Protokoll der Sitzung vom 25.10.2002

Im Übrigen, Herr Wenzel, ich gebe nicht so gerne zu, dass wir im Kreistag von Lüneburg sogar eine Koalition mit den Grünen haben. Die Grünen im Kreistag von Lüneburg waren so vernünftig, diesen Koalitionsvertrag zu unterschreiben, womit sie für eine Brücke bei Neu Darchau gestimmt haben. Insofern vermag ich Ihre Argumente überhaupt nicht nachzuvollziehen.

Eines aber ist deutlich: Es ist ein Herzensanliegen der Mehrheit der Menschen in dieser Region. Hier und da mag es bei Fahrten durch die Orte Neu Darchau und Katemin Schwierigkeiten geben. Aber dennoch bleiben wir bei diesem Projekt; denn es ist wichtig für unser Land und insbesondere für den Nordosten Niedersachsens. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Wenzel hat noch eine Minute Redezeit.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Jetzt musst du sagen: Ich bin im Herzen Lüchow- Dannenberger!)

Ich bin häufiger da, weil der CASTOR dort so oft vorbeikommt. Hin und wieder aber auch dazwischen. - Herr Schurreit, Herr Althusmann, ich komme von der Weser. Auch dort gibt es kilometerlange Abschnitte, an denen es keine Brücken gibt.

(Zurufe von der CDU)

- Ja, das sind ganz schön lange Strecken. Ich lade Sie gern einmal ein. Dort fahren viele, viele kleine Fähren, die gut angenommen werden, die beliebt und sehr gut in der Lage sind, den kleinräumigen Verkehr zwischen den Orten sicherzustellen. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn unsere Füllhörner so sehr mit Geld gefüllt wären, dass wir es ausschütten und verprassen könnten, könnten wir über jeden Fluss alle 5 km eine Brücke bauen. Vielleicht ist nach der Wiedervereinigung auch eine andere Bewertung vorgenommen worden. Auch ich kenne das aus der Grenzregion. Dort war die Euphorie einfach da. Angesichts der leeren Kassen bei Land und Kommunen müssen wir solche Maßnahmen aber doch auch ein bisschen vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation und unter Berücksichtigung der Kosten-Nutzen-Rechnung betrachten. Insofern ist es mir ein Anliegen, dass wir das tun.

Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie hier trotz aller wirtschaftlichen Berechnungen und aller NutzenKosten-Überlegungen dennoch sagen: Wir wollen das auf jeden Fall durchziehen. - Dann kommen Sie mir an anderen Stellen aber nicht mit solch merkwürdigen Argumenten. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur selben Eingabe hat jetzt das Wort der Kollege Dr. Schultze.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten einmal über die Frage nachdenken, ob im Zuge der Behandlung von Petitionen ohne sachlich-fachliche Vorbereitung - von der Finanzierung ganz abgesehen - einfach Ja oder Nein zu einem Projekt gesagt werden kann. Ich halte ein solches Verfahren für nicht möglich. Insofern hat der Wirtschaftsausschuss beschlossen, die Einsenderin über die Sach- und Rechtslage zu

unterrichten. Sollten konkrete Baumaßnahmen eingeleitet werden - darauf hat der Kollege Schurreit hingewiesen -, werden alle betroffenen öffentlichen Stellen und auch alle betroffenen privaten Personen sowie Institutionen die Möglichkeit haben, ihre Meinung zu diesen Maßnahmen zu sagen. Die von Ihnen, Herr Kollege Wenzel, angeführte Kosten-Nutzen-Relation wird dann in diesem Zusammenhang ebenfalls geprüft. Wir als Landtag können heute aber unmöglich auf Zuruf sagen, ob da eine Brücke hinkommt oder nicht. Insofern bitte ich Sie, der Empfehlung des Ausschusses, die Einsenderin über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten, zu folgen.

(Beifall bei der SPD)

Wir kommen damit zu den Abstimmungen. Ich rufe zunächst auf die Eingabe 5319 betreffend Bau einer festen Elbquerung in der Gemarkung Darchau. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bittet in ihrem Änderungsantrag in Drucksache 3804 um Überweisung dieser Eingabe an die Landesregierung zur Berücksichtigung. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt worden.

Ich lasse jetzt abstimmen über die Ausschussempfehlung in Drucksache 3760, die Einsenderin über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Damit ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses angenommen worden.

Jetzt steht zur Abstimmung die Eingabe 5020 betreffend Aufenthaltsgenehmigung für eine vietnamesische Familie. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt mit ihrem Änderungsantrag 3804, diese Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt worden.

Die Ausschussempfehlung in Drucksache 3760 lautet Unterrichtung über die Sach- und Rechtslage. Wer dem beipflichten will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? - Keine. Damit ist die Ausschussempfehlung angenommen worden.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 36: Erste Beratung: Steuereinnahmen sicherstellen: Keine Kürzung des Beschäftigungsvolumens bei den Finanzämtern - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drs. 14/3767

Die Redezeiten betragen jeweils bis zu zehn Minuten für die großen Fraktionen, bis zu zehn Minuten auch für die Grünen, weil sie die einbringende Fraktion ist, und bis zu fünf Minuten für die Landesregierung.

Der Antrag wird eingebracht durch den Kollegen Golibrzuch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die angespannte Arbeits- und Personallage in Verbindung mit dem sich weiter verkomplizierenden Steuerrecht führt zu immer größeren Problemen bei der Arbeitsbewältigung in den Finanzämtern. Die Steuerfälle können von den Kolleginnen und Kollegen insbesondere im Innendienst nur noch unzureichend bearbeitet und geprüft werden. Von Steuergerechtigkeit kann schon lange keine Rede mehr sein.

Das sagen nicht nur wir, sondern das schreibt auch die Deutsche Steuergewerkschaft - ich habe das eben zitiert - vor rund zwei Wochen in einem Brief an die Landtagsabgeordneten. Das ist deswegen richtig, weil nur noch ein Bruchteil der Steuererklärungen in den niedersächsischen Finanzämtern geprüft werden kann. Das hat mit der unzureichenden Besetzung des Innendienstes zu tun. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Finanzämtern sind per Erlass angewiesen, nur noch stichprobenartig in die Steuererklärungen hineinzuschauen. Dieser Erlass ist nichts weniger als eine Anweisung zur Großzügigkeit.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Weil in den letzten Jahren die Zahl der Fälle, die von den einzelnen Finanzbeamten bearbeitet werden muss, deutlich gestiegen ist, fehlt den Beschäftigten in den Ämtern schlicht die Zeit für eine gründliche und genaue Bearbeitung dieser Anträge.

Welche finanziellen Konsequenzen das für ein Bundesland hat, hat vor wenigen Wochen der Landesrechnungshof Baden-Württemberg untersucht. Bei dieser Untersuchung der Steuerveranlagungs

stellen - diese war bundesweit einmalig - hat man festgestellt, dass in Baden-Württemberg bis zu 400 Millionen Euro jährlich verfallen, weil die Steuererklärungen nur noch stichprobenartig untersucht werden. Ich bin sehr gespannt, zu welchem Ergebnis der Niedersächsische Landesrechnungshof kommen wird, der zurzeit genau an dieser Frage ebenfalls arbeitet.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Sie wissen, dass es im vergangenen Jahr eine Untersuchung des Landesrechnungshofes hier in Niedersachsen gegeben hat, die sich mit der Aufbauorganisation der Finanzverwaltung beschäftigte. Seine Empfehlung lautete: weg vom hierarchischen Arbeitsmodell der Finanzverwaltung hin zu mehr Teambildung. Der Landesrechnungshof ist jetzt im Begriff, genau dasselbe zu tun, was auch der Landesrechnungshof von Baden-Württemberg gemacht hat, nämlich auch die Ablauforganisation zu untersuchen, die Veranlagungsstellen zu betrachten, und man wird nach meiner festen Überzeugung hier zu ähnlichen Ergebnissen kommen wie in Baden-Württemberg.

Wenn ich die 360 Millionen Euro bis 370 Millionen Euro in den Veranlagungsstellen in Süddeutschland in Beziehung zur niedersächsischen Wirtschaftsstruktur setze, so werden wir hier vermutlich mindestens ein Defizit von 200 Millionen Euro zu beklagen haben. Über den Länderfinanzausgleich heruntergebrochen sind das immerhin noch 25 Millionen Euro netto an Steuerausfällen für den niedersächsischen Landeshaushalt. Ich sage Ihnen: Die wollen wir gerne einsacken.

Wie groß das Problem im Innendienst in Niedersachsen ist, zeigt nicht nur das Defizit in den Veranlagungsstellen, sondern das zeigt auch das aktuelle Vollstreckungsdefizit in den niedersächsischen Finanzämtern. Seit Jahren haben wir den Zustand, dass ein Vollstreckungsrückstand aufgelaufen ist. Das ist vor zwei oder drei Jahren schon einmal diskutiert worden. Seinerzeit betrug er 1,8 Milliarden DM. Es wurde uns gesagt, man arbeite daran, dieses Vollstreckungsdefizit zu reduzieren, tatsächlich aber ist dieses Vollstreckungsdefizit noch größer geworden. Aktuell haben wir es mit einem Bearbeitungsrückstand in der Größenordnung von 970 Millionen Euro zu tun. Das sind 970 Millionen Euro offene Forderungen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beigetrieben werden können. Selbst wenn man unterstellt, dass aufgrund mittlerweile eingetretener Zahlungsunfä

higkeit der Schuldner, vielleicht auch weil Einzelne verzogen sind und nichts mehr beizutreiben ist, nur ein Drittel davon in den Landeshaushalt eingerechnet werden kann, so haben wir es - nach Länderfinanzausgleich - immerhin noch einmal mit 35 Millionen Euro zu tun. In der Summe sind dies also bereits 60 Millionen Euro, die das Land durch eine unzureichende Personalausstattung in den niedersächsischen Finanzämtern verschenkt.

Weil wir das nicht wollen, sind wir selbstverständlich auch nicht davon überzeugt, dass es eine sinnvolle Maßgabe ist, wenn der Haushaltsführungserlass des Finanzministeriums vorsieht, das Beschäftigungsvolumen der Finanzämter auf dem Stand von Juli 2002 einzufrieren. Im gegenwärtigen Haushalt 2002/2003 ist ein Beschäftigungsvolumen von knapp 11 000 Vollzeiteinheiten veranschlagt. Durch den Haushaltsführungserlass haben wir effektiv eine Reduzierung von rund 212 Vollzeiteinheiten zu verzeichnen. Wenn es in der Vergangenheit schon nicht gelungen ist, mit diesem Vollzeiteinheitsvolumen, also mit der Beschäftigtenzahl in den Finanzämtern, das Vollstreckungsdefizit von knapp 1 Milliarde Euro zu reduzieren, dann wird das mit einem gekürzten Beschäftigungsvolumen noch viel weniger der Fall sein können.

Deswegen - das ist Ziel unseres Antrages - wollen wir zum einen, dass das im Doppelhaushalt 2002/2003 veranschlagte Beschäftigungsvolumen in den Finanzämtern freigegeben wird; wir wollen, dass die Einschränkung des Haushaltsführungserlasses zurückgenommen wird. Man schlachtet nicht die Gans, die goldene Eier legt. Die Finanzverwaltung ist die Einnahmeverwaltung des Landes. Sie ist unsere Lieblingsverwaltung, weil das Geld, das dort kassiert wird, von uns dringend gebraucht wird, um es für notwendige Bildungsausgaben hier im Lande einzusetzen. Wir wollen also diese Kürzungen des Beschäftigungsvolumens zurücknehmen.

Darüber hinaus wollen wir gewährleistet wissen, dass in den nächsten Jahren eine zureichende Zahl von Anwärterinnen und Anwärtern neu eingestellt werden kann. Sie wissen um die lange Ausbildung in der Finanzverwaltung. Wir werden in den Jahren 2006, 2007 und 2008 eine große Zahl von altersbedingten Abgängen auch aus der Steuer- und Finanzverwaltung haben. Damit es nicht zu Einbrüchen kommt, damit die Einnahmeentwicklung des Landes verstetigt werden kann und damit in den Landeshaushalt endlich einmal Einnahmen

fließen, schlagen wir vor, auch die Zahl der Anwärterinnen und Anwärter zu verstetigen, und wir hoffen dabei auf Ihre Unterstützung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Jetzt spricht der Kollege Althusmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie alle kennen das Flugblatt, das nahezu alle von Ihnen zugeschickt bekommen haben. Ich lese es vorsichtshalber noch einmal vor. Darin steht:

„Liebe Abgeordnete, Sie machen sich doch Sorgen um unseren Landeshaushalt und erfinden für uns Beamte immer neue Gehaltskürzungen. Wir werden Ihnen helfen, indem wir Ihre Steuererklärung besonders gut bearbeiten. Vielleicht sind ja noch ein paar Euro herauszuholen.“

(Plaue [SPD]: Das nenne ich Nöti- gung eines Verfassungsorgans!)

- Lieber Herr Plaue, unser Vorsitzender des Haushaltsausschusses hat dazu an die Fachgewerkschaft geschrieben,

(Frau Leuschner [SPD]: Das finde ich gut!)

und zwar berechtigterweise, weil man in dieser Frage über Stil und Formen mit Sicherheit streiten kann.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Das wäre ja so, als würde sich die GEW zukünftig, weil Sie eine so schlechte Bildungspolitik machen, weigern, Ihre Kinder zu erziehen.

(Beifall bei der CDU - Unruhe bei der SPD - Plaue [SPD]: Herr Althusmann, Sie haben gar keine Ahnung, worüber Sie reden! Ich habe gar keine!)

Ich will damit nur sagen, dass es natürlich seine Hintergründe hat, wenn ein solches Flugblatt versendet wird. Herr Plaue, der Adressat des Flug

blattes ist falsch. Dort müsste stehen: „Lieber Axel Plaue.“ Da müsste die SPD-Landesregierung angesprochen werden, niemand anderes hier im Hause.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie sind genauso ein Rechtsbrecher wie diese Leute! Sie nötigen ein Ver- fassungsorgan! Das ist unglaublich!)