Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt der Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht können wir zum Abschluss der Debatte noch einmal den Versuch unternehmen, unsere Diskussion einer internationalen Ausstellung entsprechend zu führen

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

und sie vielleicht auch mit der, finde ich, notwendigen Fröhlichkeit zu führen. Ich will Ihnen einmal

eines sagen: Wer nicht lächeln kann, der soll keinen Laden aufmachen!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Frau Breuel, weil Sie ja nicht die Möglichkeit haben zu antworten, was ich übrigens auch bedauere, will ich nur sagen: Dass die Weltausstellung zusammenführt, erleben Sie doch heute zumindest ganz persönlich: Da redet Frau Breuel, und die Sozialdemokratie klatscht einheitlich Beifall. - Mindestens das, Frau Breuel, finde ich, sollte Sie mit manchem von dem versöhnen, was hier an, finde ich, ungerechtfertigten Vorwürfen gekommen ist.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ernsthaft gesprochen, Frau Breuel: Auf eines dürfen Sie sich verlassen: Was immer während der Weltausstellung passiert und was nach der Weltausstellung an Debatten geführt wird - jedenfalls die Niedersächsische Landesregierung und auch ich persönlich werden dafür Sorge tragen, dass Sie jedenfalls nicht allein die Verantwortung dafür übernehmen müssen. Für den Erfolg, der das ganz bestimmt wird, wollen wir Ihnen das auch nicht zumuten; den würden wir gern mit haben.

(Beifall bei der SPD - Heiterkeit)

Also, meine Damen und Herren: Lassen Sie uns doch nicht jetzt, unmittelbar vor Eröffnung der Weltausstellung, über die Frage diskutieren, Herr Kollege Wulff, was wir alles nicht bekommen haben, sondern darüber, was wir bekommen haben!

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das habe ich ja gesagt! - Unruhe)

Lassen Sie uns nicht Toleranz einfordern und gleichzeitig auf die Kritiker der EXPO mit dem Finger zeigen! Zu einer weltoffenen Debatte gehört auch, dass man die Kritik ernst nimmt. Allerdings, meine Damen und Herren, muss man dann auch inhaltlich darüber diskutieren.

Lassen Sie uns nicht den Dank teilen zwischen denen, die das angeschoben haben, denen, die in ihrer damaligen Funktion als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen dafür gesorgt haben, dass die Bundesregierung mitmacht, und dem Oberbürgermeister dieser Stadt, der ungeheuer viel Enga

gement in die Weltausstellung gesteckt hat! Auch ihm, finde ich, gehört unser Dank an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Frau Vogelsang [CDU])

Hier ist viel und richtig beschrieben worden, was die Weltausstellung an Erfolgen mit sich bringt. Für Niedersachsen ist die Weltausstellung schon ein Erfolg, bevor sie eröffnet wird. 2,5 Milliarden DM Investitionen in den Messestandort, 2,5 Milliarden DM Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur dieser Stadt - völlig unabhängig von einem Besucher! Wer hätte das ohne die Weltausstellung wohl zustande gebracht? - Das ist ein Riesenerfolg für unser Bundesland!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Verehrte Frau Kollegin Breuel, eines ist auch klar: Bei keiner Olympiade, bei keiner Fußballweltmeisterschaft wird eine öffentliche Debatte stattfinden, wenn dafür in Stadien investiert wird, und das, was man nachher bezahlen muss, wird nicht als Defizit bezeichnet, sondern als notwendige Investition, in unserem Falle in die Zukunft unseres Landes und der Landeshauptstadt. Das ist die Definition, mit der wir dort umgehen müssen!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, neben all dem, was die Internationalität an Chancen mit sich bringt, möchte ich an zwei Beispielen deutlich machen, warum ich den Versuch, die Weltausstellung sozusagen als Ereignis des internationalen Großkapitals und der Gigantomanie zu bezeichnen, für arrogant und - na ja, sagen wir einmal - gegenüber den Ländern, die zu uns zu Besuch kommen, für völlig intolerant erachte.

Schauen Sie sich einmal an, welche weltweiten Projekte es gibt! Da gibt es ein Projekt in Israel. Daran hat der Niedersächsische Landtag, übrigens mit allen Fraktionen, mitgearbeitet. Unter dem Titel „Kinder lehren Kinder“, „Children teaching Children“ kommen Kinder aus Israel hierher, jüdische und arabische Kinder, die versuchen wollen, anhand ihres Konflikts mit anderen Menschen aus anderen Teilen der Welt darüber zu reden: Wie kann man mit solchen ethnischen Konflikten - wohl eine der größten Herausforderungen unseres neuen Jahrhunderts - umgehen, ohne Gewalt auszuüben? - Was würden diese Kinder und

diejenigen, die in diesem Projekt arbeiten, wohl sagen, wenn sie dieser Debatte und - das sage ich jetzt als Sozialdemokrat - der arroganten Kritik von Teilen, die sich aus meiner Sicht zu Unrecht als Linke in Deutschland bezeichnen, zuhören würden?

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Was würden sie wohl glauben, wenn sie im Niedersächsischen Landtag säßen und feststellten: Da diskutieren die über eine angebliche Technikfaszination und Größenwahn bei der EXPO? - Die freuen sich darauf, hierher zu kommen!

Das Land Niedersachsen hat in Südafrika in Capetown eine Partnerschaft. Aus Warner Township kommen Jugendliche und Erwachsene hierher. Sie versuchen, mit minimalen Mitteln in eine andere Lebenssituation zu kommen, Ausbildung zu erhalten, zu lernen, wie man ein Land aufbaut. Sie sind außerordentlich dankbar dafür, dass sie das mit anderen Nationen Afrikas im kulturellen Austausch hier bei uns in Hannover machen können. Was empfinden die wohl, wenn Volkswagen das finanziert, um sie hierher zu bekommen, wenn Conti und viele andere große Unternehmen da mithelfen und dann hier angefangen wird zu teilen zwischen der industrialisierten Gesellschaft und der Hilfe für arme Nationen in der Welt? Für wie weltfremd würden sie uns halten, wenn wir eine solche Debatte führten?

Meine Damen und Herren, aus der ganzen Welt kommen Erwachsene, Kinder und Jugendliche hierher, weil eben auch im Zeitalter des Internet die Notwendigkeit besteht, face to face, von Angesicht zu Angesicht, Kulturen zu erleben und sich auszutauschen. Das ist die eigentliche Chance der EXPO. Es macht keinen Sinn, über Staus und Verkehrsprobleme zu diskutieren. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin froh über jeden Stau; es wäre schlimm, es gäbe keinen. Denn das zeigte, dass niemand kommt.

(Beifall bei der SPD)

Weil ich manche Debatten nicht ernst nehmen kann, lassen Sie mich auch einmal Folgendes sagen: Ich freue mich sogar über die Kritik der Grünen an der Bahn. Wer hätte denn gedacht, dass die, die vor kurzer Zeit noch gegen die EXPO waren, heute böse darüber sind, dass die Bahn die Menschen nicht schnell genug hierher bringt? - Das ist doch eine Entwicklung!

(Zustimmung bei der SPD - Heiterkeit bei der CDU)

Wenn Sie die Welt empfangen wollen und sozusagen die Lebensfreude vermitteln wollen, die die Menschen besitzen, wenn sie hierher kommen, dann müssen Sie diese Kritiken ertragen, Herr Kollege Wulff, und sie, sagen wir mal, eher mit dem Florett und mit dem Spiegel des Eulenspiegel beantworten und dürfen sie nicht - sagen wir mal in der Art und Weise des Nachkartens beantworten, mit Blick auf das, was vor fünf oder acht Jahren in Hannover von dem einen oder der anderen diskutiert worden ist.

Meine Damen und Herren, Kritiker gehören zur Welt, Kritik an Technik und Industriestaaten, Diskussionsfreude, übrigens auch Demonstrationen gehören zur Lebenswirklichkeit in allen Ländern dieser Erde. Wir sollten damit so umgehen, wie sich das für eine Weltausstellung gehört: auf internationalem Niveau, keinen Zweifel daran lassend, dass jeder bei uns willkommen ist, dass uns daran liegt, dass sich Menschen kennen lernen und dass sich unser Land mit dem, was es mit seinen Menschen leistet, präsentieren kann und Chancen besitzt, das nach der Weltausstellung für Arbeit und Ausbildung und übrigens auch für internationale Verständigung weiterzuentwickeln.

Ich darf Ihnen herzlich danken, Frau Breuel. Ich freue mich unglaublich auf das, was da passiert. Wenn wir als Politiker auch ein Exponat sind, dann können wir froh sein, dass wir nicht ständig bei Ihnen stattfinden. Alles Gute!

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Debatte ist damit beendet.

Es ist sofortige Abstimmung beantragt worden. Ein Antrag auf Ausschussüberweisung ist nicht gestellt. Wir stimmen daher zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 1611 und anschließend über den eingangs genannten Antrag in der Drucksache 1594 ab.

Wer also dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 1611 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.

- Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Das ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wer nunmehr dem Antrag in der Drucksache 1594 zustimmen möchte, also dem Antrag der Fraktionen von SPD und CDU, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Stimmenthaltungen? - Das ist mit großer Mehrheit so beschlossen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss dieser Debatte noch ein paar Sätze sagen. Ich glaube, dass ich in Ihrer aller Namen spreche - trotz unterschiedlicher Nuancen -, wenn ich sage: Ich wünsche uns, dass unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in Niedersachsen und im Raum Hannover optimistisch und fröhlich diese einmalige Chance ergreifen, die sich uns durch die EXPO bietet.

Unser Dank, Frau Breuel, gilt in diesem Zusammenhang vor allem Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich in den vergangenen Monaten, wie wir alle wissen - jedenfalls diejenigen, die sich darum bemüht haben -, in bewunderungswürdiger Art und Weise für das Gelingen dieser Ausstellung engagiert haben.

Sehr verehrte Frau Breuel, unser Dank gilt aber auch Ihnen persönlich. Ihrer Zielstrebigkeit und ich darf ganz persönlich hinzufügen - Ihrer bekannten Zähigkeit bei der Verfolgung eines Zieles ist es wesentlich zu verdanken, dass diese EXPO überhaupt stattfindet und nach meiner Überzeugung auch ein Erfolg werden wird. Die Art und Weise Ihres Engagements hat mich immer an eine bedeutende Politikerin erinnert, die einmal gesagt hat: Wenn du etwas gesagt haben willst, dann wende dich an einen Mann. Wenn du etwas getan haben willst, dann wende dich an eine Frau.

(Heiterkeit - Unruhe)

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen persönlich alles Gute, viel Erfolg

(anhaltende Unruhe)

- die Chauvinisten haben damit Probleme, Frau Breuel!

(Heiterkeit im ganzen Hause)

und vor allem die physische Kraft, die Sie in der nächsten Monaten brauchen, um diese EXPO dann auch zu einem endgültigen Erfolg werden zu lassen, was wir uns wünschen. Herzlichen Dank, dass Sie da waren. Alles Gute!

(Beifall im ganzen Hause - Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, wieder Platz zu nehmen, damit wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fortsetzen können. Wenn Sie die Unterhaltungen einstellen, geht das auch sehr schnell.