Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erkennbar ist, dass die Verpackungsverordnung aus dem Jahre 1991 ihr Ziel, das Mehrwegsystem zu stabilisieren, nicht erreicht hat. Die Verpackungsverordnung ist damals so angelegt worden, dass dies dann entsprechende Konsequenzen auslöst. Frau Steiner hat korrekt beschrieben, dass vonseiten der interessierten Wirtschaft über Jahre hinweg diese Entwicklung zu verantworten ist. Sie hat gleichzeitig versucht, sich diesem Pflichtpfand durch Anwendung aller möglichen lobbyistischen Vorgehensweisen und rechtlichen Möglichkeiten zu entziehen.

Wenn man so will, sind wir inzwischen am Ende dieses Weges. Am 1. Januar des nächsten Jahres gilt das Pflichtpfand unmissverständlich, unabhängig davon, ob es allen passt oder nicht. Es gibt keine Möglichkeit, das außer Kraft zu setzen. Im Bundesrat haben wir im letzten Jahr eine Debatte über eine Verbesserung der Verpackungsverordnung geführt. Es kam nicht zu Mehrheiten. Deshalb gilt sie so, wie sie Töpfer 1991 auf den Weg gebracht hat. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen sind in der Zwischenzeit abgeschlossen.

Am 5. Dezember habe ich für die Länderseite an dem Gespräch bei Herrn Trittin teilgenommen. Wir haben mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass die latenten Boykottandrohungen, die noch vorletzte Woche im Raume standen, inzwischen zurückgenommen wurden. Alle haben begriffen, dass kein Weg mehr an der Umsetzung der Verpackungsverordnung vorbeiführt. Die letzte Auseinandersetzung, die noch geführt wird, geht um die Frage, was gemacht wird, bis es ein bundesweit einheitliches Pfandsystem gibt. Ich meine, wir sind uns darüber einig, dass dies notwendig ist.

Jahrelang wurde diskutiert, dass der Investitionsbedarf dafür bei mehreren Milliarden Euro liegt. In der letzten Woche aber haben die Verantwortlichen aus der Wirtschaft in Berlin erklärt, sie hätten es noch einmal geprüft und jetzt festgestellt, man käme auch mit ein paar hundert Millionen hin. Sie

hätten jetzt ein ganz pflegeleichtes und praktikables Modell entwickelt.

Das wollten sie auch einführen. Es gäbe nur noch ein Problem: Zum 1. Januar bekämen sie es nicht hin. Deshalb wollten sie eine neue Verschiebung. Diese Sache läuft nicht.

(Beifall bei der SPD)

Erstens kann es sich die Politik nicht erlauben, diesem Druck nach dem Motto nachzugeben: Wer ordentlich auf die Pampe haut, dem kommt man rechtlich entgegen. Zweitens ist die Chance der Verschiebung aus wettbewerblichen Gründen überhaupt nicht gegeben. Brauereiwirtschaften, verschiedene Mehrweggruppen und verschiedene Produzenten haben sich an diese Verordnung gehalten, indem sie vorgesorgt und Investitionen im Hinblick auf die Verpackungsverordnung getätigt haben. Sie würden mit Sicherheit am 2. Januar eine Klage nach dem Wettbewerbsrecht einreichen. Wie wir wissen, geschähe dies mit guten Argumenten. Deshalb sind sich die Bundesregierung und sämtliche Umweltminister der Länder darüber einig, dass die Verpackungsverordnung am 1. Januar vollzogen werden soll. Es ist Sache der zuständigen Länderbehörden und der unteren Abfallbehörden, das dann auch zur Anwendung zu bringen.

Es ist klar, dass die Wirtschaft - auch durch den Druck, dass sie sich dem nicht mehr entziehen kann - spätestens am 1. Juli dieses neue, in der letzten Woche erstmalig vorgestellte Modell zur Anwendung bringen wird. Dann wird es möglich sein, in ganz Deutschland - wenn nicht ausgelistet worden ist, was ja das Sinnvollste wäre - die Dosen abzugeben bzw. einzuwerfen, gleichgültig wo man sie gekauft hat.

Die einzige Frage, die in der Debatte noch erörtert werden muss, ist, was im ersten Halbjahr passieren wird. Der Grund für das Gespräch vorgestern bei mir im Ministerium war, dass wir gewährleisten wollen, dass die Verpackungsverordnung auch in Niedersachsen konsequent angewandt wird und möglichst praktikabel läuft. Wir haben dieses Gespräch zur Vorbereitung geführt, Frau Steiner, um erstens die unteren Abfallbehörden spätestens Anfang der nächsten Woche mit einem Erlass in den Stand zu versetzen, das in die konkrete Anwendung zu bringen. Zweitens haben wir dort mit dem Einzelhandel verabredet, dass wir eine gemeinsame Informationsschrift herausgeben, um mögliche

Verwerfungen in den nächsten Monaten, die nicht rundherum auszuschließen sind, nach Möglichkeit zu reduzieren.

Aufgrund der unterlassenen Vorbereitung auf die Änderung der Verpackungsverordnung kommen wir in die Situation, dass jetzt mit Übergangsregelungen gearbeitet werden muss. Die so genannte händische Rücknahme wird nicht nur Freude machen, weil im Normalfall das Dosengut wohl nur an der Stelle zurückgenommen wird, wo man es gekauft hat. Das geht ein bisschen auf Flexibilität und Mobilität. Das hat aber nicht die Politik zu verantworten, meine Damen und Herren, sondern das haben diejenigen zu verantworten, die in den letzten Monaten davon ausgegangen waren, dass das Thema Pflichtpfand am 22. September erledigt wird. Die haben ihr Ziel nicht erreicht, und jetzt gucken sie dumm aus der Wäsche. Das ist die Logik. Sie haben jetzt begriffen, dass sie etwas tun müssen. Sie fangen jetzt an - Jahre zu spät, wenn man so will - und bringen die deutsche Bevölkerung in den nächsten sechs Monaten hier und da in praktische Probleme, was die Wiederabgabe von Dosen angeht.

Ich kann nur sagen: Wir haben den Vollzug zu überwachen. Das werden wir auch tun. Aber die Verantwortung für das Missmanagement an dieser Stelle haben andere. Obwohl seit Jahren klar ist, dass die Mehrwegquote dramatisch unterschritten ist, hat man gehofft, dieses Ding politisch aushebeln zu können. Das ist nicht gelungen. Die Mehrheit der Bevölkerung möchte dieses Pflichtpfand, weil sie davon ausgeht, dass das zur Reinhaltung unserer Umwelt maßgeblich beitragen wird.

Wir bekommen in den nächsten Monaten ein praktikables Modell. Deshalb ist eine der langwierigsten Geschichten in der deutschen Umweltpolitik in wenigen Wochen erledigt. Wir werden gewährleisten, dass das in Niedersachsen solide abgearbeitet wird und die Vollzugsbehörden auch in angemessener Weise mit diesem Thema umgehen können.

(Beifall bei der SPD - Frau Pruin (CDU): Das war seine Abschiedsrede!)

Herr Kollege Oesterhelweg, Sie sind der nächste Redner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir sind uns einig: Es besteht Handlungsbedarf. Wir alle wollen eine höhere Mehrwegquote. Wir alle wollen umweltfreundliche Verpackungen. Wir alle wollen natürlich eine saubere Umwelt. Ich glaube, wir alle haben auch schon einmal an der einen oder anderen Aktion in Wald und Flur oder auch im städtischen Bereich teilgenommen, um die Landschaft und unsere Städte und Dörfer zu säubern.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist sicherlich in Ordnung. Ich denke, da unterscheiden wir uns nicht, meine Damen und Herren. In der Beurteilung des besten Weges zur Erreichung des gemeinsamen Zieles gibt es allerdings gewisse Unterschiede.

Zur Vorgeschichte - das Problem ist ja nicht neu -: In den Zeiten rapide anwachsender Müllberge war das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz mit der von Klaus Töpfer eingeführten Verpackungsverordnung ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der CDU)

Einwegverpackungen wurden aus gutem Grund unter zwei Bedingungen von der Pfandpflicht befreit, nämlich erstens bei einem flächendeckenden Rückhol- und Verwertungssystem - das ist sehr erfolgreich gelaufen -, und zweitens sollte die Mehrwegquote nicht unter 72 % sinken. Sie belief sich im Jahre 1991 auf knapp 72 %, erfuhr einen kurzweiligen Anstieg sogar auf 74 % und sank dann im Jahre 1998 auf unter 70 %. Dann, meine Damen und Herren, begann eine deutliche Talfahrt. Heute schätzt man den Anteil auf unter 60 %. Man redet von ca. 58 %. Die Quote wurde also - das ist wahr - mehr als zwei Jahre hintereinander nicht eingehalten. Parallelen mit der Besetzung der Bundesregierung erscheinen allerdings rein zufällig. Tatsache ist, dass die zu beobachtende Entwicklung in den Verantwortungsbereich rot-grüner Regierungspolitik fiel und fällt.

(Beifall bei der CDU)

Warum, meine Damen und Herren, war und ist das so? Wurde die Zielsetzung etwa nicht mit Nachdruck verfolgt? Gab es etwa nicht ständige Kontakte zur Wirtschaft zur Lösung des Problems? Ist hier schlecht vorbereitet worden? Kann das viel

leicht auch sein? Nur gemeinsam ist doch diese wichtige Aufgabe zu bewältigen, um das Problem möglichst unbürokratisch, möglichst kostengünstig, möglichst reibungslos und möglichst nachhaltig und dauerhaft zu lösen.

(Beifall bei der CDU)

Oder war es vielleicht sogar Absicht, um jetzt die ordnungspolitische Keule schwingen zu können? Das ist nicht der richtige Weg, meine Damen und Herren; denn wir alle kennen in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Akzeptanz bei allen Beteiligten. Wir müssen heute geänderte Rahmenbedingungen zur Kenntnis nehmen. Die Ausgangslage hat sich seit 1991 - wen wundert es? deutlich geändert. Viele Kommunen beklagen nicht mehr den altbekannten Müllentsorgungsnotstand, sondern einen Müllmengenfehlbedarf. Dies ist in der Tat eigentlich eine sehr erfreuliche Entwicklung und, meine Damen und Herren, Ursache einer sehr erfolgreichen politischen Weichenstellung zu Beginn der 90er-Jahre, die letztendlich doch die Regierung Kohl zu verantworten hatte.

(Beifall bei der CDU)

Erfreulicherweise - das ist sicherlich auch Ihnen nicht verborgen geblieben - hat es eine deutliche und positive Veränderung des Verbraucherverhaltens gegeben. Außerdem gibt es eine Fülle neuer und umweltpolitisch sehr interessanter Materialien im Bereich der Getränkeverpackungen. Einige wurden vorhin angesprochen. Wir stellen auch fest - das ist sehr interessant -, dass inzwischen der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen mehr Wert darauf legt, stärker zwischen „ökologisch vorteilhaften“ und „ökologisch nachteiligen“ Verpackungen und Systemen zu unterscheiden. Minister Trittin hat das zwar zur Kenntnis genommen. Er sagt das auch, aber er handelt nicht entsprechend, meine Damen und Herren. Die Sachverständigen sagen übrigens auch, das Zwangspfand sei ökologisch zweifelhaft und die Zusatzkosten seien nicht zu rechtfertigen. Das haben nicht wir uns ausgedacht.

Meine Damen und Herren, wir müssen schlicht und einfach auch zur Kenntnis nehmen, dass eine jetzt mit brachialer staatlicher Einflussnahme durchgesetzte Pfandpflicht die ohnehin schon arg gebeutelte und krisengeschüttelte Wirtschaft zur falschen Zeit auf dem falschen Bein erwischt.

(Beifall bei der CDU)

Wir sprechen von Kosten in Milliardenhöhe oder in Höhe von mehreren hundert Millionen.

(Mientus [SPD]: Ist Herr Töpfer schon aus der CDU ausgetreten, oder wie sieht das aus?)

Meine Damen und Herren, wir stellen fest - das kann man der Vorlage durchaus entnehmen -, dass, wie das Umweltministerium auch in der Einladung zu einer bestimmten Veranstaltung geschrieben hat, die Einrichtung von ab dem 1. Januar 2003 funktionierenden Rücknahmesystemen für bepfandete Einweg-Getränkeverpackungen vermutlich faktisch unmöglich ist. Ich habe den nicht ganz unbegründeten Eindruck, dass es sich bei Ihrem Antrag um einen Schaukampf handelt. Das ist angesichts gewisser Termine menschlich durchaus verständlich.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, deutlich ist, so wie es in Ihrer Überschrift steht: Der sachgerechte Vollzug der Verpackungsverordnung ist kurzfristig nicht möglich. Lassen Sie mich noch eines sagen.

(Mientus [SPD]: Ja!)

- Sie können auch noch mehr hören, wenn Sie möchten. Ich freue mich sehr über Ihre Zustimmung und habe auch noch etwas Zeit. - Wir haben übrigens auch zu berücksichtigen, meine Damen und Herren, dass es seitens der EU rechtliche Bedenken bezüglich eines Zwangspfandes gibt. Wir sollten in diesem Zusammenhang übrigens auch intensiver über eine EU-weite Harmonisierung nachdenken.

Jetzt kommen wir wieder zu dem Einigenden. Es ist ja auch Advent. Ich denke, es muss etwas geschehen, es muss mehr geschehen. Uns geht nach wie vor Vermeidung vor Verwertung. Wir als CDU-Fraktion wollen einen hohen Mehrweganteil. Wir wollen ökologisch vorteilhafte Verpackungen und Verpackungs- bzw. Vermarktungssysteme. Aber wir wollen auch und gerade eine zeitgemäße, praktikable und wirtschaftlich vertretbare Lösung, im Einvernehmen mit allen Betroffenen.

(Beifall bei der CDU)

Dieses Einvernehmen mit der Wirtschaft haben die rot-grüne Bundesregierung und andere nicht zustande gebracht, trotz ausreichend vorhandener Zeit. Hier besteht Nachholbedarf.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, den von Ihnen eingeschlagenen Weg kann die CDU-Fraktion in dieser Eile und in dieser Schärfe nicht mitgehen. - Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt erteile ich Herrn Kollegen Schack das Wort. Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Und ewig grüßt die Dose. - Diese etwas flapsige Bemerkung fällt mir zu dem heute hier eingebrachten Antrag ein.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich hoffe, dass wir das Thema Dose heute zum letzten Mal auf der Tagesordnung haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wieder einmal ist die Dose Gegenstand einer hitzigen Diskussion, die bundesweit die Medienlandschaft mit bestimmt. Bereits seit 1991 - das ist schon gesagt worden - ist klar: Wenn die Mehrwegquote unter 72 % sinkt, greifen die Bestimmungen der Verpackungsverordnung, die vorsehen, dass auf die Einwegverpackungen der Getränke, die den Mehrweganteil nicht erfüllen, ein Pflichtpfand erhoben wird. Nach der jüngsten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster ist es amtlich: Ab 1. Januar 2003 wird bundesweit auf die Einwegverpackungen Glas, Dosen und PET von Bier, Wasser und Erfrischungsgetränken ein Pflichtpfand erhoben. Laut verschiedenen Zeitungsmeldungen muss angenommen werden, dass eine fristgerechte Umsetzung der Bestimmungen der Verpackungsverordnung seitens der Getränkehersteller nicht gewährleistet wird. Einige Unverbesserliche üben sich immer noch im Widerstand und hoffen auf Fristverlängerung für das schon längst überfällige Dosenpfand.

Meine Damen und Herren, auch hier im Landtag haben wir uns schon seit Jahren mit dem leidigen Thema des Dosenpfandes beschäftigt. Ich denke, dass wir seitens der SPD-Fraktion unsere Position zu diesem Thema erschöpfend deutlich gemacht