Meine Damen und Herren, ich messe den Maßnahmen in den gefährdeten Gebieten eine besondere gesellschaftspolitische Bedeutung bei, geht es hier doch vor allem darum, Menschen aus anderen Ländern und Kulturen zu integrieren und kriminalitätsfördernde Faktoren zu minimieren, indem beispielsweise vor allem jugendlichen Arbeitslosen eine Beschäftigung vermittelt wird. Ich bin optimistisch, dass wir mit der Bündelung dieser Maßnahmen - und insoweit ist der Wohnungsbau eine
zusätzliche Maßnahme - im Innenministerium die gesamtgesellschaftliche Kriminalprävention weiter verbessern können. Sie wissen, dass wir uns hier auf einem sehr erfolgreichen Wege befinden. Über 100 kriminalpräventive Räte wurden in unseren Gemeinden ins Leben gerufen. Wenn das auch durch solche Maßnahmen ergänzt werden kann, dann ist das meines Erachtens ein hervorragender Weg.
Meine Damen und Herren, auch das Wohnungsbauprogramm für das Jahr 2001 wird schwerpunktmäßig auf die Modernisierung von Wohnungen in Problemgebieten ausgerichtet sein. Daneben werden wir jedoch auch Schwerbehinderten und Kinderreichen bei der Bildung von Wohneigentum helfen. Durch eine Kombination von Landesmitteln mit den Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau wird es gelingen, Wohnraum zu modernisieren und dies mit dem Ziel der Energieeinsparung zu verbinden. Insgesamt sollen im Jahre 2001 Wohnungsbaufördermittel in Höhe von 83,6 Millionen DM zum Einsatz kommen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, noch zu einem Bereich Stellung zu nehmen, der heute in den Medien eine Rolle spielt und auch zum Amtsbereich des Innenministers gehört. Es gibt in einer Zeitung Meldungen darüber, in welcher Weise Standorte im Rahmen der Strukturreform der Bundeswehr betroffen sein werden. Die „Welt“ hat hierzu eine größere Geschichte gemacht. Mein Kenntnisstand ist: Wir sind insoweit in engen Kontakten mit der Bundesregierung. Das heißt aber nicht, dass eine Entscheidung über diese Dinge bereits getroffen worden ist. Das sind alles Nachrichten über das, was im Bundesverteidigungsministerium auf der Arbeitsebene für die politische Entscheidung vorbereitet wird. Also ist alles das, was jetzt durch die Gegend geistert, noch sehr spekulativ. Sie können sicher sein, dass wir in enger Kooperation mit der Bundesregierung den Versuch unternehmen, unsere Interessen so intensiv wie möglich zu vertreten. Das, was darüber jetzt zum Ausdruck gebracht wird, ist also nicht der letzte Stand. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu dem Bereich Justiz. Zunächst hat sich der Abgeordnete Schröder gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Debatte steht heute ein Justizhaushalt, der den Amtswechsel zweier Minister markiert. Vor wenigen Wochen sah das alles noch ganz anders aus. Erinnern wir uns! Im Oktober hat der Ministerpräsident in der Debatte um die Gefängnisausbrüche in Wilhelmshaven seinen Justizminister über den grünen Klee gelobt und ihn als besten Justizminister aller Zeiten gefeiert.
Für mich hörte sich das damals schon wie seine Dankesrede bei Aushändigung der Entlassungsurkunde an, und die weitere Entwicklung hat mir insoweit Recht gegeben. Zurücktreten durfte er damals noch nicht, weil dies das Image des Machers in der Staatskanzlei beschädigt hätte. Zurücktreten sollte Herr Weber aber schon - jedoch zu dem Zeitpunkt, den er, der Ministerpräsident, bestimmt. Also durfte Herr Weber erst im November um seine Entlassung nachsuchen. Ich will ihm an dieser Stelle für seine faire und sachliche Art auch im Umgang mit der Opposition ausdrücklich danken. Er ist wohl im Augenblick aus verschiedenen Gründen nicht im Saal.
Meine Damen und Herren, seinen Nachfolger im Amte, Herrn Dr. Pfeiffer, bezeichnete die Staatskanzlei vor einigen Tagen als „Farbtupfer in der Landespolitik und Lichtlein am Tannenbaum der Landesregierung“. Was wollte uns der Regierungssprecher mit dieser eigenartigen Formulierung sagen?
War vielleicht ein zu langer Gang über den Weihnachtsmarkt daran schuld, oder schmückt sich hier die starke Harzer Tanne lediglich mit einem dekorativen Lichtlein, indem sie einen eloquenten, unbegrenzt Talkshow-tauglichen Professor zum Justizminister beruft?
Ich erwarte von Ihnen, Herr Dr. Pfeiffer, dass Sie Ihre Rolle nicht auf das Dekorative, nicht auf den Farbtupfer und nicht auf das Lichtlein beschränken. Ich erwarte von Ihnen, Herr Dr. Pfeiffer, dass Sie sich mit neuem Schwung auf die überfälligen Reformen in der Justiz stürzen.
Ich gebe zu, dass diese Erwartung hoch ist. Sie haben - und das verdient unseren Respekt, Herr Dr. Pfeiffer - Ihre Feldmission kriminologischer Aufklärung aufgegeben, vorläufig verlassen und sich in die Niederungen praktischer Politik begeben. Welchen Unterschied das macht, haben Sie in den letzten Tagen bereits erleben dürfen. Da wurde Ihr Rücktritt schon gefordert, bevor Sie Ihr Amt nur einen einzigen Tag versehen haben. Für Niedersachsen ist das meines Wissens ein neuer Rekord.
Ich will an dieser Stelle deutlich sagen: Skandalös ist nicht, wenn auf mögliche Ermittlungsfehler beim Tod des sechsjährigen Joseph aus Sebnitz hingewiesen wird. Skandalös erscheint mir das Verhalten von Politikern und Behörden des Freistaates Sachsen. Hier wurde offenbar zunächst erst nachlässig gearbeitet, dann kopflos mit einer übereilten Verhaftung reagiert, und schließlich wenden sich Herr Biedenkopf und Co. gegen diejenigen, die ihnen all den Ärger eingebrockt haben. Ebenso skandalös, meine Damen und Herren, erscheint mir die Berichterstattung der Presse im Fall Sebnitz. Wenn jemand allen Grund hätte, deswegen zurückzutreten, dann wohl Herr Röbel, der Chefredakteur der „Bild“-Zeitung, wenn er nicht ohnehin demnächst aus der Leitung dieses Blattes ausscheiden würde.
In diesem Punkt, Herr Dr. Pfeiffer, haben Sie also unsere Unterstützung. Ob das auch in Zukunft so bleibt, wird davon abhängen, ob es Ihnen gelingt, den Reformstau in der niedersächsischen Justiz aufzulösen.
Sie haben erklärt, der Gefängnisneubau in Göttingen sei auch für Sie notwendig und unverzichtbar. Vor einigen Wochen, als die Zwischenergebnisse einer Studie Ihres Instituts bekannt wurden, las sich das noch anders. Wir hingegen sind dafür, nach den neuen Großgefängnissen in Sehnde und Oldenburg einen Schnitt zu machen und kritisch zu prüfen, ob eine weitere JVA in dieser Größe gebraucht wird. Ich will Ihnen einige Gründe dagegen nennen.
musste seine Prognose, die der Neubauplanung zugrunde liegt, vor einigen Tagen deutlich nach unten korrigieren.
Jeden Tag sind in Niedersachsen so viele Menschen wegen einer Geldstrafe in Haft, wie Göttingen Haftplätze haben wird. Als Sofortmaßnahme erwarten wir von Ihnen, Herr Dr. Pfeiffer, dass Sie die Möglichkeiten zur Verringerung von Ersatzfreiheitsstrafen endlich nutzen.
Warum wird in Baden-Württemberg - Sie wissen, wer dort regiert - für Ersatzfreiheitsstrafen die generelle gnadenweise Entlassung zur Halbstrafe angeordnet, während in Niedersachsen bis zum letzten Tag verbüßt werden muss? Warum eigentlich muss in Baden-Württemberg ein Tagessatz Geldstrafe mit vier Stunden, in Niedersachsen hingegen mit sechs Stunden Arbeit abgegolten werden?
Jeden Tag sind in Niedersachsen außerdem fast so viele Menschen in Abschiebungshaft, wie Göttingen Haftplätze haben wird. Am Morgen des 8. Dezember erhängte sich in der Abschiebehaftanstalt Langenhagen ein junger tamilischer Flüchtling, weil er es nicht aushalten konnte, nach fünfjährigem Aufenthalt in Deutschland in den Bürgerkrieg zwischen Tamilen und Singhalesen abgeschoben zu werden. Das ist nur ein Schicksal, das sich unter der Zahl von täglich 254 Abschiebegefangenen verbirgt. Das ist die höchste Zahl seit 1993. Gehen Sie, Herr Dr. Pfeiffer, bitte den Ursachen für diesen Anstieg nach, und klären Sie gemeinsam mit Ihrem Kollegen Bartling die Hinweise darauf, dass einige Ausländerbehörden bei der Beantragung von Abschiebungshaft durch eine besonders rabiate Praxis auffallen.
Meine Damen und Herren, in den nächsten Wochen wird das Bundesjustizministerium seinen Entwurf zur Reform des Sanktionenrechts vorstellen. Auch hierin steckt, wenn es gut gemacht wird, ein großes Potenzial für Haftvermeidung. Diese Reform wird greifen, bevor in Göttingen auch nur Richtfest gefeiert wird.
Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer, Sie wollen Opferschutz und Kriminalprävention zu Ihren Anliegen machen. Dabei haben Sie unsere uneingeschränkte Unterstützung; wir begrüßen das. Aber auch das braucht Geld, sogar recht viel Geld. Die Millionen, die die Justiz bei ihren Fehlplanungen zur EXPO verschleudert hat, stehen leider nicht mehr zur Verfügung. Geld hat die Eigenschaft, dass es nur
einmal ausgegeben werden kann: entweder für neue Knäste, für Zellen und Personal oder für neue Ideen zur Haftvermeidung dort, wo es Sinn macht, für Kriminalitätsprävention, insbesondere zur Verhütung von Rückfälligkeit, oder für Opferberatung und Opferhilfe. Wir haben dazu in unserem Änderungsantrag zum Haushalt einige Vorschläge gemacht, auf die ich an dieser Stelle wegen der Kürze der Zeit nicht weiter eingehen kann.
Insgesamt, Herr Dr. Pfeiffer, übernehmen Sie mit Ihrem Amt ein schweres Erbe. Vieles blieb liegen, und allzu oft wurde versäumt, die ausgefahrenen Gleise zu verlassen. Wenn Sie nicht nur mit SPDAnstaltsleitern reden, sondern auch einmal das Gespräch mit der Opposition suchen, dann können Sie vielleicht Unterstützung finden, wenigstens aber eine faire Auseinandersetzung erwarten. Das ist immerhin auch schon etwas. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst an die Eingangsbemerkung meines Kollegen Schröder anknüpfen und Ihnen, Herr Professor Dr. Pfeiffer, für Ihre neue verantwortungsvolle Aufgabe als Justizminister unseres Landes alles Gute wünschen. Ich verbinde dies mit dem Angebot für eine kritische, aber auch eine konstruktive Zusammenarbeit. Ich möchte auch Herrn Dr. Weber danken. Trotz manchen Streits habe ich den Umgang mit Ihnen, Herr Dr. Weber, stets als offen und als fair empfunden. Dies ist leider keine Selbstverständlichkeit. Deshalb verdient dieser Dank hier in diesem hohen Haus meiner Meinung nach Erwähnung.
Sie, Herr Minister Dr. Pfeiffer, haben keine leichte Aufgabe übernommen. Die äußerst schwierige Situation, die wir aufgrund einer steigenden Zahl von Gefangenen und einer veränderten Gefangenenklientel im Bereich des Justizvollzugs erleben, ist nur eine dieser Aufgaben. An der Schaffung zusätzlicher sicherer Haftplätze führt unserer Auffassung nach kein Weg vorbei. Das von Ihnen, Herr Minister, in Ihrer alten Funktion gefertigte Gutachten hat da Irritationen ausgelöst. Nicht die
unabhängigen Strafrichter oder die Staatsanwaltschaften in Niedersachsen, nicht zu harte Urteile, meine Damen und Herren, sind verantwortlich für die Enge in unseren Haftanstalten, sondern verantwortlich sind die wachsende Kriminalität insbesondere bei Jugendlichen, bei zu uns kommenden Osteuropäern, bessere Aufklärungs- und Ermittlungsmethoden und vor allem auch veränderte Kriminalitätsstrukturen. Der zunehmenden Hemmungslosigkeit zur Anwendung von Gewalt darf nicht, wie von Ihnen mit Ihrem Gutachten offensichtlich gefordert, mit milderen Urteilen begegnet werden, um Platz in unseren Gefängnissen zu schaffen. Das Gegenteil muss der Fall sein, meine Damen und Herren.
Wenn heute z. B. solche Straftäter in den Genuss des offenen Vollzuges kommen, für die eine solche Vollzugslockerung noch vor Jahren undenkbar gewesen wäre, weil Platz im geschlossenen Vollzug geschaffen werden muss, oder wenn heute Staatsanwälte eine größere Neigung entwickeln, Verfahren gegen Auflagen einzustellen, um der eigenen überbordenden Arbeitsüberlastung entgegenzuwirken, dann ist dies ein Skandal, für den nicht die Betroffenen vor Ort, sondern diese Landesregierung die Verantwortung trägt.
Wenn Sie, Herr Minister a. D. Dr. Weber, noch vor wenigen Tagen - ich zitiere aus der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom 20. November - die Verhältnisse im niedersächsischen Vollzug als menschenunwürdig bezeichnet haben - an dieser Stelle ist die Frage erlaubt: was haben Sie eigentlich in den letzten zehn Jahren in diesem Land getan? -, dann ist der Neubau von Justizvollzugsanstalten auch in Göttingen, lieber Kollege Schröder, überfällig und wird von uns uneingeschränkt mitgetragen.
Die dafür erforderlichen Investitions-, Sach- und Personalbewirtschaftungsmittel stellen einen ungeheuren Kraftakt dar. Auch das ist uns natürlich bewusst. Dieser ist allerdings unumgänglich. Die Behauptungen, weniger Strafe ergibt weniger Strafgefangene oder die Abschaffung der Strafbewehrung des Ladendiebstahls ergibt null Ladendiebe, sind zwar logisch, bedeuten aber einen Schlag ins Gesicht aller rechtschaffenden Bürger und Menschen dieses Landes.
Sie setzen damit auch die Wurzeln für schwindendes Rechtsbewusstsein und letztlich dann auch wieder für wachsende Kriminalität.
In der Stringenz dieser Logik müssten Sie diese Kriminalität dann auch wieder damit bekämpfen, indem Sie Straftatbestände abschaffen. So kann es aber nicht gehen.
Justizpolitik ist originäre Staatsaufgabe. Dies gilt für den Vollzug, die Staatsanwaltschaften, aber auch für unsere Gerichtsbarkeit. Es ist wahr: Noch werden die meisten Verfahren in akzeptablen Zeiträumen erledigt. Was aber nützt z. B. dem rechtsuchenden Handwerksmeister der gewonnene Zivilprozess, wenn seine Forderung nicht zeitgerecht vollstreckt werden kann und er deshalb womöglich in den Konkurs fällt?
Meine Damen und Herren, jeder kann sich vorstellen, welche Probleme es mit sich bringt, wenn Sie z. B. eine Auflassungsvormerkung oder eine Eigentumsübertragung nicht zeitgerecht ins Grundbruch eingetragen bekommen. Die Arbeitsbelastung unserer Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger, ja, des gesamten Hilfsdienstes hat dramatische Ausmaße angenommen. Immer wieder erreichen uns Petitionen oder Schreiben, Hilferufe von Bürgern, aber auch von Justizangestellten, die genau diesen Themenkreis betreffen. Wenn heute, meine Damen und Herren, immer mehr Richter Aufgaben der Hilfsdienste wie z. B. das Schreiben der Protokolle übernehmen müssen, dann ist es eben nur noch eine Frage der Zeit, wann auch die Erledigungszeiten für Prozesse länger werden, nämlich unerträglich lang.
Dies alles ist eben nicht nur ein Problem der Justiz. Wenn Menschen das Vertrauen in die Justiz verlieren und damit beginnen, ihre Rechtsangelegenheiten selbst zu regeln, gerät der Rechtsstaat insgesamt ins Wanken.