Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

Meine Damen und Herren, dieses Land unterstützt die Steuerreform, obwohl wir im kommenden Haushalt 1,7 Milliarden DM bereits auf der Grundlage der jetzigen Vorschläge verlieren werden, weil wir wissen, dass mittelfristig Wachstum stimuliert wird und mehr Steuereinnahmen kommen. Mittelfristig heißt aber nicht im ersten Jahr. 1,7 Milliarden DM Steuermindereinnahmen, meine Damen und Herren, das wollen wir als Regierung vertreten. Ich verstehe auch, dass Sie im Landtag nicht sagen wollen, wie das bezahlt werden kann, weil Sie gerne draußen, nämlich dort, wo wir einsparen müssen, die Bürger auf die Straße bringen wollen. Dafür habe ich Verständnis. Das ist aber Oppositions- und nicht Regierungspolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Punkt ist Folgender: SPD und Grüne haben bereits durchgesetzt, dass das Thema Betriebsveräußerung anders behandelt wird. Sie wissen, dass die Niedersächsische Landesregierung auch unter meinem Vorgänger bereits bei der ersten Stufe der Steuerreform gesagt hat: Das wird ein Problem, und zwar schon wegen der Psychologie, selbst wenn nur 10 % betroffen sein sollten, was ich nicht glaube, weil das natürlich nicht nur die Altersvorsorge ist, sondern weil jemand, der Betriebsinhaber ist, genau weiß: Wenn ich demnächst richtig besteuert werde, dann investiere ich, wenn ich ahne, dass ich in zehn Jahren ausscheide, nicht mehr in meinen Betrieb. - Dann wird die Betriebsübernahme schwieriger. Möglicherweise geht der Betrieb dann pleite und gehen Arbeitsplätze verloren.

Deswegen, meine Damen und Herren, haben wir gemeinsam durchgesetzt - das ist inzwischen völlig unstrittig -, dass wir am Ende des Verfahrens die

Freibeträge verdoppeln werden. Es gibt dann also einen Freibetrag zwischen 100.000 und 120.000 DM. Ich wäre dankbar, wenn Ihre Mittelständler, die das betrifft, hierher kämen und vorrechneten, dass das angeblich nicht mehr ausreicht. Das wird Ihnen nicht gelingen. Das wissen Sie. Sie sollten zugeben: Wir haben etwas im Interesse des Mittelstandes erreicht. Es ist vernünftig, was SPD und Grüne machen.

Es gibt dann ein Thema, worüber wir zu diskutieren haben. Natürlich gilt das Gesetz. Nach den Urteilen, die es dazu höchstrichterlich gibt, heißt es, dass bei den Abschreibungstabellen sozusagen die technische Realität eine Rolle spielen muss und nicht sozusagen die steuerrechtliche Definition des Ganzen. Das wird auch so kommen. Daran habe ich überhaupt keine Zweifel.

Meine Damen und Herren, was hier gemacht wird, ist ein Schauspiel, und zwar durch die Opposition organisiert, die von ihrer Unfähigkeit während ihrer Regierungszeit ablenken will,

(Decker [CDU]: Hören Sie doch auf!)

dem Mittelstand zu helfen. Das ist die Realität hier im Landtag.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben zum ersten Mal in Deutschland Senkung von Schulden, Senkung von Sozialabgaben, Senkung von Steuern und im Ergebnis Steigerung von Wachstum, Steigerung der Zahl von Ausbildungsplätzen, Steigerung der Zahl von Arbeitsplätzen. Das findet in Deutschland statt, und nicht das, was Sie hier herbeizureden versuchen.

(Starker Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Die Fraktion der CDU hat zusätzliche Redezeit beantragt. Ich erteile Herrn Möllring eine Redezeit von bis zu drei Minuten.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Wenn man die Rede des Ministerpräsidenten mitverfolgt hat, dann hatte man manchmal den Eindruck, dass er so begeistert von seiner Redegewalt ist, dass er auch auf Suaheli hätte reden können.

Sie wären genauso begeistert gewesen, nur hätte man nichts verstanden.

(Zurufe von der SPD)

Es war reiner Populismus, der zu unserem Antrag nichts gesagt hat.

(Plaue [SPD]: Weil Sie nichts auf der Pfanne haben, machen Sie solche Sprüche!)

Er hat darüber gesprochen, was auf Bundesebene alles falsch gelaufen ist. Ich will ja gar nicht sagen, dass auf Bundesebene alles richtig gelaufen ist, aber er darf doch hier nicht die Tatsachen verkehren. 1990 war die Staatsquote auf 45 % gesunken. Dann kam die deutsche Einheit, die wir auf unserer Seite des Hauses alle und die auf der anderen Seite einige wenige gewollt haben.

(Zurufe von der SPD)

Wir haben sie nun, und sie wird begrüßt. Die deutsche Einheit hat uns eben - Aufbau Ost - mehr als 1 Billion DM gekostet. Das können Sie nicht alles miteinander vermengen. Das ist gegenüber den ehemaligen Bürgern der DDR unredlich, denn die haben es verdient, dass wir ihnen helfen. Sie sollten hier nicht sagen, das sei alles falsch gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben in den 80er-Jahren unter Stoltenberg eine vernünftige Steuerreform gemacht, die dazu beigetragen hat, dass diese Staatsquote erreicht worden ist. In den 90er-Jahren wollten wir wieder eine Steuerreform machen, die vernünftig war. In einigen Punkten war sie sicherlich diskussionswürdig, aber Sie diskutieren ja auch über Ihre eigene Steuerreform. Sie haben hier gesagt: Das Optionsmodell ist Blödsinn, aber wir machen es trotzdem mit, wenn es sonst zu unverantwortlichen Steuerausfällen führt. Dann sollten Sie es lieber wie 1953 machen, nämlich den Blödsinn gleich abschaffen, und zwar für den Rest der Zeit. Darum möchte ich Sie bitten.

(Beifall bei der CDU)

Es ist nicht so, dass immer nur wir den Mittelstand predigen. Sie haben doch in Hildesheim gesagt, dass es gleiche Rabatte geben soll. Heute hätten Sie doch die Gelegenheit gehabt, etwas dazu zu sagen, was der Finanzminister, sein Staatssekretär und was vorhin auch Herr Möhrmann gesagt haben: „Hier hat sich der Ministerpräsident verspro

chen.“ Die Handwerker, der Mittelstand haben das anders verstanden. Wenn ich mich vor die Handwerksversammlung „100 Jahre Handwerkskammer“ stelle und sage „Den Verkauf von Beteiligungen bei Banken finde ich nicht in Ordnung, den Steuersatz bei Kapitalgesellschaften auf 25 % zu senken, finde ich zwar in Ordnung, aber ich will, dass die Personengesellschaften die gleichen Rabatte bekommen“, dann müssen diese Leute das so verstehen, dass sich das Land Niedersachsen, vertreten durch seinen Ministerpräsidenten, im Bundesrat dafür einsetzt, dass es auch so kommt. Dann kann man hinterher nicht sagen, dass man sich da geirrt hat, bzw. andere sagen lassen, dass man sich geirrt hat. Ich hätte zumindest von Ihnen erwartet, dass Sie sagen, dass es anders ist.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich hat es in den Jahren der Kohl-Regierung Steuererhöhungen gegeben.

(Lachen bei der SPD - Meinhold [SPD]: Das ist noch milde ausge- drückt! - Weitere Zurufe von der SPD)

Wir haben z. B. - wir wollen doch bei der Wahrheit bleiben - Anfang der 90er-Jahre gemeinsam die Mehrwertsteuer erhöht, um den Aufbau Ost zu finanzieren. Im Rahmen dieses Aufbaus Ost haben die Länder dem damaligen Finanzminister abgetrotzt, dass sie an der Mehrwertsteuer nicht mehr wie bisher mit 35 %, sondern mit 49,5 % beteiligt werden. Es war also im Interesse der Länder. Die Länder hatten das durchgesetzt. Schieben Sie es jetzt nicht Herrn Kohl und seiner Regierung in die Schuhe, sondern allen damaligen Ministerpräsidenten von der CSU bis hin zur SPD, die es gemeinsam durchgesetzt haben, um ihre eigenen Taschen zu füllen. Das muss man wahrheitsgemäß auch einmal sagen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Es wäre schön gewesen, wenn aufgrund dieses Schwerpunktes, der ja auf Ihre Anregung mit eingeführt wurde, die Regierung gesagt hätte: Wir erwarten von der Bundesregierung oder von der Bundestagsmehrheit, dass sie in diesem und jenem

Punkt dem Bundesrat eine andere Steuerreform vorlegt, weil wir sonst nicht zustimmen und dann erst korrigieren müssten. Es ist nicht der richtige Weg, zu sagen: Das Steuerpaket ist falsch. Wir werden es im Bundesrat stoppen. Hoffentlich macht es der Vermittlungsausschuss dann hinterher richtig. - Da wird in den Nachtsitzungen mit Sicherheit immer etwas Falsches herauskommen. Deswegen hätte ich mir das gewünscht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt hat sich der Herr Finanzminister zu Wort gemeldet.

Herr Möllring, ich kann Ihren Redebeitrag ja gut verstehen. Sie haben in der CDU ein riesiges Problem. Wir diskutieren eine Steuerreform, die in einem Stufenplan schon unmittelbar nach der Wahl 1998 angelegt worden ist. Die ersten Beschlüsse sind schon im Dezember gefasst worden. Sie haben Entlastungsmomente für die Privathaushalte und die Erhöhung des Kindergeldes gebracht. Das möchten Sie gern vergessen machen.

In der zweiten Stufe der Steuerreform haben wir im Wesentlichen dafür gesorgt, dass „falsche“ Steuerentlastungen aufgrund von Subventionen und Steuerflucht zur Gegenfinanzierung zusammengefasst worden sind.

Jetzt sind wir in der dritten Stufe der Unternehmenssteuerreform und der Einkommensteuerreform. Dieser Prozess ist dann aber noch nicht beendet, weil wir in diesem Zusammenhang schon über die Jahre 2001, 2002 und 2003 hinaus diskutieren.

Die erste Grundüberlegung bei unserem Vorgehen war, Verlässlichkeit in der Steuerreform zu erreichen, um den psychologischen Durchbruch zu schaffen, nachdem in diesem Bereich jahrelang nichts geschehen ist und der internationale Aspekt der Diskussion dazu geführt hat, dass sich viele Investoren von Deutschland und Niedersachsen abgewandt haben. Diesen psychologischen Durchbruch haben wir geschafft, wie durch die Beiträge des Ministerpräsidenten und von Herrn Golibrzuch eben eindrucksvoll belegt worden ist. Sie haben gesagt, welche Wachstumsrate wir haben, dass sich der Arbeitsmarkt positiv entwickelt, dass wir

Preisstabilität haben und dass das Vertrauen der Wirtschaft innerhalb und außerhalb Deutschlands erkennbar ist, wieder in diesem Land zu investieren.

Das war im Übrigen eine der Zielvorgaben der Steuerreform: Wir wollten nicht nur eine fiskalische Diskussion im Sinne von Konsolidierung führen, sondern die Steuerreform so anlegen, dass sie mehrere Ziele gleichzeitig vereinheitlicht.

Das übergeordnete Ziel war die Konsolidierung und der Schuldenabbau. Sie haben davon immer geredet, aber wir tun das jetzt, und zwar in einer Größenordnung, die Ihnen in der öffentlichen Debatte offenbar richtig Probleme bereitet.

Gleichzeitig - das ist der entscheidende Punkt senken wir die Steuereinnahmen. Beide Aspekte, der Schuldenabbau und die Steuereinnahmesenkung, verengen das Spektrum der Handlungsmöglichkeiten des Staates. Als dritte Komponente haben wir gesagt: Diese Steuerreform wird das Wachstum beschleunigen und die Situation auf dem Arbeitsmarkt verbessern.

Vor diesem Hintergrund war es richtig, die Unternehmenssteuerreform und die Einkommensteuerreform auf das Datum 1. Januar 2001 zusammenzuziehen. Eine Trennung von Unternehmenssteuerreform und Einkommensteuerreform würde in wesentlichen Bereichen der Wirtschaft nämlich gar nicht funktionieren. Das ist auch von Ihren Rednern hier richtig dargestellt worden. Viele von denen, die sich als Unternehmer fühlen und auch tatsächlich unternehmerisch tätig sind, sind gar nicht von der klassischen Unternehmenssteuer betroffen. Viele von denen, über die hier eben diskutiert worden ist, zahlen ja nicht einmal Gewerbesteuer, weil dort die Freibeträge in der letzten Zeit entsprechend hochgesetzt worden sind.

Herr Finanzminister, der Kollege Heineking möchte Ihnen eine Frage stellen.

Nein. Nachdem die alle hier ihren Auftritt gehabt haben, muss man auch mal etwas im Zusammenhang sagen dürfen.

Wir haben, Herr Heineking, die Gewerbesteuer, die wir im Prinzip nicht anfassen können, weil sie Verfassungsrang hat und weil wir uns in der Pflicht

sehen, sie den Kommunen in dieser Übergangsphase auch sicherzustellen, in die Unternehmenssteuerreform integriert. Damit haben wir etwas erreicht, was Ihnen richtig wehtut, nämlich die Signalwirkung, runter mit der Körperschaftsteuer auf 25 %, einschließlich Gewerbesteuer um die 35 %, und damit das klare Signal nach innen und nach außen: Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist attraktiv für unternehmerische Tätigkeit von Deutschen und von Ausländern in diesem Land. Diese verlässliche Aussage hat jahrelang gefehlt. Jetzt ist sie da, und deshalb sind auch diese Aktivitäten in der Wirtschaft zu verzeichnen.

Zweiter Punkt. Wir haben gesagt, wir müssen die Unternehmenssteuerreform und die Einkommensteuerreform zusammenfügen, damit die Entlastung der Unternehmen konform mit der Entlastung derjenigen geht, die in der Größenordnung von Mittelständlern verdienen.