Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

(Beifall bei der CDU)

Von Ihnen ist in den letzten zehn Jahren nicht eine solche Initiative ausgegangen. Das ist hier zu kritisieren.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben die Investitionen für die Fläche, die Sie versprochen hatten, in diesem Haushalt nicht ausgewiesen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Sie hatten eine Beendigung der Benachteiligung der Fläche in Aussicht gestellt. Aber 56 % aller Krankenhausinvestitionen fließen in die Landeshauptstadt. Nun freuen wir uns darüber, können aber nicht akzeptieren, dass bei einem so geringen Budget nur 44 % für das gesamte übrige Land zur Verfügung stehen. Wir können auch nicht akzeptieren, wenn es sich hier um ein Abschiedsgeschenk der Sozialministerin Merk an den Oberbürgermeister von Hannover handelt. Wir wollen, dass überprüft wird, ob diese Art von Familienfilz rechtlich überhaupt zulässig ist.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich werden wir in diesem Hause nach dem, was wir von Frau Trauernicht aus Hamburg gehört haben, nach dem, was wir mit Frau Griefahn erlebt haben, und nach dem, was wir jetzt mit Frau Merk erleben, vermehrt die Frage nach „Familienfilz“ stellen, damit nicht der Anschein entsteht, dass die Ministerin ihrem Mann als Unterstützung für den Kommunalwahlkampf Gelder zuschanzen kann. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen regionale Strukturpolitik und einen Solidarpakt für den ländlichen Raum, weil wir glauben, dass dort die Potenziale unseres Landes brachliegen, die genutzt werden könnten, indem man Standortentscheidungen nicht immer zulasten, sondern zugunsten der Ballungsräume trifft. Dafür gibt es genügend Beispiele. In der mir zur Verfügung stehenden Redezeit kann ich die aber gar nicht alle ansprechen. Da wird ein neues Amtsgericht, ein neues elektronisches Mahngericht in Niedersachsen installiert, aber anstatt es irgendwo in der Fläche mit 100 qualifizierten Arbeitsplätzen unterzubringen, wird es natürlich in der Landeshauptstadt angegliedert. Ich meine, die ländlichen Räume hätten jetzt wirklich ein Anrecht darauf, angesichts moderner Kommunikation und moderner Informationsgesellschaft auch einmal Nutznie

ßer der Dinge zu sein, die sehr wohl in allen Landesteilen untergebracht werden können, nicht nur in der Landeshauptstadt.

(Beifall bei der CDU)

Dies gilt gerade für die Not leidende Landwirtschaft, bei der Sie fortlaufend vernachlässigen, kürzen, Auflagen erhöhen und Wettbewerbsbedingungen verschlechtern.

Das wichtigste Feld unserer Anträge zum Haushalt 2001 ist aber - ich habe es anfangs angekündigt die Schul- und Bildungspolitik. Hierzu muss man weil Sie es partout nicht einsehen wollen - doch einmal auf einige Fakten hinweisen, die wir seit 1995 als bedrückend empfinden: die Wahrnehmung der Probleme durch die Bevölkerung und die Schilderung der Probleme durch Sie mit Ihrem Schönreden der tatsächlichen Lage. Ich lade Sie ein, sich einmal dazuzusetzen, wenn wir unsere Hotline „Unterrichtsausfall“ schalten - innerhalb von zwei oder drei Stunden mehr als 200 Anruferinnen und Anrufer mit besorgten Hinweisen. An der Peter-Räuber-Sonderschule in Wolfenbüttel werden an einer Ganztagsschule geistig behinderte Kinder mittags nach Hause geschickt. An der Grundschule Göttingen-Herberhausen wird die Hausmeisterin regelmäßig im Unterricht eingesetzt. An der angeblich Verlässlichen Grundschule in Syke-Barrin werden die Schülerinnen und Schüler tageweise nach Hause geschickt, weil nicht zureichend Unterricht erteilt werden kann. Die Reihe der Beispiele ließe sich jetzt beliebig fortführen.

Sie haben es geschafft, dass in einem Bundesland, in dem die Bildungspolitik im Zentrum der Überlegungen stehen müsste, weil wir dafür originär zuständig sind, der Begriff der Verlässlichen Grundschule als Wahlkampfschlager herhalten muss, wo doch eigentlich alle Schulen verlässlich sein sollten. Dass Sie bestimmte Schulen zu Verlässlichen Grundschulen erklären, zeigt eigentlich schon, wohin Sie unsere Schulen in Niedersachsen geführt haben.

(Beifall bei der CDU)

Mir hat ein Vater aus dem Landkreis Cuxhaven besorgt geschrieben:

„Viel gravierender ist aber, dass unseren Kindern im Vergleich zu Kindern in anderen Bundesländern wesentlich weniger Wissen vermittelt wird. In

der Berufsausbildung oder im Studium wird darauf niemand Rücksicht nehmen. Schuld sind dann unsere Kinder. Die Schulleitung darauf anzusprechen ist aussichtslos. Der sind die Hände gebunden, wenn das Ministerium die Besetzung von Lehrerstellen verweigert.“

Sie haben lediglich 500 Stellen für 13.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler an unseren Schulen vorgesehen. Wir werden bis zum Jahr 2004 noch einmal 27.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler an unsere Schulen bekommen. Deshalb hat Herr Gabriel in der „Wilhelmshavener Zeitung“ in einem seiner vielen Interviews zutreffend analysiert: „Wir haben zu viel Unterrichtsausfall.“ Wenn er selbst sagt, wir hätten zu viel Unterrichtsausfall - -

(Mühe [SPD]: Er wird doch gefragt!)

- Der muss doch nicht so viel dummes Zeug erzählen, wenn er gefragt wird. Die Antworten kann man sich ja selber aussuchen, die Fragen nicht. „Wir haben zu viel Unterrichtsausfall“ - wenn er dort also sagt, wir hätten zu viel Unterrichtsausfall, dann ist er als Ministerpräsident doch berufen, im Landeshaushalt entsprechende Signale zu setzen, um an dieser Situation etwas zu ändern.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen die 3.000 Lehrer jetzt einstellen und finanzieren, weil wir schon jetzt einen Fachlehrermangel haben, der sich dramatisch zuspitzen wird. Im Regierungsbezirk Lüneburg konnten Sie, Frau Ministerin Jürgens-Pieper, von zehn ausgeschriebenen Stellen für Physiklehrer an Realschulen nur eine einzige besetzen. Sie konnten im Bereich der Grund- und Hauptschulen von 38 ausgeschriebenen Stellen noch ganze 26 Stellen mit Physiklehrkräften besetzen. Sie konnten nur insgesamt 78 % der Stellen mit den gewünschten naturwissenschaftlichen Fächern besetzen, weil die Bewerber nicht mehr ausreichend studiert haben oder in andere Bundesländer abgewandert sind, weil sie dort ganze Stellen, hier aber nur Dreiviertelstellen vorfinden.

(Plaue [SPD]: Wo wollen Sie denn die 3.000 Lehrer her haben?)

- Die wollen wir aus ganz Deutschland haben, damit wir es mit den Hessen aufnehmen können und nicht hinter Hessen zurückfallen, Herr Plaue!

(Beifall bei der CDU)

Sie müssen die Signale aus Hessen einmal aufnehmen. Glauben Sie nicht, dass Sie die Lehrer, die aus Niedersachsen abgewandert sind, so ohne weiteres nach Niedersachsen zurück bekommen werden. Die sind aus Göttingen, aus Hannoversch Münden und aus anderen Orten abgewandert. Die sind längst in Hessen und anderswo, weil es eben Kultusministerinnen wie Hohlmeier in Bayern, Schavan in Baden-Württemberg oder Kraus in Hessen gerafft haben, während Sie es hier in Niedersachsen einfach nicht begreifen wollen. Das ist unser Problem.

(Beifall bei der CDU)

1995 haben wir Sie darauf hingewiesen, dass beim Einheitslehramt Physik 112 Studienplätze zur Verfügung stehen. Jetzt haben wir zehn Einschreibungen. Der Bedarf wird schöngerechnet. Laut Kultusministerium beträgt er 130. Für das Einheitslehramt Chemie 129 Studienplätze, Einschreibungen: acht an der Zahl. Im Jahr 2005 stehen außerhalb der Gymnasien nicht einmal fünf neue Physik- und Chemielehrer in ganz Niedersachsen zur Verfügung. Im Bereich der Sonderschulen hat sich für Physik und Chemie in Niedersachsen seit drei Jahren kein einziger Student mehr eingeschrieben. Das ist die Wirklichkeit und Wahrheit, der Sie sich hier entziehen wollen. Das lassen wir nicht durchgehen.

(Beifall bei der CDU)

42 % der niedersächsischen Lehrerinnen und Lehrer scheiden in den nächsten zehn Jahren aus. Nahezu jeder zweite Lehrer geht in den nächsten zehn Jahren aus dem Schuldienst heraus. Wenn wir dort nicht gigantische Umschulungs-, Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen durchführen nach dem Motto, alle ausgeschiedenen Landesminister und Landtagsabgeordneten werden noch einmal für ein paar Jahre zu Lehrern umgeschult, dann werden wir einen gigantischen Lehrermangel erleben und die Zukunft unseres Landes verlieren. Das werden wir aber verhindern, indem wir die entsprechenden Stellen hier beantragen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Seeler, wenn Sie fragen, wo wir die Lehrer hernehmen wollten, dann frage ich Sie: Wer hat denn den Lehrerberuf immer unattraktiver gemacht? Wer hat denn bei steigenden Schülerzahlen Lehrerstellen gestrichen? Wer hat denn Dreivier

telstellen eingerichtet? Wer hat den Numerus clausus für Lehramtstudiengänge verhängt? Wer hat denn Lehrkräfte als „faule Säcke“ bezeichnet? Sie oder wir? - Das weiß doch draußen im Lande jeder Mensch!

(Starker Beifall bei der CDU)

Sie lassen die Probleme einfach auf uns zurollen. Die Kinder sind schwieriger und problematischer. Das Umfeld ist schwieriger. Die Familienverhältnisse sind schwieriger. Die Medien sind Alleinerzieher. Dann sollen die Lehrer, die Sie beschimpfen, mit diesen schwieriger gewordenen Schülern fertig werden, ohne dabei Ihre Rückendeckung zu haben. Das funktioniert nicht. Darauf werden wir im Lande draußen hinweisen.

(Beifall bei der CDU)

Die ganze Schulstrukturdebatte ist ein reines Ablenkungsmanöver. Wir brauchen den Hemmschuh Orientierungsstufe nicht mehr. Wir sollten schnell und zügig zum nächsten Schuljahresbeginn zu durchgängigen Beschulungen an Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien kommen. Wir sollten dafür sorgen, dass unsere Schulen und unsere Hochschulen auf einen dramatisch wachsenden Wettbewerb vorbereitet sind; denn wenn die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen wegfällt, wenn die Hochschulen einem Wettbewerb ausgesetzt sind, werden wir erleben, dass Göttingen, Hannover, Braunschweig, Osnabrück und andere Standorte wie Lüneburg auf den Wettbewerb, der dann zwischen den Hochschulen in Deutschland stattfinden wird, nicht vorbereitet sind. Dann werden die wenigen, die für das Lehramt studieren, nicht mehr in Niedersachsen studieren.

Schauen Sie sich einmal an, was die Hochschulpräsidenten in Niedersachsen, die sogar Ihrer Partei angehören, Ihnen inzwischen ins Stammbuch schreiben. Der Präsident meiner heimischen Universität in Osnabrück hat geschrieben: Mit den Stellenstreichungen, mit den Sperrungen und Wiederbesetzungssperren würden Stellenzugewinne zunichte gemacht, neue Probleme geschaffen. Insgesamt könne man nur von einer Verschlechterung der Haushaltslage seit 1991 sprechen. Zwischen den Erwartungen, die Sie an den niedersächsischen Hochschulen im Jahr 1990 nach einer Hochschultour des damaligen werdenden Ministerpräsidenten Schröder geweckt haben, und dem, was Sie in den zehn Jahren daraus gemacht haben,

klaffen inzwischen solche Welten, die Empörung hervorrufen und Sie zu einer Entschuldigung gegenüber dem Hochschulbereich und dem Schulbereich herausfordern müssten.

Sie betreiben jetzt Evaluation, prüfen also die Studiengänge an den Universitäten, von Lehre und Forschung. Da sagen dann diejenigen, die die Evaluation z. B. im Fach Mathematik durchgeführt haben, dass sie an sämtlichen niedersächsischen Standorten eine personelle und sächliche Ausstattung vorgefunden hätten, die an der Untergrenze anzusiedeln sei und noch nicht einmal im zufrieden stellenden Bereich liege. Hier sei die Politik in der Verantwortung, mehr finanzielle Mittel bereitzustellen. Sie aber tun das Gegenteil und kürzen selbst in diesen elementar wichtigen Bereichen. Bei Mathematik, Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften kürzen Sie Mittel für unsere Hochschulen und wundern sich dann, dass wir im Ländervergleich immer weiter zurückfallen.

Sie wollen auch da wieder Ablenkungsthemen, nämlich eine völlig falsch angefangene Vereinzelung und Verselbständigung der Hochschulen. Sie nehmen sie aber in besonderer Weise an das Gängelband des Ministeriums und entmündigen das Parlament. Hätten Sie unserem Hochschulgesetzentwurf von 1997 mit den Forderungen nach Leistung, nach Wettbewerb, nach Internationalität und Qualität mehr Offenheit entgegengebracht, wären unsere Hochschulen heute schon viel besser vorbereitet. Aber Sie haben es abgelehnt, als wir gesagt haben, die Hochschulen sollen in der Lage sein, schneller zu besetzen, selbständiger zu besetzen. Sie haben es abgelehnt, als wir beantragt haben, dass Hochschulen im Wettbewerb die Chance haben müssen, sich einen Teil ihrer Studenten selbst auszusuchen. Das alles haben Sie vollmundig erklärt. Aber wenn es hier darauf ankam, haben Sie es niedergestimmt, weil es Ihnen nicht in Ihre ideologische Politik gepasst hat.

Unter dem Strich sinken in dem Haushaltsentwurf 2001, den Sie hier am Freitag verabschieden wollen, die Ausgaben für die Bildung. Dort, wo Sie etwas draufgesattelt haben, haben Sie an anderer Stelle mehr gestrichen. Wir führen den Nachweis, dass der Bildungsbereich insgesamt gekürzt wird.

Damit ist die Bewährungsprobe, die dem Ministerpräsidenten Gabriel gestellt war, im Bereich des Haushalts nicht bestanden. Sie hatten keine Vision, kein neues Projekt, keine neue Idee, die sich in diesem Haushalt findet.

Wir sind mehr denn je davon überzeugt, dass unser Land eine Politik braucht, die einen Neuanfang glaubwürdig darstellen kann: für solide Finanzen, also Sparsamkeit auf der Ausgabeseite, eine dynamische Beschäftigungs- und Wachstumspolitik für die Einnahmeseite, eine Politik für die Regionen unseres Landes - und nicht nur für die Ballungsräume - und eine Politik für die Zukunft der jungen Generation, aber auch die Weiterbildung der mittleren und älteren Generation in einem veränderten Arbeitsleben. Das haben wir mit unseren Vorschlägen, mit unserem Haushaltsantrag dargelegt und leisten damit einen wichtigen Beitrag, indem wir Steuermehreinnahmen zur Schuldenreduzierung verwenden, indem wir das EXPO-Defizit im Jahr 2001 erledigen und indem wir die Finanzierung von 3.000 zusätzlichen Lehrern in Niedersachsen, von jungen Lehrern für unsere Schulen und unsere junge Generation, beantragen. Ich meine, das ist ein mehrheitsfähiges, sinnvolles Konzept. Sie liegen falsch, wenn Sie das nicht erkennen wollen. - Vielen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU)

In der Aussprache hat nun der Kollege Plaue das Wort.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war der Herr Wulff, der nichts anderes erklärt hat, als dass er doch so gerne auf dem Chefsessel des Regierungschefs sitzen möchte,

(Möllring [CDU]: Das wäre vernünf- tig!)