Protokoll der Sitzung vom 16.03.2001

sondern auch sagen, dass der Autofahrer deutlich vernünftiger geworden ist. Von 1970 bis 1999 sind die Fahrleistungen um 180 % gestiegen. Die Unfälle nahmen im gleichen Zeitraum jedoch nur um 75 % zu. Noch günstiger verlief die Entwicklung bei den Verunglückten, nämlich minus 10 %, und bei den Verkehrstoten, nämlich minus 60 %.

Wir werden Ihren Antrag weitestgehend mittragen. Da Sie ihn aber nicht so umfangreich eingebracht haben, wie ich erwartet habe, möchte ich abschließend noch auf uns Abgeordnete zu sprechen kommen. Ich kenne das, und vielleicht erkennt sich der eine oder andere bei den folgenden Beispielen wieder.

Erstes Beispiel: Man fährt mit 200 km/h auf der Autobahn, linke Spur,

(Zuruf von der SPD: Das macht nur die Vockert! - Weitere Zurufe von der SPD)

und dann klingelt das Handy. Mich würde sehr interessieren, wer von uns nicht an das Handy geht. Wir sind ja Politiker, und in der Politik ist jeder Anruf wichtig.

Zweites Beispiel: Wenn man von einer Veranstaltung zur einer anderen Veranstaltung muss und die Zeit ein wenig knapp ist, dann überlegt man sich, auf welcher Strecke man ein wenig mehr Gas geben kann.

Drittes Beispiel: Eine politische Veranstaltung ist zu Ende, und bevor man nach Hause fährt, trinkt man an der Theke noch ein Glas Bier oder Wein.

Ich meine, wir sollten uns bei diesem Thema und bei diesem Antrag an die eigene Nase fassen.

(Schurreit [SPD]: Genau!)

Wir Abgeordnete können das nicht einfach mit Bußgeldzahlung, Punkten und Führerscheinentzug abtun. Wir haben mehr Verantwortung zu tragen; denn wir haben eine Vorbildfunktion. Ich meine, für uns gilt mehr als für alle anderen: Hände weg vom Steuer, Fuß vom Gas oder den Wein oder das Bier stehen lassen. - Ich finde, dann tragen wir mehr als Verantwortung. - Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Wenzel, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Anfang des Jahres hat der Innenminister wieder seine alljährliche Statistik über die Verkehrsunfallzahlen vorgestellt. Minister Heiner Bartling sagte bei der Vorstellung der Statistik, es sei erfreulich, dass insbesondere hinsichtlich der schweren Unfallfolgen ein deutlicher Rückgang festzustellen sei. Diese Aussage ist im besten Fall euphemistisch zu nennen. Denn wenn man sich beispielweise die Anzahl der Getöteten im Straßenverkehr von 1998 und 2000 ansieht, dann stellt man fest, dass es nur einen Rückgang um 0,6 % gibt.

(Schurreit [SPD]: Bei steigender Ver- kehrsdichte!)

Bei der Anzahl der getöteten Kinder gab es von 1998 auf 2000 einen Anstieg von 24 auf 29 zu verzeichnen. 1999 gab es sogar den Höchststand von 49 im Straßenverkehr getöteten Kindern.

Es gibt also nur einen schwachen Trend nach unten in einem Umfeld, das wenig erfreulich ist. Es gibt in einem Teilbereich einen leichten Rückgang, aber es ist alles noch auf einem extrem hohen Niveau.

Stellen Sie sich einmal vor, der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa tritt in seiner Jahrespressekonferenz vor die Öffentlichkeit und sagt: Wir haben ein sehr erfolgreiches Jahr hinter uns. In diesem Jahr sind nur drei Boeing 747 abgestürzt. – Oder der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG sagt bei der Jahrespressekonferenz: Im vergangenen Jahr war alles sehr erfreulich. Es gab nur zehn ICE-Unfälle von der Qualität des Bahnunglücks von Eschede. - Das ist völlig unvorstellbar. Kein Unternehmen könnte es sich leisten, so etwas in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ein solches Unfallgeschehen würde kein Unternehmen überleben.

Wir alle haben uns an einen im Grunde unhaltbaren Zustand gewöhnt, während in anderen Bereichen andere Standards gelten. Beispielsweise ist in den Bereichen Schiene, Luftfahrt und Industrie die Vermeidung jeglichen Unfalls das Ziel aller Maßnahmen. Dazu sind die Berufsgenossenschaften verpflichtet. Diese Standards müssen sie bei der Vorsorge anlegen.

Frau Ministerin Knorre, Sie sagen, Verkehrssicherheit lebe vom ehrenamtlichen Engagement. Das ist sicherlich richtig. Jedem, der sich hier engagiert, muss man dafür danken, dass er seine Zeit dafür opfert. Ich bin aber der Meinung, dass Verkehrssicherheit kein Thema ist, dass man einfach dem ehrenamtlichen Bereich aufdrücken und sagen kann: Ansonsten ist dafür keine staatliche Stelle mehr zuständig.

Der Zeitraum von 1998 bis 2000, in dem es einen Rückgang um 0,6 % gab, war genau der Zeitraum, in dem Sie, Herr Bartling, zusammen mit der Verkehrswacht die Kampagne „Minus 10 %“ durchgeführt haben. Ich kann nur feststellen: Diese Kampagne war ein Placebo. Das Ziel wurde trotz des Willens vieler Beteiligter nicht erreicht.

Deshalb sage ich an dieser Stelle: Die Vorschläge, die Sie in Ihrem Antrag präsentiert haben, sind richtig. Wir unterstützen sie. Sie sind uns aber zu

zahnlos, und sie werden voraussichtlich ebenso verpuffen wie die Minus-10 %-Kampagne. Wenn Sie die Bundesregierung auffordern, für Tempokontrollen von Lkws mehr Personal einzustellen, dann könnte man gleichzeitig fordern, dass sich in diesem Bereich die niedersächsische Polizei verstärkt anstrengen und engagieren soll.

Es gibt bereits Kommunen, die das gemacht haben, weil sie gesehen haben, dass es eine Notwendigkeit zum Handeln gibt. Insbesondere auf Autobahnen registrieren wir gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg um 33 Tote auf 122 Tote. Ich meine, das zeigt, dass wir uns insbesondere das Thema Autobahnen, Überholverbot für Lkw und Übermüdung, bei dem es dann natürlich auch um Personal geht, noch einmal genauer betrachten sollten.

Wir werden Ihren Vorschlag prüfen, werden aber zum nächsten oder übernächsten Plenum ein Konzept vorlegen, das weit darüber hinausgeht und Vorschläge enthält, von denen wir meinen, dass sie geeignet sind - -

(Glocke des Präsidenten)

- Ich habe doch noch ein paar Sekunden! Vier Sekunden habe ich hier noch, oder?

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der CDU)

Ich komme zum letzten Satz. - Wir werden einen Vorschlag vorlegen, der unseres Erachtens geeignet sein wird, dieses Thema grundlegender anzugehen, und mit dem für die Zukunft eine deutliche Senkung der Unfallzahlen herbeigeführt werden könnte. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Schurreit [SPD]: Wir sind gespannt!)

So pingelig sind wir mit den vier Sekunden j auch nicht. Aber ich muss Sie ja auf den Ablauf Ihrer Redezeit aufmerksam machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Punkt liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Ältestenrat empfiehlt, mit diesem Antrag den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr federführend zu befassen und die Ausschüsse für Kultus, innere Verwaltung sowie für Haushalt und Finan

zen mitberatend zu beteiligen. Gibt es weitere Wünsche? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung: Niedersächsische Bauwirtschaft stärken: Bei Vergabe öffentlicher Aufträge auf Qualität, Leistung und Tariftreue setzen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/2302

Zur Einbringung hat der Kollege Wolf das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bauwirtschaft in Deutschland befindet sich konjunkturell seit einigen Jahren in sehr angespannter Lage. Selbst mit dem Anziehen der allgemeinen Konjunkturlage, basierend größtenteils auf dem florierenden Außenhandel, ist eine Erholung für diesen Bereich nicht in Sicht.

Ich möchte auch gleich auf die Ursachen eingehen, die in die zurückliegenden Jahre zurückreichen. Aufgrund des hohen Zuzugs von 1990 bis 1996/97 gab es im Hochbaubereich, im Wohnungsbau, eine rege Bautätigkeit. Der Wohnungsbau ist längst nicht mehr so notwendig wie in diesen zurückliegenden Jahren. Es sind Leerstände entstanden Leerstände, die darauf basieren, dass der Einfamilienhausbau insbesondere in den vergangenen Jahren geboomt hat. Es gibt in Niedersachsen aber auch Gemeinden, die beispielsweise die Rheinarmee beherbergt haben. Es ist bekannt, dass die Rheinarmee sehr viele Wohnungen hatte. Ich nenne Hameln und Belm; wir kennen das. Wir haben insbesondere in diesen Bereichen, aber auch in der Stadt Hannover einen sehr hohen Leerstand zu verzeichnen. Das heißt, dass gegenwärtig insbesondere im Wohnungsbau wenig Aktivitäten sind, die aber - so klar und deutlich muss man das umschreiben - auch nicht notwendig sind.

Was den Tiefbau angeht, so ist uns auch bekannt, dass seit 1990 in den neuen Bundesländern eine Sanierung, Modernisierung und Erneuerung der völlig maroden Verkehrswege erfolgen musste. So flossen die meisten Bundesmittel nach dorthin ab. Für den gesamtdeutschen Bereich ist gegenwärtig

eine Unterfinanzierung von rund 80 Milliarden DM zu verzeichnen. Da wir vonseiten des Staates das nicht alles schaffen können, muss berechtigterweise der Gedanke aufkommen, ob für die kommenden Jahre eine Privatfinanzierung, wie schon angedacht, nicht von absoluter Notwendigkeit ist, damit wir die Verkehrsströme, die wir zum Teil kennen und die uns vorgestellt wurden, in den Griff bekommen.

(Eppers [CDU]: Warum steht davon nichts in dem Antrag drin?)

- Ich führe es doch aus. - Meine Damen und Herren, erschwerend kommt hinzu, dass wettbewerbsverzerrende Wirkungen von illegaler Beschäftigung und Lohndumping zu verzeichnen sind. Niedersachsen hat darauf bereits frühzeitig reagiert. Auf dem Erlasswege wurde die Tariftreue zur Bedingung für öffentliche Auftragsvergaben gemacht, damit ausgeschlossen wird, dass illegale Beschäftigung oder Lohndumping durch Auftragsvergaben des Landes oder der Kommunen gefördert werden. Daneben wurden auch Regelungen zur Bekämpfung von Korruption und Grundsätze zum Ausschluss unangemessen hoher oder niedriger Angebote getroffen.

Neben der notwendigen Verantwortung für die Rahmenbedingungen des Bauhandwerkes ist es jedoch auch erforderlich, dass die öffentliche Hand gegenüber privaten Investoren eine Vorbildfunktion erfüllt. Das am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Vergaberechtsänderungsgesetz hat nach langer Diskussion, die schließlich vor dem Vermittlungsausschuss endete, EU-Regelungen zum Vergabeund Wettbewerbsrecht in deutsches Recht umgesetzt. Dieses Gesetz lässt sowohl bundes- als auch landesgesetzliche Regelungen zur weiteren Ausgestaltung des Vergaberechts zu. Während die meisten Länder, wie auch Niedersachsen, eine bundesgesetzliche Regelung erwartet haben und diese abwarten wollten, hatte die Bundesregierung zunächst noch Beratungsbedarf.

Ein kartellrechtlicher Beschluss des BGH, mit dem das Berliner Vergabegesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft werden soll, hat offensichtlich zu einem weiteren Aufschub einer einheitlichen bundesgesetzlichen Regelung geführt. Ungeachtet dessen lässt die unverändert schlechte Konjunkturlage in der Bauwirtschaft den größten Wirtschaftszweig Niedersachsens fürchten - meine Damen und Herren, ich betone das, weil die anderen, daran anschließenden Gewerke davon abhän

gig sind und wir nicht umsonst beklagen, wie schwierig es ist, auf diesem Markt, der einer der bedeutendsten insbesondere im mittelständischen Bereich ist, künftig geeignetes Fachpersonal, aber auch Ausbildungsplätze zu erhalten und zu behalten -, dass weitere Jahre vergehen, bis eine gesetzliche Regelung die konsequente Anwendung der Bestimmungen gewährleistet, die der Vermeidung illegaler Praktiken im Bausektor dienen. Deshalb hält die SPD-Fraktion eine abschließende Klärung der Absichten der Bundesregierung auf dem Gebiet des Vergaberechts für erforderlich. Für den Fall, dass eine zeitnahe Umsetzung nicht sichtbar ist, müssen die in Niedersachsen geltenden Richtlinien für das öffentliche Auftragswesen in eine gesetzliche Regelung umgewandelt werden.

Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, dass dieser Punkt von so großer volkswirtschaftlicher Bedeutung ist, dass eine bundesgesetzliche Regelung herbeigeführt werden muss, damit nicht 16 Länder eigene Vorgaben haben, was hinderlich für die Firmen wäre. Ich glaube, dass es nicht angebracht ist, darüber einen parteipolitischen Streit zu führen, und hoffe, dass wir im Ausschuss konstruktiv zusammenarbeiten werden.

(Zuruf von Hagenah [GRÜNE])

Ich gehe davon aus, dass auch die Verbände an dieser Maßnahme beteiligt werden.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Hagenah. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wolf, Sie wissen doch, dass es über diese Frage schon seit mehr als anderthalb Jahren überhaupt keinen parteipolitischen Streit gibt. Den Antrag der Grünen für genau so ein Vergabegesetz haben wir hier am 15. Juli 1999 beraten. Das, was damals von Ihrer Fraktion und vom damals amtierenden Wirtschaftsminister Fischer gesagt wurde, entspricht der Antragsbegründung von heute, nämlich dass Sie es eigentlich richtig finden, dass der Bund ein Gesetz macht. Wir wissen, dass es eigentlich richtig ist, dass der Bund ein Gesetz macht.