Protokoll der Sitzung vom 11.10.2000

(Klein [GRÜNE]: Aha! - Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Im Kern war das Anliegen - vielleicht äußert sich Herr Minister Bartels auch noch dazu - gar nicht strittig. Es war nur so, dass man den Antragstellern den Erfolg nicht gönnen wollte.

Ihr Argument, dass in den neuen Ländern hiermit ein Missbrauch betrieben würde, trifft so auch nicht zu; denn die neuen Länder sind, wenn sie denn interessiert sind, ausschließlich an der Übertragung dieser Möglichkeit auch auf landwirtschaftliche Arbeitnehmer interessiert, weil sie davon noch reichlich haben. Es gibt dort aber relativ wenige selbständige Existenzen, für die eine solche Regelung über den Vorruhestand eine gewisse Erleichterung bedeutete.

Wir können also eigentlich nur bedauern, dass die Mehrheit diesen Antrag, der im Grunde ein Arbeitsauftrag sein sollte, ablehnt. Dabei wage ich die Prognose - mit Prognosen sollte man vorsichtig sein - bzw. wäre nicht überrascht, wenn wir als Ergebnis des Fortgangs der Überlegungen, die ja jetzt auch in anderen Regionen angestellt werden, diesen Antrag, dann allerdings mit einem anderen Autor, bald wiedersehen werden.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat sich der Kollege Brauns zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag zur Neuauflage der Produktionsaufgaberente, Herr Oestmann, ist zurzeit in der Tat nicht umsetzbar. Der Neueinstieg würde jährlich 400 Millionen DM kosten.

(Oestmann [CDU]: Worauf begrün- den Sie diese Annahme? - Jahn [CDU]: Wie kommen die denn zu- sammen?)

In Anbetracht der knappen finanziellen Ressourcen wäre das in der Tat nicht zu verwirklichen. Gerade aus diesem Grund hat die alte Bundesregierung die Zahlung der Produktionsaufgaberente im Jahre 1996 aufgegeben.

In den letzten Jahren hat es im Rahmen der Agrarministerkonferenzen - das räume ich gern ein immer wieder Gespräche über die Neuauflage der Produktionsaufgaberente gegeben. Fast alle Länder einschließlich des Bundes haben sich aber dagegen ausgesprochen.

Meine Damen und Herren, zwei Drittel des Agrarhaushalt des Bundes werden für soziale Leistungen in der Landwirtschaft ausgegeben. Hinzu kommen die Landesanteile. Ein Drittel des Agrarhaushalts wird für die Förderung der Landwirtschaft investiert. Das brauchen wir dringend, um die zukunftsorientierten Anpassungs- und Umstellungsprozesse zu begleiten.

(Ehlen [CDU]: Herr Oestmann hat doch erläutert, wie wir uns das ge- dacht haben!)

Eine Aufstockung des Agrarhaushalts ist in Anbetracht der allgemeinen Finanzlage des Bundes und der Länder nicht möglich.

Wir sind dafür, dass die vorhandenen knappen Ressourcen für die Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume verwendet werden. Die Landwirtschaft muss fit gemacht werden für die großen Herausforderungen der Zukunft.

(Zurufe von der CDU: Ja!)

Das sind die Umsetzung der Agenda 2000,

(Ehlen [CDU]: Das ist eine Aufwer- tung der Agenda!)

die bevorstehenden WTO-Verhandlungen und Globalisierung der Weltmärkte.

Wir alle wissen, dass sich die Landwirtschaft in einer Umorientierungsphase befindet. Daher ist es wichtig, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen. Die Landesregierung und das Landwirtschaftsministerium kommen ihrer wichtigen Aufgabe, den Umstrukturierungsprozess zu begleiten, durch flankierende Maßnahmen nach. Dazu gehört ganz aktuell das Programm zur Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums (PRO- LAND). Mit diesem Programm werden entscheidende Impulse für den Erhalt und die Weiterentwicklung des ländlichen Raums - dazu gehören insbesondere die Landwirtschaft und hier auch die kleineren und mittleren Betriebe - gesetzt. Für dieses Programm stehen in den Jahren 2000 bis 2006 3 Milliarden DM zur Verfügung. Damit konnten die europäischen Strukturmittel für Niedersachsen verdoppelt werden. Ich meine, Herr Oestmann, das ist ganz wichtig; sonst hätten wir noch weniger Geld für die Landwirtschaft.

(Ehlen [CDU]: Und was macht ihr für die ausscheidenden Betriebe?)

Nach der derzeitigen Finanzierungsplanung für PROLAND sind in den Jahren 2000 bis 2006 jährlich rund 133 Millionen DM an GA-Mitteln vorgesehen. Wir sind davon überzeugt, dass dieses Programm eine gute Grundlage für den Erhalt unserer Landwirtschaft ist.

(Ehlen [CDU]: Thema verfehlt!)

Besonders herauszustellen ist, dass die Gebietskulisse nicht beschränkt wird und damit eine große Bandbreite an Fördermöglichkeiten zur Unterstützung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums angeboten wird.

Meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, dass die Umsetzung des Programms PROLAND für die Landwirtschaft richtig und wichtiger ist als die Neuauflage der Produktionsaufgaberente.

(Zustimmung bei der SPD)

Beide Programme zusammen wären einfach nicht finanzierbar; es sei denn, meine Damen und Herren von der CDU, Sie zauberten einen Finanzierungsvorschlag aus dem Hut. Dann wäre das eine gute, runde Sache, über die wir diskutieren könnten. Konkrete Vorschläge dazu sind in den Sitzungen des Landwirtschaftsausschusses aber nicht gemacht worden.

(Zuruf von Ehlen [CDU])

- Wir können den Agrarhaushalt ja nicht unendlich ausdehnen, lieber Kollege Ehlen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich möchte von der CDU gern wissen,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

ob sie den schnellen Ausstieg unserer Landwirtschaft will oder ob wir nicht gemeinsam versuchen sollten, möglichst viele Betriebe zu erhalten.

Bei der Diskussion über die Umsetzung der Agenda 2000 in Niedersachsen - Sie erinnern sich haben Sie den zunehmenden Strukturwandel selbst beklagt, und mit dem vorliegenden Antrag fordern Sie jetzt die Neuauflage der Produktionsaufgaberente, durch die der Strukturwandel natürlich außerordentlich beschleunigt werden würde.

(Ehlen [CDU]: Wir wollen euern Blödsinn nur bessern!)

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass die finanziellen Rahmenbedingungen so sind, wie sie sind. Es gibt zurzeit keine Spielräume. Selbst dann, wenn man eine Kofinanzierung durch die EU in Betracht zöge, ließe die notwendige Haushaltssanierung beim Bund ein derartiges Programm gar nicht zu.

Des Weiteren ist festzustellen, dass die EU-Mittel für die Entwicklung der ländlichen Räume mit dem Programm PROLAND vollständig verplant sind, sodass wir von der EU überhaupt keine Mittel mehr zu erwarten haben. Auch kann das Programm nicht aufgeschnürt werden, wobei wir dies auch gar nicht wünschen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Der vorliegende Antrag ist wegen der aufgezeigten engen Spielräume zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht umsetzbar. Deshalb lehnen wir den Antrag ab. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nunmehr der Herr Landwirtschaftsminister Bartels.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich bei der Vorbereitung auf diesen Tagesordnungspunkt gefragt, wer sich wohl heute aus der CDU-Fraktion herauswagt, um diesen Antrag zu vertreten. Ich bin relativ schnell auf Herrn Oestmann gekommen, weil der ganz gut in der Analyse ist. Aber das war es dann auch. Darüber hinaus gab es nichts außer dem, was Sie uns bei der Einbringung des Antrags ohnehin bereits vorgetragen haben. Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass wir als Land nicht für sozialpolitische Maßnahmen im Agrarbereich zuständig sind.

(Zuruf von Oestmann [CDU])

Dies ist nicht unsere Aufgabe. Bei dem FELEG ist, Herr Oestmann, auf die damalige Bundesregierung hinzuweisen. Sie kommen nicht daran vorbei, dass Ihre Bundesregierung 1996 beschlossen hat, das FELEG einzustellen, weil für diese Maßnahme in Abwägung aller anderen Aufgaben keine Mittel verfügbar waren. Das bedeutet, dass man bundesweit 400 Millionen DM aufwenden müsste, um diese Aufgabe wieder aufleben zu lassen.

(Weiterer Zuruf von Oestmann [CDU])

Herr Oestmann versucht heute wieder, ein Szenario zu beschreiben und den Eindruck zu erwecken, als hätten wir es mit einer völlig neuen Lage in der Landwirtschaft zu tun,

(Hoppenbrock [CDU]: Recht hat er! Das stimmt ja auch!)

die begründen könnte, dass wir zu dieser Maßnahme gezwungen werden. Herr Oestmann, der Strukturwandel, den Sie beschrieben haben, ist zwar richtig dargestellt, aber er ist nicht neu - auch nicht in der Dramatik. Richtig ist auch, dass es zurzeit eher ein Bekenntnis im politischen Raum gibt, dass er gewollt ist. Das ist richtig. Das ist eine neue Qualität. Dies ändert aber nichts an dem Faktum, dass es den Strukturwandel gegeben hat und auch weiter geben wird. Insofern ist es keine neue Situation, die uns veranlassen müsste, auf diesem Felde neu zu handeln.

Richtig ist auch, meine Damen und Herren, dass ein großer Teil der Betriebe sozusagen unterhalb der Sozialhilfeschwelle wirtschaftet und lebt. Auch

das ist nichts Neues. Schauen Sie in die Statistiken. Das hat es bedauerlicherweise trotz aller agrarpolitischen Kredos, die wir alle geäußert haben, in der Vergangenheit immer gegeben. Auch das ist kein neuer Grund, diese Aufgabe jetzt mit 400 Millionen DM neu anzugehen.

Insofern ist die Frage, die sich bei Ihnen zwangsläufig stellen muss, wenn Sie diese Aufgabe als dringlich ansehen, die Sie aber bisher nicht beantwortet haben: Wie wollen Sie diese Aufgabe finanzieren, woher nehmen Sie die Mittel? Sie haben damals bei der Beratung darauf hingewiesen, man könne die EU-Kofinanzierung als Hilfestellung nutzen. Herr Abgeordneter Klein, aber auch Herr Brauns haben eben deutlich gemacht, dass es nur in einem ganz minimalen Umfang möglich ist. Das bringt uns faktisch nicht die EU-Million in unsere Kasse, die benötigt wird, um die Aufgabe zu finanzieren.

Sie haben eben eine andere Finanzquelle angedeutet, nämlich aus vorhandenen Mitteln umzuschichten. Bitte sagen Sie, an welcher Stelle Sie bei PROLAND für diese Maßnahme umschichten wollen.

Ich sage ebenso wie die SPD-Fraktion - wie es auch die Fraktion der Grünen heute deutlich gemacht hat -: Wir haben uns für einen anderen Weg entschieden. Wir müssen alle Kräfte und Mittel bündeln, um unsere Landwirtschaft, die einem gnadenlosen Wettbewerb ausgesetzt ist, wettbewerbs- und zukunftsfähig zu machen. Daran hängen allein 170.000 Arbeitsplätze in der Urproduktion, hinzukommt das Vierfache im verarbeitenden Gewerbe. Das ist eine große Aufgabe, die sich uns stellt. Wir wollen diese Aufgabe annehmen. Dass wir das nicht ohne Erfolg tun, zeigen weiß Gott die Statistiken, die wir immer wieder vorlegen können. Dass Sie sie akzeptieren, entnehme ich auch Ihren Anträgen, wenn Sie - wie wir auch - mit Stolz und zu Recht immer wieder darauf abheben, dass Niedersachsen das Agrarland Nummer eins ist. Das soll es mit unserer Politik auch in Zukunft bleiben. - Danke schön.