Protokoll der Sitzung vom 15.06.2001

Zur Geschäftsordnung: Ich beantrage, diesen Tagesordnungspunkt mitberatend auch an den Rechtsausschuss zu überweisen. Der Ems-DollartVertrag ist berührt. Es wird eine Missachtung die

ses Vertrages vorgeworfen. Wir haben über Rahmenrichtlinien gesprochen. Ich meine, das muss auch im Rechtsausschuss besprochen werden.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD: Wenn es auch nicht hilft, scha- den wird es nicht!)

Ich glaube, das findet hier Beifall. Solange wir den Antrag nicht der UNO überweisen wollen, können wir das auch beschließen.

Gibt es noch weitere Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich hiermit die Debatte. Der Ältestenrat hatte ursprünglich empfohlen, diesen Antrag dem Ausschuss für Umweltfragen zu überweisen. Es besteht aber der Wunsch, ist mir mitgeteilt worden, nicht so zu entscheiden, sondern den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit diesem Antrag federführend zu befassen - das ist beantragt worden - und die Ausschüsse für Umweltfragen und den Rechtsausschuss mitberatend zu beteiligen. Ist das so richtig?

(Zurufe von der CDU)

- Gibt es andere Vorstellungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. - Vielen Dank.

(Frau Steiner [GRÜNE]: Wir hatten einen anderen Antrag! Wir wollten federführend den Umweltausschuss haben!)

- Ich habe nicht gesehen, dass es Gegenstimmen gab. Ich kann aber auch ganz formell abstimmen lassen, wenn Sie das wünschen.

Wer dafür ist, dass federführend der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten tätig sein soll, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist beeindruckend. Vielen Dank.

Wir sind uns aber einig, dass der Umweltausschuss und der Rechtsausschuss mitberatend tätig sein sollen? - Da gibt es keine anderen Vorstellungen; okay.

(Zuruf von der SPD: Das soll so sein!)

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung: Erhöhung der Bedarfszuweisungen: Nothilfe für Not leidende Kommunen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2551

Dazu hat der Kollege McAllister das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die finanzielle Situation vieler Kommunen in unserem Bundesland ist dramatisch. Zwei Drittel der Kommunen können ihre Verwaltungshaushalte nicht mehr ausgleichen. Bereits bei 167 Kommunen haben die Kassenkredite eine Höhe erreicht, die im Grunde genommen rechtswidrig ist. Diese Eckdaten zeigen, dass sich die niedersächsischen Kommunen in einer existenzbedrohenden Lage befinden.

(Beifall bei der CDU)

Dies ist das traurige Ergebnis einer kommunalfeindlichen Politik, die diese Landesregierung in den letzten zehn Jahren zu verantworten hat.

(Möllring [CDU]: Jetzt schon im elf- ten!)

Diese Landesregierung hat den kommunalen Finanzausgleich um jährlich 1 Milliarde DM gekürzt. Die Folge dieses ungerechten Raubzuges ist ein massiver Anstieg der kommunalen Kassenkredite von 71 Millionen DM im Jahre 1991 auf 2,752 Milliarden DM im letzten Jahr.

(Plaue [SPD]: Was reden Sie da? Ha- ben Sie das Verfassungsgerichtsurteil nicht gelesen, Herr Kollege?)

Gestern, meine Damen und Herren, hat uns der Innenminister bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage der CDU-Fraktion mitgeteilt, dass zum 31. März 2001 der Stand bei sage und schreibe 3,5 Milliarden DM lag.

(Plaue [SPD]: Was reden Sie für einen Unfug? Sie haben doch überhaupt keine Ahnung! Lesen Sie doch mal das Verfassungsgerichtsurteil! Das ist doch Brunnenvergiftung, was Sie hier machen!)

Das Verhältnis zwischen dem Land Niedersachsen und den Kommunen, zwischen der Landesregie

rung und den kommunalen Spitzenverbänden ist, um es vornehm auszudrücken, extrem belastet. Gerade vor diesem Hintergrund hat der Staatsgerichtshof den kommunalen Finanzausgleich zweimal für verfassungswidrig erklärt. Die kommunalen Spitzenverbände haben diese traurige Tatsache oft genug angesprochen.

Bis heute ist es der Landesregierung leider nicht gelungen, das Verhältnis zu den Kommunen zu befrieden. Die Kommunen wollen keine Gesprächsangebote vom Ministerpräsidenten mehr. Unseren Kommunen helfen nur noch Taten. Deshalb haben wir heute diesen Antrag gestellt.

(Beifall bei der CDU)

Herr Innenminister, ich habe mich schon gewundert, dass Sie gestern bei der Dringlichen Anfrage zumindest so getan haben, als ob Sie die Situation noch ganz entspannt betrachten können. Ich meine, wir befinden uns in einer ganz schwierigen Situation, auf die jetzt auch die Landesregierung wird reagieren müssen. Denn in dieser existenziell schwierigen finanziellen Situation für die Kommunen gewinnt das Instrument der Bedarfszuweisung noch mehr als bisher an Bedeutung. Der Staatsgerichtshof hat in seinem jüngsten Urteil zum kommunalen Finanzausgleich vom 16. Mai 2001 hierzu sehr interessante Ausführungen gemacht. Ich erlaube mir, von Seite 36 der Urteilsbegründung zu zitieren:

„Der Gesetzgeber ist gehalten, Vorkehrungen, gegebenenfalls unter Einsatz des Instruments der Bedarfszuweisung, für den Fall zu treffen, dass auch nur eine einzelne Gemeinde trotz sparsamster Wirtschaftsführung in eine finanzielle Lage gerät, in der ihr keinerlei Mittel auch nur für ein Mindestmaß an freiwilliger kommunaler Selbstverwaltung verbleiben.“

Herr Minister, diese gerichtliche Feststellung ist deshalb besonders interessant, weil damit die aus der Landesverfassung erwachsende Verpflichtung für das Land, den Gemeinden und Landkreisen die zur Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen und sie dadurch zu einer angemessenen Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu befähigen, einen entsprechenden subjektiv/individuellen Anspruch jeder einzelnen Kommune begründet.

Das heißt künftig, dass im Hinblick auf Artikel 58 unserer Landesverfassung verfassungswidrige Zustände folglich nicht erst dann gegeben sind, wenn die Gesamtheit der Gemeinden und Kreise bzw. die Gruppe derselben diesbezügliche Defizite aufweisen. Nein, ein Verfassungsverstoß liegt vielmehr schon dann vor, wenn das Land auch nur einer einzelnen Kommune die im Sinne der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie erforderlichen Mittel vorenthält. Der Landesgesetzgeber ist in diesen Einzelfällen nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs gehalten, entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Wenn nach den Feststellungen des Staatsgerichtshofs die jetzige Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen unter Einbeziehung der Möglichkeit der Bedarfszuweisung verfassungskonform sein soll, folgt daraus notwendigerweise, dass solche Gebietskörperschaften, die weder mittel- noch langfristig durch das normale Verteilungssystem des FAG aus einer chronischen Defizitlage befreit werden können, einen einklagbaren Anspruch auf Bedarfszuweisung gegenüber dem Land haben. Deshalb werden Sie in kürzester Zeit verpflichtet sein, Bedarfszuweisungen in erheblich größeren Dimensionen zu gewährleisten, als das bisher der Fall war. Unteres Mindestmaß könnte etwa der Ausgleich jener zusätzlichen Haushaltsbelastungen sein, welche durch fortwährende Kumulation der illegalen Kassenkredite entstehen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund dieser Situation legen wir als CDU-Landtagsfraktion heute als erste Konsequenz diesen Antrag vor. Wir beantragen, die rechtlichen und haushaltsrechtlichen Voraussetzungen zur Erhöhung der Bedarfszuweisungen an die Kommunen um 100 Millionen DM im Haushaltsjahr 2001 zu schaffen. Dabei wollen wir die zusätzliche Erhöhung der Zuweisungsmasse an die Gemeinden und Landkreise um insgesamt 100 Millionen DM aus der aufgelaufenen Rücklage vornehmen und nicht aus der Schlüsselmasse, Herr Minister, wie Sie das gestern angedeutet haben. Die im jetzigen Haushalt ausgewiesenen Mittel für Bedarfszuweisungen für das Jahr 2001 in Höhe von 125 Millionen DM sind bei weitem nicht ausreichend, um den in finanzieller Not befindlichen Gemeinden und Städten und - jetzt auch zunehmend - Landkreisen ein Mindestmaß an Erfüllung freiwilliger kommunaler Aufgaben zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU)

Uns ist bewusst, dass die Erhöhung um 100 Millionen DM nicht die alleinige Lösung des Problems sein kann. Letztlich wird wohl auch diese Maßnahme aufgrund der von Ihnen zu verantwortenden kommunalfeindlichen Politik der letzten Jahre nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Aber es wäre ein wichtiges Signal in Richtung der gebeutelten Kommunen, die Mittel für den Bedarfszuweisungstopf zu erhöhen. Es ist das Zeichen, dass wir im Land die Kommunen nicht allein lassen. Aufgrund des offensichtlich verfassungsgerichtlich einklagbaren Anspruchs werden Sie sich in den nächsten Monaten und Jahren auf eine noch größere Flut von Bedarfszuweisungsanträgen einstellen müssen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie, Herr Minister, noch einmal bitten, zu überprüfen, ob wir nicht doch wieder den Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden Bedarfzuweisungen geben sollten.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß nicht, ob Sie das aus der kommunalen Praxis kennen. Aber zurzeit sieht es in den Samtgemeinden wie folgt aus: Da die Mitgliedsgemeinden keine Bedarfszuweisungen mehr erhalten, werden alle kostenintensiven Aufgaben auf die Samtgemeindeebene verlagert. Die Mitgliedsgemeinden verlieren damit viele Kompetenzen. Sie wissen genau, wie schwierig es ist – nämlich nur durch einstimmigen Beschluss -, Aufgaben wieder von der Samtgemeinden auf die Mitgliedsgemeinden herunter zu delegieren. Der Abgeordnete Coenen hat gestern bei der Behandlung der Dringlichen Anfrage dieses Thema bereits angesprochen.

Ich würde mir von Ihnen in dieser Frage manches Mal mehr Ehrlichkeit wünschen.

(Möllring [CDU]: Nicht nur in die- ser!)

Wenn Sie sich in der Landesregierung entschieden haben, die Samtgemeinden abzuschaffen, dann seien Sie doch so ehrlich, und ändern Sie die Niedersächsische Gemeindeordnung. Aber hören Sie mit der schleichenden Aushöhlung der Mitgliedsgemeinden durch Verlagerung von Aufgaben auf die Samtgemeinden auf!

(Beifall bei der CDU)

Herr Innenminister, Sie kriegen noch ein Problem. Der Staatsgerichtshof hat nämlich in seinem Urteil

nur von Gemeinden geschrieben, die Bedarfszuweisungen erhalten sollen. Der Staatsgerichtshof hat nicht zwischen Samtgemeinden und Gemeinden unterschieden. Nach meinem Dafürhalten heißt das, dass der Staatsgerichtshof entweder in Unkenntnis der Lage - was ich aber nicht glaube oder vielmehr bewusst davon ausgegangen ist, dass nach wie vor Mitgliedsgemeinden genauso wie andere Kommunen Bedarfszuweisungsempfänger sein dürfen.

Für die CDU-Fraktion kann ich sagen: Wir stehen ohne Wenn und Aber zur Samtgemeinde als bewährter Institution unserer niedersächsischen Kommunalverfassung.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren insbesondere von der SPD-Landtagsfraktion, wenn die Landespolitik den weiteren Ruin der niedersächsischen Kommunen nicht sehenden Auges in Kauf nehmen will, ist und bleibt sie erst recht nach dem jüngsten Bückeburger Urteil gefordert, für eine gerechte Verteilung der Einnahmen zwischen Land und Kommunen zu sorgen und die vielen Ungerechtigkeiten gegenüber den Kommunen abzustellen. Nach Ihrem bisherigen Verhalten hier im Parlament und nach den teilweise empörenden Reaktionen des Innenministers, des Ministerpräsidenten und vieler anderer SPD-Politiker, die das Urteil aus Bückeburg damals mit lautstarker Freude aufgenommen haben, müssen wir das leider stark bezweifeln. Sie, meine Damen und Herren, und insbesondere der Ministerpräsident, der heute Morgen wieder nicht hier ist,

(Adam [SPD]: Sie wissen doch, wa- rum er nicht da ist! Das ist flegelhaft! reden in Sonntagsreden von der kommunalen Selbstverwaltung. Der Staatsgerichtshof hat nun den Ball zurück an das Parlament gegeben, Herr Kollege Adam. Es liegt nun auch in Ihrer Hand, ob wir endlich wieder einen fairen Finanzausgleich zwischen Land und Kommunen hinbekommen. Es muss Sie doch beunruhigen, dass die vielen Klagen der Kommunen gegen den Finanzausgleich - viele davon mit SPD-Rats- und -Kreistagmehrheiten - gegen den Finanzausgleich gezeigt haben, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen der Landesregie- rung und der kommunalen Ebene parteiübergrei- fend, also insgesamt, ist. Dafür, dass das so ist, tragen seit 1990 ausschließlich Sie die politische Verantwortung. (Beifall bei der CDU)

Sie haben die Finanzausgleichmasse jährlich um 1 Milliarde DM gegenüber 1990 gekürzt.

(Möhrmann [SPD]: Jährlich 1 Milli- arde DM? - Dann sind wir jetzt also schon im Minus!)