Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat hat empfohlen, diesen Antrag zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Jugend und Sport und zur Mitberatung an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, an den Kultusausschuss, an den Ausschuss für innere Verwaltung und an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu überweisen. Andere Vorstellungen sehe ich nicht. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe den letzten Punkt auf:

Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1588

Zur Einbringung hat Frau Kollegin Hansen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der letzte Tagesordnungspunkt - im Volksmund sagt man: Den Letzten beißen die Hunde. Heute Abend fasse ich mich ganz kurz, damit dies nicht passiert.

Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden – lange diskutiert, aber nichts passiert. Nach diesem Motto bringen wir heute zum zweiten Mal einen Antrag zu diesem Thema ein. „Neue Erkenntnisse erfordern neue Maßnahmen“, so beginnen Sie, Herr Minister Bartels, Ihre Pressemitteilung vom 22. März, in der Sie sich für ein bundesweites Zuchtverbot von Kampfhunden aussprechen. Als ich es las, habe ich gedacht: Na endlich, nun wird der Herr Minister wach. In der Tat haben Sie eine lange Zeit gebraucht, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen und sich öffentlich dem Thema „gefährliche Hunde“ zu widmen. Andere Länder sind Niedersachsen sehr weit voraus und haben im Gegensatz zu Ihnen gehandelt.

Meine Damen und Herren, wer hat nicht die Bilder von Kindern und Erwachsenen aus den Zeitungen und aus dem Fernsehen vor Augen, die von den

Bestien angefallen wurden? Wer erinnert sich nicht an Berichte über widerwärtige und illegale Hundekämpfe? – Diese Vorgänge waren für uns Anlass genug, schon vor vier Jahren - man höre und staune -, am 14. September 1995, den ersten Antrag hierzu vorzulegen. Es folgte eine Anhörung mit den zu beteiligenden Verbänden, und - siehe da es wurde ein Handlungsbedarf festgestellt. Aber Sie, Herr Minister Bartels, haben seitdem von Ihrem Vorgänger im Amte zu dieser Thematik nur die Funkes-Stille übernommen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der damalige Landwirtschaftsminister Funke hatte in seiner Rede nämlich ausdrücklich betont, dass der Bevölkerung mehr Sicherheit zu gewährleisten sei, indem Schädigungen von Leben und Gesundheit durch gefährliche Hunde weitestgehend unterbunden werden müssten. Außer dieser Feststellung ist in seiner Amtszeit allerdings nichts geschehen. Die Bevölkerung ist weiterhin in hohem Maße verunsichert, und erst jetzt beginnen Sie, Herr Bartels, aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit und der wiederholten Berichte in den Medien zu handeln.

In der vergangenen Woche hat sich nun die ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder auf eine Empfehlung geeinigt, die weitgehend den Forderungen unseres ersten Antrags von 1995, aber auch des heutigen Antrags, entspricht. Das begrüßen wir außerordentlich. Aber was nützt die Empfehlung, was nützt ein guter Rat, wenn sie bzw. er nur teilweise oder halbherzig umgesetzt wird? – Wir kritisieren an dieser Empfehlung, dass keine Verpflichtung der Länder formuliert wurde,

(Beifall bei der CDU)

sondern dass es darin zu den einzelnen Forderungen nur „kann“ oder „sollte“ heißt. Vor vier Jahren sprach sich die SPD noch für eine bundeseinheitliche Regelung aus. Dazu ist es leider nicht gekommen. In der Tat sind ja auch die Länder für Sicherheit und Ordnung zuständig.

Deshalb, werte Kolleginnen und Kollegen, kommt dieser wichtige und richtige Antrag auch heute zur richtigen Zeit ins Plenum. Wir hoffen, dass Sie, Herr Bartels, und Ihr Innenministerkollege Herr Bartling nun umgehend die Forderungen unseres Antrages in die Verordnung über das Halten gefährlicher Tiere und teilweise auch in das Gefahrenabwehrgesetz aufnehmen.

Die Bedeutung des Hundes - darüber sind wir alle uns sicherlich einig - ist gerade in den vergangenen Jahren gestiegen. Viele Menschen halten sich einen Hund, der treuer Gefährte der Familie ist, bei Therapien hilft und z. B. für Blinde Sozialpartner und unersetzliche Begleitung ist. Deshalb müssen wir zum Schutze der Menschen und der Tiere, zum besseren Zusammenleben von Hundehaltern und Nichthundehaltern Rechtssicherheit schaffen.

(Beifall bei der CDU)

In diesem Zusammenhang wird immer die Verantwortung des Hundehalters eingefordert. Nicht zu vernachlässigen ist aber auch die Verantwortung aller Erwachsenen. Erwachsene und Kinder sind gut beraten, nicht arglos auf ihnen fremde Hunde zuzugehen, sie zu streicheln

(Beifall bei der CDU)

oder durch ihr Verhalten gar zu erschrecken. Auch das führt zu Überfällen.

Meine Damen und Herren, die Aussagen des Ministers hinsichtlich des bundesweiten Zuchtverbotes gehen in die richtige Richtung. Hunde, die in ihrem Verhalten auffällig sind, dürfen generell nicht mehr zur Zucht zugelassen werden. Ich mache das nicht an bestimmten Rassen fest, sondern ich spreche mich für den Wesenstest aus, Herr Minister Funke

(Adam [SPD]: Bartels!)

- Herr Minister Bartels -, den auch Sie in Ihrer Pressemitteilung angesprochen haben. Die Tiermedizin ist in diesem Bereich schon sehr weit und liefert auch gerichtsfeste Beurteilungen.

Auch was die Ausbildung und Haltung angeht, hat die Empfehlung der Innenministerkonferenz unsere Forderungen zum Inhalt - ich zitiere -:

„Das Abrichten mit dem Ziel einer gesteigerten Aggressivität ist generell zu verbieten. Das Problem an sich ist nicht der Hund, sondern der Halter, der den Hund erzieht und ausbildet.“

(Beifall bei der CDU)

Die Haltung gefährlicher Hunde muss - da steht „sollte“ - von einer Erlaubnis nach Vorlage eines Sachkundeausweises und der Zuverlässigkeitsprüfung abhängig gemacht werden. Das berechtigte Interesse für die Haltung eines gefährlichen Hun

des muss nachgewiesen werden. Darauf möchten wir doch ausdrücklich abheben.

Nun fragen Sie alle sicherlich: Was nützt eine Verordnung, wenn bei Zuwiderhandlungen nicht auch spürbare Sanktionen erfolgen? – Wir können uns vorstellen, zur Abschreckung und Prävention ein lebenslanges Hundehaltungsverbot auszusprechen, Geldbußen in beträchtlicher Höhe einzufordern oder auch, wie die gestrigen Zeitungen über den Fall des 51-jährigen Mannes in Cottbus berichteten, erhebliche Gefängnisstrafen für die Hundehalter zu verhängen. Der Kommentar dazu lautete:

„Das Urteil ist von befriedigender Härte. Dem Opfer hilft es allerdings nicht mehr. Der Mann wird sein Leben lang entstellt bleiben. Wie viele solcher Opfer wollen wir uns noch erlauben?“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag der CDU-Landtagsfraktion greift aber in einigen Punkten weiter als die Empfehlung der Innenministerkonferenz. Wir fordern über die Empfehlung hinaus unter Punkt 2 ein Importverbot für gefährliche Hunderassen - denn was nützt es, wenn wir hier das Zuchtverbot aussprechen und die Tiere über den Import ins Land kommen? - und den Abschluss einer Haftpflichtversicherung für alle Hunde.

(Beifall bei der CDU – Ehlen [CDU]: Ganz richtig!)

Die Pflichtversicherung besteht zurzeit nach meinem Kenntnisstand wohl nur für Jagdhunde, und einige Verantwortliche versichern ihre Hunde,

(Frau Litfin [GRÜNE]: Polizeihun- de!)

aber ich meine, das reicht nicht aus. Die Haftpflichtversicherung ist Grundlage, um teilweise eine Wiedergutmachung bei Geschädigten zu gewähren. Für diese beiden letzten Punkte ist der Bund zuständig. Herr Bartels, werden Sie auf Bundesratsebene aktiv, damit auch diese Lücke geschlossen wird.

Nun werden Sie auch sagen: Wie ist das alles praktisch umzusetzen? – In der Tat wird es schwierig sein, alle Missbrauchstatbestände zu erfassen. Einige praktikable Vorschläge wurden in der Anhörung vorgetragen: Kennzeichnungspflicht und

Meldepflicht bei den Behörden. Das fängt an bei jedem Wurf. Wir wissen, dass jedes Jahr 120.000 Welpen im Kontrollbereich des Verbandes des Deutschen Hundewesens geboren und aufgezogen werden. Die Dunkelziffer ist genau so groß. Kennzeichnung und Meldepflicht bei den Kommunen ist also meiner Meinung nach eine praktikable Lösung. Die Kosten dafür haben selbstverständlich die Hundehalter zu tragen; das sage ich, um hier gleich abzuwiegeln. Wer Hunde hält, der ist in der Verantwortung. Wer Hunde hält, der hat die Kosten dafür zu tragen, und er hat Sorge dafür zu tragen, dass Unfälle nicht passieren und dass die Hunde in geeignete Hände verkauft oder verschenkt werden. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit zu dieser späten Stunde.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Herr Kollege Schumacher, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich etwas über die 2.700-jährige Geschichte der Hundezucht ausführen,

(Zurufe von allen Fraktionen: Nein!)

aber darauf verzichte ich, weil die Zeit schon so fortgeschritten ist.

Die Pressemeldungen „Hund beißt Mensch“ häufen sich; solche Vorfälle werden bundesweit in den Medien diskutiert. Dabei müssen wir objektiv hinnehmen, dass es vom Grundsatz her immer derartige Fälle gegeben hat, aber sicherlich - abgesehen von Einzelfällen - nicht in derartig brutalem Ausmaß von Bisswunden. Schwierig war es bisher, Gefahr durch Hunde an bestimmten Rassen festzumachen. Nun weiß man aus Untersuchungen Gutachten des BML zur Auslegung von § 11 b des Tierschutzgesetzes -, dass für einige Zuchtlinien ich betone: Zuchtlinien und nicht Rassen -, den Bullterrier und den Pitbullterrier, ein übersteigertes Angriffs- und Kampfverhalten, das leicht auslösbar ist, vorliegt.

Aufgrund der Vorkommnisse und den darüber erfolgten Presseberichten stehen Politik und Verwaltung unter dem Erwartungsdruck des Handelns. Das ist auch richtig so. Wir als verantwortliche Politiker müssen uns den Ängsten und Sorgen der

Menschen annehmen. Die große Frage ist nur, wie. Sind Maßnahmen, wie sie auf der Innenministerkonferenz - ich verzichte jetzt darauf, sie alle aufzuführen - angeregt worden sind, geeignet, das Problem zu lösen? - Sie wissen selbst, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dass es viele Ansätze und viele Meinungen dazu gibt. Unter Abwägung bestehender Gesetze und unter Beachtung des Tierschutzgesetzes können meines Erachtens einvernehmliche Regelungen getroffen werden. Des Weiteren haben die Kommunen nach dem Gefahrenabwehrgesetz und Kommunalabgabengesetz schon jetzt Möglichkeiten des Eingriffs.

Es gibt aus meiner Sicht ein Hauptproblem, und dieses hängt am oberen Ende der Leine: Es ist der Hundehalter bzw. die Hundehalterin, nämlich der Mensch.

(Frau Pawelski [CDU]: Das stand so in der Zeitung!)

Der Mensch ist derjenige, der dem Kampfhund aggressive Verhaltensweisen anerzieht. Erschwerend kommt hinzu, dass scharf gemachte Hunde in bestimmten, manchmal auch zweifelhaften Kreisen als Statussymbol angesehen werden. Wir sind uns wohl alle darüber einig, dass den korrekten und gesetzestreuen Menschen noch kein Gesetz und keine Verordnung geschaffen hat.

Verstehen Sie mich nicht falsch, indem ich bestimmte Maßnahmen infrage stellen will. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass wir damit keine 100-prozentige Lösung erreichen. Wir wissen auch, dass eine Regelung nur dann gut ist, wenn sie überprüfbar ist. Dann müssen wir der Bevölkerung draußen aber auch deutlich machen, dass Personal eingesetzt werden muss, um dieses zu überprüfen. Das verursacht zusätzliche Personalkosten.

(Frau Körtner [CDU]: Das ist falsch!)

Nach Angaben von Frau Dr. Feddersen-Petersen, Hundeexpertin und Verhaltensforscherin an der Universität Kiel, müssen dann die Länder auch eine „Soko Hundekämpfe“ einrichten, weil es in Großstädten organisierte Hundekämpfe gibt. Auch dürfe man in Zukunft die Tierheime mit dem Problem abgegebener Kampfhunde und deren Unterbringung bezogen auf die Kosten nicht alleine lassen. Beispiele machen deutlich, dass bei der Erhöhung der Hundesteuer durch die Kommunen die Anzahl der Kampfhunde in den Tierheimen

ansteigt. Blinder Aktionismus bringt also nichts, sondern schafft neue Probleme.