Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Ontijd?

Bitte, gerne.

Bitte schön, Herr Ontijd!

Herr Minister, gehen Sie mit mir einig - oder auch nicht

(Zuruf von der SPD: Was denn nun?)

darin, dass eine Fläche oder ein Gebiet, die bzw. das als Vogelschutzgebiet unter Schutz gestellt wird, damit gleichzeitig unter Landschafts- bzw. Naturschutz gestellt wird und dass damit Einschränkungen, was die Bewirtschaftung angeht, einhergehen?

Das war rhetorisch ganz geschickt. Herr Ontijd, lassen Sie mich zunächst noch einen anderen Gedanken ausführen. Danach komme ich darauf.

Wir haben in Niedersachsen einen Runderlass ins Verfahren gegeben, mit dem wir deutlich machen, dass die Bewirtschaftung von Flächen der Normaltatbestand ist und dass die Weiterentwicklung als unerheblicher Eingriff zu klassifizieren ist. Auf Seite 6 des Entwurfs des Runderlasses können Sie das nachlesen.

„In folgenden Fällen ist eine Beeinträchtigung von Natura-2000-Gebieten in der Regel als unerheblich zu bewerten:“

Dann kommt der erste, für Sie wohl wichtige Punkt:

„Privilegierte Vorhaben im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 Baugesetzbuch im räumlichen Zusammenhang mit einer vorhandenen Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes oder des Gartenbaubetriebes.“

Hier ist also geregelt, dass das landwirtschaftliche Gebaren einen unerheblichen Eingriff darstellt, dass vor dem Hintergrund mit einer Veränderung nicht eine Verträglichkeitsprüfung einhergeht, d. h. dass es vor dem Hintergrund für eine Behörde

überhaupt keine Interventionsmöglichkeiten, überhaupt keine Interventionsrechte oder -pflichten gibt. Das ist die Situation.

(McAllister [CDU]: Das sind aber jetzt nur baurechtliche Fragen!)

- Nein, das ist doch aus dem Text klar geworden. Mit diesen Formulierungen wird also deutlich, dass jeder aus der Verwaltung, der da intervenieren will, wegen der Beweislastumkehr nachweisen muss, dass da irgendetwas Gravierendes vorliegt.

Das ist also das eine: Wir stellen darauf ab, dass diese Vogelschutzrichtlinie mit Minimalaufwand umgesetzt wird, indem in den meisten Fällen, in denen auf den Flächen, auf den Höfen Veränderungen vorgenommen werden, keinerlei Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss.

(Zuruf von Frau Ortgies [CDU])

- Entschuldigung, Frau Ortgies, was Ihnen gesagt wird, weiß ich ja nicht. Aber ich komme gleich dazu.

Damit komme ich jetzt zu Ihrer Frage, Herr Ontijd. - Die Meldung nach Brüssel löst keinerlei rechtliche Veranlassung aus. Das ist so.

(Jahn [CDU]: Zurzeit! - Fischer [CDU]: Hinterher heißt es dann nur „Es gilt das gebrochene Wort“! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Nein, das ist so. Wie schon bei der FFH-Debatte gilt auch hier: Wenn eine Behörde etwas ändern will, dann muss ein geordnetes nationales Verfahren entwickelt werden: Landschaftsschutzgebiet/Naturschutzgebiet. - Da gibt es bei uns Eigentumspassagen, aus denen deutlich wird, dass dort, wo Auflagen für die Nutzung ausgesprochen werden, ein Erschwernisausgleich zu zahlen ist. Hierfür gelten also, wenn wir das machen wollten, die gleichen Regeln wie bei der Ausweisung von Naturschutzgebieten sonst auch. Die Alternative ist Vertragsnaturschutz. Dafür braucht man immer zwei: eine Behörde, die unterschreibt und bezahlt, und einen Landwirt, der Interesse daran hat.

Das heißt: Diese Meldung löst an der Stelle überhaupt nichts aus.

(McAllister [CDU]: Warum melden Sie denn dann?)

- Wir melden, weil sich das aus der Verpflichtung aus Brüssel ergibt. Dabei ist es sogar so, meine Damen und Herren, dass selbst bei erheblichen Eingriffen in ein Vogelschutzgebiet im Rahmen eines normalen Abwägungsverfahrens öffentliches Interesse zulasten des Vogelschutzgebiets in dem jeweiligen Bereich dominieren kann. Auch das ist möglich.

(Oestmann [CDU]: Bisher nicht!)

- Ja, weil wir noch nicht gemeldet haben. Das ist die Situation.

Deshalb meine herzliche Bitte: Argumentieren Sie rational, nehmen Sie die Besorgnisse dort ernst, aber machen Sie deutlich, dass hier eine landespolitische Aufgabe besteht.

Jetzt möchte ich noch etwas zu dem Thema der Beleihung sagen. In Moormerland gab es ja einen solchen Vorgang. Dann war dankenswerterweise - - - Anton, hast du deine Banken da nicht im Griff, oder was ist da los?

(Zurufe von der SPD)

Jedenfalls hat sich Herr Ortgies die Mühe gemacht, das bei verschiedenen Banken abzufragen. Ich finde interessant, was die Oldenburgische Landesbank Herrn Ortgies aus Wangerland darauf in den letzten Tagen geantwortet hat. Sie macht nämlich Folgendes deutlich - ich zitiere -:

„Rückläufige Deckungsbeiträge haben grundsätzlich auch negative Auswirkungen auf die Marktwerte und damit auf die Beleihungswerte von landwirtschaftlichen Flächen.“

Das ist klar.

„Da aber noch keine verbindlichen Auflagen bestehen bzw. bekannt sind und mögliche Belastungen der Ertragslage noch nicht kalkulierbar sind, sehen wir deshalb zurzeit keine Notwendigkeit, pauschale Wertkorrekturen für die Flächen in EUVorschlagsgebieten vorzunehmen. Sollte sich aber durch konkrete und verbindliche Auflagen eine Verschärfung der Situation ergeben,“

- etwa dadurch, dass Feuchtgebiete obligatorisch werden, um ein Beispiel zu nennen

„dann muss man sich das ansehen.“

Auf gut Deutsch: Die Banken, die das durchschauen, räumen ein, dass die Meldung als Vogelschutzgebiet hinsichtlich der Qualität der Flächen und möglicher Folgen, was die Beleihungsfähigkeit angeht, einen belanglosen Vorgang darstellt.

(Zurufe von der CDU)

- Entschuldigung, das ist doch auch so. Das hat die Bezirksregierung auch der Raiffeisenbank in Moormerland deutlich gemacht.

Vor dem Hintergrund sage ich Ihnen: Wir wickeln zurzeit ein geordnetes Verfahren ab. Die ersten Rückmeldungen aus den Bezirksregierungen gehen ein. Manches ist auch absolut unproblematisch. Es zeigt sich, dass vonseiten der Verbände, der Kommunen einige wenige weitere Gebiete zum Vorschlag gebracht werden sollen.

(Zurufe von der CDU)

Ob da noch etwas aufzunehmen ist, werden wir in den nächsten Tagen prüfen. Ich habe denjenigen, die vor Ort noch Beratungsbedarf haben, deutlich gemacht, dass die Bezirksregierungen die Anregungen, die im Laufe des Dezember eingehen, noch aufnehmen werden.

Ich habe Ihnen schon im Juli, gleich zu Beginn, als ich Ihnen das gesamte Material ausgehändigt habe, deutlich gemacht, dass die Bezirksregierungen Ende Januar melden werden, d. h. ihren Vorschlag bei mir einreichen werden, und dass wir das dann mit den Umwelt-, Landwirtschafts- und Wirtschaftsverbänden auf Landesebene noch einmal sorgfältig durchgehen werden.

Meine Damen und Herren, wir haben inhaltlichen Ansprüchen zu genügen. Den Ermessensspielraum zugunsten von Landnutzung in Niedersachsen werden wir natürlich ausnutzen. Alles andere wäre fatal. Aber ich will auch ganz deutlich machen: Niedersachsen hat als großes norddeutsches Land an der Küste besondere Verpflichtungen im Vogelschutz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dem können wir uns nicht entziehen, dem wollen wir uns nicht entziehen. Deshalb werden wir dem Kabinett im April einen Vorschlag vorlegen, der mit Sicherheit in großen Teilen des Landes Zustimmung finden wird und der mit Sicherheit keine

Existenzen in Niedersachsen vernichten wird. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Steiner, jetzt haben Sie um das Wort gebeten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die öffentliche Auseinandersetzung seit August dieses Jahres hat uns ja schon einige Blüten bezüglich der Bewertung der Vogelschutzrichtlinie beschert. Was wir aber gerade von Herrn Behr von der CDU-Fraktion über die möglichen Konsequenzen der Ausweisung von Vogelschutzgebieten gehört haben, hörte sich so an, als wäre das eine moderne Form des Morgenthauplans: Deutschland soll nicht nur zum Ackerland, sondern sogar zum Grünflächenland gemacht werden, wobei die Landwirtschaft vernichtet werden soll. - Was Sie da gemacht haben, war entschieden oberdramatisch.

(Zurufe von der CDU)

Aber das entspricht in keiner Weise der Realität.