Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. Ich schließe damit die Beratung; denn weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr in der Drucksache 1956 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen. Ich danke Ihnen.

(Zustimmung von Schirmbeck [CDU])

Meine Damen und Herren, wir kommen dann zu

Tagesordnungspunkt 11: Zweite Beratung: Maßnahmen gegen die wachsende Jugendkriminalität - Immer noch keine Plätze für die geschlossene Heimunterbringung hochgradig gefährdeter und krimineller Kinder und Jugendlicher - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1587 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Jugend und Sport - Drs. 14/1966

Dieser Antrag wurde in der 50. Sitzung am 11. Mai 2000 an den Ausschuss für Jugend und Sport zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Berichterstatter ist der Kollege McAllister. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit seiner Beschlussempfehlung in der Drucksache 1966 empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Jugend und Sport mit den Stimmen der Vertreter der Fraktionen der SPD sowie Bündnis 90/Die Grünen, den Antrag abzulehnen. Die Ausschussmitglieder der Fraktion der CDU stimmten gegen diese Empfehlung.

Der Antrag der Fraktion der CDU stand in der 50. Plenarsitzung am 11. Mai 2000 erstmalig zur Beratung an. In seiner 24. Sitzung am 14. Juni 2000 führte der Ausschuss für Jugend und Sport die ihm übertragene federführende Beratung durch. Dabei gab ein Mitglied der SPD-Fraktion zu verstehen, dass der Antrag der CDU-Fraktion von der SPD-Fraktion abgelehnt werde. Das Kultusministerium habe bereits ein ausreichendes Programm mit Modellcharakter auf den Weg gebracht. Der Antrag der CDU-Fraktion könne daher nur als überflüssig bezeichnet werden. Einer Aufforderung an die Landesregierung zu weiterem Handeln bedürfe es nicht.

Demgegenüber hob ein Ausschussmitglied der CDU-Fraktion hervor, dass die Landesregierung das geforderte „Interventionsprogramm“ immer noch nicht vorgelegt habe. Dies werde damit begründet, dass zunächst einmal interessierte Träger gefunden werden müssten, mit denen dann noch nähere Absprachen zu treffen seien. Die CDUFraktion sehe daher großen Handlungsbedarf. Bislang müssten hochgradig gefährdete und kriminelle Kinder und Jugendliche aus Mangel an geeigneten Unterbringungsplätzen in Niedersachsen häufig in andere Bundesländer abgegeben werden. Gelegentlich komme es sogar vor, dass sie in den psychiatrischen Abteilungen der Krankenhäuser unterbracht würden. Dieser Zustand sei nicht länger hinnehmbar.

Das Ausschussmitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schloss sich dem ablehnenden Votum der SPD-Fraktion unter Hinweis auf die in der ersten Beratung im Plenum geäußerte Auffassung der Grünen an.

Die Ausschüsse für Rechts- und Verfassungsfragen, für innere Verwaltung, für Haushalt und Finanzen sowie der Kultusausschuss führten ihre Mitberatung nach der parlamentarischen Sommerpause durch und schlossen sich der Empfehlung des federführenden Ausschusses an.

Abschließen möchte ich meinen Bericht mit dem Hinweis, dass der Ausschuss für Jugend und Sport durch Schreiben des Kultusministeriums vom 21. August 2000 über den Entwurf der Förderrichtlinie zum Präventions- und Integrationsprogramm informiert wurde.

Der Ausschuss für Jugend und Sport bittet Sie, der Beschlussempfehlung in der Drucksache 1966 zuzustimmen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat jetzt für acht Minuten Frau Kollegin Vockert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann einen schon betroffen und traurig machen, wenn man sich die Situation ansieht, wie sie sich zurzeit darstellt. Gemeinsam haben die großen Fraktionen in diesem Hause einen Entschließungsantrag eingebracht und beschlossen, dass wir dem kleinen Kreis von Problemjugendlichen helfen wollen. Wir waren uns darüber einig, dass die Jugendhilfe nur ein begrenztes Mittel ist, dass bestimmte Jugendliche mit den bisherigen Instrumenten nicht zu fassen sind und dass wir in Niedersachsen geschlossene Heime oder, wie es die Kultusministerin formulierte, eine gesicherte Unterbringung brauchen. Auch der Ministerpräsident Gabriel hat sich politisch dazu bekannt. Er hat im Jahre 1997 gesagt: Wir wollen zeitlich befristete Maßnahmen zur In-Obhut-Nahme der betroffenen Jugendlichen als Krisenintervention verbunden mit mittel- und langfristigen Betreuungs- und Sozialisierungskonzepten.

(McAllister [CDU]: So war das!)

Recht hat er. Es ist richtig, dass er dieses einfordert. Es ist aber erstaunlich - das ist das, was uns alle hier im Hause betroffen machen muss -, dass es trotz dieser Übereinstimmung bis heute zu keinem einzigen Ergebnis gekommen ist. Es ist überhaupt nichts passiert, und das, obwohl wir den Antrag 1998 mit den Stimmen der SPD beschlossen haben. Fast drei Jahre, meine Damen und Herren speziell von der SPD, sind ins Land gegangen, und die Landesregierung hat für die Kinder, die durch mehrfaches schwer rechtswidriges Verhalten auffällig geworden sind, überhaupt noch

keinen einzigen Weg gefunden. Wo bleibt hier eigentlich die Glaubwürdigkeit des Ministerpräsidenten, der - ich habe es gerade ausgeführt - 1997 gesagt hat, dass er bereit ist, diesen Weg mit uns zu gehen? Das ist nicht nachvollziehbar. Hier muss sich der Ministerpräsident an seinen Aussagen messen lassen.

(Beifall bei der CDU)

Es kann und darf nicht angehen, dass wir hier den Mantel des Verschweigens darüber decken, denn es gibt unbestreitbar - -

(Plaue [SPD]: Mantel des Schwei- gens!)

- Danke schön, Herr Plaue. - Da Sie so genau Bescheid wissen, frage ich Sie: Kennen Sie den Fall Mehmet, der als 10-Jähriger durch Diebstahl, Raub, Erpressung und Körperverletzung aufgefallen ist?

(Plaue [SPD] nickt)

- Ja! - Kennen Sie den Fall Dennis, der als Zwölfjähriger mehr als 100 Autos aufgebrochen und zum Teil zu Schrott gefahren hat?

(Mühe [SPD]: Die haben die alle nicht in den Griff bekommen, obwohl in Bayern 30 bis 40 Plätze vorgehalten werden!)

- Das waren keine Fälle aus Bayern, Herr Mühe. Vielleicht haben Sie auch von Chris alias Monaco gelesen, der mit 13 Jahren Schulräume verwüstet hat und auf dessen Konto Wohnungseinbrüche und Körperverletzungen gehen.

Wir fragen uns seitens der CDU, wie lange wir eigentlich noch warten wollen. Da wir doch gemeinsam beschlossen haben, wie wir konsequent handeln können, frage ich Sie: Müssen wir eigentlich erst warten, bis Kinder strafmündig geworden sind und Mittel der Strafjustiz greifen?

Wir haben immer gesagt: Wir wollen Unterstützungshilfesysteme anbieten.

(Zustimmung bei der CDU)

Das haben wir immer wieder eingefordert. In diesem Punkt waren wir uns parteiübergreifend einig.

Aus der aktuellen Antwort der Bundesregierung zum Thema Kinder- und Jugendkriminalität geht

eindeutig hervor, dass gerade im Bereich der Jugendkriminalität ein erheblicher Anstieg zu verzeichnen ist. Von 1993 bis 1999, in den sechs Jahren, hat es eine Steigerung im Bereich der Jugendkriminalität um 66 % - ich wiederhole: um 66 % - gegeben.

(McAllister [CDU]: Unglaublich!)

Was passiert hier in Niedersachsen?

(McAllister [CDU]: Nichts!)

Die Kinder und Jugendlichen, die besonders gewalttätig und auffällig sind, werden von einem Heim ins nächste geschickt, oder, wie es Herr McAllister sagte oder wie wir es im Ausschuss gesagt haben, kommen in die Psychiatrie, weil - auch das haben wir gesagt, und darüber waren wir uns einig - die Jugendhilfe an ihre Grenzen stößt.

Vor dem Hintergrund, dass wir uns einig waren und die Landesregierung, speziell die Ministerin, im Ausschuss erklärt hat, dass man eigentlich gerne etwas machen würde, aber die Träger nicht finde, könnte ich die Ablehnung ja verstehen, wenn die SPD ehrlich sagen würde: Wir wollen, aber wir finden die Träger nicht. - Wenn Sie aber - das haben wir Ihnen mehrfach deutlich gemacht den Trägern nicht die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten zur Verfügung stellen, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern.

Wie sieht der Haushaltsansatz für 2001 aus? - Sie haben im Haushaltsplan 2000 ein Volumen von insgesamt etwas mehr als 1 Million DM veranschlagt, die Sie überhaupt nicht ausgegeben haben. Im Haushaltsplanentwurf 2001 haben Sie den Betrag reduziert, und Sie haben gesagt, dass Sie von diesem reduzierten Betrag - der war früher für Personalkostenbezuschussung vorgesehen - zusätzlich Investitionskosten zahlen wollen. Für fünf Träger, die derzeit dabei sind, zu überlegen, ob sie solche Jugendlichen aufnehmen, steht ein Investitionskostenzuschuss in Höhe von jeweils 68.000 DM zur Verfügung. Dass das nur als lächerlich zu bezeichnen ist und dass Sie damit ungerechtfertigt die Verantwortung abschieben, brauchen wir wohl nicht deutlich zu machen.

Wir wollen Sie in die Verantwortung nehmen. Wir wollen die SPD sehr deutlich darauf hinweisen, dass sie ihre Kontrollfunktion wahrzunehmen hat und nicht einfach sagen kann: Wir haben zwar Anfang 1998 gemeinsam etwas beschlossen. Aber

ob die Regierung das jetzt macht oder nicht, ist uns egal. - Das kann es nicht sein. Vor allem im Hinblick auf die betroffenen Jugendlichen haben Sie sich im Rahmen Ihrer Kontrollfunktion dafür einzusetzen und dafür gerade zu stehen. Letztlich müssen Sie auch den Mut aufbringen, die finanziellen Rahmenbedingungen für den kleinen Kreis hochgradig gefährdeter und krimineller Jugendlichen zu schaffen, also unseren gemeinsam beschlossenen Antrag umzusetzen.

Ich hoffe, dass wir das heute endlich hinbekommen, damit die Landesregierung zum Handeln aufgefordert wird, wie wir es gemeinsam beschlossen haben.

(Beifall bei der CDU - McAllister [CDU]: Sehr gut!)

Frau Ministerin Jürgens-Pieper, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Ich war nur deshalb so fasziniert, Frau Ministerin, weil meine Kollegin das erste Mal, seitdem sie im Landtag ist, ihre Redezeit eingehalten hat.

(Heiterkeit)

Gratuliere! - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Einbringung des Antrages der CDU-Fraktion im Mai habe ich deutlich gemacht, dass man ihn eigentlich nur ablehnen kann, Frau Vockert, so Leid mir das tut, auch wenn Sie jetzt Lob bekommen haben. Die Ausschussberatungen haben mich in dieser Einschätzung eigentlich bestärkt. Ich bitte darum, sich entsprechend zu verhalten. Auch im Ausschuss hat man ja bereits so entschieden.

Frau Vockert, zum Interventionsprogramm hat es eine schwierige Diskussion gegeben. Das wissen Sie. Ich habe Ihnen bei mehreren Anfragen Rede und Antwort gestanden. Sie können wirklich nicht sagen, dass wir Sie nicht zu jeder Zeit und in jeder Phase informiert haben, wie die Umsetzung läuft. Die Krokodilstränen, die eben geflossen sind, sind völlig unangebracht.

Ich möchte Ihnen auch sagen, warum sie unangebracht sind. Wir haben viele Versuche gemacht. Aber örtlich war man, auch die CDU, gegen die Ansiedlung solcher geschlossenen Heimplätze.

Jedes Mal, wenn man versucht, örtlich solche Plätze einzurichten, entstehen Bürgerinitiativen, und dann fangen auch Sie örtlich an - nicht Sie persönlich -, dieses mit zu unterstützen. Daran können Sie erkennen, dass das ein sehr sensibles Thema ist und dass die Menschen einerseits Angst vor solchen Jugendlichen haben, dass sie sie nicht in ihrer Nähe wohnen haben möchten, und andererseits verlangen, dass wir uns um sie kümmern. Dieses lässt sich nicht leicht unter einen Hut bringen.