Protokoll der Sitzung vom 18.05.2001

Meine Damen und Herren, ich empfinde es auch nicht als unmoralisch, wenn z. B. eine allein erziehende Mutter, die darauf angewiesen ist, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die nicht zum Arbeitsamt oder zum Sozialamt gehen will, ihr Kind in eine Kindertagesstätte gibt. Dort wird es ordentlich betreut. Sie kann arbeiten gehen und kann am Ende des Jahres 2 000 DM der Betreuungskosten steuerlich absetzen. Was ist daran eigentlich unmoralisch? - Ich finde es unmo

ralisch, wenn wir die Frau zwingen, zum Sozialamt oder zum Arbeitsamt zu gehen, weil wir ihr keine Betreuungszeit anbieten. Deshalb ist das ein Schritt in die richtige Richtung.

Das gleiche Phänomen, das wir hinsichtlich der Bundesregierung in Bonn unter Kohl haben feststellen können, trifft auch auf 1990 zu. Als wir hier Bilanz gezogen haben, was in Sachen Kinderpolitik, in Sachen Kindertagesstätten in Niedersachsen passiert war, mussten wir mit Erschrecken feststellen: Niedersachsen hat unter den elf alten Bundesländern die rote Laterne in der Hand gehabt. 154 000 Kindergartenplätze standen zur Verfügung,

(Zurufe von der CDU: Und wer hat sie bezahlt?)

und 245 000 Kinder waren da, die gerne einen Kindergartenplatz gehabt hätten. Ich zitiere Herrn Horrmann bzw. Herrn Albrecht: Die Kindertagesstätten sind eine originäre Aufgabe der Kommunalpolitik. - Sie haben sich 14 Jahre lang nicht darum gekümmert, haben die Kommunen alleingelassen. Wir haben den Kommunen 290 Millionen DM als Zuschüsse zur Verfügung gestellt, und es sind 80 000 neue Kindergartenplätze entstanden.

(Beifall bei der SPD)

Damals 154 000, jetzt 235 000 Kindergartenplätze - das ist der Erfolg der Regierung Schröder unter Rot-Grün von 1990 bis 1994 und der SPD von 1994 bis 1998.

(Möllring [CDU]: Das haben die Kommunen gebaut!)

Natürlich wissen wir, meine Damen und Herren, dass noch viel mehr zu tun ist. Aber Sie kennen die chronische Finanzschwäche unseres Landes und der Kommunen. Deswegen sind nicht alle Wünsche sofort zu erfüllen, sondern es dauert seine Zeit, bis wir das alles erledigt haben. Diese Erfahrung haben Sie an anderer Stelle ja auch schon gemacht.

Die Frage des Ehegattensplittings ist angesprochen worden. Ich bin der Auffassung der Ministerin; das ist gar keine Frage. Es ist hochgradig ungerecht, dass Eheleute, die keine Kinder haben, die gleichen Steuervorteile haben wie Eheleute, die zwei, drei oder mehr Kinder haben. Das muss angepackt werden.

(Beifall bei der SPD und von Frau Pothmer [GRÜNE] - Zurufe von der CDU)

Aber, meine Damen und Herren, ein wesentlicher Punkt ist, dass wir mit Ihnen eigentlich nur über alte Familienpolitik geredet haben. Wir müssen aber feststellen: Es handelt sich um eine Zukunftsdiskussion. Es geht darum, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Elternteile zu sichern, insbesondere aber für die Frauen, die in der Vergangenheit da immer benachteiligt worden sind. Und es geht darum, neues Vertrauen zu schaffen, damit die Eltern, insbesondere die Mütter, wissen: Unsere Kinder werden gut betreut; die Betreuung findet statt. Unsere Kinder werden gut erzogen; neben der Familienerziehung findet Erziehung wieder statt. Gleichberechtigung findet wieder statt, und materieller Schaden tritt für die Familien nicht ein. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung.

(Frau Pawelski [CDU]: Nein, ich hatte mich gemeldet!)

- Wo denn?

(Frau Pawelski [CDU]: Entschuldi- gung, er hat genickt, und deshalb bin ich davon ausgegangen!)

- Ist ja in Ordnung. Bitte sehr, Frau Pawelski!

Entschuldigung, Herr Präsident. - Frau Ministerin, Ihre Rede kann ich nur damit entschuldigen, dass Sie erst wenige Monate im Amt sind

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

und sich anscheinend nicht genug damit beschäftigt haben, was in früheren Jahren hier in Niedersachsen abgelaufen ist. Dann wäre Ihnen sicherlich auch die Peinlichkeit erspart geblieben, dass Sie verkündet haben, Sie wollten jetzt Niedersachsen zu einem kinderfreundlichen Land machen.

Ich frage die SPD-Fraktion: Was haben Sie bitteschön elf Jahre lang hier in Niedersachsen für die Familie getan?

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Ich werde Ihnen die Arbeit etwas erleichtern und Ihnen unsere Anträge, die wir gestellt haben, zur Verfügung stellen. Das erspart Ihnen Arbeit. Sie wissen dann anschließend etwas mehr, und mehr Wissen ist ja immer ganz gut.

Verehrter Herr Kollege Mühe, Sie beschäftigen sich ausführlich mit Bonn bzw. Berlin. Wo waren denn Ihre Anträge in Bonn zur Familienpolitik? Schwarzes Loch oder weißer Fleck, je nachdem, wie man es nennt. Ich habe hier gesagt, dass ich gern die 600 DM Erziehungsgeld dynamisiert bzw. erhöht hätte.

(Mühe [SPD]: Fragen Sie doch, wie die Verfassungsrichter das empfunden haben!)

Wir Frauen der CDU haben das regelmäßig gefordert.

(Mühe [SPD]: Die Verfassungsrich- ter!)

- Dass ist mir egal. Wir reden jetzt nicht über die Gerichte, wir reden über Ihre Politik in Berlin. - Es gab in 16 Jahren nicht einen Antrag von der SPD, das Erziehungsgeld zu dynamisieren, zu erhöhen, auszuweiten, wie auch immer.

(Beifall bei der CDU)

Das ist doch unredlich, was Sie hier machen.

Wenn Sie Ihre familienpolitischen Leistungen loben: Die Hälfte von dem, was Sie den Familien geben, ziehen Sie ihnen doch durch Gegenfinanzierung direkt wieder ab. Die Hälfte holen Sie doch aus der Tasche wieder heraus. Der Rest entschwindet durch die Ökosteuer usw.

Ich kann Ihnen gern sagen, was alles gestrichen wird: z. B. Schulgeld. Wir wissen, das gute Schulen, z. B. K-Schulen, auch Schulgeld verlangen, das dann von der Steuer abgesetzt werden kann. Das wollen Sie streichen. Das belastet die Familien, die ihre Kinder auf eine solche Schule schicken wollen.

Dann loben Sie sich für die Arbeit für die allein Erziehenden. Lieber Herr Mühe, der Abbau des Freibetrages für allein Erziehende soll in Stufen erfolgen. Er soll im Jahr 2002 von 5 600 DM auf 4 600 DM verringert werden, danach auf 2 300 DM und ab 2005 auf null. Das ist Ihre Arbeit für allein Erziehende!

(Beifall bei der CDU)

Das müssen Sie auch sagen, wenn Sie ehrlich sind.

Frau Trauernicht, noch ein Wort zu Ihnen. Auch das rechne ich Ihrer kurzen Amtszeit zugute. Sie appellieren an die Kommunen, Einsparungen bei der Kinderbetreuung nicht vorzunehmen, sondern das so zu lassen. Wer wie diese Regierung ständig die Kommunen ausplündert

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD - Zurufe von der SPD: Bücke- burg! Bückeburg!)

und hier sagt, die Kommunen sollen das Geld bei der Kinderbetreuung nicht kürzen, der müssten schamrot im Gesicht werden!

(Beifall bei der CDU)

Falls mir nun alle Wortmeldungen bekannt geworden sind, darf ich feststellen, dass ich keine weiteren vorliegen habe. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.Der Anrages soll der federführend behandelt werden im Ausschuss für Gleichberechtigung und Frauenfragen. Die Mitberatung soll erfolgen im Kultusausschuss, im Ausschuss für Jugend und Sport, im Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen und im Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Die Tagesordnungspunkte 38 und 39 rufe ich vereinbarungsgemäß zusammen auf:

Tagesordnungspunkt 38: Erste Beratung: Zwangspfand bei Einweggetränkeverpackungen: Keine ideologischen Schnellschüsse - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2453

Tagesordnungspunkt 39: Erste Beratung: Total tote Dose - Pfandpflicht einführen - der Novelle der Verpackungsverordnung zustimmen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2463

Der Antrag der CDU-Fraktion wird vom Kollegen Hoppenbrock eingebracht, dem ich das Wort erteile. - Die Wanderungen an der Regierungsbank können wieder eingestellt werden, wenn es geht!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Teil des Themas ist schon am Mittwoch abgehandelt worden. Es ist aber wichtig, dass noch einmal aufgezeigt wird, welch seltsames Schauspiel die Landesregierung und auch die SPD-Fraktion hier allen - ich nenne sie mal so - dosenpolitisch Interessierten vorgeführt haben. Da wird in Berlin eine Verordnungsnovelle auf den Weg gebracht, nachdem vorher die Länderumweltminister mehrheitlich zugestimmt haben. Auch der Niedersächsische Umweltminister Jüttner hat zugestimmt, und die Verordnung wird gegen die Stimmen von Rheinland-Pfalz und der CDU-geführten Bundesländer beschlossen.

Kurz danach beginnt das Nachdenken beim Ministerpräsidenten. Er ändert seine Meinung. Er pfeift den eigenen Umweltminister zurück und schließt sich dem CDU-Standpunkt an. Er ist mit voller Kraft dagegen und macht damit bundesweit in der Presse Furore. Er ist dagegen, weil diese Verordnung angeblich Arbeitsplätze vernichtet.

Kurz darauf meldet sich die SPD-Fraktion zu Wort. Fraktionschef Plaue sieht hier eine Chance, um Eigenständigkeit zu beweisen.

(Groth [SPD]: Haben wir schon alles besprochen!)