Protokoll der Sitzung vom 13.09.2000

Meiner Meinung nach müssen wir zweigleisig fahren - auch Frau Merk hat es gesagt -: Änderung des § 4 der Anwerbestoppausnahmeverordnung und Veränderung der Arbeitssituation auf den Ostfriesischen Inseln zum Positiven hin. In diesem Sinne sollten wir weiter arbeiten. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat nun der Kollege Watermann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So ist das, wenn man als Letzter zu einem doch wichtigen Thema reden soll. Ich habe mir Spickpunkte aufgeschrieben und stelle nun fest, dass alle abgearbeitet sind. Im Sinne der Parlamentsreform könnte man nun sagen, dass man die Rede hier nun nicht mehr groß vortragen sollte.

(Frau Ortgies [CDU]: Dann lasse es doch! Setze dich hin!)

Ich möchte aber dennoch einige kleine Ergänzungen machen, die ich aus meiner Sicht für wichtig halte. Ich möchte Dank sagen all denjenigen, die sich in der Vergangenheit für die Bewältigung dieses Problem eingesetzt haben. Ich kann hier feststellen, dass die Inseln durchaus eine große Lobby haben. Vom Bundespräsidenten über den Ministerpräsidenten bis zur Ministerin haben sich alle sehr intensiv damit beschäftigt. Meiner Meinung nach sollten wir - ich finde, dass ist auch eine wichtige Stoßrichtung - neben der gemeinsam angestrebten Änderung des § 4 auch das sehr ernst nehmen, was eben in dem Redebeitrag deutlich geworden ist. Ich denke hier an die Frage, ob es möglich ist, die Arbeits- oder auch die Wohnbedingungen für diejenigen Leute, die sowohl auf

dem Festland als auch auf den Inseln, wenn sie dort arbeiten, Wohnraum vorhalten müssen, zu verbessern. Ich meine, dass wir einer in der Anhörung aufgeworfenen sehr interessanten Frage - ich habe mir das heute noch einmal angeguckt - nachgehen müssen und dieser Sache keinen Vorschub leisten dürfen. Diejenigen Betriebe, die legal beschäftigen, bedürfen unserer Unterstützung. Wir müssen aber auch sehr deutlich sagen, dass diejenigen, die hier illegal vorgehen, nicht unsere Unterstützung bekommen können. In der Anhörung ist sehr deutlich gesagt worden, dass es sehr viele Betriebe gibt, die ganz gezielt illegal beschäftigen. Meiner Meinung nach müssen wir als Landtag deutlich sagen, dass wir uns für eine Förderung der legalen Beschäftigung und eine Verbesserung der Bedingungen einsetzen. Wir müssen aber auch ganz deutlich sagen: Illegalität wird von uns nicht toleriert und darf auch nicht toleriert werden. Wenn wir in den Ausschussberatungen in diesem Sinne vorgehen, werden wir meiner Einschätzung nach für die Inseln und die Urlauber Lösungen finden, die zu aller Zufriedenheit sind. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung

Wir kommen zur Ausschussüberweisung des Antrags. Mit ihm sollen sich federführend befassen der Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen und mitberatend die Ausschüsse für Freizeit, Tourismus und Heilbäderwesen, für innere Verwaltung, für Wirtschaft und Verkehr sowie für Gleichberechtigung und Frauenfragen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Das ist so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 18:

Tagesordnungspunkt 18: Besprechung: Chancengleichheit und Frauenförderung in Wissenschaft und Forschung in Niedersachsen - Große Anfrage der Fraktion der SPD Drs. 14/1434 - Antwort der Landesregierung Drs. 14/1791

Das Wort hat Frau Dr. Andretta.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu Beginn einen kurzen Blick in die Geschichte: Vor genau 100 Jahren geschah etwas für damalige Verhältnisse Unerhörtes. Der Studentin Johanna Kappes gelang, was heute Normalität ist und keines weiteren Gedankens zu lohnen scheint: Als erste Frau konnte sie sich an einer deutschen Hochschule immatrikulieren. Es war eine kleine Revolution, die sich damals in Freiburg ereignete. Immerhin wies der Leipziger Neurologe Paul Möbius im gleichen Jahr den „physiologischen Schwachsinn des Weibes“ nach. Und noch 1905 schickten Göttinger Professoren ein Schreiben an den preußischen Kultusminister, in dem es hieß:

„Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass die Immatrikulation von Frauen ein gefährliches und in seinen Wirkungen unübersehliches Experiment ist, geeignet die deutschen Universitäten aufs Tiefste zu schädigen.“

100 Jahre nach Johanna Kappes sind an unseren Hochschulen 47,4 % der Studierenden weiblich. 1998 haben sich erstmals mehr junge Frauen als Männer an niedersächsischen Universitäten eingeschrieben.

Beim wissenschaftlichen Personal dagegen - wir wissen das - fällt die Bilanz weniger positiv aus. Insbesondere der Anteil der Professorinnen wächst nur im Schneckentempo - kein Wunder, haben wir es bei den Hochschulen doch mit einem Bereich zu tun, den die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, in frauenpolitischer Hinsicht als die zurückgebliebenste aller Provinzen bezeichnet. - Dies als Vorbemerkung, um einen Maßstab zu haben, von dem aus wir die Fortschritte betrachten.

Dass es Fortschritte in Niedersachsen gibt, belegt die ausführliche Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage. Für deren zügige Bearbeitung und das instruktive Material möchte sich meine Fraktion bei den Bearbeiterinnen und Bearbeitern der großen Anfrage herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD)

Was sind die wichtigsten Fortschritte bei der Verbesserung der Chancen für Frauen, die wir in den 90er-Jahren erreicht haben? - Zwei möchte ich herausstellen:

Erstens: Lag der Frauenanteil an den Professuren 1990 noch bei 4,6 %, so sind es 1998 schon 9,4 % gewesen. Besonders ermutigend ist der Anstieg der Neuberufungen: 1999 wurde an unseren Universitäten jede vierte Professur an eine Frau vergeben. An Fachhochschulen lag der Anteil mit 29 % sogar noch höher. Damit nehmen wir in Niedersachsen eine Spitzenposition ein. Wir alle wissen, dass ohne die hartnäckige Arbeit der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten dieses Ergebnis nicht zustande gekommen wäre. Ihnen herzlichen Dank.

Niedersachsen ist nicht nur vorbildlich bei Berufungen, sondern auch, wenn es um die Schaffung struktureller Rahmenbedingungen zur Herstellung von Chancengleichheit geht. Seit 1992 sind flächendeckend Frauenbüros an unseren Hochschulen eingerichtet worden. Das NHG sichert den Frauenbeauftragten umfassende Informations- und Beteiligungsrechte. Bis auf die Universität Lüneburg haben alle Hochschulen Frauenförderrichtlinien verabschiedet.

Bei allem Fortschritt zeigen die Zahlen aber auch, dass nach wie vor großer Handlungsbedarf besteht und wir von gleichen Chancen noch sehr weit entfernt sind. Zwei Schwerpunkte unserer Anstrengungen möchte ich nennen:

Erstens die Nachwuchsförderung. Mit dem anstehenden Generationswechsel an den Hochschulen eröffnet sich die große Chance, in relativ kurzer Zeit viele Frauen auf Lehrstühle zu bringen. Damit diese Chance nicht vertan wird, müssen wir die Studentinnen von heute zu einer wissenschaftlichen Karriere ermutigen.

Herr Minister Oppermann hat die Messlatte hoch gelegt: Im Jahr 2005 sollen 25 % der Professuren in Niedersachsen mit Frauen besetzt sein. Es gibt also einiges zu tun. Wir freuen uns, dass die Landesregierung das erfolgreiche Dorothea-ErxlebenProgramm fortsetzen wird. Sonderprogramme für Frauen sind notwendig, reichen aber nicht aus. Deshalb haben sich die Länder verpflichtet, personengebundene Förderprogramme im Rahmen der HSP-Nachfolgeaktivitäten mit einer 40 %-Quote für Frauen zu versehen. Wie bitter nötig das ist, zeigt das Beispiel des Emmy-Noether-Programms der DFG zur Förderung exzellenter Nachwuchswissenschaftler. In seiner Startphase lag der Frauenanteil bei gerade einmal 20 %.

Aber auch die besten Nachwuchsprogramme greifen nur - das ist meine tiefe Überzeugung -, wenn

sich an den Universitäten selbst etwas ändert. Ich denke hier vor allem an die Abschaffung der Habilitation, die nachweislich größte Hürde für Hochschulkarrieren von Frauen. Der Wissenschaftsrat hält sie für eine gezielte Entmutigung der Frauen.

Ich denke aber auch an das antiquierte Leitbild des Wissenschaftlers. Der traditionelle Typus des Wissenschaftlers im deutschen Wissenschaftsmodell war und ist geprägt durch die Vorstellung einer den ganzen Menschen umfassenden, ausschließlichen Hingabe an die Wissenschaft - Zeit für Familie oder sogar Babypausen kommen dabei nicht vor. Ein solches Leitbild verfehlt nicht nur die Lebensrealität von Frauen und Männern, es ist auch nicht so sonderlich attraktiv.

Ein zweiter Schwerpunkt unserer Anstrengungen muss die Öffnung der naturwissenschaftlichen Disziplinen für Frauen sein. Hier gibt es für Studentinnen nur wenige weibliche Vorbilder. Wir wissen: Die Weichen dafür müssen schon sehr früh in der Schule gestellt werden. Spezielle Förderprogramme sind notwendig.

Die Landesregierung hat bereits Initiativen ergriffen: Beispielhaft nennen möchte ich das Modellprojekt „Technik zum Begreifen - speziell für junge Frauen“ an der TU Braunschweig oder das neue Mentoringprogramm für naturwissenschaftlich-technische Studiengänge. Als Erfolgsmodell hat sich auch die Einrichtung von Frauenstudiengängen erwiesen. Vorreiter war vor drei Jahren die damalige Fachhochschule Wilhelmshaven, die als erste deutsche Hochschule im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen ein Studienangebot nur für Frauen eingerichtet hat. Andere Hochschulen sind inzwischen gefolgt, zuletzt auch die Fachhochschule Hannover.

Natürlich brauchen wir auch in Zukunft weiterhin Frauenforschung an unseren Hochschulen. An zehn unserer 19 Hochschulen gibt es bereits Professuren zur Frauenforschung. Weitere müssen folgen; denn Frauenforschung ist Wissenschaftskritik. Wie richtig diese These der Frauenforschungskommission in Niedersachsen immer noch ist, können wir zurzeit auf der Internationalen Frauenuniversität im Rahmen der EXPO erleben.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, Ihnen ist deutlich geworden: Frauenförderung ist keine Reservatspolitik für bedrohte Arten. Es geht um nichts weniger als um eine Modernisierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unserer

Hochschulen - in Niedersachsen und in ganz Deutschland.

In der internationalen Debatte ist dieser Aspekt von Frauenförderung längst erkannt worden. Im kürzlich von der EU vorgelegten ETAN-Bericht (European Technology Assessment Network on women and science) wird ausdrücklich festgestellt, dass die Unterrepräsentanz von Frauen das Ziel der Wissenschaft, Exzellenz zu erreichen, bedroht und darüber hinaus eine Verschwendung von Ressourcen darstellt. Kritisiert werden vor allem die gängigen Einstellungs- und Begutachtungsverfahren, wo keineswegs immer die Besten durchkommen. Auch bei uns berichten Frauenbeauftragte, dass Berufungsverfahren oft wenig transparent seien und Ausschlussmechanismen im Hinblick auf Frauen immer subtiler würden, insbesondere wenn es um die Bewertung von Leistungen geht.

Im ETAN-Bericht wird ein ganzes Bündel von Empfehlungen gegeben, wie die Unterrepräsentanz von Frauen abgebaut werden kann. Unter anderem wird vorgeschlagen, dass Gremien, die über öffentliche Forschungsgelder und Forschungsthemen entscheiden - bei uns z. B. das Kuratorium der VW-Stiftung oder der Senat der DFG - quotiert werden können - eine 30 %-Quote bis 2002, 40 % bis 2005. Ich meine, darüber lohnt es sich nachzudenken.

(Beifall bei der SPD)

Angesichts des Wettbewerbsdrucks, der auf den Hochschulen lastet, können wir es uns nicht länger leisten, den Fortschritt als Schnecke wandern zu lassen. Um nicht weitere 100 Jahre ins Land gehen zu lassen, bis Frauen gleiche Chancen in Forschung und Wissenschaft haben, müssen wir mehrere Strategien gleichzeitig verfolgen. Das heißt, auch in Zukunft werden wir auf gesetzliche Regelungen zur Verbesserung der Chancengleichheit nicht verzichten können. Wir werden auch in Zukunft Frauenbeauftragte mit umfangreichen Rechten ausstatten müssen, sodass sie ihre Aufgabe als Kontrollinstanz wirksam wahrnehmen können.

Aber machen wir uns nichts vor: Ein wirklicher Fortschritt kann nur erreicht werden, wenn die Hochschulen und ihre Fakultäten aus eigener Motivation und ureigenem Interesse heraus Gleichstellungspolitik betreiben.

Dieses Eigeninteresse können wir fördern. Da erfahrungsgemäß gutes Zureden allein wenig nützt, sollten derartige Appelle mit handfesten Vorteilen

für diejenigen verbunden sein, die erfolgreich in der Frauenförderung sind, und mit Nachteilen für diejenigen, die sich der Aufgabe entziehen.

In Niedersachsen haben wir ein solches Anreizsystem an den Fachhochschulen bereits umgesetzt. Mit der Einführung der Globalhaushalte zum 1. Januar 1999 wird ein Teil der Mittel an deren Beitrag zur Gleichstellung gekoppelt. Das Ministerium prüft derzeit, ob ein ähnliches Anreizsystem im Bereich der Universitäten geschaffen werden kann.

Aber auch Ziel- und Leistungsvereinbarungen können als Instrument zur Erreichung von Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre eingesetzt werden. Eine gute Grundlage hierfür das zeigen einige Universitäten - bieten Frauenförderpläne, die als Teil der Entwicklungsplanung der Hochschule aufzustellen sind.

Unser Ziel ist, dass sich die Hochschulen Chancengleichheit so zur ureigenen Aufgabe machen, dass Frauenbeauftragte überflüssig werden und junge Frauen selbstbewusst und selbstverständlich wissenschaftliche Karrieren anstreben - als Mathematikerinnen, Germanistinnen und Ingenieurinnen.

Auch die anstehende Reform des Niedersächsischen Hochschulgesetzes bietet die Chance, in diesem Sinne einen großen Schritt nach vorne zu machen. Wir, die SPD-Fraktion, werden diese Chance nutzen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Vogelsang hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die praktische Frauenförderung der Landesregierung stagniert und sinkt sogar durch die Kürzung von Haushaltsansätzen, durch die Einführung der Verwaltungsreform und die Ausweisung von Globalhaushalten. Die Frauenpolitik der SPD beschränkt sich aber darauf, diese Missstände dadurch zu überdecken, dass sie in Großen Anfragen der Regierung eine Plattform zur Selbstbeweihräucherung und Darstellung des Ist-Bestandes sowie zur Unterschlagung der Mängel bietet.

Vor zehn Monaten haben wir das Gleiche mit einer Großen Anfrage zum Thema „Maßnahmen der Landesregierung zur Förderung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt“ erlebt. Heute erleben wir das im Hochschulbereich.

Meine Damen und Herren, wenn Sie die Antwort durchgelesen haben, werden Sie gesehen haben, dass eine Vielzahl der von der SPD-Fraktion an die Landesregierung gestellten 59 Fragen derart oberflächlich beantwortet worden sind,

(Frau Leuschner [SPD]: Das stimmt überhaupt nicht! - Dr. Domröse [SPD]: Es bleibt Ihnen doch unbe- nommen, tiefergehende Fragen zu stellen, Frau Vogelsang! Ich freue mich darauf!)

dass man eigentlich eine ganze Stunde bräuchte, um sie im Einzelnen auseinander zu nehmen.