Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

- Auch der Herr Staatssekretär möge der Rede wieder im Sitzen folgen oder das Gespräch nach draußen verlagern! - Vielen Dank.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Menschen haben es verdient, glaube ich, dass wir über diese sensiblen Themen wirklich

sachlich miteinander diskutieren, zwar mit heißem Herzen,

(Mühe [SPD]: Das ist schön!)

aber gleichwohl die Argumente, die für die eine oder andere Sache sprechen, sachlich austauschend. Das ist, meine ich, wichtig; denn sonst kommen wir nicht zu vernünftigen Entscheidungen. Den Entscheidungsprozess, der für die Bürger und Bürgerinnen draußen wichtig ist, können wir nicht transparent machen, wenn wir nur aufeinander einschlagen und nur Schlagworte austauschen.

Meine Damen und Herren, wir alle haben geglaubt, unsere Vorsorgesysteme seien sicher, sodass wir vor BSE geschützt seien. Diese Erwartung war nicht leichtfertig. Es gab dafür gute Fakten. Ich habe in dieser Woche schon von dieser Stelle aus auf die Fakten verwiesen, nach denen wir aus gutem Grund sagen konnten: Wir sind BSE-frei.

Meine Damen und Herren, wir haben mehr als 15.000 Untersuchungen an einer ganz kritischen Population von Rindern in Deutschland durchgeführt. Alle Ergebnisse dieser Untersuchung waren negativ. Wir haben im letzten Halbjahr den BSESchnelltest in Niedersachsen eingesetzt. Wir haben mehr als 200 Untersuchungen an einer kritischen Masse von Rindern durchgeführt, von der man sagt, dass die Untersuchungsergebnisse von diesen Tieren einen höheren Aussagewert bezüglich der Epidemiologie in diesem Bereich haben als die Ergebnisse von Schnelltests. Wir haben negative Ergebnisse gehabt. Wir haben eine Technologie im Bereich der Tiermehlverarbeitung, die, wenn sie überall in Europa rechtzeitig angewendet worden wäre, vermutlich verhindert hätte, dass uns das Thema BSE beschert worden ist.

Wir hatten also durchaus Grund zu sagen: Wir sind in dieser glücklichen Situation.

Aber ich gebe zu, meine Damen und Herren: Wir haben uns geirrt und müssen nun fragen, welches die Ursachen sind.

Es ist aber nicht richtig, sich nun hier herzustellen und so zu tun - in diesen Fehler sollten wir nicht verfallen -, als hätten wir alles vorher gewusst, als habe die Bundesregierung, Herr Biestmann, keinen Maßnahmenplan gehabt. Der Maßnahmenplan ist seit 1994 da. Sie können ihn bei uns einsehen.

(Biestmann [CDU]: Kein nationaler! Das ist ein EU-Plan!)

Es gibt einen Maßnahmenplan, nach dem vorgegangen worden ist.

Es ist auch nicht richtig, wenn gesagt wird, es gäbe keine Forschung in diesem Bereich. Es gibt intensive Forschung, auch hier an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover. Ich nenne nur einmal den Namen von Professor Pohlenz. Es gibt aber auch viele, viele andere Forschungseinrichtungen, die damit auch befasst sind.

Es ist ebenfalls nicht richtig, wenn gesagt wird, wir hätten kein Referenzlabor. Das Referenzlabor ist natürlich nicht in Deutschland, sondern in England, selbstverständlich also dort, wohin es auch gehört.

Das sind Dinge, die man in einer solchen Diskussion einfach fairerweise auch erwähnen muss.

Hier sollte auch nicht der Eindruck erweckt werden, weil das auch nicht glaubwürdig ist, als hätten Bund und Land nicht rechtzeitig Vorsorgemaßnahmen getroffen. Herr Biestmann, obwohl wir in den Vormonaten hier immer über das Thema BSE gesprochen haben, habe ich auch von Ihrer Seite keinen Antrag gesehen, der uns aufgefordert hätte, den Schnelltest einzuführen.

(Biestmann [CDU]: Doch, habe ich gefordert!)

Ich habe auch nicht gesehen, dass Sie uns aufgefordert haben, mehr Laborkapazitäten zu schaffen. - Nein, Herr Biestmann.

(Biestmann [CDU]: Doch!)

- Meine Damen und Herren, lassen Sie es uns doch ruhig angehen; wir wollen uns doch gar nicht mehr erregen.

Ich habe auch keinen Antrag zum Haushalt gesehen, der gefordert hat, dass der Schnelltest bezahlt werden muss. Sie haben einen solchen Antrag zum Haushalt nicht eingebracht. Dafür wären 40 Millionen DM jährlich erforderlich. Ich habe einen solchen Antrag nicht gesehen.

(Ehlen [CDU]: Wir haben gedacht, dass die Landesregierung so einsichtig wäre!)

- Meine Damen und Herren, meine Empfehlung ist, jetzt diese gegenseitigen Vorwürfe nicht zu machen. Sie sind wirklich unangebracht. Niedersachsen hat vor dem Auftreten des ersten BSEFalls in Deutschland, in Schleswig-Holstein, ers

tens den Kabinettsentscheid gehabt, die Tiermehlverfütterung einzustellen, zweitens den Kabinettsentscheid gehabt, alle Rinder im Altern von über 30 Monaten, die zur Schlachtung anstehen, mit dem BSE-Schnelltest zu testen. Das war vorher. Weil wir uns vorher vorbereitet haben, haben wir im Veterinäruntersuchungsamt in Oldenburg schon ein gewisses Potential an Testmöglichkeiten geschaffen.

Wenn Sie sagen - Herr Wulff hat das in einer Pressemitteilung dort veröffentlicht -, wir hätten uns ein Beispiel an Schleswig-Holstein nehmen müssen, weil man da viel, viel eher die BSESchnelltests eingeführt habe,

(Möllring [CDU]: Das können die ja gar nicht!)

dann kann ich nur lachen, meine Damen und Herren; denn wir haben die schleswig-holsteinischen Rinder in Niedersachsen, im Veterinäruntersuchungsamt in Oldenburg, getestet,

(Möllring [CDU]: Das wissen wir doch!)

weil die Schleswig-Holsteiner gar keine Testmöglichkeiten hatten.

Also, ich bitte Sie darum, sich an der Stelle wirklich einmal sachkundig zu machen. Es tut mir Leid, wenn ich das immer wieder sagen muss, aber wir müssen uns gemeinsam auf diese Probleme sozusagen einstellen.

Herr Minister Bartels, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Möllring?

Aber sicher. Der weiß zu diesem Thema auch eine ganze Menge. Das weiß ich doch.

(Unruhe)

Herr Möllring, mal ran! Mal ran!

Herr Minister Bartling - -

(Unruhe)

Das haben Sie gut hingekriegt. Sie haben lange darüber nachgedacht, wie Sie das machen. Aber machen Sie ruhig weiter. Sie sind bekannt dafür.

Ist es Ihnen noch nie passiert, dass Sie sich versprochen haben? - Ich habe gerade mit dem Kollegen Bartling gesprochen.

Ich habe Sie dabei ja genau angeguckt.

Ist Ihnen denn bekannt, dass -

(Zurufe - Unruhe)

Ja, das kenne ich.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Einen Augenblick bitte. Ich habe den Minister gefragt, ob er eine Zusatzfrage beantworten möchte. Das möchte er, und nun hat der Kollege Möllring die Möglichkeit, seine Zusatzfrage zu stellen. - Bitte sehr!

Ist Ihnen bekannt, dass in der letzten Sitzung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen der Ausschuss von Ihrem Hause ausgesprochen kompetent und umfangreich darüber informiert worden ist, wie sich das Land hinsichtlich BSE verhalten will? Auf unsere Frage, wie die Schnelltests finanziert werden sollen, hat Ihr Haus gesagt, dass das jetzt noch nicht haushaltsrelevant sei. Es müsse noch mit dem Bund gesprochen werden, dass eine Verordnungsermächtigung geschaffen werde, die es dann zulasse, dass man in Niedersachsen entsprechende Gebühren erhebe, sodass man sie dann entsprechend umlegen könne. Vor dem Hintergrund der Äußerungen Ihres Ministeriums verstehe ich nicht - vielleicht können Sie das noch einmal

erklären -, warum die Opposition in ihrem Haushaltsantrag hierfür mehrere Millionen DM hätte beantragen sollen.

Herr Möllring, schönen Dank für diese Frage. Ich habe sie nicht bestellt. Hätten Sie sich an die Aussagen, Hinweise und Empfehlungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses gehalten, dann hätte Ihr Fraktionsvorsitzender in der "Osnabrücker Zeitung" nicht veröffentlichen lassen, dass das Land die Kosten voll übernehmen solle. Das ist danach geschehen, meine Damen und Herren, nicht vorher. Diese Peinlichkeit hätten Sie sich in der Tat ersparen können.

(Beifall bei der SPD)

Herr Biestmann, Sie haben hinsichtlich des Tiermehls ein wenig lamentiert. Ich kann das ja verstehen, weil Sie auch da eine Kurve gezogen haben. Eines möchte ich aber sagen: Bei dem Gespräch gestern Abend mit dem Bundeskanzler haben alle Ministerpräsidenten, von Stoiber und Teufel bis Simonis, gesagt: Diese Regelungen, so wie der Bundesrat sie beschlossen hat, sind richtig, sollen bleiben, müssen dauerhaft sein. - Alle haben dieses im Konsens gesagt, und ich bitte, dieses zur Kenntnis zu nehmen. Außerdem habe alle im Konsens gesagt, dass Bund, Länder und die Europäische Union gemeinsam die finanziellen Auswirkungen dieser gesetzlichen Regelung zu schultern haben.

(Biestmann [CDU]: Das ist richtig!)

Ich gebe zu: Mir wäre es lieber gewesen, wenn ich heute schon eine klare Aussage hätte, in welcher Größenordnung und mit welchen Anteilen das geschehen soll. Aber die Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler waren sich einig, dass hierzu noch konkrete Fragen zu beantworten sind und dass man das Ganze natürlich in eine agrarpolitische Neuausrichtung einbinden will, die sozusagen auch Grundlage der jeweiligen Kostenentscheidungen sein soll. Dafür habe ich Verständnis. Ich glaube, dass wir alsbald diese Dinge auf dem Tisch haben.