Protokoll der Sitzung vom 29.03.2000

(Beifall bei den GRÜNEN)

Insofern lassen Sie uns darüber reden, was die Bedingungen sein müssen. Wir haben auch mit der EVB durchaus ein Beispiel, wie so etwas geht. Aber es kann auch sein, das vielleicht die Ausschreibung von Teilnetzen am Ende der bessere Weg ist. Wir müssen das in der nächsten Monaten intensiv beleuchten. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Dinkla das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der DB AG, aus dem „Unternehmen Zukunft“ ist für ländliche Räume Niedersachsens längst das „Unternehmen Kahlschlag“ geworden.

(Plaue [SPD]: Richtig, das habt ihr richtig organisiert, als ihr an der Re- gierung wart!)

InterRegio-Verbindungen werden abgebaut, und es gibt eine mangelnde Vernetzung. In Teilbereichen muss man wirklich sagen: „Schilda lässt grüßen!“ Wenn Regionalzüge auf Bahnhöfen eintreffen und eine Minute vorher der InterRegio abgefahren ist, dann ist es wirklich mehr als fragwürdigt, wenn man sagt: Wir wollen mehr Fahrgäste für die Bahn.

Das „Zauberwort“ hat gestern Herr Daubertshäuser genannt. Er hat von dem „integrierten Taktfahrplan“ gesprochen, und er hat das Beispiel Rheinland-Pfalz erwähnt. Dort ist es zu einer Steigerung von 90 % des Fahrgastaufkommens gekommen; das ist beachtlich. Es stellt sich schon die Frage: Warum ist das in Niedersachsen nicht erreichbar? Auch dazu hat Herr Daubertshäuser zwar nicht gestern, sondern bei früheren Gelegenheiten wesentlich klarer gesagt, dass es in Niedersachsen auch erreichbar wäre, wenn man hier insgesamt aktiver sein würde.

Die Landesregierung spricht ja bislang nur von der Vorstufe des integralen Taktfahrplans in Südniedersachsen. Die Zugkilometerleistung ist in den letzten Jahren insgesamt nur um 0,8 % gestiegen. Das macht eben den Unterschied aus. Das heißt im Klartext, meine Damen und Herren: Niedersachsen macht selbst auch keine vorbildliche Verkehrspolitik in Sachen Bahn. Ein Schuss mehr Selbstkritik bei der ganzen Beurteilung wäre doch wohl angemessener, jedenfalls nach meiner Auffassung.

(Beifall bei der CDU)

Niedersachsen ist ein Flächenland mit 48.000 km2

und braucht für eine zukunftsorientierte Bahnpolitik auch die schienengebundene Erschließung aller Bereiche, insbesondere - Herr Plaue, wenn Sie das amüsiert - auch der strukturschwachen Regionen. Das gilt beispielsweise auch für das Emsland. Aber ich sage, darüber hinaus brauchen wir auch die europäische Vernetzung. Insofern fehlt uns für die gesamte Verkehrspolitik in Niedersachsen das Modell, das „Konzept aus einem Guss“. Das merke ich hier ausdrücklich an.

(Beifall bei der CDU)

Die politische Harmonisierung bei der Bahn hat nicht stattgefunden. Die Bahn - das hat Herr Wenzel eben erwähnt - ist hinsichtlich ihrer Zukunftsfähigkeit auch durch die Ökosteuer zusätzlich finanziell belastet worden. Wenn man so will, hat Rot-Grün in Berlin die eigene Koalitionsvereinbarung nicht einmal beachtet; denn aus ökologischer Sicht müssten Busse und Bahnen eigentlich begünstigt werden und dürften nicht zusätzlich belastet werden. Dies muss man auch erwähnen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage das, um nicht der Bahn die gesamte Schuld zuzuschieben.

Es gilt aber auch Folgendes: Wenn man früher einen Telefonanschluss bestellen wollte, musste man bei der Bundespost förmlich einen Antrag stellen. Heute erteilt man als Kunde der Telekom einen Auftrag. Das zeigt den mentalen Wandel, der dort stattgefunden hat. Bei der DB AG habe ich das Gefühl, dass „Bahnkunden“ zum Teil nach wie vor als „Beförderungsfälle“ angesehen werden und eben noch nicht als potentielle Langfristkunden, um die man auch mit einem attraktiven Angebot kämpfen muss. Dass die DB AG sechs Jahre braucht, um ein Vorstandsmitglied mit der Aufgabe Marketing und Vertrieb zu betrauen, ist ein Hinweis auf die nach wie vor unbewältigte Trägheit des Systems.

Die Bahn AG muss sich nicht wundern, dass das Sympathiepotential - das hat Herr Daubertshäuser gestern auch erwähnt - noch stark ausbaufähig ist. Unpünktlichkeit, mangelnde Abstimmung der Fahrpläne und viele andere negative Vorgänge sind jedenfalls nicht gerade geeignet, die Menschen in hellen Scharen in die Züge zu treiben.

Ich glaube - das soll bei dieser Gelegenheit ebenfalls erwähnt werden; Herr Minister Fischer hat es gelegentlich auch schon erwähnt -, dass die institutionelle Trennung von Netz und Betrieb zumindest ein Denkmodell ist. Dass die Bahn im Wettbewerb mit Dritten nicht zugleich „Schiedsrichter und Spieler“ ist, kann, finde ich, auf Dauer nicht gut gehen.

Ich wundere mich allerdings, dass gerade die SPD diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Schließlich wurde der frühere Vorstandsvorsitzende der DB AG, Herr Ludewig, von der SPD „politisch weggemobbt“

(Lachen bei der SPD)

und ist der neue Vorstand unter Herrn Mehdorn „politisch handverlesen“. Im Aufsichtsrat sitzen neben sieben Vertretern der Gewerkschaften auch drei Staatssekretäre - darunter übrigens Herr Dr. Tacke als intimer Kenner der niedersächsischen Szene - sowie das SPD-Mitglied Friedel Neuber von der WestLB. Auch Herr Daubertshäuser - Herr Wenzel hat es eben erwähnt - ist SPDMitglied. Also haben Sie doch alle Möglichkeiten, auf die Bahnpolitik Einfluss zu nehmen, damit sie erfolgreich und insbesondere für Niedersachsen richtig ist. Weshalb tun Sie das nicht?

(Beifall bei der CDU)

Ich habe den Eindruck, dass die heutige Aktuelle Stunde insoweit ein Stück politische Pflichtübung der Mehrheitsfraktion und insbesondere natürlich ein Ablenkungsmanöver von der mangelhaften Bahnpolitik des Landes ist. Ich möchte jedenfalls nicht - das darf ich auch für die CDU-Fraktion sagen -, dass wir jetzt und damit vielleicht auch auf Dauer feststellen müssen: „Unternehmen Zukunft“ - in Niedersachsen Fehlanzeige! - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Schwarzenholz bekommt das Wort für bis zu zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute über die Bahn AG diskutieren, dann tun wir das vor dem Hintergrund, dass Herr Minister Fischer in der letzten Plenarsitzung ein flammendes Plädoyer für die Marktwirtschaft bei der Preisgestaltung der Bahn AG gehalten und damit begründet hat, dass preisgünstige Fahrangebote wie das 35-DM-Ticket während der EXPO im größten Teil Niedersachsens wegfallen werden. Die Bahn AG hat die Worte von Minister Fischer offensichtlich wörtlich genommen und gleich noch Preiserhöhungen für die Fernzüge angekündigt. Dass Herr Fischer dagegen dann öffentlich protestiert hat, ist seine eigene Unlogik. Darüber hinaus hat sie Strecken zur Disposition gestellt, im Wesentlichen an den Rändern unseres Landes.

Nun frage ich mich: Wie erklärt sich dies vor dem Hintergrund, dass SPD und Grüne in Berlin die

Regierungsmacht und auch bei der Bahn AG politisch das Sagen haben? Die Bahn AG ist zwar formal privatisiert. Aber wer hat nach dem deutschen Aktienrecht das Sagen? - Sie! Und was bringen Sie? - Sie bringen Lasten für das Land, und Sie demontieren die Flächenbahn. Auf Landesebene beklagen Sie dies dann wieder, allerdings ohne hier Rezepte zu benennen. Für die Grünen gilt das Gleiche.

Wir brauchen doch endlich eine Trassenlösung, deren Kosten so getragen werden, wie es beim Straßennetz der Fall ist. Es kann doch nicht so weitergehen wie bisher. Es muss doch Geld in die Hand genommen werden, und dazu müssen die Regierenden, wenn sie das hier beklagen, in Berlin entsprechende Lobbyarbeit leisten und auch entsprechende Konzeptionen auf den Tisch legen.

Das heißt auf gut Deutsch: Wir brauchen Lösungen, wonach auch andere Anbieter auf diesen Strecken fahren können. Sie reden immer vom Markt in diesem Sektor. Aber was ist in Niedersachsen auf den genannten Strecken gegenwärtig die Realität? - Während in Hannover der Bahnhof relativ großzügig neu gestaltet wird, verfallen auf diesen Strecken die Bahnstationen. Die Infrastruktur der Bahn geht den Bach runter. Wir sehen zu und wissen ganz genau, dass bei einem solchen Zustand der Strecken und der Bahnanlagen kein Betreiber in der Lage ist, dort zukünftig vernünftigen Bahnverkehr zu betreiben.

Meine Damen und Herren, jetzt hat der Wirtschaftsminister, Herr Dr. Fischer, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Jahren fordern Politiker aller Couleur, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Die Bahnreform von 1993 sollte ein wichtiger Schritt sein, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen. Privatisierung der Bahngesellschaft, mehr Wettbewerb auf der Schiene - diese Forderungen waren mit der Bahnreform verknüpft. Inzwischen wissen wir, das Gegenteil von dem, was alle gefordert haben, ist eingetreten: Die Bahn verliert jährlich Anteile an die anderen Verkehrsträger. Insofern muss man sagen: Das, was man sich damals versprochen hat, ist offenbar nicht eingetreten.

Vor allem - das ist hier auch schon gesagt worden hat es zu ungünstige Rahmenbedingungen gegeben. Herr Dinkla, die damalige Bundesregierung und eigentlich alle haben seinerzeit gesagt, parallel zur Bahnreform müssen sich auch die Rahmenbedingungen verändern. Herr Wenzel hat ja genannt, was da eigentlich erforderlich gewesen wäre. Es ist aber nichts passiert, und dieser Mangel hat dazu geführt, dass die Bahnreform nicht zum Tragen kommen konnte.

(Plaue [SPD]: Da muss die CDU sich an die eigene Brust fassen und nicht andere Leute beschimpfen!)

Es gibt noch einen weiteren Punkt, der dabei wichtig war. Auch nach der Bahnreform ist von Verfassungs wegen nach wie vor der Bund für die Schieneninfrastruktur zuständig und trägt dafür die Verantwortung. In der Schieneninfrastruktur ist aber nichts Entscheidendes passiert, dort ist zu wenig investiert worden. Schuld daran ist das riesige Finanzloch im Bundesverkehrswegeplan. Ich habe das hier schon mehrfach, auch in anderem Zusammenhang, erwähnt: Das so genannte Wissmann‘sche Erbe hat dazu geführt, dass das Schienennetz vernachlässigt worden

(Beifall bei der SPD)

und damit ein entscheidender Mangel in der Wettbewerbsfähigkeit der Bahn eingetreten ist. Wir kennen die Folgen: Statt offensiv nach vorne zu marschieren, schrumpft die Bahn jetzt weiter, InterRegios werden gestrichen, der Kombiverkehr im Güterverkehr nimmt ab - alles Dinge, die diejenigen, die mit der Bahnreform ihre verkehrspolitischen Ziele verwirklicht sehen wollten, sicherlich nicht im Sinn hatten.

(Dinkla [CDU]: Müntefering hat es auch nicht geschafft!)

Was den Nahverkehr in Niedersachsen betrifft, Herr Dinkla, muss ich Sie allerdings korrigieren. Es sieht nämlich so aus, dass wir trotz der Situation, die ich geschildert habe, versucht haben, durch eigene Investitionen die Qualität zu verbessern. Wir haben neue Wagen angeschafft, wir haben die Bahnhöfe verbessert - mit dem Erfolg, dass in Niedersachsen im Nahverkehr die höchsten Zuwächse von allen Bundesländern zu verzeichnen waren. Wir haben einen Zuwachs von 11 %, der Bundesdurchschnitt beträgt etwas mehr als 3 %.

Rheinland-Pfalz kann sich mit uns überhaupt nicht messen. Die haben nämlich ihren berühmten Taktverkehr, den Sie hier erwähnt haben, damit erreicht, dass sie sehr viel mehr bestellt, aber wenig investiert haben. Heute haben sie gar kein Geld mehr für Investitionen, weil sie alles in Betriebskostenzuschüsse stecken müssen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist der falsche Weg, den wir nicht gegangen sind und den wir auch nicht gehen wollen.

(Dinkla [CDU]: Aber Daubertshäuser hat das gelobt!)

- Der hat sich gefreut, weil bei ihm mehr bestellt worden ist, das ist klar. Er braucht es ja auch nicht zu bezahlen. Aber die Rheinland-Pfälzer haben sich damit einen Bärendienst erwiesen.

Ich frage nun: Was kann getan werden?

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schirmbeck?

Ich bin ein bisschen in Eile, wie Sie sich vorstellen können, weil ich nur vier Minuten Redezeit habe.

(Plaue [SPD]: Außerdem kann Herr Schirmbeck sich doch melden!)

Meine Damen und Herren, ich will hier noch einmal Folgendes feststellen:

Erstens. Das Rationalisierungspotential muss sicherlich weiter ausgeschöpft werden, aber behutsamer, als es von Herrn Mehdorn zurzeit angegangen wird. Die Motivation der Mitarbeiter der Bahn leidet gewaltig und ist auch schon im Moment nicht die höchste.