Protokoll der Sitzung vom 22.11.2002

Aber noch viel schlimmer ist: Sie tun noch nicht einmal das, was Sie wissen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wer der niedersächsischen Einnahmeverwaltung die gleichen Einsparauflagen auferlegt wie allen anderen, der darf sich nicht wundern, Herr Plaue, dass bis zum 30. September dieses Jahres insgesamt 985 Millionen Euro im niedersächsischen Landeshaushalt als echte Steuerrückstände aufgelaufen sind.

Sie, Herr Minister Aller, haben in der ersten Beratung am 25. Oktober behauptet, ich hätte Zahlen verbreitet, die falsch seien. Sie haben wörtlich gesagt: „Wann immer Sie auf die reale Situation zurückgegriffen haben, lagen Sie um hohe Prozentzahlen daneben.“ Das stimmt! Meine Damen und Herren, ich hatte auf der Basis der zurückliegenden Zahlen gesagt, unser Steueraufkommen in Niedersachsen liege von Januar bis Dezember 2002 voraussichtlich um 971 Millionen Euro niedriger. Richtig, das Defizit ist nach der NovemberSteuerschätzung auf 1,4 Milliarden Euro angestiegen. Ich habe weiter gesagt, die Steuerrückstände hätten am 30. September bei 970 Millionen Euro gelegen. Tatsächlich lagen sie aber bei 985 Millionen Euro.

Ich meine, Sie hätten sich eigentlich freuen müssen, dass ich bei meinen Schätzungen wahrscheinlich sogar etwas niedriger lag und so den Eindruck

erweckt habe, dass die dramatische Lage tatsächlich nicht so dramatisch ist. Aber leider haben Sie wiederum einfach nur behauptet, alles, was wir als Opposition hier sagen, sei falsch. Ich bin gespannt, ob Sie wieder behaupten, dass die Zahlen Ihres Hauses in diesem Fall auch falsch sind.

Die Gesamtrückstände inklusive Stundungen und Aussetzungen belaufen sich im Übrigen auf 1,838 Milliarden Euro.

Jetzt etwas zu der vorangegangenen Debatte oder überhaupt zu allen Fragen der Finanzierung, wenn es um die Schaffung von neuen Stellen geht. Meine Damen und Herren, allein mit den vollstreckbaren Rückständen von 527 Millionen Euro könnten theoretisch - theoretisch! - mehr als 13 000 Stellen geschaffen werden. Selbst wenn Sie nur ein Fünftel davon nehmen würden, hätten Sie bereits die Finanzierung von 2 500 Lehrern oder von 500 Finanzanwärtern oder wie auch immer geregelt. Ich erwähne nur zur Erinnerung, dass in den Jahren 2001 und 2000 die Steuerrückstände, wie im Haushaltsausschuss dargelegt, ebenfalls bei knapp 500 Millionen Euro gelegen haben.

Mit 50 Finanzanwärtern werden Sie die Qualität und die Quantität der Steuerveranlagung und die Bearbeitung mit Sicherheit nicht nennenswert steigern können. Im Ausschuss sagte ein Mitarbeiter des Finanzministeriums, es sei zwingend notwendig, es sei sehr sinnvoll, Personalverstärkungen im Bereich der niedersächsischen Finanzämter vorzunehmen. Wir fragen Sie eigentlich nur: Warum hören Sie nicht auf den Rat Ihrer Mitarbeiter?

Ich sage sehr deutlich: Solange FISCUS als elektronische Steuererklärungsbearbeitung nicht läuft, solange Mitarbeiter in niedersächsischen Finanzämtern stundenlang vor Computern verharren müssen, die abgestürzt sind, solange sie nicht einmal über eine leistungsfähige Telefonanlage verfügen, solange Sie bei Behörden und Ämtern die versprochene Reformdividende einbehalten, solange Resignation statt Aufbruchstimmung in niedersächsischen Finanzämtern herrscht, so lange ist und bleibt die Reduzierung des Beschäftigungsvolumens kontraproduktiv, meine Damen und Herren. Das ist ein glatter Schuss in den Ofen.

Sie, Herr Finanzminister, erinnere ich an Ihre Worte vom 17. September 2001. Seinerzeit haben Sie bei der Einbringung des Haushaltes Folgendes gesagt:

„Aber die Herausnahme von 12 234 Stellen bei Zielvereinbarung und Aufgabenkritik macht auch deutlich, dass wir jetzt an der Grenze dessen angekommen sind, was in allgemeinen Verwaltungsbereichen leistbar ist. Das bestätigt auch der Präsident des Landesrechnungshofes. Wer mehr will, muss sich mit uns in die Diskussion einlassen, wie wir angesichts der Aufgaben, die wir damit verbinden, die großen Personalblöcke künftig strukturieren.“

Wenn das, was Sie vor etwa einem Jahr gesagt haben, tatsächlich stimmt, dann muss man sich schon ein wenig darüber wundern, dass der Ministerpräsident vor kurzem von den Beamten in Niedersachsen abzüglich der Inflationsrate quasi eine Nullrunde gefordert hat und ihnen, wenn sie nicht folgen, wenn sie nicht spuren, einen weiteren Stellenabbau von 3 250 Stellen androht.

Ich meine, Sie sollten zugeben, dass Sie inzwischen den Überblick verloren haben. Aber als Christenmenschen, die wir als Union nun einmal sind,

(Frau Leuschner [SPD]: Alle? Ohne Ausnahme?)

werden wir niemanden aufgeben.

(Zuruf von Lanclée [SPD])

- Lieber Herr Lanclée, wir werden Sie nicht aufgeben, weil wir gute Christenmenschen sind. Insofern waren wir aufgrund der großartigen Ankündigungen der SPD-Fraktion im Haushaltsausschuss, noch einen Änderungsantrag einbringen zu wollen, sehr gespannt.

(Frau Leuschner [SPD]: Das haben wir nicht angekündigt!)

Wo war dieser Änderungsantrag? - Fehlanzeige auf der ganzen Linie!

(Lanclée [SPD]: Wir machen eigene Anträge, nicht Änderungsanträge!)

Meine Damen und Herren, wer die Altersstruktur der niedersächsischen Finanzverwaltung etwas näher betrachtet, der wird relativ leicht erkennen, dass hier in Wirklichkeit ein großer Handlungsbedarf besteht, aber dass Sie sich leider dieser Wirklichkeit verweigern. Denn in der kommenden Le

gislaturperiode werden 1 600 Angestellte und Beamte in der niedersächsischen Steuerverwaltung die gesetzliche Altersgrenze erreichen, die große Mehrheit davon im mittleren Dienst der Angestellten und bei den Beamten im gehobenen Dienst.

Herr Althusmann, als guter Christenmensch müssen Sie sich an die Redezeit halten.

Ich komme zum Schluss. - Wir haben den Auftrag, Schaden vom Land abzuwenden. Ich glaube, Sie kommen diesem Auftrag nicht mehr nach. Sie alle kennen den Satz von Ernest Hemingway: „Als wir das Ziel aus den Augen verloren, verdoppelten wir die Schlagzahl.“ Aber wenn der Kahn sinkt, meine Damen und Herren, nützt das auch nicht besonders viel. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Leuschner!

(Behr [CDU]: Jetzt kommt der Spre- cher der Titanic!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Althusmann, ich bin zwar keine Christin,

(Althusmann [CDU]: Das ist bedau- erlich!)

ich meine aber trotzdem, ein guter Mensch zu sein. Mich überrascht absolut nicht, dass Sie dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Ihre Zustimmung erteilen. Deswegen wird Ihre Argumentation aber nicht seriöser.

Wie ich auch schon in der ersten Beratung gesagt habe, ist dieser Antrag eine Verquickung der Auswirkungen des Haushaltsführungserlasses auf die Personalsituation in der Steuerverwaltung mit den geringeren Steuereinnahmen. Diese Verquickung ist sachlich so nicht richtig. Deswegen halte ich das immer noch für einen reinen Show-Antrag.

(Zustimmung von Wegner [SPD])

Der Rückgang der Steuereinnahmen - das müssten Sie besser wissen, meine Damen und Herren von

der Opposition - hat ganz andere Gründe, die im Wesentlichen in der konjunkturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland liegen.

(Althusmann [CDU]: Sie wollen doch wohl nicht die Rückstände mit der Konjunktur in Verbindung bringen!)

Hier einen direkten Zusammenhang mit der Personalausstattung der niedersächsischen Finanzverwaltung herzustellen, ist schlichtweg nicht möglich. Dieses Zusammenhang gibt es nicht. Im Gegenteil, in Niedersachsen ist in den letzten Jahren vor allem in den Bereichen, in denen die Steuerverwaltung Geld einnimmt, zusätzlich Personal eingestellt worden. Wir haben hier personell verstärkt.

(Althusmann [CDU]: Die Rückstände haben aber nichts mit der Konjunktur zu tun, liebe Frau Kollegin!)

Wir haben im Ausschuss sehr intensiv darüber beraten, dass im Haushaltsführungserlass auch Ausnahmesituationen geregelt sind. Diese Deckelung auf das geltende Beschäftigungsvolumen des Monats Juli 2002 - der Schulbereich ist hiervon ausgenommen; das ist Ihnen auch dargestellt worden - führt nicht dazu, dass im Bereich der Steuerverwaltung keine Auszubildenden mehr eingestellt werden - wir müssen dort das Personal qualifizieren -, sondern, im Gegenteil, alle Auszubildenden werden übernommen. Das ignorieren Sie schlicht und einfach. Das kann jede und jeder im Haus nachlesen.

Meine Damen und Herren von der Opposition, trotz dieser Information setzen Sie wieder mit Ihrer Kritik an und bauen ein Schreckensszenario auf. Ich kann die Forderungen der Beschäftigten der Finanzverwaltung verstehen. Aber man muss ihnen auch deutlich machen, dass wir im Bereich der Finanzverwaltung schon Ausnahmen machen und dass es einfach nicht angeht, dass Sachverhalte verdreht werden.

Meine Damen und Herren, wenn Sie einmal mit den Beschäftigten in den Finanzverwaltungen reden würden, dann würden Sie erkennen, dass sie ihre Sichtweise ein bisschen differenzierter darstellen. Klar ist, dass die Beschäftigten eine personelle Entlastung wünschen. Genauso klar ist aber auch, dass man ihnen sehr gut verdeutlichen kann, welchen Zwängen der Landeshaushalt ausgesetzt

ist und dass auch die Finanzverwaltung nicht von Personaleinsparungen verschont bleiben konnte.

(Hagenah [GRÜNE]: Wollen wir ein Exempel statuieren?)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal erläutern, was im Bereich der niedersächsischen Finanzverwaltung bisher alles gemacht worden ist. Die Landesregierung hat durch das Projekt „Finanzamt 2003“ erhebliche Prozesse in Gang gesetzt, die jetzt schon zu einer Personalentlastung führen. Das ignorieren Sie einfach. Wir haben das hier im Plenum verdeutlicht und diskutiert. Die Einführung völlig neuer Arbeitsabläufe führt zu einer erheblichen Entlastung. Begriffe wie „Teamarbeitsmodelle“, „mobile Arbeitsplätze“, „flexiblere Arbeitsplatzgestaltung“ und „Schaffung von Synergien durch Arbeitsbündelung“ kennen wir eher aus dem privatwirtschaftlichen Bereich und bisher nicht aus dem Bereich der Amtsstuben. Hier in Niedersachsen hat das aber Eingang in die Steuerverwaltung gefunden. Darauf sind wir stolz, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD)

Für die Sicherstellung des Vollzugs der Steuergesetze ist aber die Tätigkeit der Beschäftigten in der Steuerfahndung und Betriebsprüfung ganz wesentlich. Erst durch die Kontrolle der vom Bürger aufgestellten Steuererklärung schaffen wir eine notwendige Steuergerechtigkeit. In diesem Bereich ist auch Personal eingestellt worden. Die Zahl der Außendienstmitarbeiterinnen und Außendienstmitarbeiter ist von 1 600 auf über 2100 erhöht worden.

(Zustimmung bei der SPD - Althus- mann [CDU]: Das ist ein Nullsum- menspiel!)

Das muss man anerkennen, und das sollten auch die Gewerkschaften und Berufsverbände in irgendeiner Weise positiv einschätzen.

Wir brauchen in der Steuerverwaltung - das ist unstrittig - gut ausgebildetes und qualifiziertes Personal. Dort haben wir angesetzt und in den Jahren 1998 bis 2001, also in knapp drei Jahren, 1 100 Anwärterinnen und Anwärter für den mittleren und gehobenen Dienst eingestellt. Trotz des Haushaltsführungserlasses stand in diesem Jahr allen Anwärterinnen und Anwärtern nach erfolgreicher Prüfung der Weg zu einer Festeinstellung offen. Das sollten Sie auch nicht ignorieren. Auch in diesem Jahr wurden wieder 350 Anwärter einge

stellt, und für das Jahr 2003 ist die Neueinstellung von 275 jungen Kolleginnen und Kollegen geplant.

Meine Damen und Herren, Fazit ist: Die Reform der Finanzverwaltung in Niedersachsen ist auf dem richtigen Weg. Wir haben auch das Problem der Überalterung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einbezogen.