Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich finde, es gibt eine Fülle von Maßnahmen - wir stellen sie gerne dem Ausschuss zur Verfügung -, die in die gleiche Richtung wie der Antrag zielen. Die Landesregierung hat inzwischen, wie gesagt, Grundsätze zur finanziellen Förderung erarbeitet, sodass die Landeszentrale möglichst bald die Anträge bescheiden kann. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin! - Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD. Wer der Beschlussempfehlung des Kultusausschusses in der Drucksache 2236 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig geschehen. Ich bedanke mich dafür ganz ausdrücklich.

Meine Damen und Herren, damit sind die Beratungen zum Tagesordnungspunkt 18 abgeschlossen, und wir kommen nun zu dem

Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung: Lernen plus - Das Nachmittagsprogramm in der Schule - Antrag der Fraktion der CDU Drs. 14/2208

Das Wort hat der Kollege Klare.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte den Antrag der CDU-Fraktion "Lernen plus - Das Nachmittagsprogramm in der Schule" einbringen und begründen. Die CDUFraktion fordert die Landesregierung mit diesem Antrag auf, umgehend ein Gesamtkonzept für ein Nachmittagsprogramm an unseren Schulen vorzulegen. Von der Notwendigkeit dafür sind wohl wir alle hier im Hause überzeugt. Es gibt immer mehr Väter und Mütter, die beide aushäusiger Arbeit

nachgehen, einen großen Anteil an Alleinerziehenden, der in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen ist, und den Bedarf der Wirtschaft an qualifizierten Arbeitnehmern, was hier in besonderer Weise gesehen werden muss. Deswegen geht es uns jetzt darum, dass Familie und Beruf besser miteinander in Einklang gebracht werden können, indem unseren Jugendlichen auch am Nachmittag ein vernünftiges Angebot vorgelegt wird.

Die jetzige Situation bei der Nachmittagsbeschulung und -betreuung ist eher mäßig bis schlecht. Nur 6 % unserer Schülerinnen und Schüler werden ganztägig beschult. Wir gehen von einem Bedarf - das ist natürlich regional verschieden - von 20 % bis 40 % aus. Unser Vorschlag sieht ein freiwilliges Nachmittagsangebot vor, das am Bedarf orientiert ist und familienergänzend umgesetzt wird. Das sollen die drei Markenzeichen des Programms sein.

(Zustimmung von Eveslage [CDU])

Die CDU-Fraktion lehnt sehr deutlich den Vorschlag des Ministerpräsidenten Gabriel ab, der für Schüler, die eine Schule einer ganz bestimmten Schulform besuchen, eine verpflichtende Ganztagslösung vorsieht; alle Kinder, und zwar undifferenziert, sollen - ich sage es so deutlich - zwangsweise am Nachmittag in der Schule bleiben. Das ist aus unserer Sicht der pädagogisch falsche Weg, und das ist vielfach auch gar nicht notwendig. Pauschale Lösungen verbieten sich in der Pädagogik ohnehin. Schon deswegen kann man diesen Vorschlag als pädagogisch falsch einstufen.

Gefordert sind maßgeschneiderte Lösungen, die erstens den Wünschen der Eltern und der Schülerinnen und Schüler bedarfsgerecht Rechnung tragen, die zweitens einem Qualitätsanspruch genügen, den wir auch schon in unserem Konzept "Qualitätsschule für Niedersachsen" dargestellt haben, die drittens die Zusammenarbeit von Schulen und anderen am Ort befindlichen Einrichtungen fördern und die viertens - das ist nicht ganz unwichtig - finanzierbar und damit umsetzbar sind. Die Umsetzung des Vorschlags von Herrn Gabriel würde, wie Herr Plaue gesagt hat, zwischen 300 Millionen DM und 500 Millionen DM kosten, während die Umsetzung unseres Vorschlages wesentlich weniger kostete. Das ist aber nicht der entscheidende Faktor.

Unser Konzept - ich sage es noch einmal: freiwillig, nach wirklichem Bedarf und familienergän

zend - ist ein Angebot an Schülerinnen und Schüler und ihre Familien für den Nachmittag, das die unterschiedlichen Bedürfnisse der Familien berücksichtigt. Nur ein so organisiertes Modell ist flexibel und kann auf die besondere Situation der Familien differenziert ausgerichtet werden.

Alle verpflichtenden Modelle wie das des Ministerpräsidenten sind nicht zeitgemäß. Das Modell Gabriel hat ja auch ganz andere Dinge in den Vordergrund gestellt. Es ist auch deshalb kein Konzept, weil es nur aus drei Sätzen besteht. Es ist kurzatmig, weil es aus einem schnellen Entschluss heraus über Nacht am PC entwickelt worden ist. Das ist kein Konzept. Dabei standen nie - das ist jedenfalls meine Einschätzung - die wirkliche Sorge und das ehrliche Bemühen um eine vernünftige Betreuung der Kinder und Jugendlichen im Vordergrund, sondern es war der Medienaufschlag und das Lockvogelangebot mit dem Ziel, dass die Schüler eine ganz bestimmte Schule, in die sie eigentlich gar nicht gehen wollen, nämlich eine Sekundarschule, besuchen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, dieses Sekundarschulangebot, das von mehr als 80 % der Bevölkerung abgelehnt wird und das gleichzeitig ein höchst bewährtes System, nämlich unsere Realschule, zerschlagen soll, soll also als Lockvogelangebot umgesetzt werden. Das können wir als Pädagogen - da schaue ich Sie alle an - überhaupt nicht akzeptieren.

(Meinhold [SPD]: Ganz im Gegen- teil!)

Ich weiß, dass Sie so ähnlich denken. Ich bitte Sie auch darum, das deutlich zu sagen.

Das ist auch deshalb ein falscher Ansatz, weil die Schülerinnen und Schüler von Sonderschulen und Gymnasien damit von dem Nachmittagsprogramm ausgegrenzt werden.

Meine Damen und Herren, unser Konzept für ein Nachmittagsangebot lautet: Wir wollen Pflichtunterricht am Vormittag - das gehört unabdingbar dazu - auf der Basis einer vollen Stundentafel - wir haben in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, 3 000 Lehrer zusätzlich einzustellen; das ist ganz wichtig -,

(Beifall bei der CDU - Meinhold [SPD]: Und wer finanziert das?)

es soll ein Mittagessen geben, und es sollen am Nachmittag Bildungs- und Freizeitangebote gemacht werden. Der Nachmittag soll also so organisiert werden, dass nach dem gemeinsamen Mittagessen Hausaufgabenbetreuung, Fördermaßnahmen und Arbeitsgemeinschaften stattfinden sowie Bildungs- und Freizeitangebote in Zusammenarbeit mit Dritten gemacht werden. Hier ist sehr vieles denkbar. Es hängt von der jeweiligen Situation vor Ort ab, welche Angebote in den schulischen Nachmittag eingebunden werden können.

Dabei soll es möglich sein, nur Teile des Angebotes zu nutzen, d. h. etwa nur am Mittagessen teilzunehmen. Das sollte der Flexibilität der jeweiligen Schule überlassen werden. Es ist auch der Wunsch der Eltern, das Angebot so flexibel wie möglich zu gestalten.

Aus meiner Erfahrung bin ich mir ziemlich sicher, dass dieses Angebot nicht nur von sozial Schwächeren, sondern von einer Vielzahl von Schülerinnen und Schülern angenommen wird. Die Familien freuen sich auf ein solches familienergänzendes Angebot; sie wollen kein Familienersatzangebot.

(Beifall bei der CDU)

Weil mir das bei den Diskussionen draußen deutlich geworden ist - ich habe das zunächst gar nicht geglaubt -, möchte ich noch darauf hinweisen, dass viele junge Menschen heutzutage überhaupt kein Mittagessen mehr bekommen. Schon allein dagegen müssen wir etwas tun.

(Frau Pawelski [CDU]: So ist es! - Fasold [SPD]: Das sagen Sie jetzt? - Mühe [SPD]: Trittbrettfahrer! - Wei- terer Zuruf von der SPD: Ein bisschen spät!)

- Das wissen wir schon länger, und mit diesem Angebot reagieren wir darauf. - Ich finde, dass auch der pädagogische Wert des gemeinsamen Essens bedacht werden muss. Allein deswegen können wir nur sagen: Es wird höchste Zeit, dass dieses Konzept in der Form, wie wir es vorschlagen, oder in ähnlicher Form umgesetzt wird.

(Fasold [SPD]: Die sitzen alle am Tisch mit Mama und Papa!)

- Das sagt doch niemand; aber wir müssen das Thema anfassen. - Viele Dinge in diesem Konzept sind neu. Dass wir uns über den pädagogischen Wert des gemeinsamen Mittagessens einig sind,

freut mich sehr. Bis jetzt haben Sie hierfür aber nichts unternommen.

(Beifall bei der CDU)

Unser Modell baut auf das sehr erfolgreiche Modell der freiwilligen Ganztagsbetreuung von Kultusminister Horst Horrmann auf. Die Erfahrungen, die wir damals bei Modellversuchen gemacht haben, waren sehr positiv. Ich habe - das sage ich ausdrücklich - überhaupt nicht verstanden, warum das damalige Modell, das durch das Konzept, das wir hiermit vorlegen, weitergeführt werden soll, trotz der guten Erfahrungen, die wir damit gemacht haben, sofort nach Regierungsübernahme von Ihnen zerschlagen worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Das war nicht sachgemäß, und das war im Grunde gegen die vielen Institutionen gerichtet, die das schon erfolgreich gemacht hatten.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Weil nicht „SPD“ darauf stand!)

Ich möchte nun noch etwas zur Finanzierung sagen. Das ist eine solch wichtige Aufgabe, dass wir das aus dem Haushalt finanzieren müssen. Wenn das aufgrund unserer gesellschaftlichen Situation notwendig ist, und wenn wir die Grundsätze, die ich zu Anfang genannt habe, ernst nehmen, dann werden wir dies gemeinsam hinbekommen und auch die Finanzierung sicherstellen. Für die Personalsituation ist das Land zuständig und bleibt in der Pflicht. Wir werden Sie hier auch in die Pflicht nehmen. Zum anderen sind die Schulträger gefragt. Sie werden sich an dem Nachmittagsangebot beteiligen, was die sächlichen und baulichen Voraussetzungen angeht.

(Meinhold [SPD]: Da bin ich ge- spannt!)

Wir haben in diesem Bereich bereits eine recht gute Infrastruktur. Man kann eine Pausenhalle zu einer Mensa umgestalten. Mit den Gegebenheiten, die vor Ort bestehen, ist es möglich, das Mittagessen in der Schule einzunehmen. Wir glauben, dass es sinnvoll ist, dass sich die Eltern zumindest zum Teil am Mittagessen beteiligen.

Heute wird vielleicht wieder der Vorwurf erhoben, wir hätten bei der SPD abgekupfert. Ich habe das gerade wieder in der Zeitung gelesen.

(Meinhold [SPD]: Das stimmt!)

Man kann aber nur etwas abkupfern, wenn etwas vorliegt. Von der SPD liegt hierzu aber überhaupt nichts vor.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt kein Konzept, sondern nur einen Vorschlag von Herrn Gabriel und die drei Punkte, die, allerdings nur als Vorschlag und nicht als ausgearbeitetes Konzept, in dem Dialogpapier stehen.

(Meinhold [SPD]: Sie machen doch auch nur Vorschläge!)

Vor diesem Hintergrund kann man nicht abkupfern. Was der Ministerpräsident vorgeschlagen hat, ist nicht nur pädagogisch falsch - das habe ich erklärt -, sondern ist so auch nicht finanzierbar, obwohl das nicht der vordergründige Aspekt ist.

Wir fordern Sie auf, meine Damen und Herren, auch in dieser Frage umgehend zu handeln, den Show-Dialog, der mit den Schulen stattfindet, aber im Grunde bereits überholt ist - das wissen Sie genauso gut wie wir -, zu beenden und dieses oder ein ähnliches Konzept so schnell wie möglich umzusetzen, damit wir den Schülerinnen und Schülern und auch den Elternhäusern am Nachmittag die Perspektive geben können, die sie brauchen.

Wir brauchen kein starres Modell, kein Pflichtmodell, sondern wir brauchen ein Modell, das flexibel ist, das auf freiwilliger Basis organisiert wird und - das sage ich zum Schluss noch einmal, weil das sehr wichtig ist - familienergänzend organisiert wird. - Ich danke Ihnen und freue mich auf die Beratung.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)