannt haben. Ich habe von den Vertreterinnen, die an den entsprechenden Bündnisrunden teilgenommen haben, eine ganz andere Bilanz gehört. Aus meiner Sicht scheint es eher ein Phantom zu sein. Wir haben noch einmal nachgefragt, wann dieses Bündnis mal wieder tagt. Die aktuelle Meldung ist, dass es sich am 22. März 2002 treffen wollte. Über Vollzug und Ergebnisse ist nichts bekannt. Das ist doch ein Hinweis darauf, dass das keine Strategie ist, die wirklich trägt.
Wir wissen doch genau, wo die Probleme liegen. Was Sie, Frau Ministerin, in diesem Bereich angeleiert haben, sind Zukunftswerkstätten und Bündnisrunden. Ich sage Ihnen aber: Die Frauen wollen nicht in Zukunftswerkstätten darüber philosophieren, wie sie an einen Betreuungsplatz kommen. Vielmehr wollen sie einen Betreuungsplatz angeboten bekommen.
Wie wir alle wissen, ist in den Koalitionsvereinbarungen festgeschrieben worden, dass die Betreuungsquote für die unter Dreijährigen in den Ländern in den nächsten Jahren auf 20 % ansteigen soll. Wir alle wissen, dass uns dies eine riesige Anstrengung abverlangen wird. Ich sage auch, dass die angekündigten 1,5 Milliarden, die der Bund zur Verfügung stellen will, allein nicht ausreichen werden.