Protokoll der Sitzung vom 25.10.2002

Das Thema der Schwarzarbeit wird von dieser Landesregierung ernster genommen als durch Ihre Oppositionspolitik.

(Widerspruch bei der CDU)

Ich darf Sie in diesem Zusammenhang an Ihre Haltung z. B. im Zusammenhang mit der Diskussion um das Vergaberecht und die Tariftreueerklärungen erinnern.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU)

Wir können anhand der Bundespolitik der CDU sehr gut nachvollziehen, auf welche schizophrene Art und Weise Sie an dieses Thema herangehen und – je nachdem, wie es Ihnen passt – eine Detailfrage in den Mittelpunkt der Diskussion stellen.

Ich sage Ihnen ganz deutlich, dass beide Instrumente – das Tariftreuegesetz und das Vergaberecht, das wir mit den Berliner Partnern durchgesetzt haben – von Ihnen lange Zeit im Kern nicht gewollt und sogar bekämpft worden sind, obwohl sie Transparenz in die kriminellen Handlungen derer bringen, die letztlich den Baumarkt ausbeuten.

Es übersteigt bei Weitem nicht meine Vorstellungskraft, im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Schwarzarbeit über Instrumente, wie Sie sie beschreiben, zu diskutieren. Das Problem bei Ihrem Ansatz ist aber, dass Sie auch bei einer moderaten Absenkung der Stundenlöhne und einer Anerkennung dieser Teilbeträge nie in die Größenordnungen kommen würden, die ein Schwarzarbeiter in Zusammenarbeit mit Auftraggeber und Arbeitgeber erzielen kann. Die Mitnahmeeffekte sind also offensichtlich und bedeuten einen Verlust von Steuern, die bislang eingehen. Den Effekt, den Sie unterstellen, nämlich Rückgang der Schwarzarbeit, bezweifele ich erheblich. Der Tariflohn ist einschließlich der Lohnnebenkosten deutlich höher als das, was einem Schwarzarbeiter cash auf die Hand gezahlt wird. Dies war Gegenstand der Debatte, die Herr Dinkla mitgeprägt und verfolgt hat. Er lächelt begeistert über Ihre Zusatzfrage. Die Antwort darauf ist exakt die gleiche, die wir schon damals gegeben haben.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Man kann ja klüger werden! Die Gelegenheit dazu wollten wir Ihnen geben!)

Der Kollege Dinkla hat das Wort zu seiner zweiten Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Lächeln, Herr Minister Aller, bedarf nicht der Zustimmung durch die Landesregierung. Ich lächle, wann ich will. Wie beurteilen Sie die Erfahrungen, die in anderen europäischen Ländern mit innovativen, neuen Ansätzen – z. B. Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes – gemacht worden sind und im Ergebnis zu höheren Steuereinnahmen geführt haben? Wenn alle anderen Erfahrungen - auch im Zusammenhang mit Pilotprojekten - positiv sind, stellt sich die Frage, ob Ihr Totschlagargument, dass das wegen zu erwartender Steuermindereinnahmen alles nicht möglich sei, mit dem Sie alle neuen Überlegungen, zu mehr Beschäftigung zu kommen, vom Tisch wischen, gerechtfertigt ist.

Das Wort hat noch einmal der Finanzminister.

Herr Dinkla, wenn Sie bereit sind, mit mir eine Diskussion über einen Vergleich der Steuersysteme nicht nur im näheren europäischen Umkreis, sondern auch im weiteren Umkreis zu führen, dann können wir das vielleicht zu einem Dialog entwickeln. Die Unterschiede bezüglich der Mehrwertsteuersätze in den einzelnen Staaten der Europäischen Gemeinschaft sind mit einer Bandbreite von leicht unter dem deutschen Satz in Höhe von 16 % bis hin zu Mitte 20 % in den skandinavischen Staaten extrem weit gespreizt. Die Diskussion geht eher dahin – das wissen Sie ganz genau -, die Mehrwertsteuersätze nach oben anzugleichen als nach unten. Die anderen Volkswirtschaften könnten eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf durchschnittlich 16 % gar nicht verkraften.

Sie wissen, dass in Deutschland zwischen 7 und 16 % differenziert wird. In wenigen anderen europäischen Staaten gibt es eine weitere Differenzierung um einen weiteren Punkt oder zwei weitere Punkte. Das ist bekannt und auch nicht das Problem. Das entscheidende Problem ist, Herr Dinkla, dass die Steuersysteme auf nationaler Ebene immer noch so aufgestellt sind, dass durch einen Mix der unterschiedlichen Steuerarten unter dem Strich

sichergestellt werden muss, dass das staatliche und kommunale Budget finanziert werden kann. Bei uns in Deutschland spielt die Umsatzsteuer eine zentrale Rolle. Unser Schwerpunkt – auch der, den wir aus der Sicht der Finanzminister gemeinsam mit den CDU-geführten Ländern angehen – liegt auf der Einschränkung des Umsatzsteuermissbrauchs. Die dort verloren gehenden Milliarden hereinzuholen, wäre die eleganteste, die rechtlich vernünftigste und auch die gerechteste Methode, die Lücken zu schließen. Wenn dies gelänge, bestünden Spielräume für eine weitere Förderung im Wohnungsbau – sowohl für Familien als auch für die Bauwirtschaft.

Wenn Sie die Diskussion um weitere Aspekte erweitern möchten, bitte ich um weitere Zusatzfragen. Ich werde dann darauf eingehen.

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen für Zusatzfragen liegen aber nicht vor.

Wir kommen zur

Frage 3: CASTOR-Transport nach Gorleben im November - wie sicher sind die Behälter?

Die Frage wird von Frau Harms gestellt.

Demnächst, voraussichtlich im November, wird ein Transport von diesmal zwölf Behältern mit hochradioaktiven Glaskokillen aus La Hague in das Zwischenlager Gorleben rollen. Die Zweifel daran, ob die Behälter dort tatsächlich sicher lagern, sind in den vergangenen Monaten geschürt worden, weil die GNS Gesellschaft für Nuklear Service wieder einmal Fehler bei den Sicherheitsberechnungen für CASTOR-Behälter eingestehen musste.

Das betrifft zum einen das Reparaturkonzept für den CASTOR, einen dritten so genannten Fügedeckel aufzuschweißen, wenn der Primärdeckel undicht geworden ist. Mit dem früher verwendeten Rechenprogramm ließ sich vermeintlich wie gefordert nachweisen, dass die Schweißnaht spannungsfrei und damit die Radioaktivität sicher eingeschlossen ist. Diese Spannungsfreiheit lässt sich nun mit neuen, verfeinerten Rechenmethoden, die

die GNS angewendet hat, nicht mehr nachweisen. Damit ist ein wesentlicher Teil der Genehmigungsvoraussetzungen berührt.

Weiterhin wurde durch einen Bericht des Fernsehmagazins „plusminus“ am 23. Juli 2002 auf Probleme im Zusammenhang mit Störfallberechnungen für den Fall „Absturz des Behälters vom Kran“ in der Gorlebener Halle hingewiesen. Berechnungen seien fehlerhaft; vor allem sei nicht nachgewiesen, dass der Behälter einen Absturz aus drei Meter Höhe unbeschadet überstehe. Die GNS hat dies zurückgewiesen und behauptet, dass sich der Fernsehbeitrag auf eine „veraltete“ Störfallberechnung von 1989 bezieht. Es sei kein Sicherheitsdefizit vorhanden. Wann die GNS eine neue Störfallbetrachtung angestellt hat, ist allerdings bisher offen geblieben. Anfang August wurde dann bekannt, dass bereits seit Januar 2002 der Betonboden in der Halle im Auf- und Abladebereich neuer CASTOR-Behälter mit Holzstoßdämpfern abzudämmen ist. Laut Bundesamt für Strahlenschutz handelt es sich dabei um eine Vorsichtsmaßnahme zur Verringerung des Risikos und nicht um einen „Vertuschungsversuch“, wie die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg erklärte.

Ich frage dazu die Landesregierung:

1. Welche Maßnahmen hat das unmittelbar für die Aufsicht des TBL Gorleben zuständige Niedersächsische Umweltministerium unternommen, um die Zweifel an der Sicherheit der CASTORBehälter hinsichtlich der Dichtheit des Reparaturdeckels und der Störfallberechnung auszuräumen?

2. Welche Folgen für Boden und Behälter hat der Absturz eines CASTOR-Behälters HAW aus drei Metern Höhe ohne Stoßdämpfer auf den Boden der CASTOR-Halle in Gorleben?

3. Wie beurteilt die Landesregierung angesichts der Tatsache, dass neuere Rechenprogramme zu anderen Ergebnissen führen als alte Rechenprogramme, die seit langem erhobenen Forderungen, Transport- und Lagerbehälter praktischen Tests zu unterwerfen, anstatt die Sicherheitsnachweise fast nur durch Berechnungen und Computersimulationen zu führen?

Die Antwort erteilt für die Landesregierung Umweltminister Jüttner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Harms, Sie legen Ihrer Anfrage zwei vermeintliche Sicherheitsrisiken zugrunde: zum einen das Reparaturkonzept für den CASTOR, zum anderen die Störfallberechnungen für den Fall eines Absturzes vom Kran bei der Einlagerung in Gorleben.

Zum Ersten: Die Wandstärke des Behälters beträgt rund 40 cm; er ist im TBL mit einem Doppeldeckelsystem so verschlossen, dass der Raum zwischen beiden Deckeln, der mit Helium unter Überdruck gefüllt ist, permanent überwacht wird. Für den Fall, dass der innere der beiden Deckel, der so genannte Primärdeckel, undicht wird, kann ein dritter Deckel, der so genannte Fügedeckel, von außen auf den Sekundärdeckel aufgebracht und so das Doppelbarrierensystem wieder hergestellt werden. Der Sekundärdeckel würde dann die erste Barriere bilden, der Fügedeckel die zweite. Grundsätzlich kann der Fügedeckel entweder wie die anderen Deckel aufgeschraubt oder aber aufgeschweißt werden.

Das von der Gesellschaft für Nuklearservice - der GNS - gewählte Reparaturkonzept mit aufgeschweißtem Fügedeckel war eine Zeit lang in der Diskussion. Dabei ging es um die Frage, ob die Schweißnaht stabil ist. Vor diesem Hintergrund haben die GNS und die Gesellschaft für Nuklearbehälter - die GNB - zunächst beabsichtigt, ein alternatives Reparaturkonzept mit aufgeschraubtem Fügedeckel zu entwickeln und in das Genehmigungsverfahren beim Bundesamt für Strahlenschutz - dem BfS - einzubringen.

Nicht zuletzt auf Betreiben der Aufsichtsbehörden in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wurden dann aber weitergehende Untersuchungen zur Belastbarkeit der Schweißnaht des Fügedeckels veranlasst. Das inzwischen vom unabhängigen Sachverständigen gegenüber dem BfS bestätigte vorläufige Ergebnis dieser Untersuchungen zeigt, dass ein Versagen der Fügedeckelschweißnaht nicht zu unterstellen ist, ein Sicherheitsdefizit nicht besteht und damit in diesem Punkt nach Auskunft des BfS die Genehmigungsvoraussetzungen für das TBL Gorleben nicht infrage gestellt sind.

Zum Zweiten: Die in der Fernsehsendung „plusminus“ am 23. Juli dieses Jahres erhobene Kritik an der Sicherheit der CASTOR-Behälter hält der Überprüfung nicht stand. Die inzwischen von der GNB und der GNS eingeräumten Fehler in einer Unterlage aus dem Jahre 1989 sind im Wesentli

chen redaktioneller Art und haben bei den Berechnungen zu ungünstigeren Ergebnissen geführt.

Die hierzu vom BfS veranlassten Ermittlungen sind indes noch nicht vollständig abgeschlossen. Eine schriftliche Bewertung des BfS liegt der Landesregierung nicht vor. Nach Verlautbarungen des BfS, übrigens auch öffentlich zugänglich im Internet, hat jedoch die Sicherheit der Lagerung und die sichere Handhabung der Behälter zu keinem Zeitpunkt infrage gestanden. Dies wird im Übrigen durch eine Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Grill und anderen im Bundestag vom 9. September dieses Jahres bestätigt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Im Ergebnis besteht nach derzeitigem Kenntnisstand weder in der Frage des Reparaturkonzeptes noch der Störfallanalysen Anlass, die Sicherheit der CASTOR-Behälter infrage zu stellen. Das Niedersächsische Umweltministerium ist im Übrigen im Rahmen der regelmäßig beim BfS stattfindenden Statusgespräche über den aktuellen Stand in den beim BfS anhängigen Verfahren unterrichtet.

In Anbetracht des bevorstehenden Transportes weiterer CASTOR-Behälter aus Frankreich hat das Umweltministerium am 10. Oktober ein aufsichtliches Fachgespräch durchgeführt, in dem alle relevanten Fragen eingehend erörtert worden sind.

Zu Frage 2: Nach den der Landesregierung vorliegenden Erkenntnissen bleibt die Integrität des CASTOR HAW -Behälters auch beim unterstellten Absturz aus 3 bis 4 m Höhe auf den Hallenboden erhalten; vom Behälter werden auch nach einem solchen Störfall die Anforderungen an die Dichtheit erfüllt. Der Boden der Halle dürfte nach einem derartigen Ereignis allerdings so beschädigt sein, dass eine Reparatur des Betons und der Dekontbeschichtung erforderlich würde.

Zu Frage 3: Eine Forderung, Transport- und Lagerbehälter weiteren praktischen Tests - gemeint sind wohl in erster Linie Fallversuche - zu unterwerfen, kann in Anbetracht der Aussagefähigkeit rechnerischer Sicherheitsnachweise und Analogiebetrachtungen nicht erhoben werden. Derartige Rechnungen sind geeignet und hinreichend, um die Belastungen aus Fallversuchen und die daraus gewonnenen experimentellen Befunde korrekt auf den jeweils zu analysierenden Behälterabsturz zu

übertragen. Ungeachtet dessen würden Fallversuche zweifelsohne zu einer Akzeptanzerhöhung führen und wären deshalb durchaus wünschenswert. Fallversuche sind grundsätzlich im Rahmen der verkehrsrechtlichen Zulassung neuartiger Transportbehälter durchzuführen.

Eine Zusatzfrage von Herrn Kollegen Hagenah! Dann Frau Harms.

Herr Minister, ich frage Sie: Wer hat die neuen Störfallrechnungen bei der GNS für den Absturz von Behältern wann und aus welchem Grunde veranlasst?

Herr Jüttner!

Das Bundesamt für Strahlenschutz. Das genaue Datum kann ich Ihnen nicht nennen.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Warum?)

Frau Harms! Dann Herr Grote.

Wann hat die Aufsichtsbehörde in Niedersachsen denn erfahren, dass die alten Störfallberechnungen nicht mehr stimmen?

Herr Minister!

Frau Harms unterstellt in ihrer Frage, dass es keinen kontinuierlichen Kontakt zwischen den Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern gibt. Diese Unterstellung ist natürlich nicht korrekt. Es ist überhaupt keine Frage, dass es da regelmäßige Kontakte gibt.

(Frau Harms [GRÜNE]: Ich habe nach dem Zeitpunkt gefragt!)