Justizminister Staatssekretär D r. L i t t e n , D r. P f e i f f e r (SPD) Niedersächsisches Justizministerium
Meine Damen und Herren, guten Morgen! Ich eröffne die 125. Sitzung im 47. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 14. Wahlperiode.
Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 19, den Dringlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die Beratung des Tagesordnungspunktes 37 entfällt, da die antragstellende Fraktion ihren Antrag auf Durchführung einer ersten Beratung im Plenum zurückgezogen hat. Der Beratungsgegenstand wird lediglich zum Zwecke der Ausschussüberweisung aufgerufen. Nach Tagesordnungspunkt 39 behandeln wir heute den für Freitag vorgesehenen Tagesordnungspunkt 49.
An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst - bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr - wird erinnert.
Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Herr Ministerpräsident Gabriel bis 9.45 Uhr, von der Fraktion der SPD die Abgeordneten Collmann und Pickel sowie von der Fraktion der CDU der Abgeordnete Krumfuß.
Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor: a) Bandenkrieg ausländischer Krimineller in Hannover - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 14/3991 und b) CASTOR-Transport 2002; hier: ICE-Blockade bei Lüneburg - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3993.
Zur Prozedur möchte ich an Folgendes erinnern: Jeder Abgeordnete kann bis zu zwei Zusatzfragen stellen; zu zählen sind die einzelnen Fragen. Die Zusatzfragen müssen knapp und sachlich sein. Sie müssen zur Sache gehören und dürfen die Frage nicht auf andere Themen ausdehnen. Sie dürfen nicht verlesen werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anfang November 2002 kam es vor der Universität Hannover zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen zwölf Ausländern iranischer und jugoslawischer Herkunft, bei der u. a. Knüppel, Messer und Schusswaffen eingesetzt und mehrere Personen verletzt wurden. Beim Schusswechsel wurde ein vorbeifahrender Lieferwagen von einer Kugel getroffen. Ein weiterer Schuss schlug in ein Fenster der Universitätsbibliothek ein. Nur durch einen glücklichen Umstand wurde niemand verletzt. Nach Presseberichten waren Verteilungskämpfe im Drogen- und Schutzgeldmilieu Anlass für diese Auseinandersetzung. Die von der Polizei festgenommenen Männer sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft zum Teil bereits vorbestraft bzw. wegen verschiedener Delikte in der Vergangenheit polizeilich aufgefallen.
1. Welchen ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus haben die an den Bandenkrieg beteiligten Ausländer?
2. Aus welchen Gründen wurden die bereits vorbestraften Teilnehmer des Bandenkrieges zuvor nicht ausgewiesen bzw. abgeschoben, und inwieweit ist nach dem geschilderten Vorfall eine Ausweisung bzw. Abschiebung vorgesehen?
3. Welche Maßnahmen werden seitens der Landesregierung und der Stadt Hannover unternommen, um die Bevölkerung vor derartigen Auseinandersetzungen ausländischer Banden zu schützen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Ausländern iranischer und jugoslawischer Herkunft am 14. November 2002 sind zwölf Personen als Tatbeteiligte festgestellt worden. Diese lassen sich in zwei Gruppierungen einteilen: Sieben Personen - drei iranisch- und vier jugoslawischstämmige Männer - kennen sich aus der so genannten Türsteher-Szene. Bei der anderen aus fünf Personen bestehenden Gruppe handelt es sich ausschließlich um Iraner, von denen vier miteinander verwandt sind und die fünfte Person ein Arbeitskollege eines weiteren Beteiligten ist. Über elf der beteiligten zwölf Personen liegen kriminalpolizeiliche Erkenntnisse vor. Vier davon sind rechtskräftig verurteilt worden. Gegen die Beteiligten werden von der Polizeidirektion Hannover aufgrund des aktuellen Vorfalles Ermittlungen wegen des Verdachts eines versuchten Tötungsdeliktes geführt. Gegen fünf der Beteiligten wurde mittlerweile Haftbefehl erlassen.
Mit der Wortwahl der Dringlichen Anfrage, meine Damen und Herren, soll anscheinend suggeriert werden, dass sich Hannover im Kriegszustand befindet. Ich weise dies ausdrücklich zurück.
- Wenn von Bandenkrieg die Rede ist, Herr Kollege, ist das wohl eine andere Wortwahl, als wenn man einen Tatbestand aufgeklärt haben möchte. - Die jetzigen Ermittlungen und bisherigen Erkenntnisse haben keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Hannover Brennpunkt der eskalierenden Auseinandersetzung rivalisierender Banden war oder ist. Bei der Auseinandersetzung hat es
sich eindeutig um private Streitigkeiten zwischen einzelnen Mitgliedern konkurrierender Gruppen gehandelt. Das Motiv für die Eskalation am 14. November 2002 war nach bisherigen Ermittlungen eine Körperverletzung eines Familienmitgliedes nach einer Streitigkeit um eine Freundin. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass neben dieser Beziehungsstreitigkeit auch noch wirtschaftliche Interessen Gegenstand der Auseinandersetzung waren.
Die Landesregierung nutzt konsequent alle ausländerrechtlichen Möglichkeiten, um die hiesige Bevölkerung vor ausländischen Straftätern zu schützen. Wegen der besonderen Situation im Ballungsraum Hannover wurde deshalb bereits im August 1998 bei der Polizeidirektion Hannover die gemeinsame Arbeitsgruppe „Ausländische Intensivtäter“ eingerichtet, um bei mehrfach straffällig gewordenen ausländischen Staatsangehörigen zeitnah aufenthaltsbeendende Maßnahmen einleiten zu können. Diese Arbeitsgruppe besteht aus Beamten der Landeshauptstadt Hannover, des Bundesgrenzschutzes und der Polizeidirektion Hannover. Sie war auch nach den Vorfällen im November tätig, um die entsprechenden Ermittlungen durchzuführen und die erforderlichen und möglichen rechtlichen Entscheidungen vorzubereiten.
Zu Frage 1: Von den insgesamt zwölf an den Auseinandersetzungen beteiligten Personen sind drei eingebürgert und damit deutsche Staatsangehörige. Sieben weitere Personen verfügen über ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, nämlich eine Aufenthaltsberechtigung oder eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Nur zwei Personen haben noch kein verfestigtes Aufenthaltsrecht. Sie verfügen nur über eine befristete Aufenthaltserlaubnis bzw. eine Aufenthaltsbefugnis.
Zu Frage 2: Hinsichtlich der bereits eingebürgerten Personen sind Ausweisung und Abschiebung nicht möglich. Dies gilt auch dann, wenn neben der erworbenen deutschen noch die ausländische Staatsangehörigkeit beibehalten wurde. Bei asylberechtigten Personen sind aufenthaltsbeendende Maßnahmen grundsätzlich nur möglich, wenn eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren vorliegt. Für keine der tatbeteiligten Personen ist diese gesetzliche Voraussetzung erfüllt. Die Ermittlungen haben jedoch ergeben, dass sich zwei iranische Staatsangehörige trotz
ihrer Anerkennung als Asylberechtigte Nationalpässe vom iranischen Konsulat in Hamburg haben ausstellen lassen.
Damit haben sie sich freiwillig unter den Schutz ihres Heimatstaates gestellt, was gemäß § 72 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes zum Erlöschen der Asylberechtigung und damit zum Wegfall des erhöhten Ausweisungsschutzes geführt hat. In beiden Fällen wurden bereits aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet.
Einer der beteiligten jugoslawischen Staatsangehörigen hat gegenwärtig die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltserlaubnis beantragt. Er ist mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und genießt dadurch erhöhten Ausweisungsschutz. Sobald die abschließenden Ergebnisse der strafrechtlichen Ermittlungen vorliegen, wird geprüft, ob unter Würdigung seines Tatbeitrages dennoch eine Ausweisung und Abschiebung rechtlich zulässig sind. Im Übrigen finden die im Ausländergesetz enthaltenen Regelungen über die Ausweisung und Abschiebung von ausländischen Straftätern keine oder nur eingeschränkte Anwendung auf Personen, denen aufgrund ihrer persönlichen Situation besonderer Ausweisungsschutz eingeräumt wird oder bei denen aus völkerrechtlichen Gründen Abschiebungen grundsätzlich nicht zulässig sind.
Dies trifft aufgrund des überwiegend bereits verfestigten Aufenthaltsrechts auf einige der zwölf Tatbeteiligten zu. Auch hier wird die Ausländerbehörde jedoch prüfen, ob trotz des verfestigten Aufenthaltsrechts und des dadurch bestehenden erhöhten Ausweisungsschutzes eine Beendigung des Aufenthaltes möglich ist. Gegenwärtig kann dazu noch keine endgültige Aussage getroffen werden, weil die Ergebnisse der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen abgewartet werden müssen.
Zu Frage 3: Die gemeinsame Arbeitsgruppe „Ausländische Intensivtäter“ hat sofort nach den entsprechenden Taten eine Auswertung der polizeilichen Ermittlungen vorgenommen, die das Ziel hatten, sämtliche Möglichkeiten zur Beendigung des Aufenthalts der Straftäter in der Bundesrepublik auszuschöpfen.
Eine abschließende Bewertung der bisher eingeleiteten Schritte ist mir aufgrund der noch laufenden strafrechtlichen Ermittlungen nicht möglich. Die Ausländerbehörde wird aber unverzüglich nach Vorliegen aller strafrechtlichen Ermittlungs
ergebnisse alle notwendigen und zulässigen ausländerrechtlichen Maßnahmen einleiten, soweit dies nicht bereits in anderem Zusammenhang geschehen ist.
Zur effektiven Bekämpfung von Banden- und Milieukriminalität verfügt die Polizeidirektion Hannover über ein Spezialkommissariat, das neben der Verfolgung auch der polizeilichen Erkenntnisgewinnung im Vorfeld dient. Trotz aller behördlichen Maßnahmen bleibt natürlich festzuhalten, dass es auch in Zukunft nicht gelingen wird, die Begehung derartiger Straftaten völlig auszuschließen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, Sie haben eben kritisiert, dass die CDU-Fraktion von „Bandenkrieg“ spricht. Wenn sich zwölf Leute vor der Universität in Hannover gegenseitig beschießen und Sie das noch nicht als „Bandenkrieg“ bezeichnen, frage ich Sie: Erstens. Ab wann würden Sie denn die Bezeichnung „Bandenkrieg“ für gerechtfertigt halten? Zweitens. Welche konkreten Vorstrafen hatten denn die zwölf Täter?