Meine Damen und Herren, über die Erkrankungen werden keine Aussagen gemacht, es gibt keine Antworten zu den Fragen 2 bis 5 in Abschnitt I. Auch hier werden die Probleme also verschleiert. So kann man mit Lehrerinnen und Lehrern nicht umgehen, und so kann man auch nicht mit dem riesigen Haushalt umgehen.
Es muss uns doch zu denken geben, wenn 59 % der Lehrer lange vor dem üblichen Pensionsalter wegen Dienstunfähigkeit ausscheiden, und das auch noch mit 56 Jahren. Das ist der Durchschnitt, der angegeben worden ist. Wenn Sie sich jetzt einmal die Situation anschauen, dass das Durchschnittsalter der Lehrkräfte 51 Jahre beträgt, dann sehen Sie die Sprengkraft, die in dieser Aussage steckt. Das muss uns doch umtreiben. Frau Minis
terin, über die Aussagen zum Durchschnittsalter der Lehrer an Schulen brauchen wir uns wohl nicht zu streiten, aber über die Dimensionen. Sagen Sie die richtigen Zahlen und nicht immer unterschiedliche.
- Es ist ja in Ordnung. - Ich habe Ihnen die Dimensionen aufgezeigt, und die Auswirkungen sind so dramatisch, dass wir uns damit befassen müssen.
Meine Damen und Herren, ich möchte gerne noch einen letzten Punkt ansprechen, nämlich die Frage des Arbeitsschutzes. Ich habe vorhin einige Dinge aus der Montessori-Schule angeführt. Im Bereich des Arbeitsschutzes werden den berufsbildenden Schulen ja höchste Gefährdungspotentiale attestiert. Die so genannten Arbeitsschutzausschüsse müssen an den Schulen mit mindestens 20 Beschäftigten eingerichtet werden. Es gibt sie an den berufsbildenden Schulen aber gar nicht oder so gut wie nie. Nehmen Sie die Situation der Sicherheitsbeauftragten für alle Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten. Die Personen müssen regelmäßig ausund fortgebildet werden. In Niedersachsen gibt es diese Sicherheitsbeauftragten an der berufsbildenden Schule nur ganz vereinzelt, allerdings fast ohne Aus- und Fortbildung. Die findet dort im Prinzip gar nicht statt. So könnte ich das aus der Praxis reihenweise ergänzen.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss noch ein kurzes Gedicht vorlesen, weil auch viele Lehrerinnen und Lehrer aus den Schulen in den Landtag gekommen sind und der Kultusausschuss nach Padua gereist ist.
(Frau Pothmer [GRÜNE]: Herr Klare, Gedichte müssen auswendig gelernt werden! Haben Sie das in der Schule nicht gehört?)
Sie schauten hier, sie schauten dort, fanden für jeden wohl das richtige Wort, indes nach vielerlei Mühsal und Plag‘ kam die Erkenntnis, woran es lag: Die Menschen dort in jenem Sonnenland
gehen mit dem Kopf nicht durch die Wand, vielmehr geht zur rechten Stunde von Hand zu Hand ein Schlückchen Grappa, das entspannt.
(Beifall bei der CDU - Meinhold [SPD]: Das ist ja unglaublich! Schnaps im Unterricht! Und Sie wa- ren einmal Schulrat!)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann das nicht in Reimform fortsetzen. Ich kann mich aber dem Gedanken, der am Ende geäußert wurde, nicht ganz verschließen.
Ich muss sagen, Frau Kollegin Litfin, dass ich weiß, dass Sie durchaus eine Ader haben, glossierend etwas darzustellen, die ich an anderer Stelle auch sehr schätze.
- Ja. An dieser Stelle schätze ich sie nicht so sehr, weil ich glaube, damit wird man dem Thema nicht gerecht.
Ich muss Ihnen sagen: Als ich nur die Anfrage gelesen habe, spürte ich auch ein solches Kribbeln, und es gingen mir eher satirische Bilder durch den Kopf als am Ende hoffentlich ordentliche Gedanken. Ich will das einmal belegen. Wenn man nur den ersten Satz der Großen Anfrage liest - darin geht es um Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung -, dann liest man, dass dort steht: „... werden... nach der Auffassung Betroffener sträflich vernachlässigt.“ Was mich daran irritiert, ist, dass ich sage: Meine Güte, das sind Betroffene.
Wenn es Betroffene sind, dann vergessen sie anscheinend, auch einmal selbst etwas zu unternehmen. Dazu fällt mir ein Bild ein, das Sie auch kennen: Meine Mutter ist doch selbst Schuld, wenn ich mich erkälte, weil sie mir keine Mütze aufgesetzt hat.
(Frau Litfin [GRÜNE]: Das ist ja auch die Sicht der Landesregierung: Die Schulen haben selbst Schuld und sol- len sich selbst herausziehen!)
Ich kann Ihre Ausführungen dazu auch zum Teil nachvollziehen. Ich sage Ihnen jetzt einmal - das können Sie nicht wissen -, vor welchem Hintergrund ich das kann: Ich war mehr als 20 Jahre lang Personalratsvorsitzender bei einer Gruppe von 240 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Ich meine, ich weiß schon, wovon ich da spreche.
Entgegen den in der Anfrage versteckten negativen Annahmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Kultusministerium nach meiner Auffassung sehr wohl § 73 des Arbeitssicherheitsgesetzes und § 96 der Arbeitsschutzrichtlinien umgesetzt. Die Ministerin hat dies gerade noch dargestellt. Insofern ist es dem Thema überhaupt nicht angemessen, von Chaos oder von Konzeptionslosigkeit zu reden. Allerdings ist es eine äußerst schwierige Aufgabe, die einzelnen Gesetzesanforderungen auf den Betrieb, den Arbeitsplatz Schule, der in Wirklichkeit kein echter Betrieb ist, auszurichten. Dies kann ich Ihnen aus meinem damaligen Tätigkeitsbereich nur bestätigen. Sie können nicht einen Betrieb, der sich produzierend betätigt, mit dem vergleichen, was in der Schule auch nach unseren Wünschen abläuft, und Sie können sich eben nicht nur auf das Bildungsziel beziehen, sondern müssen sich auch auf die Art und Weise beziehen, wie dieses Ziel erreicht werden soll.
Die Kultusministerin hat nochmals die fünf Projekte skizziert, die sie auch in der Anfrage vorgestellt hat. Sie sind zum Teil abgeschlossen und ausgewertet, zum Teil werden sie noch fortgeführt. Ich sehe es als wichtig an, wie auch in der Antwort beschrieben, dass die schrittweise Umsetzung in die Fläche erfolgt.
Ich möchte noch einmal auf das eingehen, was auch beschrieben, aber natürlich auch mehrfach von meinen Vorrednern benannt worden ist, auf die Komplexität des Arbeitsplatzes Schule. Wo Menschen mit Menschen umgehen, sind es natürlicherweise die psychosozialen Faktoren, die als
belastend empfunden werden können. In dieser Hinsicht unterscheidet sich eben der Betrieb Schule vom allgemeinen Verständnis eines Betriebes in den genannten Gesetzen. Meine Damen und Herren, Sie kennen das ja auch. Sie kennen Schulen mit problematischen Einzugsbereich und wundern sich, wie das Kollegium mit den wirklich schwierigen Kindern und den nicht sehr guten Bedingungen umgeht und tatsächlich noch Leistungen hervorbringt, die uns staunen lassen. Und Sie kennen andere Schulen mit eher günstigen Voraussetzungen, in denen es drunter und drüber geht.
An meiner pädagogischen Hochschule wurde Ende der 60er-Jahre noch die Didaktik und Methodik der exemplarischen Lehre unterrichtet. Gleichzeitig liefen im Fernsehen die „Sesamstraße“ und andere Serien an, mit der wunderbaren Folge für uns als Studenten, dass die mühsam vorbereiteten Übungen von den Kindern so verstanden wurden, dass sie das Ergebnis, da sie es schon kannten, vorweg nannten. Das heißt: Wir blieben im Grunde genommen ein Stück in der Oberflächlichkeit stecken.
Das erwähne ich deswegen, weil mir scheint, dass diese Oberflächlichkeit in den folgenden Jahren kultiviert wurde. Ich habe einer der letzten Ausgaben des „Spiegel“ entnommen, dass dies zu folgender Aussage eines Container-Insassen - Sie kennen dieses Projekt aus dem Fernsehen - führt, die vom Publikum noch mit Beifall bedacht wird: Ich bin stolz, dass ich nichts weiß. - Auch das entsteht ja daraus, wie wir mit Schule umgehen, was wir entwickeln und wie wir uns Schule vorstellen.
Ich darf in diesem Zusammenhang an Hartmut von Hentig erinnern. Von ihm gibt es einen kleinen Sammelband mit dem Titel „Was ist eine gute Schule?“, ein altes Stück aus den 70er-Jahren, schon nicht mehr käuflich zu erwerben. Darin führt er aus, die Schule solle das Spiegelbild der Gesellschaft sein, tatsächlich sei es aber eher so, dass die Gesellschaft ein Spiegelbild der Schule sei. Das ist ein Problem. Diese geringfügig veränderte Position innerhalb eines Bildes kennzeichnet durchaus das Problem, das sich im Wechselspiel zwischen Schule und Gesellschaft bis heute entwickelt hat und natürlich auch als belastend empfunden werden muss.
mechanistisch sieht, ein sehr empfindlicher Regelkreis. Wenn der Input überschritten wird, so führt dies zu einer Störung oder zu einer Vielzahl von Störungen und zu einem Kurzschluss.
- Da mir noch ein paar Minuten Redezeit zur Verfügung stehen, hoffe ich, ich komme so weit auch noch.
Ich skizziere diese Aspekte, um deutlich zu machen, dass das Burn-out-Syndrom, einer der zentralen Begriffe der Großen Anfrage, einen nicht überkommt wie eine infektiöse Krankheit. Der Prozess des innerlichen Ausbrennens ist an Bedingungen geknüpft, die analysiert und diskutiert werden können, die nach meiner Erfahrung im Beruf dann auch zu neuen, häufig erfolgreichen Synthesen führen - wenn man sie diskutiert.
Die Kollegin Litfin hat das Bild des eigenen Zopfes, an dem man sich aus dem Sumpf herausziehen kann, entwickelt. Das ist es eben nicht. Aber die Kräfte zur Veränderung innerhalb eines Kollegiums liegen durchaus in diesem Kollegium.
Um diesen Kern, um dieses Zerbrechen am und im Beruf, bewegt sich nach meiner Auffassung die insofern auch ernsthafte Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen, und wir erhalten in der Antwort ja auch eine Reihe von Daten, die das Bild erhellen können. Klar: Für den Fragenkomplex der Erkrankungen von Lehrkräften erhalten wir keine Antwort. Das ist auch im Zusammenhang mit den Fragen, die vorhin zum Krankenstand in den Schulen gestellt worden sind, deutlich geworden. Es war auch nicht zu erwarten, dass bereits jetzt die Antworten gegeben werden konnten. In der Antwort des Kultusministeriums steht, warum dies nicht möglich war. Ich gehe davon aus, dass wir gerade aus dem Projekt der Verlässlichen Grundschule Daten gewinnen, die natürlich auch nach und nach bekannt werden und aus denen wir Schlüsse ziehen können.
Ich will noch einmal auf die im zweiten Abschnitt genannte Frühpensionierung eingehen und lasse auch hier weg, dass die Frage eine Unterstellung beinhaltet. Es ist dargestellt worden, dass zwar die Zahl der Frühpensionierungen im Berichtszeitraum angestiegen ist, an anderer Stelle wurde aber gesagt, dass auch das Alter der Frühpensionierten angestiegen ist. Wenn wir über diese Frage ernsthaft reden wollen und nicht so, wie dies bisher geschehen ist, dann müssen wir die Zahlen einmal genauer anschauen und sie eben nicht mit der öffentlichen Verwaltung vergleichen, die ja vom Berufsfeld gar nicht vergleichbar ist. Wir müssen vielmehr mit Zahlen aus anderen Berufsfeldern vergleichen.
Sie kennen alle die Veröffentlichungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Wir bekommen alle regelmäßig diese kleine Schrift. Darin sind ja die Zahlen anderer Berufsfelder enthalten, die vielleicht von den Aufgaben her vergleichbar sind. Wenn man bei der Frühpensionierung von 56,6 Jahren ausgeht, sieht dort das Bild nicht besser aus. Dass der Prozentanteil - auch gegenüber Verwaltungen - sehr hoch ist, ist dargestellt worden. Es ist nachvollziehbar, dass Lehrer eben nur in Schulen einsetzbar sind und nicht, wie im allgemeinen Landesdienst, auch in anderen Dienststellen.
Gründe für eine Versetzung werden erst seit 1999 erfasst, sodass hierzu noch keine Daten genannt werden können. Aber hinsichtlich der Gründe müssten sich die Mitglieder des Kultusausschusses durch manche dort behandelte Eingabe an Aspekte erinnert fühlen, die an Kuriosität kaum zu übertreffen sind. Einen Fall, der mir in diesem Zusammenhang ständig präsent ist, möchte ich hier einmal wiedergeben: Ein Lehrer war nach seiner Versetzung nicht in der Lage, an einer Schule zu unterrichten, die von seiner alten Schule nur etwa 500 m entfernt war. Schließlich bescheinigte der Amtsarzt, dass diese neue Schule bei dem Lehrer Allergien auslöste, sodass er in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde. - Das habe ich nicht erfunden. Das stand so darin.
Ich sage: Da bleiben doch Fragen offen. Wenn jemand in Frühpension geschickt wird, geht es nicht nur um die Frage der Belastung.
Dann muss doch auch einmal gefragt werden: Wer stellt denn so etwas fest, und wer überprüft, wie jemand eingesetzt werden kann? Ich bin der Meinung, dass wir den Fragen aufgrund der Antworten nachgehen sollten und dass diese auch der Diskussion wert sind. Ich glaube auch, dass wir mit Hilfe der Kultusministerin zu weiteren vernünftigen Ergebnissen kommen werden.
Ich will die großen Bereiche der Belastungsfaktoren und des Gesundheitsschutzes nicht noch weiter vertiefen, finde aber die Aussagen, die zum Gesundheitsmanagement gemacht worden sind, sehr hilfreich und meine, sie sind unterstützenswert. Wir sollten das weiter begleiten.