Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

- Ich verstehe die Unruhe bei Ihnen. - Da macht der Kommissar Fischler bereits im Juli letzten Jahres seine Vorschläge zur Reform der Agrarpolitik. - Keine Reaktion! Da macht er im Dezember massive Vorschläge für die WTO-Runde. Ich hätte Ihren Aufschrei mithören wollen. - Nichts gehört!

(Frau Hansen [CDU]: Haben Sie denn geschrien?)

- Ja, selbstverständlich! - Meine Damen und Herren, dann kommt der Kommissar mit den Gesetzesvorschlägen - das haben Sie wahrscheinlich alle nicht mitbekommen, Frau Hansen; ich sage es Ihnen dann jetzt. Heute Mittag hat der Kommissar alle Gesetzesvorschläge vorgelegt, die die Agrarpolitik, die jeden bäuerlichen Betrieb in Niedersachsen massiv betreffen: Modulation, Kürzungen in Höhe von 250 Millionen Euro in Niedersachsen. - Keine Reaktion der CDU.

(Wojahn [CDU]: Herr Minister, jetzt erzählen Sie aber etwas! Jetzt wird der Bock aber fett!)

Meine Damen und Herren, Cross-compliance, massive Auflagen, 38 Richtlinien der EU sollen damit verbunden werden. - Keine Reaktion der CDU! Entkopplung der Prämie vom Produkt auf die Fläche oder auf den Betrieb, Stärkekartoffelanbau in Niedersachsen ist massiv betroffen. - Keine Reaktion hier im Landtag!

(Wojahn [CDU]: Sie wollen doch nur die Ablehnung begründen! - Zuruf von Frau Hansen [CDU])

Nun frage ich mich, Herr Wojahn: Wo sind Ihre Punkte im 100-Tage-Programm? Was wollen Sie da machen?

(Beifall bei der SPD)

Sagen Sie den Landwirten doch einmal, meine Damen und Herren, was Sie wollen. Keine Positi

onsbeschreibung, nichts habe ich dazu gehört. Herr Wojahn, das ist grausig!

Jetzt komme ich dazu, was Sie machen. Wir kriegen von Ihnen Phrasen vorgehalten, wir kriegen von Ihnen Unwahrheiten vorgehalten, und wir kriegen wirklich auch Widersprüchliches vorgehalten. - Nehmen wir einmal die Unwahrheiten: Da sagt der gute Fraktionsvorsitzende, Herr Wulff, in seiner Pressemitteilung - die fängt schon in der Überschrift falsch an; hören Sie genau zu -: „Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Oesede hat der Vorsitzende“ usw. das und das gesagt. - Das war keine Wahlkampfveranstaltung! Das war der Landwirtschaftstag in der Heimvolkshochschule in Oesede! - Dann geht es weiter:

„Die Zahl der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe sei seit 1990 um 40 % zurückgegangen. Das dramatische Höfesterben gehe unvermindert weiter und in den Betrieben breite sich immer mehr Zukunftspessimismus aus. Die Investitionen in der Landwirtschaft hätten ein Rekordtief erreicht. Die Landesregierung hat unsere Bäuerinnen und Bauern jahrelang eklatant vernachlässigt. Der Anteil des Agrarhaushalts am Gesamthaushalt des Landes ist seit 1990 um unglaubliche 50 % zusammengestrichen worden.“

(Ehlen [CDU]: Das ist Ihre Bilanz!)

Was ist wahr? Fangen wir mit dem Letzten an. Meine Damen und Herren, der Agrarhaushalt ist nicht zusammengestrichen worden. Das haben wir Ihnen aber auch immer gesagt. Es gibt die Mittel für Flächenstilllegungen im Agrarhaushalt nicht mehr, die jetzt über Prämien abgewickelt werden. Es gibt die Mittel für die Extensivierung nicht mehr im Agrarhaushalt, weil sie über Prämien abgewickelt wird.

(Zurufe von Wojahn [CDU])

- Nein, Herr Wojahn? Das ist nicht so? - Es gibt den soziostrukturellen Einkommensausgleich nicht mehr, weil der durch die Kohl-Regierung abgeschafft worden ist. Es gibt die GasölBetriebsbeihilfe nicht mehr, weil die über den Bundeshaushalt läuft. Das hat dazu geführt, dass unser Haushalt kleiner geworden ist - nichts anderes.

Meine Damen und Herren, ich komme dann zu weiteren Unwahrheiten. Stichwort Investitionszurückhaltung: Die Investitionsbereitschaft in der niedersächsischen Landwirtschaft ist die höchste in ganz Deutschland. Das sagt sogar Präsident Sonnleitner. Er hebt dies ganz ausdrücklich hervor und spricht von einer Spitzeninvestitionsbereitschaft bei den Betrieben in Niedersachsen.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Nun kommt der Punkt, bei dem uns Herr Wulff massiv vorwirft, wir hätten sozusagen den Strukturwandel verantwortet. Ich zitiere Herrn Oestmann bei der Einbringung dieses Antrages vor gut einem Jahr: Ich glaube, sagt Herr Oestmann, dass es mittlerweile ziemlich zweifelsfrei ist, dass die Annahme, man könnte die strukturellen Veränderungen aufhalten, weil sie einem nicht passten, unzutreffend ist. - Ich kann Herrn Oestmann nur Recht geben. Er hätte das aber auch seinem Fraktionsvorsitzenden sagen sollen, dann hätte er diesen Unsinn, diesen Vorwurf uns gegenüber nicht gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, kommen Sie bitte zum Schluss!

- Ich komme zum Schluss. - Sie sagen auch heute nicht, woher das Geld kommen soll. Sie sagen jetzt nur noch: Nehmt es aus der Modulation. Aber in der letzten Sitzung haben Sie die Modulation abgelehnt.

(Biestmann [CDU]: Wir wollen keine Modulation, nach wie vor nicht! Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!)

Herr Biestmann hat mich aufgefordert, die Modulation in Berlin zu stoppen. Meine Damen und Herren, da sage ich natürlich: Widersprüchlicher kann Agrarpolitik nicht sein!

(Beifall bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion der Kollege Brauns.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zu dem vorliegenden Antrag komme, ein Satz zu dem 100-Tage-Programm der CDU. Es ist ja ein gutes Zeichen, wenn die CDU die Landwirtschaft im 100-Tage-Programm mit keinem Wort erwähnt - dann ist unsere Landwirtschaft auf einem guten Weg.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, den vorliegenden Antrag haben wir bereits im Jahr 2000 sehr grundlegend diskutiert. Auf der Grundlage von Zahlen, Daten und Fakten waren wir zu der Erkenntnis gekommen, dass die Produktionsaufgaberente nicht zu finanzieren ist, weshalb der Antrag abgelehnt werden musste. Das war ja auch der Grund, warum der Bund 1996 - also unter einer CDUgeführten Regierung - aus der Produktionsaufgaberente ausgestiegen ist. Wir alle wissen, dass der Agrarhaushalt des Bundes bereits 70 % seiner Ausgaben für den Sozialbereich vorsieht und nur noch 30 % für Investitionen und andere Programme.

Meine Damen und Herren, wenn wir das Anliegen der CDU-Fraktion auch nur gedanklich nachvollzögen, so würden wir auf zusätzliche Kosten von ca. 220 Millionen Euro pro Jahr kommen - mit steigender Tendenz.

(Oestmann [CDU]: Was übrigens nicht stimmt!)

Dieses Geld würde für andere Bereiche im Agrarhaushalt des Bundes fehlen, und auf das Land würden ebenfalls erhebliche Kosten zukommen. Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, der Strukturwandel in der Landwirtschaft würde sich dadurch auch erheblich beschleunigen. Das können und wollen wir nicht.

Herr Wulff (Osnabrück) wirft nun der Landesregierung vor, dass sie nichts gegen das unverminderte Höfesterben tue, und er will sich dafür einsetzen, dass möglichst jeder Hof erhalten bleibt. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen. Wollen Sie den schnelleren Strukturwandel und damit das schnellere Höfesterben, oder wollen Sie um den Bestand der Bauernhöfe kämpfen?

(Frau Hansen [CDU]: Wir wollen die soziale Gestaltung, Herr Brauns!)

Frau Hansen, wenn Sie sich für das zweite Modell entschieden, dann müssten Sie konsequenterweise den vorliegenden Antrag zurückziehen oder Finanzierungsvorschläge dafür machen, wie beides zusammen finanziert werden kann. Außerdem würden Sie mit dem Instrument der Produktionsaufgaberente zusätzliche Anreize geben, die das Höfesterben noch mehr beschleunigen.

Die andere Frage, die sich im Zusammenhang mit der Wiedereinführung der Produktionsaufgaberente stellt, lautet: Werden da nicht nur Mitnahmeeffekte produziert? - Das kann doch nicht in unserem gemeinsamen Sinne sein, und das wollen wir auch nicht.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag wurde von der CDU-Fraktion vor dem Hintergrund der Finanzierung aus der Modulation erneut eingebracht. Bei der Modulation geht es darum, die gegenwärtigen Leistungen der Land- und Forstwirte für die Einkommen zu erweitern, d. h. den Anteil der Direktzahlungen um 2 % zu kürzen und diese Mittel in die so genannte zweite Säule einzustellen.

(Biestmann [CDU]: Das ist keine zweite Säule! Das ist eine Prämie und sonst nichts!)

Wir hatten bei der Beratung im federführenden Ausschuss darüber zu befinden, welchen Weg wir gemeinsam gehen wollen und können. Die CDUFraktion hatte in der ersten Beratung angedeutet, dass sich auch andere Bundesländer mit der Wiedereinführung der Produktionsaufgaberente unter Einbeziehung der frei werdenden Mittel aus der Modulation anfreunden könnten. Dieses hat sich aber als Trugschluss herausgestellt, denn auf der PLANAK-Sitzung im Dezember hat sich keines der B-Länder für einen solchen Weg ausgesprochen. Ein deutlicheres Zeichen können Sie nun wirklich nicht bekommen. Eine Initiative der Landesregierung im Bundesrat zur Wiedereinführung der Produktionsaufgaberente könnte also nicht einmal mit der Unterstützung aus den CDUregierten Ländern rechnen. In Anbetracht der Finanzlage des Bundes und der anderen Bundesländer war das auch nicht zu erwarten. Sie haben sich deshalb gegen eine Neuauflage der Produktionsaufgaberente ausgesprochen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage: Welches ist der bessere Weg, die knappen finan

ziellen Ressourcen effektiv einzusetzen? - Wir haben uns als verantwortliche Politiker dafür entschieden, Einkommensalternativen zu bieten und nicht die Hofaufgabe und damit den Strukturwandel zu beschleunigen. Wir wollen und müssen alle Kräfte bündeln, um unsere Landwirtschaft, die einem harten Wettbewerb ausgesetzt ist, wettbewerbs- und zukunftsfähig zu machen. Davon hängen ca. 170 000 Arbeitsplätze in der Urproduktion ab. Hinzu kommt ein Mehrfaches an Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe. Für uns stellt sich damit eine große Aufgabe, und wir alle müssen diese Aufgabe annehmen. Dass wir erfolgreich sind, zeigen auch die bereits vorliegenden Statistiken.

Meine Damen und Herren, die insgesamt zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen werden nicht mehr. Im Hinblick auf die Osterweiterung ist zu erwarten, dass die Mittel umverteilt werden. Das wird harte Verhandlungen mit sich bringen. Unsere Aufgabe muss es sein, zukunftsorientierte Konzepte zu entwickeln, die unsere Landwirtschaft voranbringen. Niedersachsen ist das Agrarland Nr. 1 und soll es auch bleiben. Die Wiedereinführung der Produktionsaufgaberente bringt uns nicht voran, sondern nimmt uns die Ressourcen, die wir dringend für wichtige Entwicklungen in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum brauchen.

Aus den genannten Gründen lehnen wir den vorliegenden Antrag ab. Ich bitte um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses. - Ein herzliches Dankeschön!

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Klein!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen hier nicht noch einmal die Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation der letzten Produktionsaufgaberente ausführlich darlegen. Es ist eine Geschichte der Mitnahmeeffekte. Die dort gesetzten Ziele wurden nicht erreicht. Die angestrebte Marktentlastung war minimal. Strukturpolitisch kam es zu reinen Vorzieheffekten, d. h. es geschahen Dinge, die ohnehin kurze Zeit später passiert wären. Sozialpolitisch war das Ganze ebenfalls ein Flop, weil die falschen Betriebe die Produktionsaufgaberente in Anspruch nahmen.

Nicht die schwachen Betriebe waren es, sondern die eher besser gestellten.

Das Ganze ist auch heute strukturpolitischer Unsinn vor dem Hintergrund, dass wir im Augenblick in der EU eine durchschnittliche Betriebsgröße von etwa 19 ha haben und die durchschnittliche Betriebsgröße in Deutschland bei 42 ha liegt. Diese Schere wird sich durch die Osterweiterung noch einmal erweitern. Ich sehe hier also überhaupt keine Notwendigkeit zu weiteren Betriebsfusionen.

Das Ganze ist darüber hinaus nicht bezahlbar. Die Modulation, die Sie zur Finanzierung heranziehen wollen, müssten Sie verdreifachen. Ist es wirklich Ihr Ziel, statt der 2 % demnächst 6 % zu modulieren, Herr Ehlen? - Ich glaube nicht.

(Zuruf von Ehlen [CDU])

Der Antrag gibt mir Gelegenheit, hier noch einmal deutlich zu machen, dass es doch sehr entscheidende Unterschiede zwischen unseren Auffassungen und Konzepten gibt. Auf der Seite der CDUFraktion ist es die Sterbehilfe, die Beschleunigung des Strukturwandels und die einseitige Politik, die Sie ja sonst immer Frau Künast vorwerfen, zugunsten einer Minderheit von Spitzen- und Wachstumsbetrieben.