Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Dies alles ist eben nicht nur ein Problem der Justiz. Wenn Menschen das Vertrauen in die Justiz verlieren und damit beginnen, ihre Rechtsangelegenheiten selbst zu regeln, gerät der Rechtsstaat insgesamt ins Wanken.

In der Tat: Auch die Justiz muss sich den veränderten Bedingungen anpassen. An der Einführung moderner Technologien führt kein Weg vorbei. Aber diese Umstrukturierung muss man eben richtig machen. Die Einführung der Anwendersoftware P 53 hat zu Beginn dieses Jahres ein solches Chaos ausgelöst, dass man heute mit Er

staunen feststellen muss, dass keine irreversiblen Schäden eingetreten sind. Die mangelnde Vorbereitung und Fortbildung der Bediensteten haben den Frust dort erhöht. Hinzu kommen weitere Stellenstreichungen, ein Beförderungsstau, die vorhandenen Obergrenzen werden nicht ausgeschöpft. Die Verunsicherung, Herr Dr. Weber, die Sie gemeinsam mit der Bundesministerin durch den Gesetzentwurf zur ZPO-Reform hervorgerufen haben, möchte ich aus Zeitgründen nur am Rande erwähnen. Wir werden bei anderer Gelegenheit darüber sprechen.

Das Gleiche gilt etwa für die enorme Kostensteigerung, die beim Betreuungsrecht oder im Bereich des Insolvenzrechts, wenn wir die PKH-Regelung einvernehmlich für die gesamte Bundesrepublik Deutschland beschlossen haben, auf uns zukommt.

Herr Minister Prof. Dr. Pfeiffer, die „HAZ“ schreibt über Sie am 14. November, Sie seien ein „richtiger Tausendsassa“, der „Tagesspiegel“ am 15. November „Pfeiffer lässt kaum ein Mikrofon aus“, der „Spiegel“ am 20. November, Sie seien ein „Provokateur und Selbstdarsteller“. Der „Zeit“ erklären Sie am 16. November, Sie wollten am Ende der Wahlperiode in die Wissenschaft zurückkehren; es zwinge Sie aber niemand, dies im Wahlkampf zu erklären.

(Busemann [CDU]: Hört, hört!)

Der „NP“ erklären Sie am 13. Dezember das Gegenteil. Was nun gilt, können wir daraus wirklich nicht erkennen. Das sind aber völlig falsche Signale. Das sind Signale, die die Justiz - -

(Biel [SPD]: Lassen Sie sich doch überraschen! Das ist doch schön!)

- So gehen Sie mit verantwortungsvollen Bereichen um: „Lassen Sie sich doch überraschen!“ Das heißt, die tausenden Bediensteten im Justizbereich sollen sich überraschen lassen, welche Zukunftspläne dieser Minister hat.

(Biel [SPD]: Auf Ihre Rede kann man doch gar nicht anders antworten!)

Sie haben einen Anspruch darauf, dass dieser Minister erklärt: Ich mache diesen Job so gut und so lange wie irgend möglich.

(Biel [SPD]: Das ist doch eine Selbst- verständlichkeit!)

Dass wir bei der nächsten Wahl für etwas anderes sorgen werden, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

Was inhaltliche Fragen anbelangt, passen Sie, Herr Dr. Pfeiffer, in keine Schublade. Das macht manche nervös. Manche erfüllt dies mit Angst. Ich persönlich finde dies eher sympathisch. Aber wer schon im Vorfeld seiner Ernennung derartige Kritik aus den eigenen Reihen erfährt, der hat natürlich keinen guten Einstieg. Die schweren handwerklichen Fehler im Zusammenhang mit dem Gutachten Joseph Abdullah stellen leider schon jetzt eine schwere Bürde dar.

Die Justiz braucht Zurückhaltung und Besonnenheit. Die Justiz braucht einen Minister, der der Versuchung widersteht, zu allem Stellung zu nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Die Justiz braucht einen Minister, der die Unabhängigkeit der Gerichte als Grundprinzip nicht in Frage stellt. Die Justiz braucht auch klare Konzepte und Vorgaben. Die sind bei Ihnen noch nicht erkennbar.

Sie haben einen verbesserten Opferschutz und mehr Prävention angekündigt. Gut, da haben Sie uns auf Ihrer Seite. Jüngst wollen Sie Ehefrauen vor ihren prügelnden Ehemännern mittels eines Senders schützen - das habe ich mit Interesse gelesen -, der einen Empfänger bei den Frauen dann piepen lässt, wenn sich die Männer auf weniger als 100 m nähern. Darüber muss man nachdenken. Beim ersten Lesen fragt man sich: Ist das jetzt ein Scherz, oder meint er das ernst? - Aber ich räume freimütig ein, beim zweiten Nachdenken habe ich mir gedacht: Die Idee ist gar nicht so schlecht; darüber können wir diskutieren. - Es zeichnet Sie aus, dass Sie zu unkonventionellen Vorschlägen neigen. Vielleicht sollten Sie in diesem Fall SPD-Kollegen bitten, sich als Probanden zur Verfügung zu stellen. Den Sender würde ich dann in Ihrem Büro aufstellen.

(Ha, ha! bei der SPD - Adam [SPD]: Das war typisch Oldenburger Hu- mor!)

Trotz allem steht Ihnen eine Schonfrist von 100 Tagen zu. Sie sollten diese Schonfrist aber nicht strapazieren, Herr Minister Dr. Pfeiffer. Dafür ist leider kein Spielraum mehr vorhanden.

(Beifall bei der CDU)

Diese 100 m Abstand gelten mit Sicherheit nicht für den Raum des Landtages. - Herr Kollege Adam, Sie haben das Wort.

(Althusmann [CDU]: Bei mir piept es gerade, wenn Sie dort vorne hinge- hen!)

Meine Damen und Herren! Der Kollege Althusmann sagt gerade, bei ihm piept es. Ich hoffe, nur an den Füßen und nicht im Kopf!

(Heiterkeit bei der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich meine Ausführungen beginne, sei mir eine Bemerkung gestattet. Bei der Diskussion um das Thema Verwaltungsreform habe ich den Kollegen Althusmann aufgefordert, seine verbalen Springerstiefel auszuziehen.

(Schünemann [CDU]: Herr Adam!)

- Vielleicht sind Sie mal eine Minute ruhig, Herr Schünemann. Sie waren nicht dabei. - Meine Damen und Herren, nachdem ich ein wenig Zeit hatte, darüber nachzudenken, nutze ich hier die Gelegenheit, um mich beim Kollegen Althusmann zu entschuldigen.

(Zustimmung bei der CDU)

Denn der Ausdruck „verbale Springerstiefel“ kann bei der Diskussion, die heute draußen läuft, zu falschen Mutmaßungen Anlass geben. Das möchte ich nicht. Ich entschuldige mich beim Kollegen Althusmann. Ich lade ihn ein, mit mir mal zur Marine zu gehen. Dann tauche ich ihn beim Rettungsschwimmen.

(Zuruf: Besser umgekehrt!)

Meine Damen und Herren, wenn ich die Ausführungen des Kollegen Stratmann würdigen soll, dann würde ich sagen: Zuckerbrot und Peitsche. Er fängt an, dem Kollegen Dr. Weber zu danken, die Arbeit von Dr. Weber zu würdigen, um anschließend zu einem Rundumschlag auszuholen und den Eindruck zu erwecken, dass Herr Dr. Weber eigentlich alles verkehrt gemacht hat.

Ich nutze die Gelegenheit, um Herrn Dr. Weber, um dir, lieber Wolf, im Namen unserer Fraktion für deinen Einsatz Dank zu sagen, mit dem du über Jahrzehnte hinweg diesem Parlament und diesem Land gedient hast. Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Stratmann, ich halte es auch für sehr merkwürdig - -

Herr Adam, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rolfes?

Ich habe nur wenig Zeit. - Du kannst mich nachher zum Kaffee einladen. Dann können wir darüber reden.

(Rolfes [CDU]: Ich habe nur eine ganz kurze Frage!)

Ich halte es auch für sehr merkwürdig, meine Damen und Herren, dem neuen Justizminister alles Gute zu wünschen, um ihm gleichzeitig so Knüppel zwischen die Beine zu werfen, dass er gar keine Chance hat, hier sachliche Arbeit zu leisten. Auch Ihnen, Herr Dr. Pfeiffer, sage ich: Die Sozialdemokraten stehen an Ihrer Seite. Wir unterstützen Sie bei Ihrer Arbeit.

(Zustimmung von Biel [SPD] - La- chen bei der CDU - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich hatte die Gelegenheit, einige Male an Sitzungen des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen teilzunehmen. Ich gehe davon aus - -

(Zuruf von Busemann [CDU])

- Herr Busemann, Sie brauchen sich ja nur bei Ihrer Fraktion zu entschuldigen. Ansonsten sind Sie hier ja Einzelkämpfer geworden. - Meine Damen und Herren, ich meine, dass die Arbeit im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sehr sachlich auch mit dem neuen Justizminister laufen wird. Dazu wünschen wir Ihnen, aber auch allen Ausschussmitgliedern viel Erfolg.

Meine Damen und Herren, wir haben für den Bereich des Strafvollzugs viel getan und werden dies auch künftig weiter tun. Uns ist klar: Der Strafvollzug ist nicht nur stets das letzte Mittel in der

Reihe strafrechtlicher Sanktionen. Er ist auch für den Staat der teuerste Weg der Strafe. Dennoch investieren wir in großem Umfang in den Strafvollzug, um einen sicheren und gleichzeitig humanen Strafvollzug zu ermöglichen. Nur ein sicherer und humaner Vollzug kann den Anforderungen gerecht werden, die Bürgerinnen und Bürger bestmöglich vor neuen Straftaten und Tätern zu schützen,

(Jansen [CDU]: Richtig! Das ist aber nichts Neues!)

indem der Vollzug sicher ist, um den Vollzug zu sichern, und indem der Vollzug human und an der Resozialisierung der Täter orientiert ist, um der Verhütung weiterer Straftaten auch für den Zeitraum nach der Entlassung der Täter gerecht werden zu können.

(Frau Zachow [CDU]: Können Sie mir das einmal erklären?)

In Zeiten knapper Haushalte und erheblichen Einsparungsdrucks ist es schon ein Erfolg, wenn man in personalintensiven Bereichen den Status quo sichern kann. Für die sicherheitsrelevanten Bereiche im Vollzug gilt dies für uns jedoch nicht. Wir haben hier trotz des Spardrucks noch einmal nachgelegt und für 2001 im Justizhaushalt für den Bereich des Vollzugs zahlreiche Umwandlungen von Anwärterstellen in Planstellen vorgenommen. Ich nutze diese Gelegenheit, um meiner Kollegin Elke Müller herzlich Danke für ihren sehr erfolgreichen Einsatz bei der Anwärterzulage zu sagen. Dieser Einsatz der Kollegin Elke Müller ist von allen Fraktionen des Rechtsausschusses honoriert und mitgetragen worden.

(Beifall bei der SPD - Jansen [CDU]: Wer hat den Antrag eingebracht?)

Meine Damen und Herren, ein besonders gutes Beispiel für unsere Arbeit ist das Programm „Schwitzen statt sitzen“. In diesem Programm können Straftäter durch die Ableistung gemeinnütziger Arbeit Ersatzfreiheitsstrafe abwenden. So wurden in diesem Jahr 226 Haftplätze eingespart. Dies entspricht einer mittelgroßen Vollzugshaftanstalt. Niedersachsen hat dadurch fast 12 Millionen DM Vollzugskosten gespart.