Protokoll der Sitzung vom 24.10.2001

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.

Ich erbitte Ihre Aufmerksamkeit für die Abstimmung. Wir kommen zur Einzelberatung.

Artikel 1. - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer ihr zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Artikel 2. - Wer der Änderungsempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Artikel 3. - Wer der Änderungsempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Diese kommen von den Grünen. - Stimmenthaltungen? - Keine. Das ist so beschlossen.

Artikel 3/1. - Dazu liegt ebenfalls eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer ihr zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Artikel 4: - Wer der Änderungsempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Das Erste war die Mehrheit.

Gesetzesüberschrift. - Wer der Änderungsempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer

enthält sich der Stimme? - Das ist dann so beschlossen.

Wer in der Schlussabstimmung dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Wer ist gegen den Gesetzentwurf? - Wer enthält sich der Stimme? Niemand. Das Gesetz ist mit großer Mehrheit so angenommen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 12: Zweite Beratung: Entwurf eines Gesetzes über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Straftäter (Straftäterunterbringungsgesetz - StrUbG) - Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drs. 14/2655 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 14/2787

Der Gesetzentwurf wurde in der 83. Sitzung am 17. September 2001 an den Ausschuss für Rechtsund Verfassungsfragen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Berichterstatterin ist Frau Kollegin Müller, der ich das Wort erteile.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Drucksache 14/2787 empfiehlt Ihnen der federführende Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen mit den Stimmen der Mitglieder der SPDFraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Mitglieder der CDUFraktion, den Gesetzentwurf abzulehnen. Die mitberatenden Ausschüsse für innere Verwaltung, für Haushalt und Finanzen sowie für Sozial- und Gesundheitswesen haben sich der Empfehlung des federführenden Ausschusses angeschlossen.

Ich gebe den weiteren Bericht zu Protokoll.

(Beifall im ganzen Hause)

(Zu Protokoll:)

In den Ausschussberatungen blieben die Fraktionen bei ihren schon in der ersten Beratung im Plenum vertretenen Standpunkten:

Die Mitglieder der CDU-Fraktion begründeten den Gesetzentwurf mit der Auffassung, durch die

Einführung der „nachträglichen“ Anordnung der Unterbringung werde eine Sicherheitslücke geschlossen, die in dem Fall bestehe, dass sich erst während der Haft eines verurteilten Straftäters zeige, dass von diesem im Fall seiner Freilassung nach der Haftverbüßung eine besondere Gefährlichkeit ausgehen würde. Da es sich bei der nachträglichen Unterbringung um Gefahrenabwehr handele, sei auch die Gesetzgebungskompetenz des Landes gegeben.

Demgegenüber vertraten die Mitglieder der SPDFraktion und das Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Auffassung, schon die Gesetzgebungskompetenz des Landes sei nicht gegeben, da die „nachträgliche Sicherungsverwahrung“ in die Kompetenz des Bundes falle; dies zeigten auch mehrere Bundesratsinitiativen zur Aufnahme einer solchen Vorschrift in das StGB, die in der Vergangenheit gescheitert seien. Zudem sei die Notwendigkeit einer solchen Regelung nicht erkennbar. In den letzten Jahren habe es in Niedersachsen keinen einzigen Fall gegeben, bei dem die nachträgliche Sicherungsverwahrung in Betracht gekommen wäre.

Der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen bittet Sie, der Beschlussempfehlung in der Drucksache 14/2787 zu folgen.

Ich bedanke mich bei der Berichterstatterin.

Wir kommen zur Aussprache. Das Wort hat der Kollege Stratmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt keinen besseren Opferschutz als die Vermeidung von Straftaten. Der wirkungsvollste Opferschutz ist, zu verhindern, dass Menschen Opfer von Straftaten werden.

(Beifall bei der CDU)

Dies ist und bleibt - so glaube ich auch jetzt noch sagen zu können - unser gemeinsames Ziel.

(Zuruf von der SPD: Das stimmt!)

Wenn wir dieses Ziel wirklich mit allem Nachdruck und aller Ernsthaftigkeit verfolgen, dann müssen wir uns auch die Frage stellen, wie wir mit solchen Strafgefangenen umgehen, die nicht nach

§ 66 unseres Strafgesetzbuches mit einer Sicherungsverwahrung versehen sind, sondern bei denen sich erst im Laufe der Haft herausstellt, dass sie wirklich gefährliche Straftäter sind, und bei denen man sagen muss, dass eine Entlassung nicht zu verantworten ist. Wir brauchen ein Instrument, das uns - ich unterstreiche das - rechtsfest in die Lage versetzt, in solchen Fällen eine Inhaftierung solcher Strafgefangenen fortzusetzen.

Die bestehenden Möglichkeiten, z. B. die Führungsaufsicht nach der Haft oder auch die von Ihnen, Herr Minister, angekündigte Aufforderung gegenüber den Staatsanwaltschaften, künftig häufiger Anträge auf Sicherungsverwahrung zu stellen, mögen hilfreich erscheinen, sind es im Kern aber nicht; denn sie gehen eigentlich an der Problematik vorbei. Deshalb treten wir dafür ein, die rechtlichen Voraussetzungen für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung zu schaffen, d. h. die unstreitig bestehende Gesetzeslücke zu schließen.

SPD-Fraktion und Landesregierung haben uns immer wieder entgegengehalten, es gebe für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung keinen Bedarf. Fälle der beschriebenen Art kämen nicht vor. Herr Minister, wir wissen, dass dies in Wahrheit nicht der Fall ist. Zugegeben, die nachträgliche Sicherungsverwahrung käme nur sehr selten in Betracht. Auch das ist, glaube ich, unstreitig. Darüber sind wir sehr froh. Dennoch käme sie in einigen wenigen Fällen gleichwohl zur Anwendung.

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie fragen: Ist es denn nicht tatsächlich ausreichend, dass wir nicht ausschließen können, dass es solche Fälle gibt? Würde nicht eine einzige verhinderte Straftat, ein einziges Opfer weniger eine entsprechende gesetzliche Regelung rechtfertigen?

(Beifall bei der CDU)

Ich meine, dass man diese Fragen mit einem klaren Ja beantworten müsste.

SPD-Fraktion und Landesregierung wenden ferner ein, unser Gesetzentwurf sei nicht verfassungskonform; wir hätten im Land keine Rechtsetzungskompetenz. Sie stünde vielmehr nur dem Deutschen Bundestag zu. Zugegeben, auch darüber kann man trefflich streiten. Es gibt schlüssige Argumente dafür und dagegen, wie so oft, meine Damen und Herren, wenn Juristen streiten. Ich will diesen Streit nicht wiederholen, weil er uns nicht hilft. Ich stelle aber fest, dass die SPD weder im Bund noch im Niedersächsischen Landtag den

Versuch unternommen hat, gemeinsam mit uns nach einer verfassungskonformen Lösung zu suchen und diese zu finden. Dies gilt leider auch für die SPD-geführten Länder im Bundesrat. Wir hätten uns, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, nicht verschlossen; denn wir möchten handeln und keinen juristischen Streit in dieser Frage. Ziehen Sie sich bitte nicht auf den juristischen Streit zurück. Bekennen Sie sich, und beziehen Sie eine klare Position, damit die Menschen in unserem Land wissen, dass Regierung und Regierungsfraktion für mehr Opferschutz eintreten. Ich meine, dies muss deutlich werden. Dem können Sie jetzt Rechnung tragen.

Der Eindruck, der jetzt entsteht, ist leider ein ganz anderer. Dazu tragen auch Einlassungen der Bundesregierung bzw. der SPD-Bundestagsfraktion bei, wenn z. B. entsprechende Anträge der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch in Berlin mit dem Hinweis zurückgewiesen werden, es gäbe verfassungsrechtliche Probleme. Meine Damen und Herren, an dieser Stelle kann ich nur die Frage stellen: Was stimmt denn jetzt? Sie sagen uns, wir seien nicht zuständig, sondern Berlin, und die in Berlin sagen, sie seien im Prinzip nicht zuständig, es gebe verfassungsrechtliche Probleme.

Ich möchte an dieser Stelle aber gerne zugeben, dass die Berliner SPD-Kollegen auch auf den Artikel 103 Abs. 3 unseres Grundgesetzes hinweisen, nämlich auf das Verbot der Doppelbestrafung. Wenn aber dieses Argument tatsächlich zöge, wenn es einschlägig wäre, dann dürften wir sozusagen auch keine Sicherungsverwahrung im Strafverfahren haben. Dann müsste auch dieses am Verbot der Doppelbestrafung scheitern. Insoweit trägt dieses Argument nicht wirklich. Die Wahrheit ist nach unserem Eindruck: Sie wollen - aus welchen Gründen auch immer; hierüber möchte ich nicht spekulieren - an dieses Thema nicht heran.

Herr Minister, ich komme auf meine einleitenden Ausführungen zurück. Sie wissen, dass die CDUFraktion Sie bei der Verwirklichung Ihrer Anliegen im Bereich Opferschutz und Prävention unterstützt. Viele Jahre lang haben wir gefordert, nicht nur den Tätern, sondern vor allem den Opfern viel mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, als es in der Vergangenheit der Fall war.

(Beifall bei der CDU)

An Sie, Herr Minister, gerichtet sage ich: Wir haben nunmehr den Eindruck - das war wirklich

nicht immer so -, dass wir über das Ob dieser Forderung nicht mehr streiten müssen, dass das Ob dieser Forderung offensichtlich mehrheitsfähig geworden ist. Über das Wie werden wir vermutlich noch den einen oder anderen Streit führen. Aber ich sage noch einmal: Opferschutz beginnt nicht erst nach der Tat, meine Damen und Herren, sondern muss bereits vor der potenziellen Tat ansetzen.

(Beifall bei der CDU)

Darum ist insbesondere die nachträgliche Sicherungsverwahrung eine Maßnahme, um Opferschutz im besten Sinne des Wortes zu gewährleisten. Wenn Sie Ihre Politik in diesem Bereich, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, nicht unglaubwürdig werden lassen wollen, dann sollten Sie mit uns eine gemeinsame Lösung suchen. Wir haben auch heute noch die Chance dazu, indem wir diesen Gesetzentwurf an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zurückgeben und noch einmal versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu finden.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin dafür, dass wir das tun. Unsere Unterstützung, unsere Kompromissbereitschaft in dieser Frage würden Sie dort vorfinden. Wir würden gemeinsam deutlich machen, dass es uns darum geht, rechtsfest eine solche Gesetzeslücke zu schließen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Bockmann. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stecken in diesem Thema drin, Herr Kollege Stratmann, und wir wollen an dieses Thema heran. Eines muss ich in den Vordergrund stellen: In vielen Positionen stimmen wir überein. Wir stimmen bei dem Opferschutz, bei Präventionen und darin überein, dass wir alles tun müssen, um die Anzahl dieser grausamen Sexualstraftaten zu vermindern. Das ist unstrittig. Was aber auch heute wieder im Raum steht - das haben nicht Sie, sondern Ihr Fraktionsvorsitzender Wulff heute Morgen in seiner Replik auf die Regierungserklärung getan -, ist, dass Sie den Verlockungen leider

nicht widerstehen können, populistische Schnellschüsse vorzunehmen.