Protokoll der Sitzung vom 16.02.2000

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung bitte ich Folgendes zu beachten: Die Einladung und die Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt liegen Ihnen gedruckt vor. Die Fraktionen haben sich abweichend von der Tagesordnung darauf verständigt, für Tagesordnungspunkt 3 - Gesetzentwurf zum Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag - die normale Beratungszeit von 30 Minuten vorzusehen.

Für die Aktuelle Stunde liegen zwei Beratungsgegenstände vor.

Es liegt eine Dringliche Anfrage vor, die morgen früh ab 9 Uhr beantwortet wird.

Im Ältestenrat sind für die Beratung einzelner Punkte bestimmte Redezeiten gemäß § 71 unserer Geschäftsordnung vereinbart worden. Diese pauschalen Redezeiten sind den Fraktionen und den Abgeordneten bekannt; sie werden nach dem im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssel aufgeteilt. Ich gehe davon aus, dass die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Regelungen für die Beratungen verbindlich sind und darüber nicht mehr bei jedem Punkt abgestimmt wird. - Ich stelle fest, dass das Haus mit diesem Verfahren einverstanden ist.

Die heutige Sitzung soll gegen 19.25 Uhr enden.

An beiden Tagen dieses Tagungsabschnitts werden Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe der Robert-Bosch-Gesamtschule Hildesheim als „Landtagsreporter“ live im Internet über den Parlamentsbetrieb berichten. Aus diesem Grunde werden vier Schülerinnen und Schüler während der Sitzung Aufnahmen mit Kameras machen. Dies sage ich, damit Sie nicht irritiert sind, wenn Sie sie sehen.

Außerdem möchte ich Sie noch auf eine öffentliche Veranstaltung am kommenden Montag besonders hinweisen: Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kultur zur EXPO“ findet am 21. Februar um 19.30 Uhr - genau 100 Tage vor Beginn der Weltausstellung - ein speziell auf den Veranstaltungsort, nämlich diesen Landtag, zugeschnittenes Programm von Friedhelm Kändler und Detlef Simon

aus Worten und Zauberei im Plenarsaal statt. Ich empfehle diese Veranstaltung Ihrer Aufmerksamkeit.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst - bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr - wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich entschuldigt von der Fraktion der SPD Herr Endlein und Herr Mientus, von der Fraktion der CDU Herr Meier und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Janßen-Kucz.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde liegen zwei Beratungsgegenstände vor: a) Die Geduld der Landesregierung ist die Macht der Männer - Bericht offenbart schwere Mängel in der Umsetzung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1406 - und b) Bildungsabbau auf Kosten der Berufsschulen - Antrag der Fraktion der CDU Drs. 14/1407.

Es stehen für beide Themen insgesamt 60 Minuten Redezeit zur Verfügung, die gleichmäßig auf die drei Fraktionen aufzuteilen sind. Das heißt, jede Fraktion kann über höchstens 20 Minuten Redezeit verfügen. Wenn mehrere Themen zur Aktuellen Stunde vorliegen, so wie heute, bleibt es jeder Fraktion überlassen, wie sie ihre 20 Minuten für die einzelnen Themen verwendet.

Jeder Redebeitrag, auch von Mitgliedern der Landesregierung, darf höchstens fünf Minuten dauern. Nach vier Minuten Redezeit werde ich, wie Sie wissen, durch ein Klingelzeichen darauf hinweisen, dass die letzte Minute der Redezeit läuft.

Erklärungen und Reden dürfen nicht verlesen werden.

Ich eröffne damit die Beratung zu

a) Die Geduld der Landesregierung ist die Macht der Männer - Bericht offenbart schwere Mängel in der Umsetzung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1406

Frau Abgeordnete Pothmer hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Inzwischen liegt der erste Bericht über die Umsetzung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes vor. Bilanziert werden in diesem Bericht viereinhalb Jahre, und zwar die Zeitspanne von Juli 1994 bis Dezember 1998. Die Ergebnisse, die wir diesem Bericht entnehmen können, sind sehr ernüchternd. Aber gemessen an dem, was in dem Gesetz vorgegeben worden ist, sind sie - das muss man deutlich sagen - ungenügend. Dieses Gesetz sieht nämlich vor, dass zentrale Regelungen, und zwar die Regelungen, die der strukturellen Benachteiligung von Frauen entgegenwirken sollen, zeitlich befristet eingesetzt werden. Dies betrifft z. B. die Quote. Die Quote soll nach diesem Gesetz im Jahre 2010 eigentlich nicht mehr in Kraft sein. Diese Zeitmarge, meine Damen und Herren, hat der Gesetzgeber, die Gesetzgeberin, sehr bewusst gewählt. Es ist nämlich die Zeitmarge, nach der - so die Vorstellung - die Ziele des Gesetzes, die gleichberechtigte Stellung der Frauen in allen Hierarchiestufen, erreicht sein sollen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, inzwischen haben wir mehr als ein Drittel dieser Zeitspanne hinter uns. Der Frauenanteil ist nach Inkrafttreten dieses Gesetzes im Geltungsbereich dieses Gesetzes durchschnittlich um 1,6 % gestiegen. Aber was viel wichtiger ist: An der Unterrepräsentanz der Frauen im höheren Dienst hat sich auch nach In-KraftTreten dieses Gesetzes so gut wie gar nichts geändert. Noch immer gilt die Formel: Je höher die Position, je höher das Einkommen, desto geringer der Anteil der Frauen. Meine Damen und Herren, diese Formel gilt ganz besonders krass, ultrakrass für die Landesregierung selbst.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hier sind immer noch mehr als 80 % aller Entscheidungsträger Männer. Auch wenn das 3,2 % weniger sind als 1994, so kann hier von einer

wirklichen Veränderung wahrlich nicht die Rede sein.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, brauchen wir mindestens noch zwei Frauengenerationen, mindestens noch ein halbes Jahrhundert, um die Ziele dieses Gesetzes zu erreichen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Aber es soll sich doch wirklich niemand überrascht zeigen über das Ergebnis. Wir wissen seit langem, dass die zentralen Elemente dieses Gesetzes überhaupt nicht umgesetzt werden. In dem Gutachten, das die Landesregierung - darauf lege ich Wert selbst in Auftrag gegeben hat - ein Gutachten der Hans-Böckler-Stiftung -, wird auf eklatante Mängel in der Umsetzung dieses Gesetzes hingewiesen. Auch damals stand schon im Mittelpunkt der Kritik die fehlende und ungenügende Umsetzung der so genannten Frauenförderpläne, im Gesetz auch Stufenpläne genannt, und vor allem die fehlende Verknüpfung mit Personalentwicklungskonzepten. Viereinhalb Jahre nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes haben immer noch 150 von 865 Dienststellen überhaupt keinen Frauenförderplan. Weitere 100 Dienststellen haben zwar einen Frauenförderplan, in ihm ist aber nicht eine einzige Maßnahme genannt, mit der die Frauenförderung betrieben werden soll. Die Verknüpfung zwischen Frauenförderplan und Personalentwicklungskonzept haben genau 100 Dienststellen realisiert. Da ist die Spitze der Bewegung nach viereinhalb Jahren tatsächlich erreicht, meine Damen und Herren!

(Glocke des Präsidenten)

Dass die Landesregierung bei der Durchsetzung genau dieser gesetzlichen Vorgaben nicht besonders erfolgreich ist, hat natürlich auch etwas mit ihrer eigenen Haltung in Bezug auf dieses Gesetz zu tun. Sie selbst nimmt das Gesetz doch nicht ernst. Wenn z. B. der Frauenförderplan des Wirtschaftsministeriums keine Maßnahmen enthält, die die Frauenförderung tatsächlich voranbringen sollen, dann entspricht dieser Frauenförderplan nicht den gesetzlichen Vorschriften. Wenn der Frauenförderplan des Finanzministeriums von 1994 ist und seitdem nicht einmal fortgeschrieben worden ist, dann entspricht er auch nicht den gesetzlichen Vorgaben. Es ist doch völlig klar, dass eine Landesregierung, die in diesem Bereich selbst

so ungenügend für die Umsetzung ihres Gesetzes sorgt, nicht mit Autorität dieses Gesetz in den nachgeordneten Behörden umsetzen kann. Das wird doch niemanden wundern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Ich will noch einige Regelungen nennen, die auch wenig umgesetzt werden. Da ist z. B. - ich will mal sagen - das Schwert dieses Gesetzes, die Quote. Die hat nur in einem Fünftel aller Fälle tatsächlich die Entscheidungen ausschlaggebend beeinflusst.

(Glocke des Präsidenten)

Besonders krass ist es bei der Frage: Wie funktioniert es eigentlich mit der quotierten Besetzung der Gremien? Knapp 94 % aller Dienststellen konnten nach dieser Zeit überhaupt keine verwertbare Antwort auf die Frage geben, was ein Gremium überhaupt ist. Ich empfehle an dieser Stelle tatsächlich eine umfängliche Fortbildungsmaßnahme.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Nach dem, was uns vorliegt, muss es doch jetzt um zwei Dinge gehen: Erstens. Das Gesetz muss natürlich umgesetzt werden. Zweitens. Es ist doch völlig klar, dass wir nur mit diesem Gesetz nicht weiterkommen werden. Wir brauchen auch noch andere Regelungen und Strategien, die die Gleichberechtigung voranbringen. Ich will ganz kurz vier Punkten nennen.

Erstens muss endlich die Verknüpfung von Frauenförderung und Verwaltungsreform vorangetrieben werden, wie es die Hans-Böckler-Stiftung fordert.

Zweitens brauchen wir endlich ein Konzept zum Mentoring. Ich schlage vor, dass die Landesregierung in ihrem eigenen Verantwortungsbereich anfängt, und zwar mit den Ministerien, die sich, was die Umsetzung dieses Gesetzes angeht, als besonders resistent erwiesen haben.

Als Drittes will ich noch einen neuen Vorschlag einbringen. Ich schlage vor, dass wir uns an dem orientieren, was in den Hochschulen läuft. Im Zuge der Budgetierung sollten wir, wie es derzeit an den

Hochschulen der Fall ist, auch 1 % der zugewiesenen Mittel daran knüpfen, dass in diesen Dienststellen erfolgreich Frauenförderung betrieben wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Ich bin ganz sicher, dass das auch bei denen die Kreativität vorantreiben wird, die sich bisher als besonders resistent erwiesen haben.

Frau Ministerin, ich glaube auch, dass Gender Mainstreaming hilfreich sein kann, um tatsächlich Geschlechterdemokratie voranzutreiben. Nur, dann muss es mehr sein als eine Staatsdoktrin, wie es die Landesregierung bisher verkauft hat. - Ich danke Ihnen auch für Ihre Geduld, Herr Präsident.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU. Präsident Wernstedt: Frau Kollegin Pothmer, ich habe von der Autorität des Präsidenten keinen Gebrauch gemacht und Ihnen das Wort nicht entzogen. Ich wollte aber darauf hinweisen, dass es wirklich schwierig ist, hinterher noch zu folgen, wenn man dauernd da- rauf achten muss, wie viel Sekunden Sie schon wieder überzogen haben. (Frau Pothmer [GRÜNE]: Ich bin gern bereit, Herr Präsident, Ihnen das vorzutragen!)

- Ich habe das unter dem Inhalt gesehen, den Sie vorgetragen haben.

Das Wort hat Frau Kollegin Schliepack.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das war die Quotenregelung!)