Protokoll der Sitzung vom 26.10.2001

(Wojahn [CDU]: Deswegen sind Sie dahingekommen!)

Sie sollten einmal auf Ihrem Bundesparteitag darüber nachdenken, ob Sie sich nicht für all diese falschen Versprechungen bei den LüchowDannenbergern unter den heutigen Bedingungen - das Risiko wird ja neu bewertet - entschuldigen und korrigieren sollten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Selbstverständlich ist es so, dass Gemeinden mit einem Entsorgungsstandort Sonderlasten zu tragen haben. Man muss darüber nachdenken, welchen Ausgleich sie dafür erhalten können.

Der beste Ausgleich für Gorleben und Konrad sieht für mich allerdings ganz anders aus: Konrad sollte nicht in Betrieb genommen werden, man sollte CASTOR-Transporte nach Gorleben einstellen, und man sollte die ungeeigneten Endlagerstandorte aufgeben.

(Inselmann [SPD]: Und Entschädi- gung zahlen!)

Die Menschen in der Region Gorleben wären Ihnen dankbar, wenn Sie sich konsequent in diesem Sinne einsetzen würden. In der Region Gorleben gibt es für dieses Entsorgungszentrum keine wirkliche Akzeptanz. Da helfen auch keine finanziellen Mittel.

Ich muss Sie an dieser Stelle wohl noch einmal darauf aufmerksam machen, dass der Arbeitskreis „Auswahlverfahren Endlagerstandorte“ nicht nur intensiv an einem Suchverfahren und an geologischen Kriterien arbeitet, sondern auch daran, wie soziale und ökonomische Aspekte bei der Suche nach einem Endlager berücksichtigt werden können und müssen. Dazu gehören das ökonomische Entwicklungspotenzial und die Lebensqualität einer Region, ihr kulturelles Potenzial und der innere Friede. Mit der Einbeziehung dieser Kriteriengruppe in ein neues Suchverfahren würde Neuland beschritten. Diese Arbeiten sind aber noch nicht abgeschlossen.

Herr Kollege Wojahn, ich war vor kurzem auf der öffentlichen Jahrestagung dieses Arbeitskreises. Das war sehr interessant. Es waren auch Mitarbeiter des Niedersächsischen Umweltministeriums da, was ich sehr begrüße. Völlig gefehlt hat dort allerdings die niedersächsische Landespolitik. Für Landtagsabgeordnete - selbst aus der Region Gorleben - scheint so etwas nicht interessant zu sein. Das bedauere ich sehr.

Ausgleichszahlungen unter der Überschrift „Gorlebengelder“ kennen wir schon. In der Tat wurde einiges an Geld in die Region geschoben; ich glaube, das änderte sich erst im Jahr 1992. Dieses Geld wurde mit gutem Grund als Schmiergeld bezeichnet, denn diese Zahlungen waren immer mit einer Wohlverhaltensklausel verbunden: Die Gemeinden mussten erklären, dass sie von den Entsorgungsplänen begeistert sind und dass sie die Planungen der Atomindustrie freundlich nach außen vertreten.

Ich bin nicht dafür, solche schlechten Methoden wiederaufleben zu lassen. Ich unterstütze ausdrücklich die Forderungen aus dem Kreistag Lüchow-Dannenberg nach projektbezogener sowie nach finanzieller und auch nichtfinanzieller Förderung der Anliegen der Region.

Eine sehr gute Gelegenheit, das wahr zu machen, wäre, die Region bei ihrer Teilnahme an dem Wettbewerb um Modellregionen zu unterstützen, den das Bundeslandwirtschaftsministerium ausge

schrieben hat. Die Region bearbeitet ihren Wettbewerbsbeitrag sehr engagiert, und zwar parteiübergreifend; Lüneburger sind auch dabei. Ich hoffe, dass Lüchow-Dannenberg in diesem interessanten Wettbewerb endlich einmal einen positiven Erfolg erzielen kann.

Noch zwei Sachen. Erstens halte ich die Bezugnahme auf den Bund/Länder-Finanzausgleich für völlig irregeleitet. Ich weiß nicht, welcher Finanzpolitiker Ihnen geraten hat, das in Ihren Antrag aufzunehmen. Das ist nicht das geeignete Instrument, wenn man denn je über einen realen Ausgleich zu entscheiden hat, nämlich dann, wenn tatsächlich ein Standort gefunden ist.

Zweitens. Herr Kollege Wojahn, ich habe mich gefragt, ob Sie sich in Ihrer Fraktion tatsächlich schon so lange mit der Endlagerproblematik befassen, wie der Landtag das tut, nämlich seit ungefähr einem Vierteljahrhundert. Sie schreiben nämlich im dritten Absatz der Begründung:

„Allein die Rechtsform der öffentlichrechtlichen Trägerschaft und die damit verbundene Gemeinnützigkeit führen dazu, dass keine Steuern entstehen.“

Ich habe mich gefragt, von welchem Unternehmen Sie da eigentlich sprechen. Jedenfalls kann es nicht die DBE sein, also die Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern. Diese Gesellschaft ist zwar von der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BfS, mit der Planung, Errichtung und dem Betrieb für die Standorte Gorleben, Konrad und Morsleben beauftragt, aber sie ist weder in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft, noch ist sie gemeinnützig.

Frau Kollegin, ich finde es zwar faszinierend, dass rotes Licht Sie nicht beeindruckt, aber Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Lassen Sie mich noch einen Satz sagen, Herr Präsident, an Ihrem zehntausendsten Tag!

Na gut.

In dieser Hinsicht ist die DBE ein ganz normales Unternehmen, so wie andere Abfallbetriebe auch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gratuliere auch namens der Landesregierung den drei Abgeordneten, die 10 000 Tage in diesem Hause sind: dem Abgeordneten Jahn - -

(Jahn [CDU]: Nein, der überhaupt nicht, der ist schon 11 000 Tage da- bei! - Heiterkeit)

- Entschuldigung, dann sind wir falsch informiert worden. Es sollen drei sein. Dann sage ich den anderen Namen vorsichtshalber nicht; nachher gibt es hier noch einen Wettstreit und werden noch Fehlzeiten berechnet.

Aber Spaß beiseite. Ich habe diese Debatte mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Sie hat deutlich gemacht, dass aus der Region Gorleben mit guten Argumenten eine Kompensation für die Sonderlast eingefordert wird, die ihr durch die Beschlüsse zur Entsorgungspolitik in dieser Republik auferlegt worden ist.

Alle diese Argumente kann man analog natürlich auch für das Land Niedersachsen vorbringen, weil Niedersachsen diese Belastungen stellvertretend für alle anderen Bundesländer zu tragen hat. Das wird immer dann besonders deutlich, wenn die CASTOR-Transporte vorrangig durch niedersächsische Polizeibeamte, Sicherheitskräfte, durch niedersächsische kommunale Instanzen und durch niedersächsische Landesbehörden abgesichert werden müssen. Alle diese Auseinandersetzungen um wirtschaftliche Nachteile und zusätzliche Kosten sind von der Landesregierung, stellvertretend für die Region, mehrfach und intensiv diskutiert worden. Vom Grundsatz her gibt es also, glaube ich, keinen Dissens über den Anspruch, den wir formulieren.

Wir diskutieren im Moment sehr intensiv über die Mittel und Wege, wie man diesen Anspruch gegenüber dem Bund und gegenüber den Betreibern der Anlagen, die ja ursächlich dafür verantwortlich

sind, dass wir entsorgen müssen, durchsetzen kann. Auch da gibt es noch keinen Dissens.

Aber nach dem, was ich jetzt von Herrn Wojahn gehört habe, wird es dann doch interessant. Er hat am Schluss gesagt, dass dieses wichtige Problem, das der CDU jetzt plötzlich bewusst geworden ist, über den Weg der CDU-Ortsverbände, der CDUKreisverbände, der CDU-Landesverbände und den CDU-Bundesparteitag zu einer Lösung geführt werden soll. Da werde ich skeptisch, Herr Wojahn.

Erstens werde ich skeptisch, wenn ich mir die zeitliche Platzierung dieser Anträge anschaue. Sie werden nämlich just zu dem Zeitpunkt formuliert, zu dem die Bundesregierung nicht mehr von der CDU gestellt wird.

Zweitens werde ich skeptisch, weil der Weg, den Sie eben vorgezeichnet haben, zu einer interessanten Debatte auf dem CDU-Parteitag führen dürfte. Ich habe nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über mehrere Jahre die Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich mitgestalten dürfen. Jede Diskussion über Sonderregelungen für Sonderlasten, insbesondere bei der Beschreibung und Durchsetzung von besonderen Lasten bei den Hafenanlagen, hat dazu geführt, dass insbesondere Ihre politischen Freunde aus dem Süden mit Macht darauf gedrungen haben, dass solche Sonderlasten nicht mehr in das allgemeine System des Länderfinanzausgleichs aufgenommen werden.

(Wojahn [CDU]: Das weiß ich!)

Sie sind auch nicht mehr drin. Wenn nun Sie als CDU in Niedersachsen der CSU in Bayern klar machen wollen, dass Gorleben der Präzedenzfall dafür werden soll, dass Sonderregelungen für Sonderlasten wieder in ein - rechtlich im Übrigen noch nicht einmal ganz abgeschlossenes - Verfahren zum Länderfinanzausgleich aufgenommen werden sollen, dann wünsche ich Ihnen viel Glück. Das wird aber nicht funktionieren. Deshalb werden Sie den Antrag, den Sie hier gestellt haben, auch nicht auf Ihrem Parteitag stellen. Der wird dann ganz anders aussehen. Dann wird man nämlich versuchen, den richtigen Adressaten zu finden, der das Geld liefern soll. Das ist nach Lage der Dinge der Bundeshaushalt. Ich kann mir vorstellen, dass man im Bundeshaushalt aus übergeordnetem nationalen Interesse anerkennt - im Sinne einer Pauschale oder wie auch immer organisiert -, dass es für die Region und für das Land Niedersachsen kompensatorische Gelder geben muss. Dafür

streitet aber auch die Landesregierung: der Umweltminister auf seinen Kanälen, der Finanzminister auf seinen Kanälen und der Innenminister auf seinen Kanälen.

(Eveslage [CDU]: Gegeneinander o- der miteinander?)

Wenn es uns gelänge, das Bündnis, von dem Herr Dehde zu Recht gesprochen hat - der Kommunen, die ihre Betroffenheit definieren, und des Landes, das seine Betroffenheit formuliert -, in einen vernünftigen gemeinsamen Antrag zu überführen, der dann allerdings - das gebe ich gerne zu - nicht auf dem CDU-Parteitag vorgelegt werden könnte,

(Inselmann [SPD]: Das glaube ich auch!)

dann hätten wir wenigstens eine Interessenbeschreibung aus gemeinsamer niedersächsischer Sicht, für die wir dann auch streiten könnten.

In diesem Sinne bin ich dankbar, dass dieses Thema angesprochen worden ist. Ich bin auch dankbar, dass die Unterschiede in den Auffassungen der drei Fraktionen klar geworden sind. Wofür die Landesregierung steht, habe ich gesagt: Wir wollen durchsetzen, dass die erkennbaren Sonderlasten, die aus dem Atomendlager abzuleiten sind, letztlich durch eine Sonderdotierung - dann aber im Bundeshaushalt - abgegolten werden.

Ich sehe allerdings keinerlei Möglichkeit, über den kommunalen Finanzausgleich - sozusagen in vorauseilendem Gehorsam, also bevor das Land überhaupt kompensatorische Mittel erhalten hat - Ihrem Anliegen zu entsprechen. Sie können ja vielleicht einmal innerhalb der CDU-Fraktion herumfragen, ob ein besonderes Bedürfnis besteht, Regionen zur Mitfinanzierung heranzuziehen, in denen CDUMehrheiten zuhause sind, und Geld in Ihre Region zu leiten. Ich halte diesen Weg für taktisch zulässig, im Ergebnis aber für falsch.

(Beifall bei der SPD bei den GRÜ- NEN)

Vielen Dank. - Herr Kollege Schwarzenholz hat zwei Minuten Redezeit. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU suggeriert die dauerhafte Einrichtung von zwei Atomstandorten in Niedersachsen. Die CDU macht damit deutlich, was sie von ergebnisoffenen Genehmigungsverfahren hält, die zumindest rechtstheoretisch bei uns vorgesehen sind. Sie schaffen hier Prämissen und tun so, als sei alles in trockenen Tüchern. Das Ergebnis mag ja politisch zu befürchten sein. Aber so, wie Sie es hier dargestellt haben, ist das absolut unseriös und unkorrekt.

Was mich heute stört, ist: Wir haben vorhin - ich möchte jetzt über den Standort Salzgitter sprechen - eine Debatte über die Arbeitsplätze bei MAN Salzgitter geführt. In der direkten Nähe zu dem geplanten Atommüllendlager Schacht Konrad gibt es 35 000 bis 40 000 Industriearbeitsplätze in Firmen, die überwiegend, wie zum Beispiel das Motorenwerk von VW, direkt an dieses Gelände angrenzen. Diese Firmenstandorte sind durchaus auch als Standorte gefährdet. In den Konzernen - wir hatten das heute im Zusammenhang mit MAN - wird über die Fragen diskutiert: Gehe ich an einen solchen Standort? Investiere ich dort?

(Zustimmung von Frau Harms [GRÜNE])

Bei uns in Salzgitter stellen die Gewerkschaften den Kern des Widerstandes gegen dieses Atomprojekt,

(Zustimmung von Frau Harms [GRÜNE])

weil sie ganz genau wissen, dass Unternehmen dort auf Dauer nicht gehalten werden können, wenn in unmittelbarer Nähe zu diesen zentralen hochtechnologischen Industriebetrieben ein Atommüllendlager mit den entsprechenden Gefährdungspotenzialen, die sich im Alltag ergeben, errichtet wird. Ich nenne beispielhaft die Erhöhung der Niedrigstrahlung und das ganze infrastrukturelle Gefahrenpotenzial, das sich dort aufbaut. 95 % des gesamten deutschen Atommülls sollen in dieses Atommüllendlager, dort sollen täglich Transporte laufen, und dann ist das Ding nur halb voll. Dann wird das eintreten, was Minister Jüttner an anderer Stelle schon angekündigt oder als Frage aufgeworfen hat. Es wird ein europäisches Endlager mit den entsprechenden Gefährdungspotenzialen geben. Und Sie wollen diese Risiken, dieses Potenzial zur Vernichtung von Arbeitsplätzen, finanziell aus

gleichen? - Sie machen sich damit bei uns in der Region nur noch lächerlich.