Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Danke schön, Herr Kollege Schurreit. - Meine Damen und Herren, jetzt hat Frau Kollegin Rühl um das Wort gebeten. Bitte schön, Frau Rühl!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Steuer- und Abgabenbelastung der kleinen und mittleren Betriebe muss gesenkt werden.

(Beifall bei der CDU)

So hieß es in dem Mittelstandskonzept, welches die Landesregierung 1998 direkt mit dem Mittelstand vereinbart hatte. Nun sagt Herr Beckmann: Das war doch ein tolles Erfolgsmodell, das Erfolgsmodell Mittelstandskonzept. - Es wäre eines gewesen, wenn es denn umgesetzt worden wäre.

(Beifall bei der CDU)

Nach zwei Jahren können wir nämlich feststellen, dass da nicht sehr viel passiert ist. Die Landesre

gierung hat wohl - so erscheint es mir - nicht einmal genau darüber nachgedacht, wie es umzusetzen wäre. An einem Ministerpräsidenten können wir das nicht festmachen; dafür hatten wir davon ein bisschen viele. Wenn Herr Beckmann - leider ist er nicht mehr da - nun dieses Mittelstandskonzept einmal Stück für Stück durchgelesen hätte, dann hätte er bemerkt, dass es so nicht umgesetzt wurde.

Die Steuer- und Abgabenbelastung hat in diesem Jahr einen Höchststand erreicht. Sie haben den steuerlichen Verschlechterungen für den Mittelstand nicht nur einfach zugestimmt, sondern Sie haben sogar noch einen draufgesetzt und verschlechtern massiv die Abschreibungsbedingungen. Der Mittelstand in Niedersachsen ist vor allem in der Fläche präsent, ist dort Motor für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Aber die Fläche des Landes wird mit Ihrer Politik zum Stiefkind.

(Beifall bei der CDU)

In dem Konzept haben Sie auch ganz klipp und klar erklärt: Die Landesregierung wird sich im Bundesrat weiterhin für eine Senkung der gesetzlichen Lohnzusatzkosten einsetzen. Wo bleibt bitte Ihr Einsatz?

(Zustimmung von Dinkla [CDU])

Sie haben es nicht einmal geschafft, die Antragsformalitäten zu vereinfachen und Transparenz und Benutzerfreundlichkeit herzustellen. Wenn Mittelstandsförderprogramme greifen sollen, dann muss man sich um Klarheit und Bündelung kümmern und muss sie auch wirklich ehrlich vorantreiben.

(Zustimmung von Frau Körtner [CDU])

Zusätzlich haben Sie in diesem Konzept eine Überprüfung der Beteiligungsgesellschaft - MBG, wie wir sie ja nennen - im Hinblick auf die Beteiligungsentgelte für Existenzgründer und für die Betriebsübernehmer versprochen. Allein dadurch schon braut sich ein großes Problem für unseren Mittelstand zusammen; denn wir alle, meine Damen und Herren, wissen: Mittelständlern und Handwerksbetrieben mangelt es im Moment an Eigenkapital. Das Vermögen steckt in den Betrieben, und dadurch herrscht auf dem Konto Ebbe. Die Bank reduziert ihr eigenes Risiko, indem sie je nach Bewertung Risikoprämien auf den Zins auf

schlägt. Es geht um Betriebe, die sehr wohl sehr stabil sind, aber einfach im Moment nicht flüssig sind.

Die Existenzgründungen sind da. Der Kapitalbedarf ist enorm. Zehntausende von Handwerksbetrieben suchen Nachfolger als Inhaber. Da wird dieser Geldmangel dann eben zur großen Bremse. Zehn Jahre lang stieg die MBG als stiller Partner mit Beteiligungen in Höhe von 100.000 DM bis zu 1 Million DM bei Firmen ein. Das Geld stammte, wie wir wissen, aus den Kassen der Staatsbank. Aber der Mittelstand kann von diesem Geld so nicht profitieren.

(Zustimmung von Frau Körtner [CDU])

Die MBG ist zu passiv. Erstens sollte sie bei Bankfilialen, Kammern und im Mittelstand landesweit für sich trommeln. Zweitens ist die MBG bis auf das jetzt gerade verlängerte Sonderprogramm 1999 überhaupt nicht auf Existenzgründer zugeschnitten. Drittens fehlen in der Runde der MBGGesellschafter Mittelständler, z. B. Handwerksmeister; die würden dann schon für ihre Sache sprechen.

Nehmen Sie sich z. B. Baden-Württemberg mit seiner MBG zum Vorbild: 920 Beteiligungen für 300 Millionen DM. Diese helfen dort pro Jahr Dutzenden von Mittelständlern und Handwerksbetrieben richtiggehend auf die Beine. Da wird mit dem Geld geholfen.

In diesem Haushalt haben Sie die seit langem bekannten Schwierigkeiten des Mittelstandes wieder nicht berücksichtigt. Wir erwarten von Ihnen gemeinsam mit den Betroffenen, dass Sie sehr schnell - jetzt sofort - etwas tun und sich nicht so wie Herr Beckmann hier hinstellen und dann nur versprechen: Es wird sich nachhaltig bessern. Ich meine, dass Sie zeigen sollten, dass der Mittelstand von Ihnen verstanden wird. Zeigen Sie das doch ganz einfach mit der lückenlosen Umsetzung Ihres Mittelstandskonzeptes. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Herr Kollege Eppers, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zum Haushalt komme, möchte ich mich den Worten des Kollegen Schurreit anschließen. Im Namen der CDU-Mitglieder des Arbeitskreises Wirtschaft, aber auch der CDUFraktion: Herzlichen Dank für die menschlich sehr angenehme Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Fischer. Bei aller sachlichen Auseinandersetzung, die wir geführt haben, gehört es sich auch, das bei aller Kürze der Zeit an dieser Stelle zu erwähnen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben es am Beifall meiner Fraktion vorhin gemerkt: Die Einstiegsrede der neuen Ministerin ist in vielen Bereichen auf unsere Zustimmung gestoßen. Wir sind der Meinung, dass es an den wichtigen Stellen einer Umkehr in der Landespolitik bedarf, und ich möchte dies am Beispiel der Verkehrsinfrastruktur, des Landes- und Kommunalstraßenbaus, begründen.

Wir alle sind uns darüber einig, dass eine moderne, gut ausgebaute und hochleistungsfähige Verkehrsinfrastruktur - im wesentlichen Straßeninfrastruktur - die Voraussetzung für eine florierende Volkswirtschaft ist. Aber Frau Dr. Knorre, wenn wir uns einmal den Haushalt 2001, um den es hier ja heute geht, anschauen, dann finden wir davon kaum eine Spur. Im wichtigen Bereich des Landesund Kommunalstraßenbaus stehen die Zeichen seit zehn Jahren auf Stau und Rückschritt. Von 8.352 km Landesstraßen - das sind die Zahlen der Landesregierung - sind 5.312 km nach ihren eigenen Angaben beschädigt. Gerade etwas mehr als ein Drittel unserer Landesstraßen ist in Ordnung. Trotzdem sind hierfür im Haushalt 2001 lediglich 100 Millionen DM vorgesehen. Bleibt es bei diesem Ansatz, wird es länger als zehn Jahre dauern, um die Landesstraßen in Ordnung zu bringen, ganz zu schweigen davon, den Stand zu halten, den wir heute haben.

Dass es hier in Niedersachsen einmal eine Regierung gab, bei der das anders ablief, beweist ein einfacher Zahlenvergleich zwischen 1990 und 2001. Für Landesstraßen waren im letzten Jahr der Regierung Albrecht 170 Millionen DM im Haushalt eingestellt, im ersten Haushalt der Regierung Gabriel sind es lediglich 100 Millionen DM. 1990 betrugen die GVFG-Mittel für den kommunalen Straßenbau - unabhängig von der EXPO; ich nenne

hier die Gesamtzahlen - 150 Millionen DM, im nächsten Jahr werden es 121 Millionen DM sein. Den Klopfer schießt die SPD-Fraktion beim Radwegebau ab - in Sonntagsreden ist das ja ihr Hätschelkind -: 1990 waren es noch 32 Millionen DM, im nächsten Jahr werden es lediglich 17 Millionen DM sein. So viel zur Haushaltswahrheit und -klarheit.

(Möhrmann [SPD]: Deshalb haben Sie dazu auch Ihren Antrag gestellt, Herr Kollege, oder? Keinen Antrag stellen und die Backen aufblasen, das habe ich gerne!)

- Herr Möhrmann, Sie können doch von uns nicht erwarten, dass wir im Rahmen eines Haushaltes das reparieren, was Sie in zehn Jahren verschludert haben. Das geht nicht.

(Beifall bei der CDU - Inselmann [SPD]: Stellen Sie doch einmal einen Antrag dazu! - Weitere Zurufe von der SPD - Unruhe)

- Das muss Sie ja unheimlich nervös machen.

Auch im kommunalen Straßenbau sieht es nicht viel besser aus. Von den zur Verfügung stehenden 242 Millionen DM an GVFG-Mitteln werden lediglich 121 Millionen DM, also knapp die Hälfte, für die Förderung des kommunalen Straßenbaus ausgegeben,

(Zuruf von Schwarzenholz [frakti- onslos])

obwohl Sie ganz genau wissen, dass die Kommunen Förderanträge in einer Größenordnung von 1,1 Milliarden DM vorgelegt haben.

(Zuruf von der SPD)

An der Stelle, Herr Dr. Fischer, war es ja der richtige Schritt, von 40 % auf 50 % zu gehen. Wir meinen aber, dass es nur ein halber Schritt war und dass man den Anteil im Straßenbau noch etwas höher hätte veranschlagen müssen, um in der Fläche Infrastruktur sicherzustellen.

(Inselmann [SPD]: Wo ist denn der Antrag?)

Ich bleibe dabei: Das ist nach zehn Jahren eine traurige Bilanz einer unserer Ansicht nach verfehlten SPD-Verkehrspolitik und ein schwerer

Schaden für das Flächen- und Automobilland Niedersachsen.

Wer im letzten Jahr glaubte, dass der neue Ministerpräsident die Chance nutzen würde, um hier eine Umkehr einzuleiten, der hat sich getäuscht. Die Entwicklung in diesem Bereich ist mehr als desaströs, und wir werden es in den nächsten Jahren noch erleben, dass wir Schwierigkeiten bekommen werden, Erfolge bei der Ansiedlung mittelständischer und auch großer Betriebe zu erzielen, weil die Verkehrsinfrastruktur hierfür eine wichtige Voraussetzung ist.

Abschließend, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich hier noch einmal deutlich machen, dass wir Sie auffordern, zumindest für den Doppelhaushalt - da hat die neue Ministerin die Chance, den Worten auch Taten folgen zu lassen - die Weichen im Straßenbau wieder auf freie Fahrt für Wachstum und Beschäftigung in Niedersachsen zu stellen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Herr Kollege Heineking, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Herr Minister a. D., auch von dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für zehn Jahre faire Zusammenarbeit!

Ich darf noch einmal ganz kurz zum Thema Mittelstand kommen. In Talkshows und Sonntagsreden wird der Mittelstand immer viel gelobt, aber montags wird er geschröpft. In Niedersachsen ist er zwar der größte Steuerzahler, stellt 70 % der Arbeitsplätze und 80 % der Ausbildungsplätze, aber man benachteiligt ihn bei der Steuerreform gegenüber den Konzernen und Kapitalgesellschaften in einem nicht vertretbaren Maße.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, eine Zeitschrift hat gefragt, ob das Steuergerechtigkeit ist, wenn Privatunternehmen und Mittelständler in 2001 48,5 % Einkommensteuer zahlen müssen, Kapitalgesellschaften und Körperschaften aber nur 25 %. So geht das ja auch immer weiter: In 2003 und 2004 beträgt das Verhältnis 47 % zu 25 %, und erst in

2005 beträgt es 43 % zu 25 %. Diese Differenz muss der Mittelstand tragen. Hinzu kommt, dass ihm weitere Möglichkeiten genommen worden sind; ich denke nur an die kürzeren Abschreibungsfristen. - Das ist schon eine gewaltige Benachteiligung unseres Mittelstandes.

Ich greife noch einmal ein Gewerbe heraus, nämlich das Verkehrsgewerbe in Niedersachsen mit seinen 60.000 Arbeitsplätzen. Diese Arbeitsplätze werden systematisch abgebaut, und es wird nichts unternommen, um diese Arbeitsplätze und die daraus resultierenden Steuereinnahmen zu retten. Schließlich nimmt das Land Niedersachsen 1,2 Milliarden DM an Kfz-Steuer ein. Jeder ausländische Lkw, der hier fährt - das sollte man sich einmal näher betrachten -, verschafft uns Mindereinnahmen von 120.000 DM in den verschiedenen Steuerarten, von der Lohnsteuer über die KfzSteuer, die Mineralölsteuer usw. Sie tun nichts, um die hohe Kfz-Steuer und die hohe Mineralölsteuer zu reduzieren und um die Ökosteuer, die in Deutschland die Wettbewerbsverzerrung für unsere Unternehmen noch verschärft, abzuschaffen. Im Gegenteil, Sie stimmen sogar zu, dass sich die Ökosteuer im Januar noch einmal erhöht.

Wöchentlich lesen Sie in der „Deutschen Verkehrszeitung“ von Insolvenzverfahren im Verkehrsgewerbe. Hunderte von Arbeitsplätzen gehen verloren. Die Transporte auf unseren Autobahnen werden dadurch nicht weniger. Aber Sie schauen tatenlos zu. Als die Firma Holzmann einige mittelständische Unternehmer in den Abgrund getrieben hatte und dann selber in Schwierigkeiten geriet, kam der Kanzler mit einem großen Geldgeschenk. Als aber tausende von Brummifahrern und Kleinunternehmern in Berlin demonstrierten, ist niemand gekommen.