Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

endlich - das gilt auch für den Berufsstand - zu dem Problem bekennen und versuchen, das langsam in den Griff zu bekommen. Es gibt keine große BSE-Verschwörung, wie manche Funktionäre der Landwirte das manchmal glauben machen wollen.

Ich komme nun zu den einzelnen Maßnahmen, die wir vorschlagen. Da geht es zunächst um die BSETests. Sie sind dazu da, den Verbrauchern eine gewisse Teilsicherheit zu geben - wir wissen, dass es keine ganze Sicherheit, keine volle Sicherheit gibt - und für die Forschung Datenmaterial zur Verfügung zu stellen. Deshalb befürworten wir BSE-Tests bei allen geschlachteten Rindern, nicht nur bei denen, die über 30 Monate alt sind.

Wir befürworten außerdem BSE-Tests auch bei Schafen und Ziegen, auch bei Nichtwiederkäuern, insbesondere um Datenmaterial für Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen.

Um einen ganz konkreten und aktuellen Aspekt aufzugreifen: Wir möchten, dass auch die Rinder getestet werden, die im Rahmen der EU-Aufnahme und -Vernichtung aufgekauft werden, damit man nicht seine Rinder den Tests entziehen kann, indem man sie in die EU-Vernichtung gibt.

Wir begrüßen, dass eine ganze Reihe weiterer Tests zur Validierung anstehen, und hoffen, dass es bald auch möglich sein wird, entsprechende Lebendtests durchzuführen.

Ich komme nun zu den Futtermittelkontrollen. Hier dringen wir ganz heftig auf eine weitere Verschärfung. Bis heute hatten wir als Hintergrund die beiden Fälle, in denen Tiermehl in Wiederkäuerfutter gefunden worden ist. Wer heute Nachmittag in den Ticker geschaut hat, der wird die Meldung gelesen haben, dass es in Sachsen-Anhalt nach dem Verbot der Verfütterung von Tiermehl Kontrollen gegeben hat. Von 435 Proben waren 88 mit Tiermehl verseucht. Meine Damen und Herren, das ist einfach unakzeptabel, und ich glaube inzwischen einfach nicht mehr an die Untadeligkeit der deutschen Agrarwirtschaft.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das glaubt niemand! Sie tun nur so!)

In diesem Zusammenhang müssen wir auch - zum Teil ist das in den Anträgen der beiden großen Fraktionen geschehen - über die offene Deklaration der Futtermittel und über entsprechende Positivlisten nachdenken.

Ein weiterer Punkt sind eindeutige und aussagekräftige Kennzeichnungen im Bereich der Lebensmittel, aber auch im Non-Food-Bereich. Das heißt, jeder Verbraucher, jede Verbraucherin muss über seine bzw. ihre persönliche Risikostrategie selbst entscheiden können. Vorraussetzung dafür ist natürlich, dass er bzw. sie weiß, wo überall Rind drin ist. Das gilt sowohl für die Lebensmittel als auch im Bereich der Medikamente und bei ähnlichen Geschichten.

Ein weiterer Punkt, den wir in unserem Antrag genannt haben, ist die Initiierung der Forschungswende. Dazu sagen wir ganz deutlich: Hier muss umgeschichtet werden von der Genforschung, die ja nichts anderes macht, als neue Risiken zu schaffen, in die BSE-Forschung. Wir müssen die Diagnosemöglichkeiten verbessern, und wir müssen das ist das Wichtigste - Vorsorge treffen können und über Heilungsmöglichkeiten nachdenken, und zwar sowohl was BSE bei Tieren als auch was vor allem die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit bei den Menschen angeht.

Zum Verbot der Tiermehlverfütterung haben wir zusätzliche Wünsche. Wir möchten, dass auch Heim- und Haustiere in dieses Verbot einbezogen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sehen überhaupt nicht ein, dass der Seuche hier ein Überlebensstrang geliefert wird, auf dem sie sich sozusagen über Jahre und möglicherweise unentdeckt halten und weiterentwickeln kann, um irgendwann wieder in den Bereich der Lebensmittel übertragen zu werden.

Es ist wirklich nicht einzusehen, dass jetzt von verschiedenen Seiten weitere Aufweichungen dieses Verbots der Tiermehlverfütterung gefordert werden. Ob das die Probleme des Tierfetts beim Kälberfutter sind oder ob es das Fischmehl ist, wir müssen hier alle Stränge dicht machen. Ich kann nicht verstehen, dass hier schon wieder kleinlich um Pfennigbeträge gefeilscht wird, über Wettbewerbsverzerrungen geredet wird. Dabei wird vergessen, dass es hier darum geht, eine für Menschen unheilbare, tödliche Krankheit in den Griff zu bekommen. Das muss doch die Maxime sein, nach der wir handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Des Weiteren fordern wir einen Eiweißplan in Niedersachsen, in Deutschland und natürlich in

Europa. Das ist eine Forderung, die sicherlich nicht allzu strittig sein wird. Wir wollen keine Substitution durch Soja, das möglicherweise auch noch gentechnisch verändert wird, wir wollen auch kein Soja, das dann möglicherweise plötzlich wieder aus der Dritten Welt kommt.

(Zuruf von der CDU: Was wollen Sie denn?)

Wir sind darauf festgelegt, dass wir unsere Eiweißprobleme in Europa selbst lösen.

Ein Letztes, was wir in diesem Antrag aufgegriffen haben, ist die Forderung nach abgeschlossenen Handelsgebieten, um die Komplexität dieses Themas aufzulösen. Die CDU hat es mit einer etwas anderen Blickrichtung in Form von Importverboten in ihrem Antrag. Letzten Endes ist das natürlich nichts anderes. Wir wollen eine Sperrgebietsstrategie, durch die sichergestellt wird, dass wir bearbeitbare Gebietskulissen bekommen. Angesichts des europäischen Handels ist es sonst unmöglich, hier auch einmal eine aktive Seuchenstrategie zu fahren. Es müssen kleine Einheiten geschaffen werden. Unsere Empfehlung lautet, hier zunächst auf die nationale Ebene zu gehen und je nach BSEGeschehen das dann durchaus auch noch in kleinere Regionen zu gliedern.

So weit zu dem Antrag "BSE bekämpfen statt verwalten".

Damit komme ich jetzt zu der sozusagen etwas ferneren Zukunft, d. h. zur Zukunft und zur Wende der Landwirtschaft, wie wir sie auch schon im Rahmen dieses Plenums mehrfach angesprochen haben. Es geht uns darum - das ist das, was an erster Stelle stehen muss -, dass dieses Parlament ein klares Signal setzt dahin, dass wir die Landwirtschaft in Richtung ökologischer Landbau entwickeln wollen, dass wir eine artgerechte Tierhaltung wollen

(Beifall bei den GRÜNEN - Hogrefe [CDU]: 17. Jahrhundert! - Weitere Zurufe von der CDU)

und dass das keine leeren Worte sein dürfen, meine Damen und Herren. Wir hören diese Aussagen verbal aus vielen Richtungen, Herr Wojahn. Selbst aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium gibt es das Zitat, dass wir uns auf einen „radikalen Wandel“, wie es so schön heißt, einstellen müssen.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Bauernrevolution!)

Meine Damen und Herren, was sind das für Zielsetzungen, 10 % ökologischer Landbau in fünf Jahren oder von mir aus 20 % in zehn Jahren? Solchen Zielsetzungen gegenüber bin ich äußerst skeptisch. Sie erinnern mich allzu sehr an das niedersächsische Aktionsprogramm "Öko-Landbau 2000", nach dem der Anteil des ökologischen Landbaus inzwischen bereits 10 % betragen müsste, wenn es denn so gelaufen wäre, wie es hätte laufen sollen.

(Zurufe von der CDU)

Liebe Kollegen von der CDU, von daher glaube ich, dass radikaler Wandel eben auch ein radikales Umsteuern bedeutet, d. h. dass es mit Zielsetzungen allein nicht getan ist, sondern dass den Zielsetzungen auch ein konkretes Handeln folgen muss. Wir wollen hier eine klare Definition für das Leitbild der Landwirtschaft in der Zukunft. Diese Definition lässt sich auch buchstabengetreu festmachen. Da gibt es keine Gummibegriffe oder ähnliche Geschichten, sondern wir wollen eine biologische Landwirtschaft, wie sie nach den Richtlinien der EU vorgegeben ist. Wir wollen kein Geld für das "Weiter so!", sondern wir wollen alle verfügbaren Gelder für eine Landwirtschaftwende einsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Den Verbrauchern, dem Handel müssen wir dabei klar machen, dass das auch bedeutet, dass wir in Zukunft mehr als knapp 13 % unseres Familieneinkommens für Nahrung werden ausgeben müssen.

(Ehlen [CDU]: Sehr gut! Ich stimme völlig damit überein!)

Ich will jetzt nicht mehr auf die Frage eingehen, wie wir im Förderbereich umsteuern wollen. Das habe ich bereits gestern im Rahmen der Haushaltsplanberatungen getan. Ich möchte jetzt nur noch den einen oder anderen Gedanken darüber verlieren, warum der Widerstand gegen den ÖkoLandbau so stark ist.

Ich weiß nicht, warum das eigentlich so ist, warum so opponiert wird gegen eine Landwirtschaftsform, die doch emotional nun wirklich sympathisch ist, bei der versucht wird, mit den Gesetzen des Lebens zu arbeiten, statt diese Gesetze des Lebens

immer wieder zu überlisten, sei es durch besondere Futtermischungen, sei es durch Gene, die ausgetauscht werden, oder durch ähnliche Geschichten. Uns nutzt eine Landwirtschaft wenig, die nur auf Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet ist und die dann letzten Endes, wie wir es jetzt erleben, ihre Marktfähigkeit verliert. Ich frage Sie: Wäre es denn wirklich so ungerecht, wenn alle Verbraucherinnen und Verbraucher in den Genuss von schmackhafter und gesunder Biokost kämen? Stört Sie möglicherweise, dass unser Gesundheitswesen dann nicht mehr voll ausgelastet wäre?

(Zurufe von der CDU)

Oder fänden Sie es unverantwortlich, wenn auf der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche Nährstoffüberschüsse und Pestizideinträge keine Rolle mehr spielten, wenn weniger Dünger eingesetzt werden würde,

(Ehlen [CDU]: Null!)

wenn weniger Energie eingesetzt würde? Es gibt Untersuchungen, nach denen der ökologische Landbau 19 % weniger braucht, um die gleiche Menge an Nahrungsmitteln zu erzeugen.

Meine Damen und Herren, neben den Fördermaßnahmen brauchen wir Maßnahmen im Ordnungsrecht. Dabei geht es darum, die Tierzahlen zu senken, die im Bundes-Immissionsschutzgesetz für Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgesehen sind. Es geht um eine Gesetzesinitiative, durch die sichergestellt wird, dass die Konzentration der Tierbestände begrenzt wird, und es geht um die Bindung an die Fläche. Die schon angesprochene rotgrüne Gesetzesinitiative könnte hier durchaus zum Tragen kommen. Es geht um eine klare Abgrenzung zwischen bäuerlicher und gewerblicher Tierhaltung, es geht insbesondere darum, den Begriff der eigenen Futtergrundlage zu präzisieren und zu verschärfen. Und es geht schlicht und einfach darum, dass sich alle nationalen Tierhaltungsverordnungen, ob das die Hennenhaltungsverordnung oder die Kälberverordnung oder was es alles gibt ist, an der EU-Bioverordnung für Tiere orientieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein weiterer Punkt, der natürlich absolut notwendig ist, ist die Berücksichtigung dieses Grundsatzes in Ausbildung und Forschung. Wir müssen landwirtschaftliche Ausbildungs- und Studiengänge so anpassen, als wenn die Ökolandwirtschaft die Regelbewirtschaftung in Niedersachsen und in

Deutschland wäre. Nur dann werden wir entscheidend weiter kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen eine Qualifizierungsoffensive für die Fortbildung konventioneller Landwirte,

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Da schi- cken wir die CDU-Abgeordneten auch mit hinein!)

- das würde ich in der Tat auch empfehlen, Frau Kollegin -, wir brauchen eine Ausrichtung des Forschungsbedarfs auf die Bedürfnisse des Ökolandbaus, und wir müssen in der Tierzucht wegkommen von dieser Hast nach den neuen Höchstleistungen, nach der 12.000- oder 15.000-LiterKuh, und müssen sie an ökologischen Anforderungen weiterentwickeln.

Meine Damen und Herren, ich meine, unsere Antragsinitiative wird nicht zuletzt auch von einem Entschließungsantrag getragen, den SPD und Grüne gerade im Bundestag verabschiedet haben.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Darin wird deutlich gefordert, dass umweltverträgliche Produktionsverfahren entsprechend gefördert werden sollen. Bestehende Fördermöglichkeiten, so steht es darin - einvernehmlich von SPD und Grünen verabschiedet -, sollen ausgeschöpft, nationale Förderprogramme sollen entwickelt, ökonomische Anreize sollen verstärkt und Information, Beratung und Aufklärung sollen verbessert sowie der Ökolandbau soll ausgebaut werden mit einer Weiterentwicklung des Absatzes und Handels in diesem Bereich. Das ist, was wir wollen, und das ist, was wir aufgreifen sollten.

Lassen Sie mich einen letzten Satz zu den Anträgen der CDU- und der SPD-Fraktion sagen. Zwischen den einzelnen Punkten, die darin aufgeführt sind, gibt es eine ganze Reihe von breiten Parallelen. Ich meine, dass es durchaus möglich sein könnte, hierbei zu einer gemeinsamen Einschätzung zu kommen. Aber es gibt eines, das mich an beiden Anträgen stört, und das ist insbesondere, dass immer wieder zwischen den Zeilen steht, es gehe hier um das Problem der Optimierung zwischen dem Verbraucher- und Gesundheitsschutz und der Arbeitsplatzsicherung in der Agrarwirtschaft. Das - darin liegt wohl der entscheidende Unterschied, meine Damen und Herren - sehe ich nicht so. Ich sehe die Priorität hierbei eindeutig

beim Verbraucherschutz und beim Gesundheitsschutz, und das muss auch die Leitlinie für die weitere Bearbeitung sein. - Danke sehr.