Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

Wir sehen in einem weiteren Punkt in unserem Antrag vor, dass die Landesregierung aufgefordert werden soll, auf die Profilklassen, die sie bilden will und in denen Kinder in zwölf Jahren das Abitur ablegen sollen, zu verzichten. Das ist ein sehr, sehr teures Modell. Wir werden nicht allzu viele Kinder oder Jugendliche haben, die in diese Klassen gehen. Das heißt, die Anzahl der Klassen an den Gymnasien wird sich erhöhen. Wir werden für diesen „Sonderzug“ zusätzliche Lehrkräfte brauchen. Es ist vorprogrammiert, dass wie in anderen Bundesländern, die so etwas schon ausprobiert haben, ein Großteil der Schüler und Schülerinnen nach einem halben Jahr oder nach einem Jahr wieder in den normalen Zug im Gymnasien zurückwechselt und wir nur relativ wenig Schüler und Schülerinnen in dem „Schnellzug“ übrig behalten.

Das Modell, das die Sozialdemokratie favorisiert, benachteiligt die ländlichen Räume. Denn wir werden an den kleinen Gymnasien solche Profilklassen überhaupt nicht zustande bekommen, weil wir sie mit zehn Schülern oder Schülerinnen nicht fahren können. Denen können wir gar nicht genug Wahlmöglichkeiten bieten. Das wäre pädagogisch absoluter Unfug. Also werden wir die ländlichen Bereiche auch bei diesem Modell wieder abhängen, insbesondere die Bereiche, in denen wir nur 11 % Abiturienten und Abiturientinnen haben, ein Wert, den wir erhöhen müssen. Wir müssen sehen, dass auch in den ländlichen Bereichen mehr Jugendliche höhere Bildungsabschlüsse machen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

wenn wir weiterhin eine gedeihliche Entwicklung in unserem Land haben wollen.

Wir schlagen den Sozialdemokraten und natürlich auch der CDU - ich fürchte nur, sie wird uns nicht folgen - vor, dass an allen Gymnasien Angebote gemacht werden, organisiert etwa in Form von Arbeitsgemeinschaften, für Schüler und Schülerinnen, die vorhaben, das Abitur schneller als nach 13 Schuljahren abzulegen. Wer eine bestimmte Anzahl dieser Angebote annimmt, hat dann die Möglichkeit, nach zwölf Jahren das Abitur zu machen.

Dieses Modell hat den Vorteil, dass diese Angebote auch allen anderen Schülern und Schülerinnen offen stehen, die nicht vorhaben, so schnell zum Ende ihrer allgemein bildenden Schulzeit zu kommen, sodass mehr Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit haben, interessen- und neigungsbezogen zu lernen. Dass dies das lukrativste Lernen ist, wobei die meisten Arbeitstechniken erworben werden, ist wohl allen Kollegen und Kolleginnen in diesem Hause klar. Dazu muss man gar nichts weiter sagen.

So können wir individuell dafür sorgen, dass einzelne Schüler und Schülerinnen nach zwölf Jahren ihr Abitur ablegen. Aber wir lassen den anderen die Zeit, die sie brauchen, um zum Abitur zu kommen, von mir aus nach 13 Jahren. Nach 14 Jahren sollte es gar nicht mehr sein, weil es Sitzenbleiben nicht mehr geben sollte.

Noch ein Wort zum Schulgesetz der CDUFraktion: Der Kollege Busemann hat gesagt: Unser Schulgesetz macht die Verhältnisse klar. - Das Schulgesetz der CDU-Fraktion macht nicht die Verhältnisse klar, es zementiert die Verhältnisse. Das kann man wollen. Wenn man konservativ ist, kann man sagen, es soll alles so bleiben, wie es ist. Dann muss man eben ein solches Schulgesetz vorlegen. Damit ist aber auch die politischideologische Position ziemlich klargestellt, obwohl, Kollege Busemann, ich feststellen muss, dass Sie auch gelernt haben. Jahrelang ist hier vorgetragen worden, die Hauptschule solle die einzige Schule sein, die den Hauptschulabschluss vergeben darf, und zwar nur den. Davon findet sich jetzt im Schulgesetz der CDU-Fraktion nichts mehr wieder.

(Voigtländer [SPD]: Das haben sie vergessen!)

An dieser Stelle scheinen Sie sich tatsächlich beraten lassen haben. Das ist ganz gut. Aber die Durchlässigkeit ist natürlich in dem Schulgesetz der CDU-Fraktion überhaupt nicht garantiert.

(Voigtländer [SPD]: Doch, garantiert ja! Aber sie wissen nicht, was es ist!)

Denn niemand, der diesen speziellen, auf Handwerk und Berufsausbildung orientierten Hauptschulunterricht genossen hat, wird die Möglichkeit haben, in den Klassen - ich weiß nicht: was haben Sie gesagt? - 7 und 9 auf ein Gymnasium zu wechseln. Das ist schier unmöglich. Aber auch das, Kollege Busemann, haben Sie ziemlich deutlich gesehen und deshalb die Fachgymnasien in Ihrem Schulgesetzentwurf festgeschrieben und aufgewertet. So wissen wir denn auch, wie die Durchlässigkeit realisiert werden soll. Die gibt es dann nach der allgemein bildenden Schulzeit, was aber - an der Stelle haben Sie nicht richtig überlegt - für die betroffenen Schüler und Schülerinnen wieder länger dauert. Das heißt, Sie werden einen Teil dieser Schüler und Schülerinnen wieder sehr viel später im Berufsleben haben,

(Busemann [CDU]: Halten Sie nichts von Fachgymnasien?)

als Sie sie eigentlich haben wollen.

Ärgerlich ist, dass man mit diesem Schulgesetz der CDU-Fraktion gegen die CDU nicht mehr so viel Propaganda machen kann, weil wir leider nicht mehr so viel Zeit haben. Wir werden es nicht einmal mehr beraten können. Aber im Grunde ist es des Beratens auch nicht wert.

(Beifall bei den GRÜNEN - Voigt- länder [SPD]: Das stimmt!)

Nun hören wir Herrn Kollegen Wulf. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Ihrer letzten Aussage hatte Frau Litfin Recht. Im Grunde genommen ist der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion nicht der Rede wert. Wir werden trotzdem über ihn reden.

Wir haben Weihnachtszeit, und es werden viele Märchen erzählt, wie es Herr Busemann gerade getan hat. In der Weihnachtszeit wird man aber

auch beschenkt. In der Regel kommt der Weihnachtsmann aber auch mit einer Rute. Die Rute - das ist ziemlich eindeutig - gehört Ihnen von der CDU, weil Sie überhaupt nichts verstanden haben. Sie haben ein Schulgesetz vorgelegt, das eines auf keinen Fall ist: Es ist weder zeitgemäß noch vorwärts weisend.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben uns aber auch ein Geschenk gemacht; denn eine bessere Steilvorlage als die, die Sie uns mit dem von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf gegeben haben, hätten wir uns von Ihnen gar nicht wünschen können. Dafür danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Der CDU-Fraktion ist immer wieder gesagt worden, dass sie sich den Zukunftsaufgaben widmen und nach vorne blicken sollte. Die CDU-Fraktion - das ist heute ganz offensichtlich geworden - hat PISA immer noch nicht verstanden.

(Lachen bei der CDU)

Eines aber können Sie in Vollendung, nämlich die Rolle rückwärts in die 50er-Jahre. Genau aus dieser Zeit ist das, was Sie vorgelegt haben. Ich habe mir in unserer Bibliothek einmal das Schulgesetz aus dem Jahr 1954 angesehen. Dabei habe ich unheimlich viele Parallelen zu Ihrem Gesetzentwurf entdeckt. Das ist meiner Meinung nach typisch für Sie.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben bei der PISA-Aufgabe völlig versagt, nämlich unser Bildungssystem zu modernisieren und die Zukunftschancen der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt zu stellen. Das haben Sie nicht getan. Ohne einen Blick über die Grenzen auf erfolgreiche PISA-Länder wie Finnland, Kanada und Schweden zu werfen, betet die CDUFraktion immer wieder die gleiche Leier vom dreigliedrigen Schulsystem herunter. Das heißt: Nach Klasse 4 Schublade auf, guter Schüler rein, schlechter Schüler ab in die Kiste. - Darüber hinaus behaupten Sie, das sei modern und durchlässig. So etwas lassen wir aber nicht durch.

(Beifall bei der SPD - Busemann [CDU]: Was hat denn euer Schulge- setz mit Finnland zu tun?)

Sie können noch so viele Phrasen dreschen, wie Sie wollen - am Ende wird Ihr Gesetzentwurf das

bleiben, was es ist, nämlich ein Gespenst aus dem letzten Jahrhundert.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, ihr Gesetzentwurf ist Wahlkampfgetöse.

(Zuruf von Klare [CDU])

Das wissen Sie ganz genau. Sie wissen, dass Ihr Gesetzentwurf parlamentarisch überhaupt nicht mehr beraten werden kann. Warum haben Sie nicht wie die Grünen so viel Mut gehabt, einen Gesetzentwurf vorzulegen, als wir unseren Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht haben?

(Klare [CDU]: Warum denn?)

Ich halte das für feige.

(Beifall bei der SPD)

Schaut man sich Ihren Gesetzentwurf einmal genau an, dann kann man feststellen, dass er nichts anderes ist als eine Zusammenfassung von Einzelanträgen, die Sie hier in den letzten fünf Jahren gestellt haben.

(Ehlen [CDU]: Die waren gut! - Bu- semann [CDU]: Wir sind eben ver- lässlich!)

Mit jedem dieser Anträge sind Sie hier gescheitert. Genauso werden Sie auch mit diesem Gesetzentwurf scheitern.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das zentrale Problem Ihres Gesetzentwurfs ist, dass Sie genau das weiterverfolgen, was unser deutsches Schulsystem prägt und in Deutschland unser Problem ist: Deutsche Schulen sind vor allem eines, nämlich durchlässig nach unten. Genau diesen Weg gehen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf weiter. Sie gehen den Weg nach unten. Das ist Ihr Problem.

(Busemann [CDU]: Ihr macht die Schule zu!)

Deshalb nimmt Sie in dieser Frage außer konservativen Lehrerverbänden kein ernsthafter Bildungspolitiker und kein ernsthafter Wissenschaftler mehr ernst.

(Busemann [CDU]: Welcher Lehrer- verband ist eigentlich für Ihre Förder- stufe?)

Sie schaffen einerseits die Orientierungsstufe ab. Nach Ihrem Gesetzentwurf dürfen letztmalig zum Schuljahr 2005/2006 Schülerinnen und Schüler in die 5. Schuljahrgänge der Orientierungsstufe aufgenommen werden. Zugleich schreiben Sie in Ihrem Gesetzentwurf aber, dass die Schuljahrgänge 5 und 6 nunmehr an den weiterführenden Schulen anfangen sollen. Da haben wir es: zurück in die 50er-Jahre. - Diese Regelung gilt ab dem 1. August 2003. Genau dann werden wir das Schulchaos haben, das Sie heute Morgen beschrieben haben. Die Orientierungsstufen laufen weiter, zugleich Einschulung in die Schuljahrgänge 5 und 6. Was soll das denn, bitte sehr, werden? - Reines Chaos und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD - Klare [CDU]: Dann ist das so wie in Nordrhein- Westfalen! So wie in Schleswig- Holstein!)

Einige Fragen sind noch offen: Wie wollen Sie z. B. die Aufnahmequoten für Gymnasien regeln? Das ist bei Ihnen noch völlig ungeklärt. Wie regeln Sie den Bau und die Finanzierung neuer Schulgebäude? - Keine Antwort von Ihnen auf diese Fragen, völlig offene Fragen.

(Klare [CDU]: Wie ist das denn bei Ihnen? Wie wollen Sie das denn ma- chen?)

Sie haben dazu gar nichts gesagt. Das werden wir Ihnen so nicht durchgehen lassen. Wir werden das im Wahlkampf thematisieren. Sie werden nachweisen müssen, wie Sie all das finanzieren wollen.