Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

die InterRegio-Gesellschaft eigentlich wahrnehmen soll.

(Ontijd [CDU]: Darüber kann man doch reden!)

Soll diese Gesellschaft ausschließlich Fernverkehre konzipieren oder auch finanzieren? - Dafür, meine Damen und Herren von den Grünen, brauchen wir eine solche Gesellschaft nicht; denn wir haben eine Landesnahverkehrsgesellschaft. Die kann das sehr gut.

(Ontijd [CDU]: Darüber kann man re- den!)

Wir brauchen keine zweite Gesellschaft. Die wollen wir auch nicht.

Es könnten natürlich auch andere Aufgaben sein. Es könnte sein, dass diese InterRegio-Gesellschaft InterRegio-Verkehr betreiben soll. Aber dazu besteht kein Handlungsbedarf; denn es gibt, wie wir alle wissen, genug nationale und internationale Eisenbahngesellschaften, die solche Verkehre bei uns anbieten und die das machen könnten. Dazu brauchen wir nicht von Landesseite aus eine eigene Gesellschaft zu gründen. Die erfolgreiche Ausschreibung unseres Teilnetzes Weser-Ems hat dies ja auch bestätigt.

Also: Das Problem beim InterRegio-Verkehr ist nicht mangelndes Know-how wegen fehlender Gesellschaften, auch nicht fehlender Wettbewerb unter den Anbietern, sondern das eigentliche Problem ist ganz schlicht die Finanzierung des Fernverkehrs. Das ist das eigentliche Thema, um das es geht, und dazu brauchen wir nicht eine neue InterRegio-Gesellschaft.

Wie sind der Fernverkehr und die Finanzierung des Fernverkehrs bisher geregelt? - Wir haben die Bahnstrukturreform gehabt. Im Zuge der Bahnstrukturreform ist in Artikel 87 Grundgesetz festgeschrieben worden, dass der Bund Leistungen im gemeinwohlorientierten Fernverkehr sicherzustellen hat. Wir wissen seit der letzten Verkehrsministerkonferenz leider, dass der Bund das Gemeinwohl durch die von der Deutschen Bahn AG geplanten Einsparungen nicht tangiert sieht.

(Fischer [CDU]: Das ist manchmal mehr „gemein“ als „wohl“!)

Folglich will er auch die Mittel dafür nicht bereitstellen.

Hier, meine Damen und Herren von den Grünen, ist eigentlich der Ansatzpunkt, an dem Sie etwas tun sollten. Da sollten Sie Ihre Parteifreunde in Berlin drängen,

(Zuruf von der SPD: Genau! - Frau Steiner [GRÜNE]: Die drängen schon die ganze Zeit! - Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

auf der Ebene der Bundesregierung etwas zu tun, um den InterRegio-Verkehr zu retten.

(Zustimmung von Plaue [SPD])

Das heißt: Der Bundesverkehrsminister muss mehr Geld bereitstellen,

(Ontijd [CDU]: Ja!)

um der Gemeinwohlverpflichtung des Bundes im Fernverkehr ausreichend nachzukommen.

(Wenzel [GRÜNE]: Die Frage ist nur, wer seine Parteifreunde drängen muss!)

Herr Dinkla, vielleicht zu Ihrer Überraschung: Ich habe das nicht zum ersten Mal gesagt; Sie haben das bisher wahrscheinlich nicht wahrnehmen wollen. Ich sage es noch einmal, und ich hoffe, dass Sie es jetzt wahrnehmen,

(Beckmann [SPD]: Er hat die Rede vom letzten Mal wieder gehalten!)

nämlich dass wir in dieser Frage eine durchaus kritische Position gegenüber der Bundesregierung haben.

(Heineking [CDU]: Aber dann ganz deutlich machen!)

Das ist auch deutlich zum Ausdruck gekommen, schon bei Diskussionen hier, aber auch bei der letzten Verkehrsministerkonferenz,

(Ontijd [CDU]: Das muss in Berlin deutlich gemacht werden!)

auf der alle Länder unisono gegenüber dem Bund eine einheitliche Position bezogen haben.

Da Sie, Herr Dinkla, gesagt haben, dass gerade Niedersachsen davon betroffen ist, wiederhole ich das, was ich schon in einer früheren Debatte gesagt habe: Wir kommen bei diesen ganzen Streichungsvorschlägen noch relativ glimpflich davon.

(Ontijd [CDU]: Ach nein?! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Entschuldigen Sie! Ich weiß, dass es wehtut, wenn man sich mit den Fakten auseinandersetzen muss. Aber es ist nun einmal so:

(Frau Pruin [CDU]: Einmal nach Ost- friesland fahren!)

Bei uns geht es um rund 5 % der Leistungen. In Mecklenburg-Vorpommern waren es mehr als 60 %. Das ist jetzt auf 50 % reduziert worden, aber das ist natürlich eine ganz andere Dimension als bei uns. Ich will das hier nur einmal richtig stellen. Das ist ein bundesweites Problem, von dem Niedersachsen im Vergleich zu anderen Ländern nur relativ wenig tangiert ist. Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis!

(Ontijd [CDU]: Die gesamte Küste! Der gesamte Nordwesten ist tangiert! - Frau Pruin [CDU]: Fahren Sie gleich einmal nach Leer! Dann wissen Sie es!)

Nun zurück zu dem Antrag von Ihnen, Frau Steiner. Die Punkte in der Begründung des Antrags sind ja durchaus zutreffend, aber Sie sollten daraus nicht die falschen Schlüsse ziehen. Meiner Ansicht nach wäre die Gründung einer InterRegio-Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt geradezu kontraproduktiv. Es wäre nämlich fatal, wenn als Konsequenz aus dieser Situation das Land sozusagen als Ventil verstanden wird, das den Fernverkehr retten soll, wenn der Bund ihn nicht mehr machen will. Zwar könnten wir das heutige Verkehrsangebot sichern, wenn wir wollten. Aber - im wahrsten Sinne des Wortes - um welchen Preis? Weil der Bund zusätzliches Geld nicht bereitstellt, müssten die Länder die Kosten für diese zusätzlichen Verkehre tragen. Herr Wenzel hat hier schon einmal gesagt, das wären Kosten in Höhe von rund 200 Millionen DM pro Jahr. Ich halte das noch für zu tief gegriffen. Das sollen wir einfach so bezahlen. Das kommt natürlich nicht infrage; denn wir können es nicht zulassen, dass diese zusätzlichen Kosten auf die Länder abgewälzt werden.

(Fischer [CDU]: Es werden uns doch Mittel vorenthalten!)

Wir können auch nicht einer Änderung der Bahnstrukturreform sozusagen durch die Hintertür zustimmen. Das geht auf keinen Fall. Ich sage noch einmal: Alle Länder sind sich in diesem

Punkt einig. Alle Länder werden da einheitlich agieren.

Ein zweites Argument. Neben den jetzt akut geplanten Einschränkungen hat die Bahn AG für 2003 schon eine weitere Überprüfung des InterRegio-Netzes angekündigt. In der augenblicklichen Situation wäre es politisch geradezu töricht, wenn durch vom Land finanzierte zusätzliche Nahverkehrszüge dieser InterRegio-Verkehr jetzt kompensiert werden sollte; denn damit würden wir genau das tun, was wir gemeinsam verhindern wollen: Wir würden weitere Einschränkungen im Fernverkehr provozieren. Das wäre die Folge dessen, was Sie uns hier beschließen lassen wollen.

Wie steht es denn nun auch mit den Leistungen, die noch nicht einmal unwirtschaftlich sind, mit denen das Renditeziel der Bahn aber nicht erreicht wird? Auch deswegen sollen ja Strecken zur Disposition gestellt werden. Sollen wir auch solche Leistungen ersetzen? Das können wir doch überhaupt nicht finanzieren, meine Damen und Herren.

Insofern kann es nicht angehen, entfallene Fernzüge einfach durch zusätzliche Bestellungen durch das Land ausgleichen zu wollen. Dies kann die Landesregierung nicht akzeptieren. Entsprechend haben sich auch alle anderen Bundesländer positioniert. Nahverkehr - das muss man einmal grundsätzlich sagen - kann von seiner Struktur und auch von seiner Funktion her großräumige Fernverkehrsleistungen nämlich nicht adäquat ersetzen.

Deshalb, meine Damen und Herren, gibt es eigentlich nur einen Erfolg versprechenden Weg, aus diesem Dilemma herauszukommen, d. h. das Fernverkehrsangebot so zu retten, wie wir uns das wünschen:

Erstens. Wir müssen weiterhin auf Bahn und Bund einwirken, damit die finanziellen Rahmenbedingungen geklärt werden. Dazu haben die Verkehrsminister der Bundesländer auf ihrer letzten Konferenz im September in Frankfurt entscheidende Beschlüsse gefasst.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wir haben dort Vorschläge für die nächste Konferenz der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers gemacht, die Ende dieses Monats stattfindet. Es gibt also klare Vorschläge dazu, wie in dieser Sache vorgegangen werden soll.

Dazu gehört die Frage - das ist die Kernfrage -, inwieweit der Bund seiner Gemeinwohlverpflichtung im Fernverkehr nachkommt. Diese Frage muss ausreichend diskutiert werden, und die Schlussfolgerungen daraus müssen gezogen werden, und zwar auch in finanzieller Hinsicht.

Des Weiteren gehört hierzu die Frage, inwieweit Nahverkehr und Fernverkehr notfalls schärfer gegeneinander abgegrenzt werden müssen, als dies bisher der Fall war, weil es zwischen dem Bund und den Ländern offenbar unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, was Fernverkehr und Nahverkehr sind. Wenn es nach Auffassung des Bundes mehr Nahverkehr geben soll, dann müssen entsprechend den Grundsätzen der Bahnreform die Länder dafür natürlich auch die Mittel bekommen, damit sie diesen zusätzlichen Nahverkehr bezahlen können; denn gemäß der Bahnreform war der Nahverkehr vorher Sache des Bundes, und die Länder haben dies übernommen. Wenn die Länder nun noch mehr übernehmen sollen, dann müssen sie dafür auch entsprechend mehr Geld bekommen.

Erst in einem zweiten Schritt - damit komme ich auf den Antrag zurück - sind wir dann auch aufgefordert zu analysieren, wo durch Wegfall von Fernverkehrszügen tatsächlich verkehrlich nicht hinzunehmende Angebotslücken entstehen. Dies kann leicht festgestellt werden. Ich habe dies auch schon veranlasst, und die Landesnahverkehrsgesellschaft ist darauf vorbereitet. Herr Dinkla, ich bin auch gern bereit, über die Frage, was da gemacht werden könnte, im Ausschuss Auskunft zu geben. Ich sage nur noch einmal: Wir wollen uns jetzt hier nicht in den Vordergrund schieben, weil wir damit den Eindruck erweckten, dass wir das schon bezahlten, dass sich der Bund dieser Aufgabe also entledigen dürfe.

Dritter Schritt: Wo solche Lücken entstehen - das lassen wir, wie gesagt, feststellen -, wird die Landesnahverkehrsgesellschaft sehr schnell reagieren können und in ihrer Funktion als Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr zusätzliche Leistungen bestellen. Wir werden damit auch vermeiden, Herr Dinkla, dass temporäre Lücken im Angebot der Bahn entstehen.

Es gibt einen vierten Punkt, auf den hier auch schon eingegangen worden ist. Dieser ist gerade für unser Bundesland Niedersachsen von Bedeutung. Dabei handelt es sich um den Tourismusverkehr. Insbesondere im Interesse unserer Fremdenverkehrsregionen habe ich die Deutsche Bahn AG

zusätzlich aufgefordert - auch das habe ich hier schon mehrfach gesagt -, das von ihr schon seit langem angekündigte Tourismuskonzept nun endlich auf den Tisch zu legen. Der von Herrn Mehdorn inzwischen zugesagte Tourismuszug von Berlin in Richtung Norddeich ist für mich ein erster Schritt dorthin, aber es müssen noch weitere Schritte folgen. Dieses Thema ist auch Gegenstand der gegenwärtig geführten Besprechungen zwischen der Landesregierung und der Deutschen Bahn AG.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Der Antrag der Grünen ist meiner Ansicht nach nicht zielführend, weil die Gründung einer InterRegio-Gesellschaft zur Lösung des eigentlichen Problems, nämlich der Finanzierung des Fernverkehrs, nicht beiträgt; im Gegenteil: Dadurch würden nur falsche Signale in Richtung Berlin gesendet. Deshalb kann dieser Antrag meine Unterstützung nicht finden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Minister.